Tag der Versöhnung - Anne Alexander - E-Book

Tag der Versöhnung E-Book

Anne Alexander

5,0

Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Schau mal, Mutti, was ich gefunden habe!«, schrie Henrik von Schoenecker schon von Weitem. Er hielt ein süßes, etwa dreieinhalb Jahre altes Mädchen an der Hand. »Ach je!« Denise von Schoenecker stand aus dem Strandkorb auf und ging ihm entgegen. »Wo kommst du denn her?«, fragte sie die Kleine und kauerte sich vor ihr ins Gras. »Von dort!« Das Mädchen wies auf den Damm hinauf. »Sie saß dort ganz allein auf einer Bank«, berichtete Henrik. »Sie sah schrecklich traurig aus. Ich habe gleich gemerkt, dass da was nicht in Ordnung ist und sie gefragt, wo ihre Eltern sind. Da hat sie gesagt, dass sie das nicht weiß.« »Weißt du denn wirklich nicht, wo deine Mama und dein Papa jetzt sind?«, erkundigte sich Denise. Sie richtete sich auf und strich der Kleinen über die dunklen, zu Rattenschwänzchen gebundenen Haare. Das Kind schüttelte den Kopf. Hoffentlich haben sie dich nicht ausgesetzt, dachte Denise. Sie sah sich die Kleine genauer an. Alles in allem machte es keinen vernachlässigten Eindruck. »Wie heißt du denn?« »Miriam heißt sie«, erwiderte Henrik anstelle der Kleinen. »Ihren Nachnamen weiß sie nicht. Habe ich alles schon gefragt. Ich bin gut, nicht?« Strahlend blickte er zu seiner Mutter auf. Über Denises Gesicht glitt ein amüsiertes Lächeln. Im selben Moment kamen ihr Mann und ihr Sohn Dominik von der anderen Seite. »Was hast du denn für ein Strandgut aufgesammelt, Denise?«, scherzte Alexander von Schoenecker, als sein Blick auf das kleine Mädchen fiel. »Ich habe sie gefunden!«, schrie Henrik. In allen Einzelheiten berichtete er erneut, wie er Miriam auf der Bank entdeckt hatte. »Sie

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Sophienlust – 342 –

Tag der Versöhnung

Anne Alexander

»Schau mal, Mutti, was ich gefunden habe!«, schrie Henrik von Schoenecker schon von Weitem. Er hielt ein süßes, etwa dreieinhalb Jahre altes Mädchen an der Hand.

»Ach je!« Denise von Schoenecker stand aus dem Strandkorb auf und ging ihm entgegen. »Wo kommst du denn her?«, fragte sie die Kleine und kauerte sich vor ihr ins Gras.

»Von dort!« Das Mädchen wies auf den Damm hinauf.

»Sie saß dort ganz allein auf einer Bank«, berichtete Henrik. »Sie sah schrecklich traurig aus. Ich habe gleich gemerkt, dass da was nicht in Ordnung ist und sie gefragt, wo ihre Eltern sind. Da hat sie gesagt, dass sie das nicht weiß.«

»Weißt du denn wirklich nicht, wo deine Mama und dein Papa jetzt sind?«, erkundigte sich Denise.

Sie richtete sich auf und strich der Kleinen über die dunklen, zu Rattenschwänzchen gebundenen Haare. Das Kind schüttelte den Kopf.

Hoffentlich haben sie dich nicht ausgesetzt, dachte Denise. Sie sah sich die Kleine genauer an.

Alles in allem machte es keinen vernachlässigten Eindruck.

»Wie heißt du denn?«

»Miriam heißt sie«, erwiderte Henrik anstelle der Kleinen. »Ihren Nachnamen weiß sie nicht. Habe ich alles schon gefragt. Ich bin gut, nicht?« Strahlend blickte er zu seiner Mutter auf.

Über Denises Gesicht glitt ein amüsiertes Lächeln. Im selben Moment kamen ihr Mann und ihr Sohn Dominik von der anderen Seite.

»Was hast du denn für ein Strandgut aufgesammelt, Denise?«, scherzte Alexander von Schoenecker, als sein Blick auf das kleine Mädchen fiel.

