Sophienlust Bestseller 62 – Familienroman - Marisa Frank - E-Book

Sophienlust Bestseller 62 – Familienroman E-Book

Marisa Frank

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise verwaltet mit wahrem Herzblut das spätere Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim gehören wird. In der Reihe Sophienlust Bestseller werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Denise hilft in unermüdlichem Einsatz Scheidungskindern, die sich nach Liebe sehnen und selbst fatale Fehler begangen haben. Dann wieder benötigen junge Mütter, die den Kontakt zu ihren Kindern verloren haben, dringend Unterstützung. Denise ist überall im Einsatz, wobei die Fälle langsam die Kräfte dieser großartigen Frau übersteigen. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. Jedes Kinderschicksal ist ihr wichtig. Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. »Nick, sieh doch mal!« Angelina Dommin berührte ihren Freund am Arm. »Ein Zirkus kommt nach Maibach.« Vom Fenster des Busses aus hatte sie das Plakat entdeckt. Dominik von Wellentin-Schoenecker beugte sich nach vorn. Er konnte gerade noch die grellen Farben des Plakates sehen, lesen konnte er nichts mehr. »Wenn ich es richtig entziffert habe, dann findet am Samstagnachmittag die erste Vorstellung statt«, sagte Pünktchen eifrig. Angelina Dommin wurde von allen nur Pünktchen gerufen. Diesen Spitznamen verdankte sie ihren unzähligen Sommersprossen. Es störte die Dreizehnjährige aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, hätte sie jemand Angelina genannt, hätte sie darauf nicht reagiert. Die Kinder im Bus hatten Pünktchens Ausruf gehört, sie reckten nun die Hälse. Angelika Langenbach erhob sich sogar von ihrem Sitz. »Glaubt ihr, daß wir gehen dürfen?« Erwartungsvoll sah sie in die Runde. Ihr Blick blieb an Nick hängen. »Klar!« antwortete Pünktchen für Nick. »Wir werden Tante Isi gleich darum bitten.«

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Sophienlust Bestseller – 62 –

Vergiss, was gestern war

Bestimmt wird alles wieder gut …

Marisa Frank

»Nick, sieh doch mal!« Angelina Dommin berührte ihren Freund am Arm. »Ein Zirkus kommt nach Maibach.« Vom Fenster des Busses aus hatte sie das Plakat entdeckt.

Dominik von Wellentin-Schoenecker beugte sich nach vorn. Er konnte gerade noch die grellen Farben des Plakates sehen, lesen konnte er nichts mehr.

»Wenn ich es richtig entziffert habe, dann findet am Samstagnachmittag die erste Vorstellung statt«, sagte Pünktchen eifrig. Angelina Dommin wurde von allen nur Pünktchen gerufen. Diesen Spitznamen verdankte sie ihren unzähligen Sommersprossen. Es störte die Dreizehnjährige aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, hätte sie jemand Angelina genannt, hätte sie darauf nicht reagiert.

Die Kinder im Bus hatten Pünktchens Ausruf gehört, sie reckten nun die Hälse. Angelika Langenbach erhob sich sogar von ihrem Sitz. »Glaubt ihr, daß wir gehen dürfen?« Erwartungsvoll sah sie in die Runde. Ihr Blick blieb an Nick hängen.

»Klar!« antwortete Pünktchen für Nick. »Wir werden Tante Isi gleich darum bitten.«

Pünktchens Worte wurden mit großem Hallo aufgenommen. Unter den Kindern von Sophienlust, die mit dem Bus vom Gymnasium in Maibach nach Hause fuhren, herrschte Begeisterung. Nick hingegen sah Pünktchen erstaunt an. »Willst du wirklich in den Zirkus?« fragte er.

Pünktchen nickte. Sie lächelte leicht. »Warum nicht?« Und da sie den Grund für Nicks Frage kannte, fuhr sie fort: »Es ist alles schon so lange her. Ich kann mich an den Zirkus kaum noch erinnern. Jetzt gehöre ich nach Sophienlust.«

»Ja, das stimmt«, sagte Nick mit Überzeugung. Zur Bekräftigung seiner Worte legte er ihr die Hand auf den Arm.

