Sophienlust Bestseller 12 – Familienroman - Marisa Frank - E-Book

Sophienlust Bestseller 12 – Familienroman E-Book

Marisa Frank

4,0

Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise verwaltet mit wahrem Herzblut das spätere Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim gehören wird. In der Reihe Sophienlust Bestseller werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Denise hilft in unermüdlichem Einsatz Scheidungskindern, die sich nach Liebe sehnen und selbst fatale Fehler begangen haben. Dann wieder benötigen junge Mütter, die den Kontakt zu ihren Kindern verloren haben, dringend Unterstützung. Denise ist überall im Einsatz, wobei die Fälle langsam die Kräfte dieser großartigen Frau übersteigen. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. Jedes Kinderschicksal ist ihr wichtig. Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Auf der teppichbespannten Treppe, die vom ersten Stock in die Halle ­führte, begegnete Frau Rennert, die Heimleiterin von Sophienlust, Schwester Regine. Sie verhielt ihren Schritt. "Eine wohltuende Stille", meinte sie lächelnd. "Ist es Ihnen wirklich gelungen, die kleine Rasselbande ins Bett zu stecken?" Schwester Regine, Kinder- und Krankenschwester in Sophienlust, nickte. "Ich habe gerade nachgesehen, selbst Heidi schläft. Wir waren heute vormittag beim Forsthaus. Kein Wunder also, daß die Kleinen müde sind." In der Halle ging eine Tür. Ein dreizehnjähriges Mädchen, mit einer Stupsnase und unzähligen Sommersprossen, kam aus einem der Zimmer. "Da bist du ja, Schwester Regine. Das mußt du unbedingt lesen." Das Mädchen schwenkte die Tageszeitung. Schwester Regine schüttelte unwillig den Kopf. "Ich dachte, ihr Großen macht eure Hausaufgaben." "Tun wir auch. Ich muß nur noch Englisch machen. Hier, das ist wichtig." "Laß sehen."

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Sophienlust Bestseller – 12 –

Ganz ohne Liebe geht es nicht

Tobias spielt gern den bösen Buben

Marisa Frank

Auf der teppichbespannten Treppe, die vom ersten Stock in die Halle ­führte, begegnete Frau Rennert, die Heimleiterin von Sophienlust, Schwester Regine. Sie verhielt ihren Schritt. »Eine wohltuende Stille«, meinte sie lächelnd. »Ist es Ihnen wirklich gelungen, die kleine Rasselbande ins Bett zu stecken?«

Schwester Regine, Kinder- und Krankenschwester in Sophienlust, nickte. »Ich habe gerade nachgesehen, selbst Heidi schläft. Wir waren heute vormittag beim Forsthaus. Kein Wunder also, daß die Kleinen müde sind.«

In der Halle ging eine Tür. Ein dreizehnjähriges Mädchen, mit einer Stupsnase und unzähligen Sommersprossen, kam aus einem der Zimmer. »Da bist du ja, Schwester Regine. Das mußt du unbedingt lesen.« Das Mädchen schwenkte die Tageszeitung.

Schwester Regine schüttelte unwillig den Kopf. »Ich dachte, ihr Großen macht eure Hausaufgaben.«

»Tun wir auch. Ich muß nur noch Englisch machen. Hier, das ist wichtig.«

»Laß sehen.« Schwester Regine, eine noch junge Frau von 28 Jahren, nahm dem Mädchen die Zeitung aus der Hand. »Oh!« meinte sie, nachdem sie den Artikel überflogen hatte.

»Glaubst du, daß Tante Isi und Nick das auch gelesen haben?« fragte Pünktchen. Pünktchen war ihr Spitzname, den sie ihren vielen Sommersprossen verdankte. Sie fand ihn aber lustig, und es machte ihr überhaupt nichts aus, daß alle sie nur so riefen.

»Ich werde Frau von Schoenecker darauf aufmerksam machen«, versprach Schwester Regine.

»Ja, Tante Isi muß das unbedingt lesen. Ich finde, da muß man etwas tun. Ein sechsjähriger Junge legt Feuer. Da steckt doch bestimmt mehr dahinter?« Fragend sah Pünktchen die Kinderschwester an.