»Ich habe sie gefunden!«, schrie Henrik. In allen Einzelheiten berichtete er erneut, wie er Miriam auf der Bank entdeckt hatte. »Sie ist gleich mit mir gegangen.«

Denise griff in die Kühltasche und zog eine Bockwurst heraus. »Hier, Miriam, iss erst einmal etwas«, sagte sie und drückte die Wurst der Kleinen in die Hand. Miriam zierte sich nicht lange, sondern biss herzhaft hinein.

»Was für einen Hunger sie hat!«, meinte Nick mitleidig. Er öffnete eine Limonadendose, steckte einen Trinkhalm hinein und stellte sie vor Miriam ins Gras. »Oh!«, rief er überrascht aus, als sich die Kleine nach vorn beugte. Er hatte entdeckt, dass sie ein Kettchen mit einem kleinen SOS-Anhänger trug. Rasch öffnete er die Kette und reichte sie seiner Mutter.

»Dass ich den Anhänger nicht gesehen habe!« Henrik seufzte erbittert auf. Es war schon schlimm genug, dass Nick sechs Jahre älter war als er. Und zu allem Überfluss konnte der große Bruder auch immer alles besser.

»Trag’s mit Fassung!« Nick klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.

»Sie heißt Miriam Mewes«, sagte Denise zufrieden, nachdem sie den Anhänger geöffnet und den Zettel, der darin lag, gelesen hatte. »Miriam wohnt in Meldorf, in der Heidestraße 8.«

»Haben die Mewes eine Telefonnummer?«, erkundigte sich Alexander. Er schenkte dem kleinen Mädchen, das selbstvergessen die Wurst verspeiste, einen liebevollen Blick.

»Ja, wir werden sie gleich anrufen. Allerdings kann es auch sein, dass sie in Friedrichskoog sind. Vielleicht machen sie hier einen Besuch und vermissen Miriam längst.« Denise blickte zweifelnd zum Damm. Bis jetzt sah es nicht so aus, als würde Miriam hier in der Nähe gesucht. Wenn ihre Eltern am Strand wären, hätten sie die Kleine längst ausrufen lassen.

»Ich gehe telefonieren.« Alexander nahm den Anhänger.

»Wenn ihre Eltern sie nicht mehr wollen, nehmen wir sie dann nach Sophienlust mit?«, fragte Henrik und setzte sich neben Miriam ins Gras.

»Ihre Eltern werden sicher schon außer sich vor Angst sein«, meinte Denise.

Miriam trank den letzten Rest aus der Limonadendose. »Satt!«, sagte sie und blickte zufrieden von einem zum anderen. Dann wandte sie sich an Henrik. »Spielen wir?« Sie nahm den Ball und warf ihn weit von sich. Jubelnd jagte ihm Miriam nach. Henrik folgte ihr.

»Zu dritt kann man besser spielen«, meinte Nick. Er sprang auf. Henrik warf ihm den Ball zu.

Denise musste nicht sehr lange auf ihren Mann warten. Schon zehn Minuten später kam Alexander von Schoenecker den Damm herunter. Sie ging ihm entgegen. »Hast du ihre Eltern erreicht?«, fragte sie ungeduldig.

Alexander nickte. »Frau Mewes wäre mir am liebsten durchs Telefon um den Hals gefallen«, erzählte er. »Miriam wird bereits in ganz Meldorf gesucht. Sogar die Polizei ist schon durch die Straßen gefahren. Ich habe ihr versprochen, dass wir sie sofort hinbringen.«

»Selbstverständlich!« Denise rief ihre Söhne und das kleine Mädchen. »Zieht euch an«, sagte sie zu Nick und Henrik. »Wir fahren nach Meldorf.«

»Dann wollen sie ihre Eltern also wieder!« Henriks Stimme klang enttäuscht. »Ich hätte sie gern nach Sophienlust mitgenommen.«

»Schlingel!« Alexander fuhr seinem Sohn durch die braunen stets zerzausten Haare. »Ab mit euch in die Umkleidekabinen!« Er nahm Miriam auf den Arm. »Freust du dich auf deine Mama und deinen Papa?«

Miriam schmiegte das dunkle Köpfchen an seine Schulter. »Ganz doll«, versicherte sie.

