Sophienlust - Die nächste Generation 26 – Familienroman - Karina Kaiser - E-Book

Sophienlust - Die nächste Generation 26 – Familienroman E-Book

Karina Kaiser

2,0

Beschreibung

Das Schicksal meint es nicht gut mit der jungen Nelly. Von ihrem Stiefvater als Haushälterin ausgenutzt, glaubt sie an die große Liebe zu ihrem Freund Daniel. Doch kaum erfährt der, dass Nelly ein Kind von ihm erwartet, trennt er sich eiskalt von ihr. Als auch noch der Stiefvater ausrastet, bleibt Nelly nur noch eins: die Flucht zu ihrer entfernt lebenden Großmutter. Doch auf dem Weg dorthin bricht sie zusammen … Die Frau mochte Anfang siebzig sein, war schlank, gut frisiert und elegant gekleidet. Aber sie war sichtlich nervös, ihre Hände zitterten, und manchmal war sie sogar den Tränen nahe. Denise von Schoenecker vermutete, dass sie krank war oder einfach nur überfordert. Ihre Enkelsöhne – zehnjährige Zwillinge mit Namen Bodo und Benno – schienen an der Verfassung der Oma einen erheblichen Anteil zu haben. Die beiden saßen zwar wie Unschuldslämmer auf der gepolsterten Bank, kicherten aber von Zeit zu Zeit und stießen sich gegenseitig bedeutungsvoll an. "Mein Sohn hat gesagt, dass er und seine Frau höchstens ein Vierteljahr wegbleiben werden", erklärte Charlotte Neumüller nun. "Das wäre ja noch zu ertragen, habe ich mir gedacht. Nun aber erklärt er mir, dass der Forschungsauftrag ein ganzes Jahr und vielleicht noch länger dauert und er und Lena unbedingt dabei sein müssen. Ein ganzes Jahr diese beiden Rangen, das halte ich nicht aus. Nie tun sie, was ich ihnen sage …" "Aber Oma, wir können doch nicht den ganzen Tag stillsitzen und mit Bauklötzen spielen", warf Bodo laut und entrüstet ein, und Benno fügte hinzu: "Ist doch echt langweilig, ey." Denise musterte die beiden einige Augenblicke und sagte dann ungewohnt resolut: "Ich habe mit eurer Großmutter zu reden. Da habt ihr euch nicht einzumischen. Seid also leise. Ist das klar, Jungs?" Der strenge Tonfall schüchterte die Zwillinge zwar nicht ein, sie grinsten nur, hielten aber doch den Mund. Sie sagten auch nichts, als die Großmama schluchzend hervorstieß: "Ich bin 71 Jahre alt und habe neben einigen anderen Beschwerden ein Augenleiden, das ständig behandelt werden muss. Ich kann die Jungen einfach nicht über einen so langen Zeitraum betreuen und bitte Sie daher, Bodo und Benno hier aufzunehmen, bis die Eltern wieder da sind."

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Sophienlust - Die nächste Generation – 26 –

Ein Zuhause für Nelly

Wie aus Verzweiflung ein neues Glück entstehen kann...

Karina Kaiser

Die Frau mochte Anfang siebzig sein, war schlank, gut frisiert und elegant gekleidet. Aber sie war sichtlich nervös, ihre Hände zitterten, und manchmal war sie sogar den Tränen nahe.

Denise von Schoenecker vermutete, dass sie krank war oder einfach nur überfordert. Ihre Enkelsöhne – zehnjährige Zwillinge mit Namen Bodo und Benno – schienen an der Verfassung der Oma einen erheblichen Anteil zu haben. Die beiden saßen zwar wie Unschuldslämmer auf der gepolsterten Bank, kicherten aber von Zeit zu Zeit und stießen sich gegenseitig bedeutungsvoll an.