Pünktchen errötete vor Freude. Nick hatte sie vor vielen Jahren gefunden und nach Sophienlust gebracht. Damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen. Ihre Eltern, Artisten, waren bei einem Zirkusbrand ums Leben gekommen. Ohne Eltern hatte sie nicht beim Zirkus bleiben wollen, daher war sie ausgerissen. Nick hatte sie in das Kinderheim gebracht. Seitdem hing sie besonders an dem inzwischen sechzehnjährigen Jungen. Sie träumte bereits davon, einmal an Nicks Seite das Kinderheim zu leiten. Im Moment wurde Sophienlust von Denise von Schoenecker verwaltet. Sie war Nicks Mutter, und da Nick Sophienlust geerbt hatte, vertrat sie ihn bis zu seiner Volljährigkeit.

Irmela Grothe, die auch zu den größeren Mädchen gehörte, mahnte: »Angelika setz dich wieder.«

Die Zwölfjährige ließ sich wiederspruchslos auf den Sitz des Kleinbusses fallen. Laut überlegte sie: »Wenn wir alle Tante Isi bitten, dann kann sie doch nicht nein sagen.« Sie sah Nick an. »Nick, was ist mit dir? Willst du auch in den Zirkus?«

Der hochaufgeschossene, gutaussehende Junge hob die Hände. »Ich schließe mich natürlich nicht aus.«

»Was heißt das?« Angelika strich sich energisch eine Haarsträhne aus der Stirn. »Willst du deine Mutti bitten, oder nicht?«

Nick grinste. »Wird erledigt. Ich werde meine ganze Überzeugungskraft geltend machen.«

Angelika rümpfte die Nase. »Ich weiß nicht, ob wir uns darauf verlassen können. Meint ihr nicht auch, daß wir Tante Isi gleich selbst bitten sollten?«

»Nichts dagegen. Bitten wir alle gemeinsam. Nur müßten wir dann zuerst wissen, welche Zirkusvorstellung wir besuchen wollen.« Nick schaute von Angelika auf Pünktchen.

»Ich bin für Sonntagnachmittag«, sagte Pünktchen, ohne zu zögern. Heftig wurde nun diskutiert, wie man Denise von Schoenecker, die liebevoll von allen Kindern Tante Isi genannt wurde, am ehesten einen Zirkusbesuch abschmeicheln konnte.

Dann war Wildmoos erreicht. Zu diesem kleinen idyllischen Ort gehörte das Kinderheim Sophienlust. Viele Handwerker waren hier ansässig, auch wurde noch Landwirtschaft betrieben. Bereits auf der Fahrt von der Kreisstadt Maibach nach Wildmoos konnte man die hügelige und waldreiche Landschaft genießen. Sophienlust lag etwas außerhalb.

Der Bus hatte die letzten Häuser von Wildmoos hinter sich gelassen und fuhr nun vorbei an den holzgeschnitzten lustigen Wegweisern, die geschnitzte Figuren darstellten und Besucher von Sophienlust stets begeisterten. Für die Kinder war es ein alltägliches Bild.

Der Bus fuhr durch ein schmiedeeisernes Tor, dann waren die Kinder zu Hause. Das Kinderheim Sophienlust stand inmitten eines großen Parkes. Die Kinder konnten nach Herzenslust unter den alten Bäumen toben. Nicht umsonst hatte das Kinderheim den Beinamen »Heim der glücklichen Kinder«. Die Kleinen fühlten sich hier wohl. Dafür sorgte schon Denise von Schoenecker mit ihrem Personal. Dazu gehörte Frau Rennert, eine ältere, mütterliche Frau. Die ehemalige Fürsorgerin arbeitete hier als Heimleiterin. Regine Nielson war die Kinder- und Krankenschwester von Sophienlust, eine hübsche blonde Frau von achtundzwanzig Jahren. Sie hatte ihren Mann und ihr Töchterchen auf tragische Weise verloren, seither ging sie in der Fürsorge für die Schützlinge von Sophienlust auf.

