Sophienlust - Die nächste Generation 11 – Familienroman - Heide Philip - E-Book

Sophienlust - Die nächste Generation 11 – Familienroman E-Book

Heide Philip

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Beschreibung

Magda, die getreue Köchin, glaubt nicht recht zu sehen, als frühmorgens wie eine Erscheinung ein kleines Mädchen im Park herumläuft und wieder verschwindet. Doch auch die kleine Heidi hat es beobachtet. Als später wundervolle Klavierklänge durch die Räume von Sophienlust tönen, sind sich alle sicher: Hier geschieht etwas Besonderes! Doch wer ist die Kleine, die nicht sprechen kann, und wo kommt sie her? Im ganzen Haus war es noch still, nur vom nahe gelegenen Kirchturm hörte man die Glocke sieben Uhr schlagen, als Magda in die große Küche trat. Die tüchtige Köchin von Sophienlust war seit jeher eine Frühaufsteherin, und auch heute genoss sie die frühmorgendliche Ruhe im Haus. Sie ging zu den beiden großen Fenstern, von denen man in den weitläufigen Park schauen konnte, und öffnete sie weit. Sofort strömte frisch duftende Morgenluft in die Küche. Magda schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Dann schaute sie hinaus in den schönen, gepflegten Park und ließ ihren Blick langsam darüberschweifen. Auf der großen grünen Rasenfläche lag noch der feuchte Morgentau und hinterließ einen funkelnden, silbrig glänzenden Schleier. In den Wipfeln der großen alten Bäume bewegten sich die Blätter sanft im leichten Wind. Die aufgehende Sonne strahlte ins Zimmer und Magda fühlte die Wärme auf ihren Armen. Einige Momente blieb sie noch am Fenster stehen und freute sich über ihr großes Glück, in Sophienlust zu sein. Es war ein wunderbarer Ort, mit wunderbaren Menschen, und sie war schon lange ein Teil davon. Dafür war sie sehr dankbar und gab ihre ganze Liebe und Freude an alle Bewohner des Hauses weiter. "Jetzt aber genug geträumt", ermahnte sie sich selbst und streckte energisch die Arme aus. Dann begann Sie tief ein- und auszuatmen. Fast gleichzeitig ging sie, ein wenig steif in den Knochen, in die Knie und richtete sich anschließend langsam wieder auf. Magda hatte in der letzten Zeit bemerkt, dass ihre Beweglichkeit ein wenig eingeschränkt war und ihr Rücken manchmal schmerzte. Ihr Arzt hatte aber keine Krankheit feststellen können und ihr geraten, täglich Gymnastik zu machen. Lachend hatte er ihr gesagt, dass das Alter und ihr gutes Essen wohl der Hauptgrund für ihre Beschwerden wären. Die Köchin hatte sich die Worte ihres Arztes zu Herzen genommen und angefangen, täglich Bewegungsübungen zu machen.

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Sophienlust - Die nächste Generation – 11 –

Feenkind Sissi

Ein Schock machte sie stumm …

Heide Philip

Im ganzen Haus war es noch still, nur vom nahe gelegenen Kirchturm hörte man die Glocke sieben Uhr schlagen, als Magda in die große Küche trat. Die tüchtige Köchin von Sophienlust war seit jeher eine Frühaufsteherin, und auch heute genoss sie die frühmorgendliche Ruhe im Haus. Sie ging zu den beiden großen Fenstern, von denen man in den weitläufigen Park schauen konnte, und öffnete sie weit.

Sofort strömte frisch duftende Morgenluft in die Küche. Magda schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Dann schaute sie hinaus in den schönen, gepflegten Park und ließ ihren Blick langsam darüberschweifen.

Auf der großen grünen Rasenfläche lag noch der feuchte Morgentau und hinterließ einen funkelnden, silbrig glänzenden Schleier. In den Wipfeln der großen alten Bäume bewegten sich die Blätter sanft im leichten Wind. Die aufgehende Sonne strahlte ins Zimmer und Magda fühlte die Wärme auf ihren Armen.

Einige Momente blieb sie noch am Fenster stehen und freute sich über ihr großes Glück, in Sophienlust zu sein. Es war ein wunderbarer Ort, mit wunderbaren Menschen, und sie war schon lange ein Teil davon. Dafür war sie sehr dankbar und gab ihre ganze Liebe und Freude an alle Bewohner des Hauses weiter.