»Kann man nicht sagen«, meinte Schwester Regine. »Nicht alles stimmt, was in den Zeitungen steht.«

»Tante Isi wird sich aber dafür interessieren, oder?«

»Das nehme ich schon an«, meinte Schwester Regine. Frau von Schoenecker verwaltete das Kinderheim Sophienlust bis zur Großjährigkeit ihres Sohnes Dominik von Wellentin-Schoenecker und nahm ihre Aufgabe sehr ernst. Sie versuchte nicht nur den Kindern, die in Sophienlust lebten, ein richtiges Heim zu bieten, sondern scheute auch keine Mühe, wenn es darum ging, ein gefährdetes oder verlassenes Kind nach Sophienlust zu holen.

»Kann ich die Zeitung wiederhaben?« Pünktchen streckte ihre Hand aus. »Nick soll das auch sehen.«

Schwester Regine unterdrückte ein Lächeln. Wie alle auf Sophienlust wußte auch sie, daß Pünktchen eine Vorliebe für Nick hatte. Seit Jahren schon war der nun sechzehnjährige Junge mit dem Mädchen befreundet. Nick war stolz auf das Kinderheim und half auch bereits gern mit. Pünktchen tat es ihm nach. Sie kümmerte sich stets liebevoll um die neuen oder kleineren Kinder.

»Nick wollte herkommen, wenn er seine Hausaufgaben gemacht hat«, berichtete Pünktchen. »Ich bin neugierig, was er davon hält. Irgendwie stimmt da doch etwas nicht.« Sie nahm die Zeitung wieder an sich.

»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, rief Schwester Regine. »Mach’ lieber deine Englisch-Aufgaben weiter.«

»Wird gemacht«, Pünktchen lächelte. »Ich werde heute sogar noch mit Nick lernen. Übermorgen schreiben wir nämlich eine Arbeit. Nick ist wirklich prima. Er will mich abfragen.« Jetzt strahlte das Mädchen über das ganze Gesicht.

»Wie geht es den anderen? Soll ich irgend jemanden bei den Aufgaben helfen?« erkundigte Schwester Regine sich.

»Nicht nötig. Hier wohnen nur kluge Kinder.« Pünktchen wirbelte davon. Schmunzelnd sah Schwester Regine ihr nach. Pünktchen hatte aber recht. Die Kinder von Sophienlust lernten wirklich brav. Jeden Morgen wurden sie mit roten Kleinbussen zur Schule gefahren, die Kleineren zur Grundschule nach Wildmoos, die Größeren zum Gymnasium nach Maibach.

*

»Bis zum Abend«, sagte Denise von Schoenecker.

Sofort erhob sich ihr Mann, Alexander von Schoenecker. Er hatte die Mittagspause genützt und in der Tageszeitung geblättert. »Das dürfte dich interessieren«, meinte er und reichte seiner Frau die Zeitung. »Hier!« Mit dem Zeigefinger deutete er auf einen Artikel.

Eine Falte erschien auf Denises Stirn. Alexander hatte damit gerechnet. Er verwaltete den Familienbesitz Schoeneich selbst und war daher ein vielbeschäftigter Mann. Trotzdem fand er noch Zeit, mit seiner Frau über Sophienlust zu sprechen, das durch eine Straße mit dem Gut verbunden war. Er liebte seine Frau sehr, und daher versuchte er auch stets, Anteil an ihrer Arbeit zu nehmen.

»Wenn das stimmt! Der arme Junge!«

Erstaunt sah Alexander seine Frau an. »Im Gegenteil, der Junge muß sehr ungezogen sein. Legt einfach Feuer! Zum Glück konnte verhindert werden, daß die ganze Wohnung ausbrannte.«

»Hier steht aber, daß der Junge erst sechs Jahre alt ist. Er muß schon sehr verzweifelt sein, um so etwas zu tun.«

»Das ist wieder typisch du.« Alexander legte seiner Frau die Hände auf die Schultern. »Du liest aus so einem Artikel immer alles mögliche heraus. Aber wahrscheinlich hast du recht, wie immer.« Er küßte seine Frau auf die Stirn. »Erzählst du mir am Abend von dem Jungen? So wie ich dich kenne, wirst du doch nähere Erkundigungen einziehen.«

»Worauf du dich verlassen kannst! Ich habe sowieso vor, nach Maibach zu fahren. Zuerst muß ich aber noch nach Sophienlust. Und was machst du?«

»Du hast recht, auch für mich wird es Zeit. Ich muß mich um ein krankes Fohlen kümmern. Ich werde aber versuchen, pünktlich zum Abendessen hier zu sein.«

»Ich auch«, versprach Denise. Sie wechselte mit ihrem Mann noch einen liebevollen Blick, dann verließ sie das Wohnzimmer.