Der Bus hielt. Die Kinder, die bisher brav auf ihren Plätzen gesessen hatten, stürmten zur Tür. Mit einem fröhlichen »Hallo« verabschiedeten sie sich vom Busfahrer. Ihre Schulranzen schwenkend, sprangen sie hinaus ins Freie. Da öffnete sich auch schon das Portal des Hauses, und die jüngeren Kinder kamen herausgelaufen. Der zweite Kleinbus, der sie von der Volksschule in Wildmoos nach hier brachte, war vor einiger Zeit eingetroffen. Da das Mittagessen aber gemeinsam eingenommen wurde, hatten sie warten müssen.

»Tante Isi, wo ist Tante Isi?« rief Angelika Langenbach lautstark. Ihre um zwei Jahre jüngere Schwester beachtete sie überhaupt nicht. »Wir müssen Tante Isi etwas sagen. Um etwas bitten«, verbesserte sie sich.

Pünktchen stieß Nick an. »Da habe ich ja etwas Schönes angerichtet. Ich hätte dich besser nicht auf das Zirkusplakat aufmerksam machen sollen.«

Angelika hatte die Worte gehört. Sie drehte sich rasch um. Entschieden forderte sie: »Gekniffen wird nicht, wir wollen gleich Tante Isi gemeinsam bitten, daß wir am Sonn­tag­nachmittag die Zirkusvorstellung besuchen dürfen.«

»Zirkus!« Ihre Schwester schnappte hörbar nach Luft. »Wo? Du meinst einen richtigen Zirkus, wo Menschen und Tiere Kunststücke machen?«

»Genau!« bestätigte Angelika. »Wir haben die Plakate gesehen. Wir haben beschlossen hinzugehen. Natürlich müssen wir Tante Isi erst bitten.«

»Toll!« Mehr brachte Viktoria Langenbach, die von allen nur Vicky gerufen wurde, nicht heraus. Heidi Holsten hingegen hatte gleich tausend Fragen. Sie bestürmte Angelika. »Gibt es da auch große wilde Tiere? Und wenn die nicht gehorchen? Können die uns dann fressen?«

»Sie sind hinter Gitter, wenn sie ihre Kunststücke machen«, erklärte Angelika der Kleinen ungeduldig. »Im übrigen bist du für einen Zirkus noch zu klein.«

»Das werden wir noch sehen!« Die Fünfjährige streckte sich. »Ich habe keine Angst vor den großen wilden Tieren. Ich werde es gleich Tante Isi sagen.« Sie wirbelte herum.

»He!« rief Angelika, aber Heidi ließ sich nicht stoppen. Sie lief in die Halle zurück und direkt Denise von Schoenecker in die Arme.

»Nanu, warum hast du es so eilig?« Denise hob die Kleine hoch. Heidi war das jüngste Dauerkind von Sophienlust. Sie war ein lebhaftes, besonders anschmiegsames Mädchen und wurde daher von allen sehr geliebt.

»Zirkus, Tante Isi! Wir gehen in den Zirkus«, sprudelte die Kleine hervor. »Ich möchte auch die Elefanten und die Bären sehen. Sicher gibt es dort auch große wilde Löwen, die brüllen.«

»Moment! Von was redest du eigentlich?« Denise hielt Heidi etwas von sich ab.

Angelika war hinter Heidi hergerannt, jetzt schimpfte sie: »Kannst du nie deinen Mund halten? Immer mußt du die erste sein.«

Heidi kuschelte sich mit unschuldiger Miene an Denise. »Dafür bin ich die Kleinste«, sagte sie mit spitzbübischem Gesicht.

Denise unterdrückte ein Schmunzeln. Sie wandte sich Angelika zu. »Nun?«

Angelika schluckte. »Wir wollten dich bitten… wir möchten so gerne…« Sie schob ihre Unterlippe nach vorn. »Jetzt weiß ich nicht, was ich sagen soll. Heidi hat doch schon alles verraten.«

»Ganz einfach, Mutti!« Nick trat an Angelikas Seite. »Pünktchen hat in Maibach ein Zirkusplakat entdeckt. Am Samstag findet dir erste Vorstellung statt. Es wäre sehr schön, wenn wir alle geschlossen hingehen könnten. Wie wäre es mit Sonntag­nachmittag?«

Denise sah in die erwartungsvollen Gesichter. Sie lächelte. »Gut, darüber können wir nachdenken. Jetzt seht aber zu, daß ihr euch die Hände wascht. Das Essen ist schon fertig.«

*

»Ab, ab!« forderte der zweijährige Moritz. Heftig zappelte er in den Armen seines Vaters. Der war vor dem Zirkusplakat stehengeblieben.

