Sophienlust Bestseller 57 – Familienroman - Marietta Brem - E-Book

Sophienlust Bestseller 57 – Familienroman E-Book

Marietta Brem

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise verwaltet mit wahrem Herzblut das spätere Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim gehören wird. In der Reihe Sophienlust Bestseller werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Denise hilft in unermüdlichem Einsatz Scheidungskindern, die sich nach Liebe sehnen und selbst fatale Fehler begangen haben. Dann wieder benötigen junge Mütter, die den Kontakt zu ihren Kindern verloren haben, dringend Unterstützung. Denise ist überall im Einsatz, wobei die Fälle langsam die Kräfte dieser großartigen Frau übersteigen. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. Jedes Kinderschicksal ist ihr wichtig. Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Immer wieder fiel Annette Reibers Blick auf ihre kleine Tochter Kerstin, die selbstvergessen auf dem Boden saß und mit ihrer neuen Ankleidepuppe spielte. Zur Feier des Tages hatte die junge Frau nicht widerstehen können. Sie hatte im Spielwarengeschäft die teure Puppe erstanden. »Nähst du ein Kleid für meine Barbie?« bettelte das fünfjährige Mädchen und drückte sein neues Spielzeug an sich. »Bald, Kerstin, nur nicht gerade heute«, vertröstete die Mutter sie. Dann ging sie wieder zu dem Tisch, auf dem der Brief lag, der sie in eine solche Hochstimmung versetzte. Endlich war die Genehmigung erteilt worden, daß sie ein Kind in Pflege nehmen durften, das sie dann später adoptieren konnten. Schon seit fünf Jahren war es der Wunsch der kleinen Familie, noch ein zweites Kind zu haben. Und da es Annette nach Kerstins Geburt versagt war, noch einmal dieses Risiko auf sich zu nehmen, blieb den Reibers gar nichts anderes übrig, als sich auf die lange Liste der adoptionswilligen Ehepaare setzen zu lassen. Die Aussichten waren zwar gering, aber da sich weder Wolfgang Reiber noch seine Frau Annette auf ein bestimmtes Alter des Kindes festlegten, bestand doch eine ganz gute Chance, daß es eines Tages klappen würde. Und heute endlich war der Brief gekommen, dem alle ihre Sehnsüchte galten. Nach mehrmaligen Besuchen der Fürsorgerin stand einer Adoption nichts mehr im Weg. »Ich will aber jetzt das Kleid für meine Barbie. Bitte, Mutti, mach mir das Kleid. Ich will auch ganz lieb sein und dich nicht dabei stören.« Treuherzig schaute Kerstin ihre Mutter an. Annettes Ähnlichkeit mit ihrer Tochter war unverkennbar, und doch hatte Kerstin nicht die ruhige Überlegenheit, die ihre Mutter etwas älter erscheinen ließ, als sie eigentlich war. Mit ihren einunddreißig Jahren spiegelte sich in den blauen Augen bereits der Ernst des Lebens, der an der jungen Frau nicht ganz spurlos vorübergegangen war.

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Sophienlust Bestseller – 57 –

Endlich Schwestern

Liebe überwindet alle Schwierigkeiten

Marietta Brem

Immer wieder fiel Annette Reibers Blick auf ihre kleine Tochter Kerstin, die selbstvergessen auf dem Boden saß und mit ihrer neuen Ankleidepuppe spielte. Zur Feier des Tages hatte die junge Frau nicht widerstehen können. Sie hatte im Spielwarengeschäft die teure Puppe erstanden.

»Nähst du ein Kleid für meine Barbie?« bettelte das fünfjährige Mädchen und drückte sein neues Spielzeug an sich.

»Bald, Kerstin, nur nicht gerade heute«, vertröstete die Mutter sie. Dann ging sie wieder zu dem Tisch, auf dem der Brief lag, der sie in eine solche Hochstimmung versetzte.