*

Von Friedrichskoog nach Meldorf war es nicht sehr weit, und so parkte Alexander von Schoenecker bereits eine Stunde später vor einem hübschen Einfamilienhaus in der Heidestraße. Sie waren noch nicht ausgestiegen, als sich die Haustür öffnete und eine junge, sehr hübsche Frau herausstürzte. Sie trug ein buntes Hauskleid, auf ihren Schultern ringelten sich blonde Locken.

»Mama!« Miriam klopfte gegen das Autofenster. »Ich will zu meiner Mama!« Sie versuchte, die Tür zu öffnen.

»Immer langsam!« Nick beugte sich über das kleine Mädchen und entriegelte die Tür.

Inzwischen waren auch Denise und Alexander von Schoenecker ausgestiegen. Lächelnd sahen sie zu, wie Julia Mewes ihre Tochter in die Arme schloss und sie zärtlich an sich drückte.

»Wurst habe ich bekommen, Mama«, plapperte die Kleine unbekümmert. »Und eine große Limo!«

Mit dem Kind auf dem Arm wandte sich Julia an die von Schoen­eckers: »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Wir waren schon so verzweifelt.« Verstohlen wischte sie sich über die Augen. »Miriam ist doch unser Ein und Alles.«

»Das kann ich gut verstehen.« Denise reichte der jungen Frau die Hand.

»Bitte, kommen Sie doch herein«, bat Julia Mewes, nachdem sie auch noch Alexander von Schoenecker und die beiden Jungen begrüßt hatte. »Ich habe eine Kleinigkeit vorbereitet. Ich hoffe, Sie mögen heiße Waffeln.«

»Sehr gern sogar, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen«, meinte Denise.

»Ich mag Waffeln auch«, verkündete Miriam und schmiegte sich an ihre Mutter.

Eine halbe Stunde später saßen sie an dem Wohnzimmertisch der Mewes und ließen es sich schmecken.

»Wie bist du nur auf die Idee gekommen, in den Bus nach Friedrichskoog zu steigen, Liebes?«, fragte Julia ihre kleine Tochter. Sie sah Denise an. »Ich dachte ja erst, sie hätte sich hier selbstständig gemacht. Fünf Minuten nur hatte ich sie aus den Augen gelassen. Ganz Meldorf ist abgesucht worden. Mein Mann ist jetzt noch unterwegs. Einer seiner Kollegen wollte ihn verständigen.«

»Wollte Bus fahren«, erklärte Miriam, als wäre dies die selbstverständlichste Sache der Welt.

»Eigentlich hätte der Busfahrer stutzig werden müssen«, meinte Alexander. »Wenn so ein kleines Mädchen allein in den Bus steigt, kann doch etwas nicht stimmen.«

»Vielleicht sind noch mehr Leute eingestiegen, und der Fahrer dachte, Miriam gehört dazu. Was hätte ihr nicht alles passieren können! Ich bin nur froh, dass der Bus direkt zum Friedrichskooger Strand fährt und nicht in der Stadt gehalten hat.«

»Ist Miriam schon öfter weggelaufen?«, fragte Alexander. Er blickte sich unauffällig in dem elegant eingerichteten Wohnzimmer um. Arm schienen die Mewes nicht zu sein. Zudem besaßen sie einen ausgezeichneten Geschmack.

»Wenn man nicht auf sie aufpasst, macht sie sich selbstständig«, gab Julia zu. »Mag sein, dass es ein Fehler ist, ihr zu verbieten, den Garten zu verlassen, aber Spielmöglichkeiten hat sie hier genug! Mein Mann hat den Spielplatz selbst angelegt.«

»Sie wird andere Kinder vermissen«, gab Denise zu bedenken.

»Oh, sie hat Spielgefährten. Die Kinder der Nachbarschaft können jederzeit in unseren Garten kommen.« Julia hob lauschend den Kopf. »Mein Mann kommt gerade!« Sie stand auf und verließ das Wohnzimmer.