»Sieh nur«, meinte er, »ist das nicht ein großer Elefant?«

»Große Muh!« schrie Moritz. »Moritz will Muh!«

Fred Weigl lachte. »Das ist keine Kuh, sondern ein Elefant. Er wandte sich an seine Frau. »Was meinst du sollen wir mit Moritz in die Nachmittagsvorstellung gehen?«

Iris Weigl blickte geistesabwesend auf das Plakat, dann riß sie sich jedoch zusammen. »Moritz ist dazu noch viel zu klein.« Rasch wandte sie sich ab.

»Muh!« schrie Moritz. Er streckte die Hände nach dem Plakat aus. Laut und deutlich versuchte er das Brüllen einer Kuh nachzuahmen.

Lächelnd wandten die Umstehenden die Köpfe. »Nun ist es aber genug«, sagte der junge Unternehmer verlegen. Seinen Sohn fester an sich ziehend, eilte er hinter seiner Frau her. »Wir sollten uns das mit dem Zirkus wirklich überlegen«, begann er eifrig. »Du siehst, Moritz kennt nicht einmal einen Elefanten.«

Iris schaute weder ihren Mann noch ihren Sohn an, als sie antwortete: »Er hat zu Hause genügend Bilderbücher, in denen Elefanten abgebildet sind.«

»Jedenfalls hat er beim Anblick des Elefanten gemuht.« Fred lachte erneut.

»Was hätte er sonst tun sollen?« fragte Iris scharf. »Vielleicht miauen?«

Verblüfft sah Fred sie an. Ihr aggressiver Ton bestürzte ihn. So kannte er sie nicht. Auch Moritz war das nicht gewohnt, weinerlich verzog er das Gesicht.

»Entschuldige«, sagte Iris rasch. »Ich meine nur, es ist doch nicht so schlimm, wenn Moritz beim Anblick eines Elefanten muht.«

Moritz drehte den Kopf noch einmal nach dem Plakat um. »Große Muh«, sagte er strahlend.

»Liebling, das ist ein Elefant«, widersprach Iris. Sie streckte die Arme nach ihrem Sohn aus, und dieser warf sich ihr entgegen.

Fred lächelte bereits wieder. Er liebte seine kleine Familie. »Eine Kuh nachzumachen ist eben einfacher als das Trompeten eines Elefanten. Aber offensichtlich hat Moritz Gefallen an dem Dickhäuter gefunden. Bin neugierig, wie er reagiert, wenn er das Tier in der Manege sieht.«

Iris wurde blaß. »Du willst wirklich mit ihm in den Zirkus?«

»Nicht nur mit ihm, auch mit dir. Ich weiß doch, daß auch du gerne Zirkusluft schnupperst.«

Iris wich dem Blick ihres Mannes aus. »Als Kind hatte ich eine Vorliebe dafür«, sagte sie leise. »Einmal wollte ich sogar von zu Hause ausreißen und mich einem Zirkus an­schließen.«

»Oh! Ich erinnere mich, daß du auch noch verrückt nach dem Zirkus warst, als wir schon verheiratet waren.« Fred lachte. Wie alle Verliebten, zog auch er seine Frau gern mit kleinen, vermeintlichen Schwächen auf. »Wegen eines Zirkus’ bekam ich einmal kein Nachtessen. Du hattest dich nach der Nachmittagsvorstellung nicht losreißen können. Wie du mir erzählt hast, hast du dich noch mit einem Jongleur unterhalten. Ich jedoch saß ahnungslos und hungrig zu Hause.«

Iris schoß das Blut ins Gesicht. Sie wußte genau, auf welche Begebenheit ihr Mann anspielte. »Tut mir leid«, murmelte sie.

Fred hob den Kopf. Das Lächeln schwand aus seinem Gesicht. Was war nur mit Iris los? Sie mußte sich doch nicht jetzt für etwas entschuldigen, was schon fast drei Jahre zurücklag. »Ist dir nicht gut?« fragte er.