»Mein Sohn hat gesagt, dass er und seine Frau höchstens ein Vierteljahr wegbleiben werden«, erklärte Charlotte Neumüller nun. »Das wäre ja noch zu ertragen, habe ich mir gedacht. Nun aber erklärt er mir, dass der Forschungsauftrag ein ganzes Jahr und vielleicht noch länger dauert und er und Lena unbedingt dabei sein müssen. Ein ganzes Jahr diese beiden Rangen, das halte ich nicht aus. Nie tun sie, was ich ihnen sage …«

»Aber Oma, wir können doch nicht den ganzen Tag stillsitzen und mit Bauklötzen spielen«, warf Bodo laut und entrüstet ein, und Benno fügte hinzu: »Ist doch echt langweilig, ey.«

Denise musterte die beiden einige Augenblicke und sagte dann ungewohnt resolut: »Ich habe mit eurer Großmutter zu reden. Da habt ihr euch nicht einzumischen. Seid also leise. Ist das klar, Jungs?«

Der strenge Tonfall schüchterte die Zwillinge zwar nicht ein, sie grinsten nur, hielten aber doch den Mund.

Sie sagten auch nichts, als die Großmama schluchzend hervorstieß: »Ich bin 71 Jahre alt und habe neben einigen anderen Beschwerden ein Augenleiden, das ständig behandelt werden muss. Ich kann die Jungen einfach nicht über einen so langen Zeitraum betreuen und bitte Sie daher, Bodo und Benno hier aufzunehmen, bis die Eltern wieder da sind.«

»Der Leiter dieser Einrichtung ist mein Sohn«, antwortete Denise nach kurzer Überlegung. »Er ist zurzeit nicht da, ich werde mich aber telefonisch mit ihm beraten. Vorher möchte ich jedoch wissen: Haben Sie wirklich keine anderen Möglichkeiten, Ihre Enkelsöhne unterzubringen, bei Verwandten oder Freunden?«

Die geplagte Großmutter schüttelte den Kopf und erwiderte erschöpft: »Nein, leider nicht. Meine Tochter lebt nicht mehr, und meine Enkelin Nelly ist gerade erst zwanzig und damit noch viel zu jung, um auf die beiden Schlingel aufzupassen. Sie brauchen eine feste Hand.«

Denise musterte Benno und Bodo einige Sekunden und begann zu ahnen, dass die beiden wohl schon so manchen Unsinn fabriziert hatten und tatsächlich eine energische Hand brauchten. Wahrscheinlich waren sie sich auch viel zu oft selbst überlassen gewesen. Die Eltern dieses munteren Duos waren vermutlich vor allem auf ihre Forschungsarbeit fixiert und dachten anscheinend nur wenig darüber nach, wie anstrengend die Betreuung ihrer Söhne war. Nun, da kam augenscheinlich eine neue Aufgabe auf sie, Nick und das Team von Sophienlust zu …

»Ja, Frau Neumüller, wir wären schon bereit, Ihre Enkelsöhne hier aufzunehmen«, entgegnete Denise freundlich. »Doch dazu brauchen wir die Einwilligung der Eltern.«

»Die sind doch in Australien. Reicht meine Einwilligung nicht?«

»Nein, aber mit moderner Technik ist alles möglich.«

»Damit kenne ich mich nicht aus.«

»Das macht nichts, wenn Ihr Sohn Sie anrufen kann, dann können Sie ihn doch auch anrufen. Wenn es Ihnen aber lieber sein sollte, wenn wir das übernehmen, dann machen wir das auch. Haben Sie die Telefonnummer?«

Die Frau atmete auf und holte aus ihrer Handtasche ein Notizbuch, schlug eine bestimmte Seite auf und gab Denise dann das Buch.

»Sehr gut«, lobte die und schrieb sich die erforderlichen Angaben ab. Danach gab sie es ihr zurück und fragte: »Darf ich Ihnen einen Kaffee oder einen Tee anbieten, Frau Neumüller? Die Jungen haben sicherlich auch Durst.«

Ja, den hatten sie. Sie bekamen Orangensaft, die Oma nahm gern einen Tee, und währenddessen versuchte Denise, die Eltern der hoffnungsvollen Zwillinge zu erreichen. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang ihr das auch.

