Sophienlust 283 – Familienroman - Marisa Frank - E-Book

Sophienlust 283 – Familienroman E-Book

Marisa Frank

5,0

Beschreibung

Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren: Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. "Muß ich wirklich hierbleiben?" Die großen braunen Augen der Vierjährigen füllten sich mit Tränen. Brigitte Lederer seufzte. Sie erhob sich und ging zu der Kleinen hin, die, die Hände auf dem Rücken verborgen, neben dem offenen Kamin stand. "Heike", begann Brigitte und ging neben dem kleinen Mädchen in die Knie. "Wir haben doch über alles gesprochen. Bei mir kannst du nicht bleiben. Ich bin den ganzen Tag nicht in der Wohnung. Ich muß doch arbeiten." "Aber ich würde die ganze Zeit ruhig auf dem Sofa sitzen", meinte die Kleine und schluchzte auf. "Heike, komm einmal her", schaltete sich nun Denise von Schoenecker ein. Sie saß auf dem hochlehnigen Sofa und hatte die Kleine schon die ganze Zeit beobachtet. "Nein!" Heftig schüttelte Heike den Kopf. "Ich will nicht. Ich will auch nicht hierbleiben." Nun schluchzte sie so heftig, daß sie nicht mehr weitersprechen konnte.

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Sophienlust – 283–

Heike weiß, was sie will

Blumen für meine neue Mutti!

Marisa Frank

»Muß ich wirklich hierbleiben?« Die großen braunen Augen der Vierjährigen füllten sich mit Tränen.

Brigitte Lederer seufzte. Sie erhob sich und ging zu der Kleinen hin, die, die Hände auf dem Rücken verborgen, neben dem offenen Kamin stand.

»Heike«, begann Brigitte und ging neben dem kleinen Mädchen in die Knie. »Wir haben doch über alles gesprochen. Bei mir kannst du nicht bleiben. Ich bin den ganzen Tag nicht in der Wohnung. Ich muß doch arbeiten.«

»Aber ich würde die ganze Zeit ruhig auf dem Sofa sitzen«, meinte die Kleine und schluchzte auf.

»Heike, komm einmal her«, schaltete sich nun Denise von Schoenecker ein. Sie saß auf dem hochlehnigen Sofa und hatte die Kleine schon die ganze Zeit beobachtet.

»Nein!« Heftig schüttelte Heike den Kopf. »Ich will nicht. Ich will auch nicht hierbleiben.« Nun schluchzte sie so heftig, daß sie nicht mehr weitersprechen konnte.

»Nicht, Heike!« Brigitte Lederer strich der Kleinen tröstend über das Haar.

»Mami, ich will zu Mami«, stammelte Heike und wandte sich nun auch von Brigitte Lederer ab.

Die junge Frau seufzte nochmals und warf Denise von Schoenecker der Verwalterin des Kinderheims Sophienlust einen verzweifelten Blick zu. Da sehen Sie selbst, sollte das heißen. Was soll ich nur tun?

Denise von Schoenecker, eine noch sehr jugendlich wirkende Frau, erhob sich. »Hast du Tiere gern?« fragte sie das kleine Mädchen.

Heike schnupfte auf, dann nickte sie. »Mami hat versprochen, daß ich einen Hund bekomme.« Ihr Gesichtchen verzog sich wieder. »Ich will zu Mami.«

»Das geht nicht.« Mitfühlend betrachtete Denise die Kleine, der nun die Tränen über die Wangen liefen. Ihre Eltern waren vor kurzem beide bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Eigentlich hatte Heike Bauer ihr Leben nur dem Umstand zu verdanken, daß sie ihre Eltern nicht begleitet hatte, sondern während dieser Zeit bei Frau Lederer, der Nachbarin, geblieben war.

Das Schluchzen der Kleinen schnitt Denise ins Herz.