»Nein, warum?« Erschrocken sah Iris ihn an.

Besorgt berührte Fred ihre Wangen. »Du bist so blaß, komm, ich nehme dir Moritz wieder ab.«

»Nein!« Iris zog ihren Sohn enger an sich, dann versuchte sie ein Lächeln. »Ich habe nur etwas Kopfschmerzen. Ich werde daheim eine Tablette nehmen.«

Fred nickte. »Anschließend ruhst du dich aus, und ich kümmere mich um das Essen.« Liebevoll legte er den Arm um die Schultern seiner Frau. In diese Geste schloß er auch Moritz mit ein. Seine kleine Welt war in Ordnung. Mit seiner Familie lebte er im Eigenheim am Stadtrand. Das häusliche Glück hatte er sich schwer erarbeitet. Jahrelang hatte er geschuftet, doch nun hatte er es geschafft. Die Werkstätte, die er zusammen mit seinem Freund betrieb, florierte.

Fred dirigierte seine Familie zu dem Auto, das auf einem Parkplatz stand. Fürsorglich öffnete er für Iris die Beifahrertür, dann nahm er ihr Moritz aus dem Arm und setzte ihn in den Kindersitz, der auf dem Rücksitz angebracht war. Der Kleine begann aus Leibeskräften zu brüllen. Fred war das gewohnt. Jedesmal, wenn er dem Jungen den Gurt umlegte, kam es zu diesem Protest.

»Ruhig, mein Kind! Es nützt dir nichts! Wenn ich dich nicht anschnalle, dann kletterst du aus dem Sitz. Du bist nun mal ein kleiner lebendiger Kerl.« Stolz klang in seiner Stimme mit.

»Will nicht! Raus… Mami!« Moritz streckte die Hände aus. Er strampelte.

Iris wandte sich nach ihm um. »Papa hat recht. Es nützt dir nichts.« Jetzt lächelte auch sie. »Beim Autofahren mußt du angeschnallt werden. Schau, Mami schnallt sich auch an.«

»Will aber nicht!« Zur Bekräftigung schlug Moritz mit den Händen auf den Sitz.

»Ja, was machen wir dann?« Iris sah zu ihrem Mann auf. Sie versuchte eine ernste Miene aufzusetzen. »Papa, ich glaube, dann können wir Moritz einfach nicht mehr mitnehmen, wenn wir mit dem Auto fortfahren.«

Moritz hörte sofort mit dem Schlagen auf. Er schluckte, schniefte, dann murmelte er: »Bin lieb.«

»So ist es recht.« Fred zwinkerte seiner Frau zu, dann küßte er seinen Sohn. »Einen lieben Jungen haben alle gern. Und nun fahren wir nach Hause.« Lächelnd nahm er hinter dem Steuer Platz.

Iris hatte sich im Sitz zurückgelehnt. Sie versuchte auf das Geplapper von Moritz zu hören, aber ihre Gedanken gingen eigene Wege. Plötzlich zuckte sie zusammen. »Wohin fährst du?« fragte sie erschrocken.

»Nur einen kleinen Umweg.« Fred nahm für Sekunden den Blick von der Fahrbahn. Er lächelte seiner Frau zu. »Ich habe es mir nun mal in den Kopf gesetzt, Moritz einen echten Elefanten zu zeigen. Ich fahre an der Festwiese vorbei, da hat der Zirkus seine Zelte aufgebaut.«

Iris bedeckte mit der Hand den Mund, aber ein erschrockener Laut war ihr schon entschlüpft.

Fred trat auf die Bremse. Beinahe wäre es dadurch zu einem Auffahrunfall gekommen. Schrill ertönte eine Autohupe. Fred fuhr langsam weiter. »Liebling«, meinte er besorgt. »Hast du Schmerzen?«

»Nein, es ist wirklich nichts.« Iris legte ihm die Hand auf das Knie. Sie ertrug seinen forschenden Blick nicht. »Fahr doch etwas schneller.«

»Wenn es dir nicht gut ist, dann fahren wir natürlich sofort nach Hause.«

Iris hätte gern zu irgendeiner Krankheit Zuflucht genommen, aber sie wollte ihren Mann nicht belügen. So strich sie sich nur eine Haarsträhne aus der Stirn und versicherte: »Mir fehlt nichts. Die Kopfschmerzen haben bereits nachgelassen.«