Denise wollte gerade in ihr Auto steigen, als ihr einfiel, daß Nick hatte mitfahren wollen. Sie drehte sich um und blickte zum Haus hin, einem schloßartigen Bau mit einem Turm, der nicht nur bei allen Besuchern Begeisterung auslöste, auch sie erfreute sich immer wieder an diesem Anblick. Im stillen nannte sie es ihr Märchenschloß. An den dunklen Mauern rankte sich wilder Wein empor. Es war ihr kleines Paradies, in dem sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern glücklich und zufrieden lebte.

Während sie noch sinnend auf das Haus sah, öffnete sich die Tür und Nick kam heraus. »Mutti«, rief er, »hast du mich vergessen?«

»Wie du siehst, warte ich«, entgegnete Denise.

»Warum hast du mir nicht gesagt, daß du fährst? Ich war in meinem Zimmer.«

»Weil ich es vergessen habe.« Denise lachte. »Komm’ steig ein!« Sie öffnete für ihren Sohn die Autotür. »Was hast du in Sophienlust vor?«

»Nichts Besonderes«, meinte Nick. Er glitt auf den Beifahrersitz. »Ich werde prüfen, ob Pünktchen ihre Englisch-Vokabeln auch gepaukt hat.« Er lachte. »Vielleicht sehe ich dann noch nach dem kranken Fohlen. Das heißt, wenn Pünktchen Lust dazu hat.«

»Ich höre immer wieder Pünktchen«, neckte seine Mutter ihn.

»Pünktchen ist auch ein patentes Mädchen«, sagte Nick ohne die geringste Verlegenheit. »Weißt du, sonst halte ich eigentlich nicht viel von Mädchen. Meine Klassenkameradinnen sind alles dumme Gänse. Die laufen nur noch mit Spiegel und Lippenstift herum. Pünktchen ist da anders. Mit ihr kann man über alles reden. Na, du weißt ja, was ich meine. Du verstehst dich mit Vati ja auch prima. Ihr besprecht doch auch alles miteinander.«

Denise unterdrückte ein Schmunzeln. Sie hatte nichts gegen die Freundschaft ihres Sohnes mit Pünktchen. Sie hatte das Mädchen auch sehr gern. Es war gescheit, lebhaft und auch sehr hilfsbereit. Pünktchen lebte schon viele Jahre in Sophienlust. Ihr richtiger Name war Angelina Dommin. Sie war ein Zirkuskind, konnte sich aber kaum noch an ihr damaliges Leben erinnern. Ihre Eltern hatte sie bei einem Zirkusbrand verloren, danach war sie ausgerissen, und Nick hatte sie gefunden und ins Kinderheim gebracht.

»Übrigens scheint Henrik in einem schwierigen Alter zu sein«, fuhr Nick fort. »Bei jeder Gelegenheit schmollt er.«

Nun lachte Denise doch. »Er macht sich eben gern wichtig und beneidet dich«, meinte sie. »Kannst du das nicht verstehen?«

»Schon«, gab Nick zu. Im großen und ganzen verstand er sich mit seinem sieben Jahre jüngeren Bruder gut. »Er kann es aber auch übertreiben und manchmal zu einer Plage werden. Jetzt, zum Beispiel, hat er unbedingt gewollt, daß ich seinetwegen in Schoeneich bleibe. Diesmal habe ich aber nicht nachgegeben.«

»Dann wird er sich sicher bald auf sein Fahrrad schwingen und nachkommen«, meinte seine Mutter gelassen.

Auch das Kinderheim Sophienlust, ein ehemaliger herrschaftlicher Besitz, lag in einem großen Park. Das Haus war ein großes einstöckiges Gebäude mit neuangebautem Nebentrakt. Eine Freitreppe führte zum Portal, durch das man in eine Halle gelangte. Diese Halle war der Mittelpunkt von Sophienlust.

Denise ließ ihr Auto vor der Freitreppe ausrollen.