»Hör mir einmal zu, Heike. Wenn du Tiere gern hast, dann wird es dir bei uns sicher gefallen.Wir haben hier drei Hunde. Einen schon sehr alten Hund und zwei jüngere Hunde. Der alte Hund ist eine Schäferhündin. Sie heißt Bella. Die anderen Hunde heißen Anglos und Barri.«

Aufmerksam hörte Heike zu. Nun wiederholte sie: »Bella, Anglos und Barri!«

»Richtig«, lobte Denise. Mit Heike am Arm ging sie zum Sofa zurück und setzte sich wieder. »Magst du auch Kaninchen?«

»Kaninchen?« Heikes Interesse war geweckt. Neugierig sah sie Denise an.

»Hier wohnt ein Mädchen, das nur ein Jahr älter ist als du. Ihm gehören zwei Kaninchen.« Denise sah kurz zu Schwester Regine, der Kinder- und Krankenschwester von Sophienlust, hinüber. Schwester Regine verstand. Sie erhob sich und machte sich auf die Suche nach Heidi Holsten, dem jüngsten Dauerkind des Kinderheims Sophienlust.

Denise von Schoenecker sprach inzwischen weiter auf das Kind ein. Längst war Heikes Tränenstrom gestoppt. »Wir haben hier auch Vögel. Einen ganz gelehrigen Vogel, der sprechen kann. Es ist der Papagei Habakuk.«

Heike vergaß ihren Kummer. Ihre Augen bekamen Glanz. »Will sehen«, forderte sie und rutschte von Denises Schoß.

»Heidi wird dir alles zeigen«, meinte Denise und lächelte.

Gleich darauf erschien die Fünfjährige auch schon an der Hand von Schwester Regine. Stolz blickte sie in die Runde, denn Schwester Regine hatte ihr bereits erklärt, daß sie einen Neuankömmling trösten müsse.

»Ich bin Heidi«, sagte sie und ging unbefangen auf Heike zu.

»Zeigst du mir die Vögel? Ich will alle Tiere sehen.«

»Das können wir machen. Komm nur mit mir mit.« Heidi ergriff Heikes Hand und zog sie durch die Halle. Als sie an Denise vorbeikam, meinte sie selbstbewußt: »Wir werden das Kind schon schaukeln.«

Denise mußte lachen, denn dieser Satz gehörte im Moment zu den liebsten Redewendungen ihres neun Jahre alten Sohnes Henrik.

Sofort verzog sich Heidis Gesicht. »Du lachst doch nicht über mich?« erkundigte sie sich. Sie war ein sehr lebhaftes Kind, aber auch sehr anschmiegsam. Sie brauchte viel Liebe.

»Nein, nein«, beruhigte Denise sie. »Ich lache über deinen Ausspruch.«

»Wenn Henrik das sagt, dann lacht niemand. Ich will auch so klug wie Henrik sein. Wann darf ich in die Schule gehen?« In letzter Zeit stellte Heidi diese Frage mehrmals am Tag.

Mit großen Augen hatte Heike zugehört. Jetzt meldete sie sich selbst wieder zu Wort. »Ich will den Vogel sehen.«

»Das habe ich nicht vergessen.« Heidi zog Heike weiter, nun direkt auf die Tür des Wintergartens zu. Hier hatte der Papagei Habakuk sein Domizil. Auch ein Wellensittich und ein Kanarienvogel flatterten hier herum.

Denise wartete, bis die zwei Kinder verschwunden waren, dann wandte sie sich an Frau Lederer. »Darf ich Sie bitten, mit mir ins Büro zu kommen? Dort können wir alles Weitere erledigen.«

Vor Frau Lederer ging Denise durch die Halle, den Mittelpunkt des Kinderheims. Von hier führten Türen zu allen im Erdgeschoß liegenden Zimmern. Über eine breite, teppichbespannte Treppe kam man von hier auch in den ersten Stock hinauf.

In dem büroähnlichen Empfangszimmer nahm Denise, nachdem sie Frau Lederer einen Sessel angeboten hatte, hinter dem Schreibtisch Platz. »Ich hoffe, Sie haben sich ein Bild von unserem Kinderheim machen können«, begann sie.