»Fein, dann fällt heute nachmittag die Zirkusvorstellung für uns doch nicht ins Wasser. Ich parke das Auto am Rande des Platzes, und dann springe ich rasch zur Kasse und kaufe die Karten für die Nachmittagsvorstellung.«

Iris‘ Lächeln verkrampfte sich, aber Fred merkte es nicht. Er steckte voller Eifer, wollte ihr und Moritz eine Freude machen. Mit belegter Stimme meinte sie: »Und wenn die Vorstellung bereits ausverkauft ist?« Sie klammerte sich an ihre eigenen Worte.

»Ich hoffe es nicht, aber wir werden es gleich wissen. Jedenfalls kannst du im Auto sitzen bleiben, und zu Hause legst du dich zuerst einmal nieder. Du wirst sehen, dann sind bis zum Nachmittag die Kopfschmerzen ganz verschwunden.« Fred parkte am Rande der Festwiese. Er wandte sich zu Moritz um. »Nicht wahr, mein Junge, wir beiden Männer schaffen das schon! Wir schicken Mami ins Bett und kümmern uns um das Mittagessen.«

Moritz patschte in die Hände und lachte. Als Fred aber aus dem Auto stieg, rief er: »Papi, will mit!«

»Du mußt bei Mami bleiben«, erklärte Fred. »Du mußt auf Mami aufpassen, wenn ich nicht hier bin.« Er lachte, dann spitzte er den Mund zum Kuß und eilte davon.

»Mami, Mami!« zeterte der Kleine. Vergebens streckte er seine Hände nach der Mutter aus. Iris wandte nicht den Kopf. Mit Augen, die nichts sahen, starrte sie über den belebten Platz. Sie hatte nur einen Wunsch: Sie wollte weg von hier. Auf keinen Fall wollte sie heute nachmittag die Vorstellung des Zirkus’ besuchen. Aber wie sollte sie das ihrem Mann nur beibringen? Er hatte recht, es hatte eine Zeit gegeben, da war sie von der Welt des Zirkus’ fasziniert gewesen. Sie hatte nicht genug darüber hören können. Ein bitteres Lächeln lag nun um ihre Mundwinkel. Sie dachte daran, daß sie die Zirkusleute beneidet hatte.

»Mami, Mami!«

Die Stimme ihres Sohnes holte Iris in die Wirklichkeit zurück. Langsam wandte sie den Kopf. In ihre Augen kam wieder Leben. »Ja, mein Schatz? Papi ist gleich zurück, und dann fahren wir nach Hause.«

»Papi, Papi!« rief da plötzlich Moritz. Iris sah ihren Mann auf das Auto zukommen, in der Hand schwenkte er Zirkuskarten.

*

Die Besucher strömten in das Zirkuszelt. Unter ihnen befand sich auch Denise von Schoenecker mit ihren Schützlingen. Die Kleineren zappelten vor Aufregung, aber auch die Größeren machten erwartungsvolle Gesichter.

Pünktchen hatte sich bei Nick eingehängt. Sie ließ ihren Blick wandern. »Es ist schon eine eigenartige Atmosphäre«, sagte sie leise.

Nick drückte ihren Arm. Er sah zur Zirkuskuppel empor. »Es liegt ein gewisser Zauber in der Luft«, mußte er zugeben. »Illusion und Spannung scheinen hier zu Hause zu sein.«

»Es ist eine fremde, faszinierende Welt, vor allem, wenn man sie nur gelegentlich kennenlernt. Für diejenigen, die damit tagein, tagaus zu tun haben, ist es ein harter Job.« Sekundenlang lehnte Pünktchen ihren Kopf an Nicks Schulter. »Was wäre aus mir geworden, wenn du mich nicht gefunden hättest?«

»Vielleicht eine bekannte Trapezkünstlerin. Ne!« Nick lachte. »So kann ich mir dich beim besten Willen nicht vorstellen.« Er hielt sie etwas von sich weg. »Pünktchen in einem kurzen Flitterröckchen, mit einem leuchtenden Stern im Haar.« Unbekümmert lachte er erneut.