»Jetzt aber genug geträumt«, ermahnte sie sich selbst und streckte energisch die Arme aus. Dann begann Sie tief ein- und auszuatmen. Fast gleichzeitig ging sie, ein wenig steif in den Knochen, in die Knie und richtete sich anschließend langsam wieder auf.

Magda hatte in der letzten Zeit bemerkt, dass ihre Beweglichkeit ein wenig eingeschränkt war und ihr Rücken manchmal schmerzte. Ihr Arzt hatte aber keine Krankheit feststellen können und ihr geraten, täglich Gymnastik zu machen. Lachend hatte er ihr gesagt, dass das Alter und ihr gutes Essen wohl der Hauptgrund für ihre Beschwerden wären.

Die Köchin hatte sich die Worte ihres Arztes zu Herzen genommen und angefangen, täglich Bewegungsübungen zu machen. Sie wollte ja noch lange für alle Bewohner in Sophienlust kochen und backen. Denn sie wusste, dass gutes und gesundes Essen sehr wichtig für die heranwachsenden Kinder war, und auch die Erwachsenen aßen mit viel Appetit die frisch und mit viel Liebe zubereiteten Mahlzeiten der leidenschaftlichen Köchin.

In die Stille hinein fing der Wasserkessel auf dem Herd

hörbar an zu pfeifen und holte Magda damit aus ihren Gedanken. Rasch beendete sie ihre Gymnastikübungen am offenen Fenster. Sie warf noch einen schnellen Blick in den Park und sah die beiden Hunde Anglos und Barri miteinander im Gras toben. Anglos war eine Dogge mit viel Kraft und Energie und Barri ein älterer und behäbigerer Bernhardiner. Trotzdem tollten sie jetzt beide mit wehenden Ohren, wie zwei junge Hunde, durch den Park. Magda lachte als sie es sah, dann wandte sie sich wieder dem kochenden Wasser auf dem Herd zu und goss eine erste Kanne Tee auf.

Als sie einige Minuten später wieder in den Garten schaute, sah sie, dass die beiden Hunde wie angewurzelt auf einem Fleck standen, die Ohren gespitzt, und gebannt in Richtung Waldrand schauten. Auch Magda blickte jetzt neugierig in diese Richtung und erwartete ein Reh oder ein anderes scheues Waldtier zu entdecken.

Aber es war kein Tier, das die Aufmerksamkeit der beiden Hunde geweckt hatte. Es war eine kleine weiße Gestalt, die scheinbar über dem Boden am Waldrand entlangschwebte. Die Köchin rieb sich mit ihren Händen erstaunt die Augen und schaute erneut in Richtung der hohen Bäume und sah, wie die Erscheinung in den Wald hineinhuschte und Sekunden später im Dickicht der Bäume verschwunden und nicht mehr zu sehen war. Die Hunde saßen nach wie vor wie versteinert im Garten und schauten unablässig in die Richtung der hohen und dichten Bäume.

»War das ein Geist? Ein echter Geist? Spukt es in Sophienlust? Oh, das ist so aufregend. Meinst du, das Gespenst kommt mich auch mal besuchen?«, ertönte ein kleines bekanntes Stimmchen aufgeregt neben Magda. Die schrak zusammen und stieß die Luft aus.

»Heidi! Wie kannst du mich so erschrecken«, raunzte sie die kleine Frühaufsteherin an, die unbemerkt zu ihr in die Küche getapst war. Doch sie meinte es nicht so, denn gleich darauf tätschelte sie liebevoll Heidis Blondschopf.

Heidi schmiegte sich an die Köchin. »Aber ein kleines bisschen habe ich auch Angst. Ob das Gespenst ein liebes Gespenst ist?«

Magda schüttelte den Kopf, entspannte sich und schaute zu dem kleinen Mädchen neben sich. Heidi war noch im Schlafanzug, der Haarschopf zerzaust, und in den klaren blauen Augen fanden sich noch Reste vom Sandmann.