»Ich bin überzeugt, daß Heike bei Ihnen gut untergebracht ist.« Erleichterung stand bei diesen Worten in Brigitte Lederers Gesicht. »Ich habe mir schon solche Sorgen gemacht. Ich würde mich ja gern um das Kind kümmern, aber es geht nicht. Mein geschiedener Mann zahlt keinen Unterhalt, so daß ich auf meinen Verdienst angewiesen bin.«

»Natürlich.« Denise lächelte verbindlich.

»Nein, nein, ich werde mich selbstverständlich auch weiter um Heike kümmern. Ich will sie nicht abschieben. Ich werde sie immer am Wochenende besuchen. Am Wochenende kann ich sie sogar mit nach Hause nehmen.« Resignation erschien in ihrem Gesicht. »Ich habe sonst ja niemanden mehr. Eigene Kinder bleiben mir versagt.«

»Heike scheint sehr an Ihnen zu hängen.«

Das Gesicht der Besucherin hellte sich wieder auf. »Ja, sie war oft bei mir. Ich habe mich auch mit dem Ehepaar Bauer gut verstanden. Wenn die beiden ausgehen wollten, habe ich stets auf Heike aufgepaßt.« Schwärmerisch erzählte sie, wie süß Heike als Baby gewesen war. Und dann kam sie auf den Unfall zu sprechen.

»Es war schrecklich. Drei Wochen ist es nun her. Herr und Frau Bauer wollten nur schnell nach Maibach fahren. Eigentlich hätte Heike mitfahren sollen, aber sie zog es vor, bei mir zu bleiben, denn ich hatte gerade Kuchen gebacken. Die Zeit verging, und Heike wurde immer ungeduldiger, denn Herr Bauer hatte versprochen, ihr etwas mitzubringen. Immer wieder lief sie zur Tür.«

Frau Lederer schwieg. Die schrecklichen Ereignisse dieses Tages standen wieder deutlich vor ihren Augen.

»Ich habe Urlaub genommen und mich seither um Heike gekümmert«, fuhr Brigitte Lederer schließlich fort. »Wir waren oft am Friedhof. Im Grunde hat sie verstanden, daß ihre Eltern nicht wiederkommen werden, aber wenn sie Angst hat oder etwas will, dann ruft sie trotzdem nach ihrer Mami.«

»Die Kinder hier werden Heike schon ablenken«, meinte Denise zuversichtlich.

Nachdem die nötigen Formulare ausgefüllt waren, erhob sich Frau Lederer. »Für mich wird es Zeit zum Abschiednehmen.« Unruhig verschlang sie die Hände ineinander, dann gestand sie: »Ich habe Angst, mich von Heike zu verabschieden. Es wird sicher wieder Tränen geben.«

Denise überlegte. »Vielleicht ist es wirklich besser, wenn Sie ohne große Worte gehen.«

»Ich rufe Sie aber auf alle Fälle morgen an, und Samstag komme ich bereits in der Früh vorbei. Wenn Heike Lust hat, können wir dann gemeinsam etwas unternehmen.« Dankbar sah Brigitte Lederer Denise von Schoenecker an.

»Ich werde es Heike bestellen.« Denise öffnete für ihren Besuch die Tür und begleitete ihn hinaus in die Halle.

Aber Frau Lederer kam nicht ungesehen davon. Aus dem Wintergarten kam Heike herbeigestürmt. Vor Aufregung hatte sie rote Bäckchen.

»Er spricht wirklich«, verkündete sie. »Sieh ihn dir an. Es ist ein sehr kluger Vogel. Ich gehe inzwischen mit Heidi mit. Sie zeigt mir noch ihre Hasen. Dann bin ich fertig, und wir können nach Hause fahren.«

»Gut, ich schaue mir den Papagei an, aber dann…« Brigitte Lederer warf Denise einen hilfesuchenden Blick zu.

