Ines gibt nicht auf - Karina Kaiser - E-Book

Ines gibt nicht auf E-Book

Karina Kaiser

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Auf der teppichbespannten Treppe, die vom ersten Stock in die Halle ­führte, begegnete Frau Rennert, die Heimleiterin von Sophienlust, Schwester Regine. Sie verhielt ihren Schritt. »Eine wohltuende Stille«, meinte sie lächelnd. »Ist es Ihnen wirklich gelungen, die kleine Rasselbande ins Bett zu stecken?« Schwester Regine, Kinder- und Krankenschwester in Sophienlust, nickte. »Ich habe gerade nachgesehen, selbst Heidi schläft. Wir waren heute vormittag beim Forsthaus. Kein Wunder also, daß die Kleinen müde sind.« In der Halle ging eine Tür. Ein dreizehnjähriges Mädchen, mit einer Stupsnase und unzähligen Sommersprossen, kam aus einem der Zimmer. »Da bist du ja, Schwester Regine. Das mußt du unbedingt lesen.« Das Mädchen schwenkte die Tageszeitung. Schwester Regine schüttelte unwillig den Kopf. »Ich dachte, ihr Großen macht eure Hausaufgaben.« »Tun wir auch. Ich muß nur noch Englisch machen. Hier, das ist wichtig.« »Laß sehen.«

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Sophienlust - Die nächste Generation – 12 –

Ines gibt nicht auf

Eine tapfere junge Frau kämpft um ihre Familie

Karina Kaiser

Evelin lag traurig auf ihrem Bett. Gestern hatte sie Geburtstag gehabt und war vierzehn Jahre alt geworden. Und diese Tatsache war doch eigentlich ein Anlass, um mit der Familie und mit ihren Freunden zu feiern, lustig zu sein und viele Geschenke zu bekommen.

Sicher, ihre Schwester hatte ihr eine neue Jeanshose mit dazu passendem T-Shirt geschenkt, mehr aber auch nicht. Die Mama hatte sie nur in die Arme genommen und ihr einen Kuss auf die Wange gehaucht. Danach war sie wieder in ihr Schlafzimmer gegangen und hatte geweint, so wie sie es seit Tagen tat.

Ihre Freundinnen hatten nur angerufen. Nun ja, es traute sich niemand mehr hierher, seitdem Heiner Kaufmann, ihr über alles geliebter Vater, an den Folgen eines Autounfalles gestorben war. Sie vermisste ihn so sehr, genauso wie ihre Mutter und ihre große Schwester Ines ihn vermissten. Nie mehr, das wusste sie jetzt schon, würde sie wieder lachen und fröhlich sein können. Sie war doch Papas liebe kleine Püppi gewesen, die er viel lieber hatte als Ines. Na ja, die Schwester war ja auch schon ziemlich alt, schon 28, und außerdem recht streng, mit ihr und mit der Mutter auch. Das war nur schwer zu ertragen.

An diesem Nachmittag war Evelin jedoch allein und musste nicht das Gejammer der Mama ertragen und die völlig überflüssigen Anordnungen der Schwester ausführen. Die beiden waren zu einem Notar gefahren, weil der Vater dort sein Testament hinterlegt hatte. Es würde eine Weile dauern, bis sie wieder nach Hause kämen.

Sie hätte nun lernen, lesen oder ihr Zimmer aufräumen können, tat es jedoch nicht. Zum Lernen und Lesen hatte sie keine Lust, und das Aufräumen besorgte die Wirtschafterin, die dreimal in der Woche kam und für Ordnung und Sauberkeit in der komfortablen Sechszimmerwohnung sorgte, die einkaufte und für alles sorgte, was man so brauchte. Also blieb Evelin auf dem Bett liegen, dachte an ihren Vater und träumte davon, dass er plötzlich in ihr Zimmer kam und sie liebevoll in die Arme nahm, so wie er es oft getan hatte. Dabei schlief sie schließlich ein.

Als ihre Mutter und die Schwester gegen Abend zurückkamen, hörte sie sie nicht. Und das war auch gut so. Sie hätte das ganze Ausmaß der eingetretenen Katastrophe doch noch nicht verstanden.

Ines und ihrer Mutter fiel das ebenfalls sehr schwer.

Beide saßen inzwischen im Wohnzimmer und waren von den Eröffnungen des Notars noch immer geschockt.