Liebevoll fragte die Köchin: »Heidi, warum bist du so früh schon wach? Das ist ja ganz ungewohnt, wo du doch heute ausschlafen kannst?«

»Ich habe unter meinem Fenster Geräusche gehört und bin wach geworden. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich einen kleinen Geist durch den Park laufen«, antwortete das Mädchen ernst und schaute mit großen Augen erwartungsvoll zu Magda.

»Also, du hast auch was am Waldrand gesehen? Ich habe etwas schweben sehen und die Hunde wohl auch. Die saßen ganz still und haben ganz gespannt zum Wald geschaut«, sagte die ältere Frau und machte eine kleine Pause. »Das war aber sicher nur eine Nebelschwade oder so etwas. Du brauchst keine Angst zu haben. In Sophienlust gibt es keine Geister. Das wüsste ich, denn ich bin schon so lange hier.«

Magda schüttelte noch mal, ihre Worte bestärkend, den Kopf und legt ihre Hand beruhigend auf den Haarschopf des kleinen Mädchens. Heidi schaute zu ihr auf und erwiderte den Blick einige Sekunden, dann zuckte sie unbekümmert mit den Schultern und wandte sich zum Esstisch. So ganz hatte sie die Erklärung der Köchin nicht überzeugt, und außerdem war es viel spannender, wenn es einen Geist in Sophienlust gab. Sie nahm sich vor, später im großen Garten suchen zu gehen.

»So, jetzt genug mit dem Unfug und weiter im Tagesgeschäft«, sagte Magda betont munter und ging zum Kühlschrank. »Für dich gibt es jetzt erst einmal einen guten warmen Kakao. Der wird dich beruhigen und auf andere Gedanken bringen.«

Ihr Blick wanderte aber auch noch einmal zum Waldrand und dann zu den Hunden. Die beiden tollten schon wieder über die Wiese. Alles war wie immer, und ein neuer, schöner und ereignisreicher Tag in Sophienlust konnte beginnen.

*

»Elisabeth, Sissi, Sissikind, wo bist du denn?«, rief Karin Schneider leise durch den ersten Stock des kleinen Hauses und ging aufgeregt und schnellen Schrittes durch alle Zimmer. Leise öffnete sie die Zimmertür ihres ältesten Sohnes Moritz und spähte hinein. Der Vorhang vor dem Fenster war zugezogen und ließ nur einen kleinen Lichtschein durch. Es war nicht möglich, irgendetwas in dem Zimmer zu sehen. Karin schüttelte den dunklen Pagenkopf und stöhnte leise. Wo war nur das Kind? »Sissi?«, flüsterte sie ins Dunkle hinein. »Elisabeth, bist du hier?«

»Was willst du Mama? Es sind Sommerferien und ich kann ausschlafen, Sissi tut das wahrscheinlich auch«, kam eine schlaftrunkene Antwort aus dem hinteren Teil des Zimmers.

»Ich suche sie. Sie ist nicht in ihrem Bett, nicht in ihrem Zimmer und nicht im Haus. Ich kann das Kind nicht finden. Es ist noch früh, und ich mache mir große Sorgen«, antwortete Karin leise in Richtung ihres Sohnes. »Aber wenn sie nicht bei dir im Zimmer ist, muss ich weitersuchen. Mach dir keine Gedanken, ich werde sie schon finden. Schlaf weiter und genieße deinen ersten Ferientag.« Vorsichtig schloss die junge Frau die Tür und ging zur Treppe.

Sie hatte jetzt überall im ersten Stockwerk nach Elisabeth gesucht. Hier war sie jedenfalls ganz sicher nicht, deswegen wollte sie jetzt noch einmal sorgfältig im Erdgeschoss und Garten nach ihr schauen. Aber sie fand ihre kleine Nichte nicht im Haus, und auch draußen hatte sie kein Glück. Elisabeth war wie vom Erdboden verschluckt, und Karin begann sich ernsthaft Sorgen zu machen.

Erst der furchtbare Autounfall, dann die überstürzte Abreise ohne ihre Mutter von Gut Sommerfeld und dann noch der Verlust ihres Koffers während der Bahnfahrt hierher, den sie im Zug in all dem Wirrwarr vergessen hatten, mussten dem Kind in der letzten Zeit sehr zugesetzt haben.