Endlich war die Genehmigung erteilt worden, daß sie ein Kind in Pflege nehmen durften, das sie dann später adoptieren konnten. Schon seit fünf Jahren war es der Wunsch der kleinen Familie, noch ein zweites Kind zu haben.

Und da es Annette nach Kerstins Geburt versagt war, noch einmal dieses Risiko auf sich zu nehmen, blieb den Reibers gar nichts anderes übrig, als sich auf die lange Liste der adoptionswilligen Ehepaare setzen zu lassen.

Die Aussichten waren zwar gering, aber da sich weder Wolfgang Reiber noch seine Frau Annette auf ein bestimmtes Alter des Kindes festlegten, bestand doch eine ganz gute Chance, daß es eines Tages klappen würde.

Und heute endlich war der Brief gekommen, dem alle ihre Sehnsüchte galten. Nach mehrmaligen Besuchen der Fürsorgerin stand einer Adoption nichts mehr im Weg.

»Ich will aber jetzt das Kleid für meine Barbie. Bitte, Mutti, mach mir das Kleid. Ich will auch ganz lieb sein und dich nicht dabei stören.«

Treuherzig schaute Kerstin ihre Mutter an. Annettes Ähnlichkeit mit ihrer Tochter war unverkennbar, und doch hatte Kerstin nicht die ruhige Überlegenheit, die ihre Mutter etwas älter erscheinen ließ, als sie eigentlich war. Mit ihren einunddreißig Jahren spiegelte sich in den blauen Augen bereits der Ernst des Lebens, der an der jungen Frau nicht ganz spurlos vorübergegangen war.

Zuerst hatte sie kurz hintereinander ihre geliebten Eltern verloren. Damals trug sie bereits Kerstin unter dem Herzen. Vielleicht waren die Aufregungen schuld, daß die Geburt so schwer wurde. Jedenfalls riet der Gynäkologe damals von einer weiteren Schwangerschaft dringend ab.

»Du träumst schon wieder, Mutti. Oder überlegst du vielleicht, was für ein Kleid du für mein Püppchen nähen sollst?«

»Entschuldige, Kerstin. Ich war tatsächlich mit meinen Gedanken etwas weiter weg. Aber das soll nicht mehr vorkommen, zumindest heute nicht mehr.« Die junge Frau lachte herzlich und strich über den blonden Schopf ihres Kindes.

»So, und jetzt gehen wir in die Küche und bereiten das Abendbrot vor. Es wird schon höchste Zeit.«

Wie immer bestand Kerstin darauf, daß sie es vor dem Fernseher essen durfte. Da sie sich den ganzen Tag schon auf die Sesamstraße freute, konnte Annette den Wunsch ihrer Tochter nicht abschlagen.

Ganz unruhig schaute Annette währenddessen immer wieder auf die Uhr. Wo denn nur Wolfgang so lange blieb? Ausgerechnet heute konnte er nicht pünktlich sein, wo sie doch so etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen hatte.

Schon die ganze Woche versuchte er, sich wenigstens einen Abend freizuhalten, damit er ein bißchen am Familienleben teilnehmen konnte, aber immer wieder war ihm etwas dazwischengekommen.

Es war eben nicht so einfach für einen Rechtsanwalt, der gerade erst seine Praxis eröffnet hatte, und zudem auch noch fremd hier in Maibach war.

Die Reibers lebten erst seit etwa vier Jahren hier, seit Wolfgang Reiber dank einer kleinen Erbschaft eine eigene Praxis hatte eröffnen können. Sie waren eine glückliche Familie, der nur noch ein zweites Kind fehlte.

Und dieser große Wunsch würde jetzt auch bald in Erfüllung gehen.

Ganz in Gedanken versunken strich die junge Frau Butterbrote, dann garnierte sie mit viel Liebe und Geschick die Wurstplatte. Wolfgang sollte alles sauber und appetitlich vorfinden, wenn er heimkam.