»Eine sympathische Frau«, flüsterte Alexander.

Denise nickte. »Ich bin sehr froh, dass Miriam eine so gute Mutter hat. Immerhin hätte es ja sein können, dass sie nicht nur aus Abenteuerlust ausgerissen ist. Wir …« Sie unterbrach sich, weil in diesem Moment Julia Mewes mit einem dunkelhaarigen Mann Anfang Dreißig ins Wohnzimmer trat. Er trug einen hellen Anzug und ein Hemd mit Krawatte.

»Wir sind Ihnen sehr dankbar!«, sagte er, nachdem seine Frau ihn vorgestellt und sie einander begrüßt hatten. »Das heißt, noch viel mehr als dankbar! Was Sie heute für uns getan haben, werden wir nie gutmachen können. Wir stehen tief in Ihrer Schuld.«

»Was haben wir schon groß getan!«, erwiderte Denise lachend. »Nein, Herr Mewes, Sie sind uns wirklich nichts schuldig.«

»Das sehe ich anders«, beharrte Bertram Mewes. Er wandte sich an seine Frau. »Ich habe mir für den Rest des Tages freigenommen. Es wäre mir unmöglich, jetzt weiterzuarbeiten. Wie ich von meinem Kollegen erfahren habe, hat Ihr kleiner Sohn Miriam entdeckt«, sagte er zu Alexander von Schoenecker. »Erlauben Sie, dass wir ihm etwas schenken?«

»Das ist doch nicht nötig.«

»Wir möchten ihm aber eine Freude machen. Wenn Miriam etwas passiert wäre, Julia und ich wären wahnsinnig geworden.« Bertram nippte an seiner Tasse. »Wir haben drei Jahre auf Miriam gewartet. Sie ist das wunderbarste Geschenk, das wir jemals bekommen haben und bekommen werden.«

»Bertram und ich haben ziemlich früh geheiratet«, warf Julia ein. »Als sich Miriam ankündigte, waren wir schon vier Jahre verheiratet.«

»Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?« Alexander sah den jungen Mann an.

»Aber natürlich! Ich arbeite als Ingenieur bei Silcher & Gruner«, sagte er. »Das ist eine Maschinenfabrik rund zwanzig Kilometer hinter Meldorf.« Sein Blick suchte Julia. Liebevoll sahen sie sich an. »Wir haben uns in der Firma kennen gelernt. Julia war dort Lehrmädchen.«

Sie kamen nicht dazu, ihr Gespräch fortzusetzen, da in diesem Moment Miriam, gefolgt von Henrik ins Wohnzimmer stürzte. Sie warf sich in die Arme ihres Vaters. »Ganz weit bin ich weggefahren, ganz allein«, prahlte sie Beifall heischend.

»Das nächste Mal gibt es was auf den kleinen Hosenboden«, versprach Bertram, doch seinem Gesicht merkte man an, dass er es nicht so meinte.

*

»Hallo, Mark!«

Mark Sander wandte sich um. »Ach, du bist es, Kurt!« Er ging seinem ehemaligen Studienfreund entgegen. »Ich wusste gar nicht, dass du zurzeit in Meldorf bist. Wolltest du nicht die nächsten Monate in Italien verbringen?«

»Ich habe es mir anders überlegt, als ich einmal in Italien war«, erwiderte Kurt Heimel. »Junge, ich kann dir sagen!« Er seufzte tief auf. »Schon zwei Stunden nach meiner Ankunft in Florenz vermisste ich meine Brieftasche. Und als mir dann auch noch mein Malkoffer abhanden kam, habe ich kurzerhand gepackt und bin nach Deutschland zurückgeflogen.«

»Du scheinst der geborene Pechvogel zu sein«, meinte Mark. »Mir ist auf all meinen Reisen noch nie etwas gestohlen worden. Hast du etwas Zeit, Kurt? Wir könnten einen Kaffee trinken gehen.«

»Gern, wenn du mich einlädst!« Kurt hob bedauernd die Schultern. »Meine Taschen sind zurzeit mal wieder völlig leer. Nachdem ich in Italien eine so große Enttäuschung erleben musste, habe ich mir zum Trost das Atelier neu eingerichtet. Das hat mich meinen letzten Groschen gekostet, aber es hat sich gelohnt. Besuch mich mal bei Gelegenheit.«

»Das ist ein Wort!«

Die beiden Männer gingen plaudernd die Hauptstraße hinunter.