Das kleine Mädchen war mit seiner Mutter im Auto unterwegs gewesen, als ein anderer Wagen ihnen die Vorfahrt nahm und es zum Unfall kam. Glücklicherweise hatte Elisabeth nur ein paar oberflächliche Schrammen, aber ihre Mutter erwischte es schlimm. Claudia Bernshausens gesamter Oberkörper war mit Schnittwunden und Prellungen überzogen und sie erlitt größere Verletzungen an beiden Beinen. Sie, Karin, war sofort nachdem sie von dem Unfall erfahren hatte, mit dem Zug zu ihrer Schwester nach Nordheim auf das Gut Sommerfeld gefahren, um für sie und das Kind da zu sein.

Die Gutsbesitzer waren Claudias Arbeitgeber, ein Diplomat und eine bekannte Opernsängerin. Beide hatten ein paar Tage vorher mit dem zehnjährigen Sohn eine lange Auslandsreise angetreten und konnten sich daher nicht um Claudia und ihre siebenjährige Tochter kümmern.

Für ihre Schwester konnte Karin nicht viel tun, sie war vorerst gut im nahe gelegenen Kreiskrankenhaus aufgehoben. Dort war sie sofort operiert worden. Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt war eine längere Rehabilitation geplant. Die Schwestern hatten besprochen, dass Elisabeth, genannt Sissi, mit ihrer Tante Karin nach Wildmoos fahren und so lange dort bleiben sollte, bis Claudia wieder vollständig hergestellt war und nach Hause konnte.

Das Krankenhaus lag in der Nähe von Gut Sommerfeld, daran war nichts zu ändern. Aber die längere Rehamaßnahme konnte in einer Klinik in Maibach durchgeführt werden, und das war in unmittelbarer Nähe zu Karins Wohnort. So könnten Mutter und Tochter so viel Zeit wie möglich zusammen verbringen, und auch für Karin würde es einfacher sein, sich um ihre Schwester zu kümmern.

Das Klingeln des Telefons holte Karin aus ihren Gedanken, und schnell nahm sie den Hörer ans Ohr. »Ja, Schneider?«, meldete sie sich, weil sie nicht aufs Display geschaut hatte. »Oh, Robert, guten Morgen! Das ist gut, dass du anrufst. Ich kann Sissi nicht finden. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt, ich mache mir Sorgen«, berichtete Karin. »Hast du heute Morgen in ihr Zimmer geschaut, bevor du gegangen bist?«

«Guten Morgen, meine liebe Frau. Es ist schön, deine Stimme zu hören«, sagte ihr Mann am anderen Ende der Leitung und machte dann eine kleine Pause, bevor er weitersprach: »Nein, ich habe nicht nach ihr geschaut. Es war ja auch erst vier Uhr. Da schlafen die Kinder noch, und ab heute sind Ferien. Ich hatte keinen Grund, nach ihnen zu schauen. Aber jetzt mach dir keine Sorgen. Dem Kind wird schon nichts passiert sein, sie hat sich sicher versteckt und du hast sie noch nicht gefunden. Sie kennt sich ja gut bei uns und in der Umgebung aus. Die Jungs und Sissi haben ja schon immer viel Verstecken gespielt. Auch draußen im Garten und in der nahen Umgebung. Spätestens wenn sie Hunger bekommt, taucht Sissi wieder wohlbehalten bei dir auf.«

Robert redete ruhig und sachlich und hoffte damit, seiner Frau die Angst zu nehmen. Er kannte seine kleine Nichte seit ihrer Geburt und wusste, dass sie ein kluges und vernünftiges Persönlichen war. Niemals würde sie einfach so von zu Hause weglaufen.

Das kleine Mädchen war etwas ganz Besonderes in ihrer aller Leben. Er und Karin hatten drei Söhne. Es waren zweifelsohne freundliche und aufgeschlossene Jungs. Aber eben auch richtige Jungs: Sie kletterten mit Vorliebe auf hohe Bäume, bauten Staudämme im eiskalten Bach hinter dem Haus und schlichen auch schon mal in der dunklen Nacht über den Friedhof und erzählten sich dabei gegenseitig Gruselgeschichten.