Maria Kaufmann saß wie gebrochen in einem der modernen Designersessel und flüsterte in diesem Augenblick wieder den Satz, den ihre Älteste in den vergangenen Stunden schon oft gehört hatte: »Heiner hatte seit Jahren eine Geliebte.«

»Ja, hatte er, und einen achtjährigen Sohn hat er mit dieser Frau auch noch«, setzte Ines tonlos hinzu. »Und Geld ist so gut wie nicht mehr da. Das wenige, was noch vorhanden ist, muss durch fünf geteilt werden.«

»O Gott, o Gott! Wie konnte dein Vater uns so etwas nur antun? Wovon sollen wir nun leben?«

»Du bekommst eine Witwenrente, Mama, und ich habe meinen Beruf.«

»Witwenrente? Wie viel wird das sein?«

Ines, die das Einkommen des Vaters ungefähr kannte, rechnete überschläglich und nannte anschließend eine Summe, die Maria fassungslos machte.

»Mehr ist das nicht?«, murmelte sie entsetzt. »Davon können wir nicht einmal die Miete bezahlen.«

»Doch, das können wir, wir müssen aber sehr, sehr sparsam leben. Teure Kleidung und ebensolcher Urlaub sind fortan nicht mehr möglich. Ein Aufenthalt in einem Wellnesshotel ist auch nicht mehr drin, wir müssen uns einschränken. Und du musst froh sein, dass du diese Rente bekommst. Papas Zweitfrau kriegt nämlich gar nichts, nicht einmal mehr den Unterhalt für das Kind.«

»Das haben die auch nicht verdient.«

Ines seufzte leise. Ihre Mutter war mitunter doch sehr naiv. Sie hatte noch nie so recht begriffen, dass das Leben auch aus Arbeit und Verantwortung bestand. Sie hatte mit achtzehn den wesentlich älteren und schon damals ausgezeichnet verdienenden Beamten Heiner Kaufmann geheiratet, hatte ein Jahr später Tochter Ines und schließlich noch das Nesthäkchen Evelin bekommen. Größere Pflichten hatte sie nie gehabt und auch nicht haben wollen. Sie war immer nur die hübsche, zierliche Frau an der Seite von Heiner Kaufmann gewesen, den sie gelegentlich auf seinen Dienstreisen und bei kulturellen Veranstaltungen begleiten durfte. Wahrscheinlich immer dann, wenn eine Ehefrau erwünscht war. Dann zog sie mit ihrem Charme und in ihren eleganten Roben die entzückten Blicke vieler Männer auf sich.

Mit der Beschaffung teurer Garderobe und entsprechendem Zubehör für sich und ihre Töchter war Frau Maria völlig ausgelastet. Grund zur Klage hatte sie aber dennoch. Sie hatte zum Beispiel nie verstanden, warum ihre älteste Tochter unbedingt einen Beruf ergreifen wollte. Warum rackerte die sich so ab und vergeudete ihre schönsten Jahre in einem tristen Büro? Ines sollte sich lieber einen Mann suchen, einen reichen Mann natürlich. Dann hätte sie mehr vom Leben, könnte sich mehr pflegen oder pflegen lassen. Dann würde sie auch wesentlich besser aussehen. Sie war doch so hübsch wie Schneewittchen und würde in guter Markenkleidung noch viel attraktiver aussehen.

»Was die beiden verdient haben, geht uns nichts an, Mama«, sagte Ines jetzt. »Wir haben mit uns zu tun und müssen zusehen, wie wir mit unserer völlig veränderten Situation fertig werden.«

»Das hast du vorhin ja schon angedeutet, aber gefallen können mir deine Sparmaßnahmen nicht.«

»Mir auch nicht, aber es muss nun einmal sein. Was meinst du, wollen wir diese teure Wohnung aufgeben, in eine kleinere Stadt oder in eine ländliche Gegend ziehen und dort auch eine kleinere Wohnung mieten? Ich denke, drei Zimmer genügen …«

Weiter kam sie nicht, denn ihre Mutter schluchzte laut und empört: »Drei Zimmer in der Wallachei? Das kannst du doch nicht ernsthaft wollen.«

»Doch, ich glaube, es wäre die beste Lösung«, antwortete Ines nachdrücklich. »Auf dem Land sind die Wohnungen günstiger als hier in Berlin. Wir brauchen dann auch keine Putzfrau mehr.«