»Danke, Mutti.« Rasch sprang Nick heraus. Zwei Stufen auf einmal nehmend eilte er die Treppe empor, und schon war er im Innern verschwunden. Von der Halle aus führten Türen zu allen im Erdgeschoß liegenden Zimmern. Zielsicher steuerte Nick die Tür zum Aufenthaltsraum an, wo die größeren Kinder noch bei ihren Schularbeiten saßen. Unter ihnen befand sich auch Pünktchen, die bei seinem Anblick sofort aufsprang.

»Fein, daß du schon da bist! Ich muß dir etwas zeigen.« Sie griff nach der Zeitung, welche sie vorsorglich vor sich liegen gehabt hatte.

»Sind das etwa deine Englisch-Vokabeln?« ulkte Nick.

»Es ist wichtig.« Sie hielt ihm die Zeitung vor die Nase.

»Ein Zimmerbrand«, stellte Nick fest, nachdem er einen kurzen Blick auf den Artikel geworfen hatte. »Seit wann interessierst du dich für Brände? Willst du etwa zur Feuerwehr gehen?«

»Lies doch richtig!« forderte Pünktchen ungeduldig.

»Dann mußt du die Zeitung ruhiger halten. Du schlägst sie mir ja ins Gesicht.«

»Mensch, Nick. Sei doch mal einen Augenblick ernst! Es handelt sich um ein Kind.«

»Gib her!« Nick nahm ihr die Zeitung aus der Hand. Er las aufmerksam. Seine Stirn kräuselte sich. Ehe er etwas sagte, las er Wort für Wort noch einmal.

»Was sagst du nun?« fragte Pünktchen. Sie hatte ihn beim Lesen nicht aus den Augen gelassen.

»Das muß Mutti sehen«, bestimmte Nick.

Pünktchen war enttäuscht, und sie machte keinen Hehl daraus. »Ich dachte, wir könnten uns mal umsehen. Sicher kann uns morgen jemand in der Schule sagen, wo es gebrannt hat.«

»Finde ich nicht gut.«

Pünktchen verzog beleidigt das Gesicht.

»Ich finde es aber gut, daß dir der Artikel aufgefallen ist.« Nick legte seiner Freundin den Arm um die Schultern. »Da steckt bestimmt mehr dahinter. Und deshalb muß Mutti sich auch damit befassen. Ich habe Mitleid mit dem kleinen Jungen. Richtig gemein schreibt der Journalist. Er scheint zu vergessen, daß der Kleine erst sechs Jahre alt ist.«

Pünktchen strahlte wieder. »Genau das finde ich auch«, versicherte sie.

»Gut, dann gehen wir damit gleich zu Mutti. Komm!« Nick nahm Pünktchen an der Hand und zog sie aus dem Zimmer.

Denise von Schoenecker hatte gerade das Empfangs- und Bürozimmer betreten, als die Tür wieder aufgerissen wurde.

»Mutti, du brauchst dich gar nicht erst zu setzen«, erklärte Nick.

»Na, na, wo brennt es denn?«

»Es hat gebrannt«, sagte Nick. Er setzte sich schwungvoll auf die Schreibtischkante. »Los, Pünktchen, zeige Mutti den Artikel.«

»Nicht nötig.« Denise setzte sich. »Ihr meint sicher den Zimmerbrand? In der Zeitung steht, daß der Brand rechtzeitig entdeckt und gelöscht wurde.«

»Aber der Kleine, Mutti! Hast du den Artikel nicht richtig gelesen?«

»Doch! Vati hat ihn mir gezeigt.«

»Und da kannst du hier so ruhig sitzen? Den Kleinen scheint niemand zu mögen. Mutti, da mußt du etwas unternehmen!«

Denise lächelte. »Habe ich auch vor. Ich fahre sowieso gleich nach Maibach.«

»Und was willst du tun?« Nick nahm Pünktchen die Zeitung aus der Hand. »Hier steht nirgends, wo es gebrannt hat.«

»Ich werde bei der Zeitung vorbeifahren. Dort können sie mir sicher Näheres sagen.«

»Eine gute Idee«, lobte Nick. Man sah ihm an, daß er stolz auf seine Mutter war. »Was habe ich dir gesagt«, meinte er zu Pünktchen gewandt. »Mutti weiß sofort, was zu tun ist. So, jetzt können wir uns deinen Vokabeln widmen.« Nick rutschte von der Schreibtischkante.