Robert musste lachen, als er an sie dachte. Zimperlich waren sie nicht, auch nicht der jüngste. Aber alle drei trugen ihr Herz auf dem rechten Fleck. Und in dem Moment, als die kleine Cousine Elisabeth geboren wurde, schworen sie sich untereinander, immer und ewig auf Sissi aufzupassen. Und dem kamen sie auch vorbildlich nach.

»Was meinst du? Wo könnte sie sein? Hast du eine Idee?«, fragte Karin und holte ihn mit ihrer Frage aus seinen Gedanken zurück.

»Was ist mit den Jungs? Wissen die nichts? Die drei wissen doch sonst immer ganz genau, wo ihr Prinzesschen ist«, antwortete er und konzentrierte sich jetzt ganz auf das Gespräch mit seiner Frau. Er konnte die Unruhe in ihrer Stimme hören, und er bedauerte, jetzt nicht an ihrer Seite sein zu können.

Unter der Woche verdiente er sein Geld als Lastwagenfahrer. Er arbeitete für eine große Spedition und hatte einen sicheren Job. Das Gehalt war gut, und am Wochenende war er zu Hause. Aber in der Woche musste er oft weit weg von zu Hause in seinem LKW übernachten. Dann konnte er nicht bei seiner Frau und den Kindern sein, und Karin trug ganz alleine die Verantwortung für alle. Diese Situation machte Robert oft traurig.

»Gut, dann vertraue ich jetzt darauf, dass sie spätestens nach Hause kommt, wenn sie Hunger hat. Sie kennt sich hier in der Gegend ja gut aus und hat sich sicher nicht verlaufen. Vielleicht ist sie ja auch gar nicht aus dem Haus gegangen und ist noch hier irgendwo ganz in der Nähe«, meinte Karin etwas ruhiger.

»Ja, ich glaube auch, dass du dir keine Sorgen machen musst. Elisabeth kennt sich aus, und sie ist ja kein ganz kleines Kind mehr. Für ihr Alter ist sie ja auch schon sehr vernünftig. Sicher taucht sie gleich aus irgendeiner Ecke auf und ist ganz erstaunt darüber, dass du dir Sorgen machst«, antwortete Robert und legte dabei seine ganze Zuversicht in die Stimme. »Du sagst mir aber gleich Bescheid, wenn sie wieder da ist?«, fügte er noch an. Karin bejahte den Wunsch, und dann legten sie auf.

Robert startete den Motor seines LKWs und fuhr wieder vom Rastplatz auf die Autobahn. Er hatte jetzt noch drei Stunden Fahrt vor sich, dann hatte er den ersten Kunden erreicht. Viele weitere Stunden lagen noch vor ihm. Erst am Freitagmorgen würde er wieder zu Hause sein.

Karin ging hinüber in ihre kleine Wäscherei, die direkt neben dem Wohnhaus lag. So konnte sie immer schnell nach dem Rechten und vor allem nach den drei Jungs schauen, wenn die Zeit es zuließ. Sie war seit einigen Jahren selbständig und hatte sich einen festen Kundenstamm aufgebaut. Das Geschäft lief gut, und zusammen mit dem Verdienst von Robert konnte sich die Familie ab und zu auch ein Extra leisten.

Karin befüllte die Waschmaschine mit der ersten Ladung und ihre Gedanken kreisten um die bevorstehenden Sommerferien. In den letzten Jahren waren sie, Robert und die Jungs stets für drei Wochen auf das Gut Sommerfeld gefahren. Dort waren sie auch von den Besitzern herzlich willkommen gewesen. Die Familie Ortega hatte ihnen sogar das Gästehaus zur Verfügung gestellt, damit alle genug Platz hatten. Daniel, der Sohn der Ortegas, freute sich über den Besuch von Moritz, Christian und Lukas, und zusammen verbrachten sie aufregende und spannende Ferientage.

Karin, Robert und Claudia genossen es, viel Zeit miteinander zu verbringen, und immer mit dabei war Sissi. Jeder liebte das kleine Mädchen mit den langen roten Locken, dem hellen Teint und der zarten Gestalt.

Karin riss sich aus ihren Gedanken und befüllte schnell die letzte Maschine mit Wäsche und wandte sich zum Bügeltisch. Dabei schaute sie wieder aus dem Fenster, um nach dem Mädchen Ausschau zu halten – und plötzlich sah sie Sissi den Weg entlang auf das Haus zukommen.