»Warum denn nicht?«

»Weil wir das allein können. Evelin kann auch schon helfen und muss nicht stundenlang mit ihrem Handy spielen. Und wenn wir das teure Auto verkaufen und mit meinem Kleinwagen zufrieden sind, dann hätten wir wieder eine kleine Rücklage für schlimme Zeiten. Man weiß ja nie, was noch kommt. Für dich wird sich bestimmt nicht viel ändern, aber Evelin muss umgeschult werden, und ich muss mir eine andere Stellung suchen.«

Maria Kaufmann hatte genug gehört. Sie war jetzt nach dem Tod ihres Mannes eine seit Jahren betrogene Frau, die nun mit einer schmalen Witwenrente auskommen musste, war eine Frau, die sich rein gar nichts mehr leisten konnte und überdies noch aufs Land ziehen sollte.

»Aber Kind, das kannst du mir doch nicht zumuten«, flüsterte sie mit dünner Stimme. »Und Evi auch nicht, und für dich wäre es auch nicht gut.«

»Warum nicht?«

»Wir werden dort versauern, unsere Freunde verlieren und in Billigläden einkaufen müssen. Das ertrage ich nicht. Habe ich denn nicht schon Kummer genug? Ich bin eine arme, betrogene Witwe, die nun auch noch auf dem Dorf dahinvegetieren soll. Du bist ja so gemein und verstehst mich einfach nicht.«

»Ich bin nicht gemein, sondern nur vernünftig«, gab Ines in scharfem Ton zurück. »Es muss dir doch inzwischen klar geworden sein, dass wir unseren bisherigen Lebensstandard beim besten Willen nicht beibehalten können. Schon die Miete allein wird den größten Teil unseres Einkommens verschlingen. Hinzu kommt das Schulgeld für Evelin und die ständigen festen Kosten.«

Über diese Ausgaben hatte Maria Kaufmann noch nie so recht nachgedacht. Ihr Mann hatte den gesamten Haushalt finanziert und ihr und den Töchtern immer ein großzügiges Taschengeld zugebilligt. Er hatte auch die Schulden bezahlt, die sie gelegentlich gemacht hatte. Ja, er hatte sich zumindest finanziell rührend um Frau und Töchter gekümmert.

Ines hatte ihn inzwischen jedoch im Verdacht, dass er sein schlechtes Gewissen damit beschwichtigen wollte. Sie verdächtigte ihn auch, den größten Teil seines Geldes seiner Zweitfrau und dem gemeinsamen Sohn hinterlassen zu haben. Einen Beweis hatte sie jedoch nicht. Wahrscheinlich hatte sich ihr Vater gedacht, dass Maria mit ihrer Witwenrente gut bedient sein würde. Von der würden sie und Evelin leben können. Und seine älteste Tochter hatte ja ihren Beruf und war überdies mit Marco Mehnert liiert, dem Sohn eines gut betuchten Wissenschaftlers.

An diesen jungen Mann, der wahrscheinlich eine steile Karriere vor sich hatte, dachte Maria jetzt auch und erwiderte: »Wenn das alles so ist, dann solltest du Marco heiraten.«

»Warum?«

»Dann hättest du mehr Geld zur Verfügung, könntest mich unterstützen, und ich brauche hier nicht wegzuziehen«, kam es entschieden zurück. »Dann kann alles so bleiben, wie es jetzt ist.«

»Wir werden darüber ein paar Tage nachdenken, Mama«, gab Ines vorerst nach. »Evelin werden wir noch nichts sagen. Sie vermisst Papa so sehr und sollte zunächst einmal zur Ruhe kommen, so wie wir beide auch.«

Dieser Meinung war Maria ebenfalls. Sie nickte nach kurzem Zögern zustimmend und verbrachte den Rest des Tages mit Jammern und Klagen.

Ihre Töchter hörten ihr geduldig zu. Die Mama hatte ja auch wirklich genug Grund, mit ihrem Schicksal zu hadern.

*

Ines hatte Marco Mehnert vor sechs Monaten im Tennisverein kennen gelernt. Er war ein umgänglicher und gut aussehender Mann von 34 Jahren und arbeitete in der Automobilbranche. Sie mochte ihn, konnte sich ein Zusammenleben mit ihm aber noch nicht so recht vorstellen. Sie besuchten sich nur in unregelmäßigen Abständen, hatten aber auch schon gemeinsam Urlaub gemacht.

An diesem Abend trafen sie sich in seiner Wohnung. Ines hoffte, bei ihm ein wenig Ablenkung und Trost zu finden, zumal sie zwei Tage zuvor die Urne ihres Vaters der See übergeben hatten, so wie es sein Wunsch gewesen war.