Pünktchen schnitt eine Grimasse, aber das übersah Nick geflissentlich.

*

»Rainer, dein Typ wird verlangt.«

Rainer Bichler saß an der Schreibmaschine und tippte gerade einen neuen Artikel. Er hob den Kopf. »Keine Zeit, dieses Zeug soll noch in die Abendausgabe.«

»Der Chef persönlich wünscht dich zu sprechen. Bei ihm ist eine Frau von Schoenecker.«

»Schoenecker«, überlegte der Journalist laut. »Bei Wildmoos gibt es ein Gut Schoeneich. Es ist im Besitz der Familie von Schoenecker und wird von Alexander von Schoenecker selbst verwaltet. Richtig«, fiel ihm dann noch ein, »seine Frau verwaltet ein Kinderheim, von dem man nur Gutes hört.«

»Genau. Um diese Frau handelt es sich«, bestätigte der Kollege.

»Was kann sie nur wollen?«

»An deiner Stelle würde ich zum Chef gehen, dann erfährst du es sicher. Frau von Schoenecker ist übrigens eine sehr aparte Frau.«

»Und dieser Artikel?« Rainer deutete auf seine Schreibmaschine. »Ich kann mich schließlich nicht zerreißen.«

»Vielleicht kann ich ihn für dich fertigmachen.«

»Genau! Das ist die Idee. Ich soll über die Schulfeier berichten. Notizen findest du in dieser Mappe.« Zufrieden erhob Rainer sich von seinem Stuhl. Ehe es sich der Kollege noch anders überlegen konnte, eilte er zum Chefbüro. Nach kurzem Klopfen trat er ein.

»Da sind Sie ja«, begrüßte ihn der Chef. »Frau von Schoenecker hätte ein paar Fragen an Sie.« Dann wandte er sich der Dame zu, die vor seinem Schreibtisch saß. »Das ist Herr Bichler, der über den Brand berichtet hat.«

Rainer trat näher. Fasziniert starrte er Denise von Schoenecker an. Sie war groß und schlank, hatte schwarzes Haar und dunkle Augen und wirkte noch immer sehr jugendlich. »Was kann ich für Sie tun?« fragte er und machte eine galante Verbeugung.

»Ich bin wegen des Artikels über den Zimmerbrand hier.«

»Ach der!« Rainer Bichler machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der Schaden ist nicht der Rede wert. Das Bemerkenswerteste daran war nur, daß der Brand von einem kleinen Jungen gelegt wurde.«

»Ich habe es gelesen. Mich interessiert der Junge. Wissen Sie Näheres über ihn?«

»Ich sprach mit seiner Tante. Den Jungen habe ich aber auch kennengelernt. Wenn es mein Kind wäre, dann würde ich ihm gehörig den Hintern versohlen«, sagte Rainer mit Überzeugung.

»Ich würde mich mit Ihnen gern ausführlicher darüber unterhalten.« Denise erhob sich. »Haben Sie etwas Zeit?«

»Selbstverständlich.« Im Geiste rieb Rainer sich die Hände. Während sein Kollege sich nun mit seinem Bericht abmühte, konnte er mit dieser aparten Frau plaudern.

Denise sah den Redaktionschef an. »Kann ich irgendwo ungestört mit Herrn Bichler sprechen?« fragte sie.

»Hier«, antwortete der Chefredakteur. »Ich muß mich sowieso um die Fotos für die Abendausgabe kümmern. Darf ich Ihnen vielleicht einen Kaffee anbieten?«

Denise war aber schon eine andere Idee gekommen. »Vielen Dank«, sagte sie, »aber das ist nicht nötig. Gegenüber Ihrer Redaktion befindet sich doch ein kleines Café. Wir könnten dorthin gehen, oder was meinen Sie?« Denise sah den Journalisten an. Dieser war begeistert.

»Selbstverständlich. Es ist ein sehr nettes Café.«

Denise lächelte. Sie versuchte, seinen Eifer zu dämpfen, indem sie sagte: »Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Ich finde es schrecklich, daß so ein kleiner Junge versucht hat, eine Wohnung anzuzünden.«

»Ist es auch«, bestätigte Rainer sofort. »Mir ist selten ein verzogeneres Balg begegnet.«

»Verzogen? Ich glaube, ich sehe es ein bißchen anders.«

»Frau von Schoenecker leitet ein Kinderheim«, sagte der Chefredakteur.