»Die Sesamstraße ist aus. Könnten wir nicht noch eine Kassette abspielen? Du hast mir doch Tom und Jerry aufgenommen.« Kerstin legte ihr Köpfchen schief und schaute die Mutter treuherzig an.

Annette schüttelte den Kopf. »Nein, Herzchen, es ist schon halb sieben, allerhöchste Zeit für dich, ins Bettchen zu gehen.

Kerstin zog einen Schmollmund, aber die Mutter ließ sich nicht erweichen und marschierte mit Kerstin an der Hand nach oben.

Im ersten Stock lagen das Elternschlafzimmer, die beiden Kinderzimmer und ein geräumiges, hellblau gekacheltes Bad. Kerstins kleines Reich war mit viel Liebe und Geschmack eingerichtet.

»Singst du mir noch ein Lied vor, Mutti?« bettelte Kerstin. »Dann will ich auch ganz artig meine Zähne putzen.«

»Von mir aus, du kleiner Strolch, dann singe ich dir eben das Lied. Doch dafür wirst du nachher auch gleich einschlafen. Versprochen?«

»Versprochen, Mutti.« Kerstin nickte ernsthaft. Dann lief sie zu dem Waschbecken, putzte sich die Zähne und wusch sich ein bißchen. Allzuviel machte sie nicht, und als ihre Mutter dann zum Fenster hinausschaute, da schlüpfte die Kleine rasch in den Schlafanzug.

»So, fertig. Du kannst schon anfangen mit Singen, Mutti.«

Annette sang mit ihrer klaren Stimme das Lied vom guten Mond, der so stille geht, und noch ehe sie fertig gesungen hatte, war Kerstin bereits eingeschlafen.

Keine Minute zu früh, wie Annette schmunzelnd feststellte, denn sie hörte unten in der Diele Geräusche, die auf die Anwesenheit ihres Mannes schließen ließen. Endlich war Wolfgang da, und sie konnten über das Kind sprechen, das sie nun bald als neues Familienmitglied haben würden.

Sie warf noch einen zärtlichen Blick auf ihr selig schlafendes Kind. Wie ein Engel sah Kerstin aus. Ihre Wangen schimmerten rosa, und die langen dunklen Wimpern lagen ruhig auf der zarten Gesichtshaut.

Vorsichtig öffnete Annette die Tür und lief dann eilig die Treppen hinunter.

»Wolfgang! Endlich bist du da.« Ihre Stimme klang erleichtert. Sie nahm ihm den Mantel ab und hängte ihn an die Garderobe. Dann faßte sie den gutaussehenden Mann bei der Hand und zog ihn mit sich.

»Jetzt setzt du dich erst einmal gemütlich ins Eßzimmer. Ich werde dir dein Abendessen servieren, und dabei müssen wir etwas besprechen. Den ganzen Abend warte ich schon voller Ungeduld auf dich.«

»Was ist denn mit dir los, Annette? So aufgedreht kenne ich dich ja gar nicht. Du… du bist heute irgendwie anders, aber ich kann nicht behaupten, daß du mir so nicht gefällst.«

»Danke, mein Schatz.« Kokett drehte sich die junge Frau im Kreis und versuchte, auch den Mann mitzuziehen. Aber er wehrte sich nun doch.

»Ich bin jetzt wirklich rechtschaffen müde, Herzchen. Aber dafür kann ich dir versprechen, daß ich Samstag und Sonntag frei habe.«

»Nein, so ein Wunder. Der Herr Rechtsanwalt hat sich das Wochenende freihalten können. Da bin ich aber froh«, spöttelte Annette liebevoll und gab ihrem Mann einen zärtlichen Kuß auf die Wange.