»Dann fahren wir gleich, Tante Brigitte.« Entschlossen griff die Kleine nach der Hand der Frau, die ihr in den letzten Wochen alles bedeutet hatte.

»Bleibt Heike nicht bei uns?« rief Heidi enttäuscht.

»Siehst du, Heike, Heidi will auch, daß du hierbleibst.« Brigitte Lederer entzog Heike unbeholfen ihre Hand. »Ihr werdet sicher viel Spaß miteinander haben.«

»Komm, Heike, wir sehen nach meinen Hasen«, lockte Heidi.

»Die Hasen…« Die Kleine zögerte. Sie liebte Tiere wirklich sehr. Also nickte sie. »Die Hasen sollen sehr lieb sein«, versuchte sie nun ihrerseits zu locken. »Sie haben auch ganz komische Namen.« Dabei sah sie Brigitte Lederer bittend an.

Diese schüttelte leicht den Kopf.

»Heike, wir haben so lange darüber gesprochen. Es geht nicht.«

»Du willst nicht!« Die großen Augen des Kindes blitzten nun zornig. »Meine Mami hat auch nicht arbeiten müssen. Du willst nicht meine neue Mami sein.«

»Heike!« Sekundenlang stand Brigitte Lederer hilflos da, dann nahm sie das Mädchen fest in die Arme. »Du weißt, daß das nicht stimmt. Ich habe dich lieb. Ich werde dich auch immer besuchen.«

»So!« Heike preßte die Lippen zusammen. Dann befreite sie sich heftig aus den Armen ihrer Tante. »Ich gehe jetzt die Hasen ansehen.«

»Willst du mir nicht auf Wiedersehen sagen?« Ein Würgen saß in Brigittes Kehle.

»Erst wenn du wiederkommst.« Heike sah die junge Frau nicht mehr an, sondern nahm Heidis Hand. »So, wir können gehen«, meinte sie.

Heidi führte die neue Freundin hinaus in den Park. Das ehemalige Herrenhaus, in dem das Kinderheim Sophienlust untergebracht war, lag mitten in einem großen Park.

»Wir müssen Justus suchen«, erklärte Heidi. »Er darf meine Kaninchen betreuen. Er ist schon sehr alt, aber er kennt sich gut mit allen Tieren aus. Wenn du lieb bist, wird er dir sicher auch einmal eine Geschichte erzählen. Das kann er ganz prima.«

Heidi blieb stehen. Neugierig sah sie Heike an. Eine Frage beschäftigte sie. »Sag mal«, platzte sie heraus. »Warum hast du deiner Tante nicht auf Wiedersehen gesagt? Das sagt man doch, wenn einer geht, und nicht, wenn einer kommt.«

»Man sagt auf Wiedersehen, und dann kommt er nicht mehr.« Heikes Augen füllten sich mit Tränen.

»Nicht doch«, rief Heidi erschrocken.

»Aber es ist wahr! Ich habe Mami und Papi auf Wiedersehen gesagt und ihnen ganz fest einen Kuß gegeben, und trotzdem sind sie bis heute nicht zurückgekommen.«

»Ich habe auch nur Tante Isi.«

»Wer ist Tante Isi?«

»Das ist Frau von Schoenecker. Alle, die hier wohnen, dürfen sie Tante Isi nennen. Aber das stimmt nicht«, verbesserte sich Heidi. »Ich habe auch Schwester Regine und Tante Ma und dann die vielen, vielen Kinder. Die kannst du auch alle haben.«

»Will nicht!« Wieder erschien Trotz auf Heikes Gesicht. »Ich werde sparen und mir keine Schokolade mehr kaufen. Wenn ich dann viel Geld habe, kaufe ich mir eine neue Mami.«

Mit offenem Mund sah Heidi ihre neue Freundin an. »Ist die nicht sehr teuer?« meinte sie.

*

Brigitte Lederer stand am Rande des Spielplatzes und beobachtete die kleine Heike. Laut lachend saß sie auf der Schaukel und ließ sich von einem etwa dreizehn Jahre alten Mädchen anstoßen. »Hast du gesehen, wie gut ich es kann?« rief sie der Tante zu.