»Nun ist der ganze Stress wohl zu Ende«, sagte Marco gerade mitfühlend und strich ihr behutsam über die Hände. »Du solltest ein paar Tage Urlaub nehmen und ordentlich ausspannen. Wollen wir nach Griechenland fliegen oder in die Provence?«

»Würde ich schon gern, aber es geht vorläufig nicht«, antwortete sie betrübt.

»Warum denn nicht?«, fragte er verwundert. »Bekommst du keinen Urlaub?«

»Ich muss noch so einiges regeln und mir vor allem eine genaue Übersicht über alle Ausgaben verschaffen. Wir müssen ja jetzt mit viel weniger Geld auskommen als bisher. Meine Mitgliedschaft im Tennisverein werde ich auch kündigen. Die Wohnung werden wir ebenfalls nicht behalten können. Sie ist viel zu teuer.«

Marco ließ ihre Hände los, schaute sie irritiert an und meinte dann: »Ja, die Bezüge deines Vaters fallen nun fort, aber ich glaube nicht, dass ihr so einschneidende Maßnahmen ergreifen müsst. Ihr habt doch bestimmt genug geerbt.«

Das sollte ein Trost sein, klang aber lauernd und neugierig, was Ines nicht entging und stutzig machte.

»Geld war so gut wie nicht da«, erwiderte sie kühl. »Meine Mutter und Evi müssen nun mit der Witwenrente auskommen und ich mit meinem Gehalt. Daher ist eine große und teure Wohnung nicht mehr drin, großartige Reisen auch nicht.«

Die wohlmeinende Miene des jungen Mannes veränderte sich jäh. Entsetzt murmelte er: »Nun sag bloß, ihr seid jetzt zu armen Kirchenmäusen geworden.«

»Na, so schlimm nun gerade nicht. Wir werden nicht hungern, aber große Sprünge können wir auch nicht mehr machen. Mir macht das nicht so viel aus, aber Mama klagt den ganzen Tag. Sie ist an ihren bisherigen Lebensstandard gewöhnt. Sie kann mit dem Wort ›Sparen‹ überhaupt nichts anfangen, wird sich aber doch umstellen müssen. Es geht nicht anders.«

Marco Mehnert stand abrupt auf, ging zum Fenster und schaute hinaus.

Es gab dort nichts zu sehen, er wollte nur nicht, dass Ines seine Fassungslosigkeit bemerkte. Er war eben schon aus der Rolle gefallen. Insgeheim hatte er damit gerechnet, dass Heiner Kaufmann Frau und Töchtern große Summen hinterlassen hätte, und daher schon in Erwägung gezogen, Ines in absehbarer Zeit zu heiraten. Unter diesen armseligen Bedingungen konnte er das natürlich nicht mehr tun. Nur gut, dass er ihr noch keinen Antrag gemacht hatte.

»Ja, es wird nun sehr schwierig für euch drei«, erklärte er schließlich. »Da werdet ihr wohl doch aufs Land oder in irgendeine nahe Kleinstadt ziehen müssen.«

»Kann schon sein. Vielleicht ziehen wir auch ganz weg. Mal sehen, wo ich eine Stellung finde.«

Er wandte sich ihr wieder zu und entgegnete nüchtern: »Hm, na ja, vielleicht ist das unter diesen Umständen auch das Beste. Es gibt ja auch billige Gegenden, und eine Sekretärin kann überall arbeiten.«

»Dann können wir uns nicht mehr so oft sehen.«

»Ich besuche dich natürlich, wenn es sich einrichten lässt«, versprach er hastig, viel zu hastig, um glaubwürdig zu sein.

Ihr sagte diese Reaktion genug. Die plötzlich verarmte Ines Kaufmann passte offenbar nicht mehr in seine Lebensplanung. Anderenfalls hätte er ihr jetzt seine Hilfe und Unterstützung angeboten. Darüber fiel jedoch kein Wort. Der einzige Sohn von Professor Mehnert entschied sich spontan, die Beziehung zu Ines Kaufmann allmählich im Sande verlaufen zu lassen. Eine arme Frau oder Freundin konnte er nun einmal nicht gebrauchen. Und eine, die sich überdies noch um eine weinerliche Mutter und eine zickige Schwester kümmern musste, schon gar nicht. Hoffentlich begriff sie das recht bald.