»Jetzt bringst du mir rasch das Essen, sonst falle ich vor Entkräftung noch vom Stuhl, und dann berichtest du mir, was dich so glücklich macht. Einverstanden?«

»Ja, einverstanden.« Plötzlich hatte Annette Tränen in den Augen. »Ich bin mit allem einverstanden, was du sagst, Wolfgang. Heute kannst du mit mir machen, was du möchtest. Es gibt nichts, was mir die gute Laune, diese Freude und die Hoffnung verderben könnte. Ich liebe dich, und ich liebe die ganze Welt.«

Rasch lief sie hinaus, kam aber nach wenigen Minuten bereits mit der hübsch garnierten Wurstplatte wieder. Dann holte sie noch den Brotkorb und die Warmhaltekanne mit Pfefferminztee, den Wolfgang so sehr liebte.

»Du verwöhnst mich, Liebes«, stellte der Mann fest und strich Annette liebevoll durch die blonden, etwas wirren Locken.

»Iß jetzt bitte, Wolfgang. Ich kann es vor Spannung kaum mehr aushalten.«

Lächelnd lehnte sich der Mann zurück. »Dann sag es mir jetzt, Liebes. Du hast mich richtig neugierig gemacht. Wo ist der Brief?«

Verblüfft blickte Annette ihren Mann an. »Der Brief? Ich… woher weißt du denn?«

»Na, was soll es denn sonst sein? Ich könnte mir keinen Grund vorstellen, weshalb du so aufgelöst sein könntest.«

»Hier ist er.« Annettes Hand bebte, als sie ihrem Mann das Schreiben reichte.

»Tatsächlich, wir haben drei Kinderheime zur Auswahl. Ich glaube, wir werden uns zuerst in Sophienlust umsehen. Das liegt am nächsten«, überlegte Wolfgang.

»Die gleiche Idee hatte ich auch, als ich den Brief las«, erklärte seine Frau. »Es sind höchstens zehn Minuten mit dem Auto.«

»Zehn Minuten?« Der Mann lachte. »Dann müssen wir aber alle Ampeln auf rot stellen, sonst ist es erheblich weniger. Gleich morgen rufe ich an, ob wir am Wochenende kommen können. Ich kann es kaum mehr erwarten.«

»Was wünschst du dir eigentlich? Einen Sohn, oder noch eine Tochter?«

Lange schaute Wolfgang seine Frau an. So viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf, so viele Fragen, die er sich in den letzten Wochen wohl hundertmal gestellt hatte.

»Erinnerst du dich noch? Damals, als wir Kerstin erwarteten, da hast du mich auch gefragt, was ich mir wünsche.« Seine Stimme klang nun ganz ungewöhnlich weich.

»Ja, das hast du. Und dann hast du mir geantwortet, daß du gern einen Sohn haben würdest, mit dem du später einmal zusammenarbeiten kannst.«

»Genau. Und dann wurde Kerstin geboren, und wir waren beide überglücklich, daß es ein Mädchen ist und kein Junge«, pflichtete Wolfgang seiner Frau bei.

»Dann… dann willst du auch wieder ein Mädchen?« fragte Annette ungläubig.

Wolfgang stand von seinem Stuhl auf und zog auch seine Frau hoch. Fest umarmte er sie, als wollte er sie nie wieder loslassen.

»Ich will das, was du willst«, flüsterte er rauh an ihrem Ohr. »Ich liebe dich, Annette, heute und immer. Und es wird nichts geschehen, das uns je trennen könnte.«

Wie sehr sich Wolfgang Reiber in diesem Punkt irrte, sollte er allerdings schon recht bald erfahren.

*

»Sehen Sie nur Manuela an, Schwester Regine.« Besorgt blickte Denise von Schoenecker, die Verwalterin des privaten Kinderheims Sophienlust, aus dem Fenster ihres Arbeitszimmers.

Regine Nielsen, die junge Kinder- und Krankenschwester des Heims, trat neben sie. Sie war eine hübsche Frau mit blonden Haaren, gerade achtundzwanzig Jahre alt. Vor einigen Jahren hatte sie ihren Mann und ihr zweijähriges Töchterchen Elke durch einen Unglücksfall verloren.