»Prima«, bestätigte Brigitte Lederer. Sie ließ ihren Blick schweifen und fand, Heike hatte es hier wirklich schön. Hier gab es nicht nur den großen Park mit dem alten Baumbestand, es gab auch eine Spielwiese, einen Spielplatz mit Sandkästen, Schaukeln, Rutschen und Recks. Brigitte war froh, Heike hierhergebracht zu haben. Sophienlust war wirklich kein Waisenhaus im üblichen Sinne.

Heike hatte genug vom Schaukeln. Mit fröhlichem Gesichtchen kam sie herbeigesprungen.

»Ich kann noch viel mehr«, plapperte sie munter drauflos. »Pünktchen und Heidi haben mir alles gezeigt.«

Brigitte Lederer sah zu dem großen Mädchen hin, das wegen seiner unzähligen Sommersprossen Pünktchen genannt wurde. Denise von Schoenecker hatte ihr bereits erzählt, daß dieses Mädchen sich besonders um Heike kümmerte. Brigitte hätte Pünktchen gern gedankt, aber Heike hatte ihre Hand ergriffen, und zog sie zum Spielpatz weg.

»Ich muß dir noch sehr viel zeigen«

»Es gefällt dir also hier?« Brigitte Lederer beugte sich zu dem Kind hinab.

»Ja, hier bin ich nie allein.« Brigitte Lederer wollte gerade aufatmen, da fuhr Heike fort: »Sieh, was ich hier habe!« Ihre kleine Hand griff in die Tasche ihrer Latzhose. Als sie wieder hervorkam, lag ein blankes Fünfzig-Pfennig-Stück darin. »Mein Kapital!« erklärte sie stolz.

»Dein was?«

»Das nennt man Kapital. Ich spare nämlich. Pünktchen hat mir das Geld geschenkt. Hast du nicht auch eins für mich?«

»Ich glaube schon.« Brigitte Lederer holte ihre Geldbörse hervor. Während sie noch darin kramte, fragte sie: »Wozu willst du eigentlich Geld sparen?«

»Ich spare es.« Heike streckte die Hand nach dem begehrten Geldstück aus.

»Und wozu? Wenn du etwas haben willst, dann kannst du es mir doch sagen. Ich werde es dir dann mitbringen.«

Heike überlegte. »Nein«, entschied sie dann. »Das tust du nicht. Das muß ich schon ganz allein machen.« Ungestüm nahm sie das Geldstück aus der Hand ihrer Tante und ließ es blitzschnell in der Hosentasche verschwinden.

Brigitte Lederer wollte weiterfragen, aber da kam Denise von Schoenecker über den Rasen auf sie zu.

»Tante Isi« Heike löste sich von Brigitte und lief Denise entgegen.

Denise von Schoenecker lächelte. Sie freute sich, daß auch Heike sie seit kurzem Tante Isi nannte. Es fiel ihr im allgemeinen leicht, das Vertrauen ihrer Schützlinge zu erringen. Bei Heike hatte es jedoch etwas länger gedauert. Der Schock über den Unfalltod ihrer Eltern hatte das sonst so liebenswürdige Mädchen verstockt werden lassen.

»Nun?« Denise streckte die Arme aus, fing Heike auf und hob sie hoch. »Hast du deiner Tante schon alles gezeigt?« Sie wandte sich Brigitte Lederer zu, die sie noch nicht begrüßt hatte. Da sah sie, daß die Frau, wie im jähen Schmerz, ihr Gesicht verzog.

»Ist Ihnen nicht gut?« Rasch stellte sie Heike wieder ab. Stützend griff sie nach dem Arm der jungen Frau.

Brigittes Gesicht war bleich. Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn. Trotzdem versuchte sie zu lächeln. »Danke, es geht schon wieder.«

»Wollen Sie nicht ins Haus kommen?« Denise ließ den Arm der Besucherin nicht los.