»Ich weiß. Ich weiß auch, daß dieses Kinderheim einen ausgezeichneten Ruf besitzt. Außerdem ist mir bekannt, daß Frau von Schoenecker sich für jedes Kind einsetzt. Ihr ist es zu verdanken, daß einige Fälle von Kindesmißhandlung aufgeklärt wurden. Ich weiß zwar im Moment nicht, worum es jetzt geht, aber ich bin Ihnen gern behilflich.« Wieder verneigte sich Rainer leicht in Richtung Denise.

»Gut, dann können wir ja gehen.« Denise reichte dem Chefredakteur die Hand, und dann öffnete dieser für sie die Tür.

Das Café lag der Redaktion schräg gegenüber. Rainer entdeckte in einer Ecke ein freies Tischchen. Er führte Denise dorthin. »Was darf ich für Sie bestellen?« fragte er, als er ihr den Stuhl zurechtrückte.

»Eine Tasse Kaffee«, sagte Denise. Sie setzte sich. Wieder fühlte sie den bewundernden Blick des jungen Journalisten. Sie schüttelte leicht den Kopf und sagte: »Damit wir uns richtig verstehen, ich zahle den Kaffee selbst. Auch Ihre Bestellung geht auf meine Rechnung. Schließlich habe ich Sie um Ihre Begleitung gebeten. Ich würde gern mehr über den Zimmerbrand wissen. Sie haben nur wenige Zeilen darüber geschrieben.«

Rainer nahm Denise gegenüber Platz. Er fand es schade, daß sie so unnahbar war. Wenn hatte man schon Gelegenheit, einer solch bezaubernden Frau gegenüberzusitzen. Dann riß er sich aber zusammen.

»Da muß ich Sie enttäuschten, Frau von Schoenecker. Der Brand gab nicht mehr her. Es hat ja nicht einmal richtig gebrannt. In Zukunft wird Frau Reichelt sicher besser aufpassen. Stellen Sie sich vor, der Kleine hat gedroht, es noch einmal zu versuchen.«

»Das interessiert mich. Haben Sie diese Drohung selbst gehört, oder hat Ihnen Frau Reichelt davon erzählt?«

»Der kleine Junge drohte seiner Tante in meiner Gegenwart. Ich habe wirklich noch nie einen so ungezogenen Bengel gesehen. Von Reue keine Spur.« Die Bedienung trat an den Tisch und Rainer bestellte für Frau von Schoenecker und für sich je eine Tasse Kaffee.

»Sie sprechen nur von einer Tante«, nahm Denise das Gespräch wieder auf, nachdem sich die Bedienung entfernt hatte.

»Der Kleine lebt bei seiner Tante. Frau Reichelt hat mir erzählt, daß sie das Kind zu sich genommen hat, als es ein Jahr alt war. Bisher hat sie mit ihm aber nur Enttäuschungen erlebt.«

»Was hat sie Ihnen sonst noch erzählt?« fragte Denise, als Rainer schwieg.

»Sie hat sich natürlich über den Jungen beklagt, aber das wundert mich nicht. Ich hatte ihm wirklich nichts getan, trotzdem beschimpfte er mich und zeigte mir sogar die Zunge. Frau Reichelt war das sehr peinlich.«

»Und welchen Eindruck machte der Junge sonst auf Sie?«

Erstaunt sah Rainer auf Denise. »Das sagte ich doch schon. Mein Sohn dürfte das nicht sein.«

»Ich nehme an, daß Sie Ihren Sohn auch mit mehr Liebe erziehen würden«, meinte Denise.

»Bei diesem Kind ist Hopfen und Malz verloren«, erklärte der junge Journalist. Seine Miene verfinsterte sich, das Kind hatte ihn sogar anspucken wollen.

»Und warum ist der Kleine so geworden?« fragte Denise. »Meinen Sie nicht, daß es auch an der Erziehung liegt? Irgend etwas muß dabei wohl versäumt worden sein.«

Rainer zuckte die Achseln. So weit hatte er noch nicht gedacht.

»Warum wohnt der Kleine übrigens bei seiner Tante? Wissen Sie das?«

»Ja. Er ist der Sohn von Frau Reichelts Schwester. Ein uneheliches Kind.«