Jetzt fand sie ihren Lebensinhalt in Sophienlust in der Betreuung heimat- und elternloser Kinder, denen sie ihre ganze Liebe schenken konnte.

»Sie steht wieder allein im Park herum«, kommentierte die junge Frau, was sie sah. »So lange hat bisher noch kaum ein Kind gebraucht, um sich bei uns einzuleben.«

»Da haben Sie aber wirklich recht, Regine. Ich weiß nicht mehr, was wir mit Manuela machen sollen. Sogar Pünktchens Bemühungen hat sie eiskalt abgelehnt. Ich glaube, sie ist ein sehr einsames Kind. Wenn man ihr nur irgendwie helfen könnte.« Denise machte ein sorgenvolles Gesicht.

»Ich versuche, so oft wie nur möglich mit ihr zu sprechen, aber auch das ist gar nicht so einfach. Sie will keinen Kontakt. Sie lehnt alles ab.«

»Vielleicht sollten wir sie einmal von einem Psychologen untersuchen lassen. Sie scheint mir durch dieses schreckliche Ereignis so geschockt zu sein, daß wir ihr nicht mehr helfen können. Dazu haben wir zu wenig Erfahrung. Und Liebe allein genügt hier nicht.«

»Diese Mutter würde ich gern in die Finger bekommen«, meinte Schwester Regine grimmig. »Ich weiß nicht, was ich mit der machen würde.«

»Wahrscheinlich könnten Sie sich nicht beherrschen und würden ihr den Hals umdrehen. Anschließend müßte ich Sie dann im Gefängnis besuchen.« Denise lachte, wurde aber gleich wieder ernst.

»Mir ergeht es nicht viel anders. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was das für eine Frau ist, die verschwindet und ihr Kind tagelang allein in der Wohnung läßt. Ein Glück, daß Manuela schon neun Jahre und außerdem sehr selbständig ist. Wenn ich mir überlege, was da alles hätte geschehen können, dann wird mir jetzt noch heiß und kalt vor Entsetzen.«

»Gut, warten wir. Vielleicht haben wir auch Glück, und es finden sich neue Eltern für unsere Manuela. Ich glaube, wenn sie wieder ein Heim hätte, eigene Bezugspersonen, die nur für sie da sind, dann wären die Chancen bedeutend größer, daß sie rasch wieder gesund wird«, sagte Denise von Schoenecker.

»Sehen Sie nur, Regine, das Kind steht noch immer an den Baum gelehnt und rührt sich nicht. Fast könnte man glauben, es wäre gar kein Kind aus Fleisch und Blut, sondern nur eine Statue.«

Denise von Schoenecker wandte sich ab. Sie konnte nicht mehr hinsehen, es brach ihr das Herz. Da sah sie den Brief, der auf dem Schreibtisch lag.

»Übrigens, das wollte ich Ihnen noch zeigen, Regine. Es sieht fast so aus, als sollte eines unserer Kinder Eltern bekommen. Hier ist ein Schreiben vom Jugendamt. Darin steht, daß eine Familie Reiber aus Unterbach ein Kind zur Pflege annehmen darf. Ich bin fast sicher, daß die Leute bei uns hier den Anfang machen werden, denn drei Heime stehen ihnen insgesamt zur Auswahl. Wir sind das nächste.«

Regine Nielsen nahm den Brief und las die wenigen Zeilen. »Sie haben ja schon ein Kind. Ich weiß nicht, ob das gut ist.«

»Warum nicht?« entgegnete Denise. »Ich glaube sogar, daß es recht gut ist, wenn bereits ein Kind da ist. Natürlich kommt es dann noch darauf an, was für ein Kind sie sich aussuchen werden, weil sich hauptsächlich die Kinder gut verstehen müssen. Immerhin teilen sie ja die Eltern miteinander.«

»Wir werden sehen«, meinte Regine. »Jedenfalls bin ich gespannt, ob sie wirklich zu uns kommen werden. Na, viel Auswahl haben wir nicht.«