»Gern. Ich wollte sowieso was mit Ihnen besprechen.« Brigitte Lederer sah auf Heike, die erschrocken zu ihr emporsah. »Lauf zum Spielplatz zurück« meinte sie und versuchte mit bleichem Gesicht ein Lächeln. »Ich komme dann wieder hin.«

»Nur wenn ich von dir noch ein Geld bekomme.« Heike streckte fordernd die Hand aus. Als Brigitte Lederer nicht sofort reagierte, meinte sie: »Ich brauche es wirklich für einen dringenden Zweck.«

Brigitte gab ihr ein Geldstück, und Heike sprang glücklich davon. Als sie außer Reichweite war, wunderte sich die junge Frau. »Was doch in so einem Kinderköpfchen vorgeht. Ich möchte zu gern wissen, was Heike mit dem Geld vorhat.«

»Das kann ich Ihnen sagen. Pünktchen hat es mir verraten. Heike will sich dafür eine neue Mutti kaufen.«

Die beiden Frauen sahen sich an. Ihre Mienen waren ernst. »Sie leidet also«, stellte Brigitte Lederer fest.

»So kann man das nicht sehen«, widersprach Denise ihr. »Heike hat sich wirklich gut eingelebt. Sie steht nicht abseits, sondern spielt und lacht mit den anderen. Nur, wie andere Kinder sich eine neue Puppe wünschen, wünscht sie sich eine neue Mutti.«

Langsam gingen die beiden Frauen während ihres Gesprächs zum Haus zurück. Denise gab in der Küche Bescheid. Sie bat darum, Kaffee zu bringen. Als sie dann der Besucherin in der Halle gegenübersaß, fiel ihr wieder auf, wie bleich Brigitte Lederer war.

»Ist Ihnen noch immer nicht gut?« erkundigte sie sich. »Kann ich etwas für Sie tun?«

Brigitte Lederer schüttelte den Kopf. »Ich weiß bereits, was mir fehlt. Deswegen wollte ich auch mit Ihnen sprechen.« Sie zögerte kurz, ehe sie fortfuhr: »Ich werde mich in nächster Zeit noch weniger um Heike kümmern können. Ich muß nämlich ins Krankenhaus. Man hat festgestellt, daß ich einen Tumor habe. Dieser soll nun entfernt werden.« Sie sah in Denises besorgtes Gesicht. Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Wir wollen aber nicht von mir sprechen.«

»Heike wird Sie vermissen.«

Brigitte Lederer nickte. »Sie wird sich auch von mir verlassen fühlen. Das darf aber nicht sein. Ich habe mir daher gedacht, ich spreche mit Frau Faber. Sie wohnt im Nachbarhaus und kennt Heike auch schon von klein auf. Sie ist bedeutend jünger als ich und sehr kinderlieb. Sie wird sich sicher gern um Heike kümmern. Wäre Ihnen das recht?«

Denise überlegte. »Warum nicht? Frau Dr. Frey, die Kinderärztin, die Heike untersucht hat, meint, daß man bei Heike nur langsam und mit viel Liebe wieder Vertrauen aufbauen kann. Sie ist sehr mißtrauisch.«

»Das ist nur zu verständlich. Trotz des Versprechens, bald zurück zu sein, kamen ihre Eltern nicht wieder.« Kurz sah Brigitte Lederer auf ihre Hände. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich nicht sage, daß ich ins Krankenhaus muß, daß ich nicht weiß, wann ich wieder zu ihr kommen kann.« Sie hob ihren Blick, fragend sah sie Denise an.

»Wahrscheinlich«, stimmte Denise ihr zu. Gleich darauf meinte sie aber: »Heike hat bisher immer nach Ihnen gefragt. Sie wird es auch weiterhin tun.«

»Daher meine ich, daß Frau Faber an meiner Stelle nach ihr sehen sollte. Dann sieht Heike, daß man doch an sie denkt.«

»Gut. Wenn Frau Faber Zeit dazu hat.«