*

Missmutig saß Bertram Mewes vor dem Fernsehapparat. Das Programm interessierte ihn nicht im Geringsten. Eigentlich hatte er genug Hobbys, um auch ohne Fernsehen auszukommen, doch an Abenden, an denen Julia nicht da war, wusste er einfach nichts mit sich anzufangen. Immer wieder sah er auf seine Uhr. Julia hätte längst zu Hause sein müssen. Sicher war sie noch mit ihren Freundinnen irgendwo eingekehrt. Er fühlte, wie Ärger in ihm hochstieg.

»Kann nicht schlafen!«

Bertram drehte sich um. »Miriam, was machst du denn hier?«, fragte er und stand auf. Er hob seine kleine Tochter hoch, die barfuß ins Erdgeschoss heruntergekommen war.

»Bin gar nicht müde!« Miriam gähnte herzhaft.

»Ich sehe es!« Bertrams Ärger verflog. »Soll dir Papa ein Märchen erzählen?«

»Singen!«, forderte Miriam. »Alle meine Entchen!« Sie strahlte ihn an. »Ich mag Entchen!«

»Also gut!« Bertram trug die Kleine ins Treppenhaus, um sie in ihr Zimmer zurückzubringen. Sie legte ihre weichen Ärmchen um seinen Hals.

Sie hatten gerade die Treppe erreicht, als ein Wagen vorfuhr. »Mama kommt!« Miriam wandte den Kopf zur Haustür. »Papa, bleib, auf Mama warten!«

»Wie du willst, mein Herz.« Bertram ging zur Haustür und öffnete sie. Er sah gerade noch, wie ein Wagen davonfuhr. Julia stand an der Gartentür und blickte ihm nach. »Hallo!«, rief er.

Julia drehte sich um. »Tut mir leid, es wurde leider etwas später!« Eilig ging sie auf ihren Mann und ihre Tochter zu. Sie küsste Bertram auf die Wange und strich Miriam über die offenen dunklen Haare. »Warum bist du denn noch auf?«

»Plötzlich stand sie im Wohnzimmer«, sagte Bertram und schloss die Haustür hinter seiner Frau. Er ärgerte sich, weil seine Worte wie eine Entschuldigung geklungen hatten. Das hatte er nicht nötig.

»Soll ich sie ins Bett bringen?«, fragte Julia und stellte ihre Aktentasche auf den Garderobentisch.

»Nein, lass nur, das mach ich schon«, erwiderte Bertram und trug seine Tochter die Treppe hinauf.

»Sieht nach dicker Luft aus«, murmelte Julia vor sich hin. Sie warf einen Blick in den Spiegel und kämmte sich rasch die Haare. Der Wind hatte sie völlig zerzaust.

Als Bertram nach einer Weile wieder nach unten kam, hatte Julia bereits Kaffee gekocht und im Wohnzimmer gedeckt. Sorgfältig zog sie das Tischtuch glatt.

»Duftet verführerisch«, meinte Bertram und ließ sich in einen Sessel sinken.

»Ich dachte, wir könnten beide noch eine Tasse Kaffee vertragen.« Julia stellte eine Schale mit Gebäck auf das Beistelltischchen. »Heute gebacken!«

»Und vor mir versteckt!« Bertram griff zu. Das Gebäck zerging auf der Zunge. Julia war eine hervorragende Hausfrau. Seiner Meinung nach lag ihr der Haushalt im Blut. Deshalb war es ihm erst recht unbegreiflich, dass sie auf diesem Fortbildungskurs bestand. »Wer hat dich denn nach Hause gebracht?«, erkundigte er sich beiläufig.

»Gerda«, antwortete Julia und lächelte amüsiert. »Ihr Bruder war übrigens auch dabei. Eifersüchtig?«

»War er mit im Café? Ihr seid doch sicher nach dem Kurs noch im Café gewesen.«