Jörg Neumüller schien zwar erstaunt, dass seine sonst so rüstige Mutter nicht mehr in der Lage sein sollte, seine Jungen zu versorgen, versprach aber doch, seine schriftliche Einwilligung zu geben.

Damit war zunächst alles geklärt.

Benno und Bodo hatten bald ihren Orangensaft ausgetrunken und waren dann bereit, hinter Denise von Schoenecker und ihrer Großmutter herzutrotten, damit sie sich als Erstes ihr künftiges Zimmer anschauen konnten.

»Na ja, geht so«, meinte Bodo gönnerhaft, nachdem sie sich den hübsch und zweckmäßig eingerichteten Raum angeschaut hatten. »Wo sind denn die anderen Kinder?«

»Die meisten machen um diese Zeit ihre Hausaufgaben«, antwortete Denise. »Martin Felder, Simon van Beek und Fabian Schöller sind mit den Hunden unterwegs, und die großen Mädchen sind zum Sport gegangen.«

»Passt ständig einer auf uns auf?« Die Frage kam von Benno.

»Selbstverständlich seid ihr immer unter Aufsicht, ihr seid ja noch längst nicht erwachsen.«

Diese Aussage gefiel den Buben offensichtlich nicht. Sie schauten sich jedenfalls betreten und verärgert an.

Die Oma bemerkte es. Sie strich ihnen kurz über die Köpfe und sagte tröstend: »Hier ist es natürlich anders als bei euren Eltern oder bei mir. Hier habt ihr aber auch ganz andere Möglichkeiten als daheim.«

Die Zwillinge nickten zustimmend. Sie hatten sich für die Zeit ohne Eltern und Oma schon viel vorgenommen.

Charlotte Neumüller hatte ebenfalls einiges vor. Nun konnte sie endlich den Rat ihres Arztes befolgen und zur Kur fahren – und anschließend in die Seniorenwohnresidenz ziehen, in der sie eine Wohnung gemietet hatte. Dann wäre jede Möglichkeit ausgeschlossen, auch weiterhin die temperamentvollen Kinder in ihrem Hause aufzunehmen …

Schon wieder recht munter bedankte sie sich bei Denise von Schoenecker und fuhr anschließend mit Benno und Bodo nach Hause, um deren Sachen zu holen.

*

Die Jungen vermissten das kleine Landhaus und den Garten ihrer Großmutter nicht besonders. Dort kannten sie schließlich jeden Weg, jeden Steg, jedes Versteck und jeden Nachbarn. Sophienlust schien jedoch ein Paradies für wilde Spiele und aufregende Abenteuer zu sein.

Und als sie an einem sonnigen Tag ihren Einzug hielten, konnten sie sich gar nicht schnell genug von der Oma verabschieden. Sie konnten sich beim Mittagessen auch nicht ordentlich benehmen, stießen ihre Gläser um und konnten den Mund nicht halten.

Else Rennert seufzte leise, nahm sich aber fest vor, den beiden Lausebengeln Manieren beizubringen. Bodo und Benno lachten natürlich nur, wenn sie ermahnt wurden – und machten weiterhin, was sie wollten, heimlich oder unheimlich.

An einem der nächsten Abende fehlten die Zwillinge bei Tisch.

Regine Nielsen, die Dienst hatte, fragte mit leichter Besorgnis: »Sind Benno und Bodo noch in ihrem Zimmer? Weiß das jemand von euch?«

Die übrigen Kinder schüttelten die Köpfe. Mit den frechen Zwillingen wollte keiner so recht etwas zu tun haben.

Nur Pünktchen, die sich für die Jüngeren immer ein wenig verantwortlich fühlte, antwortete: »Ich habe vorhin nachgesehen. In ihrem Zimmer waren sie nicht, ich glaube, sie sind noch im Park.«

»Ja, das glaube ich auch«, stimmte die 7-jährige Heidi aufgeregt zu. »Ich habe ihnen gesagt, dass es gleich Abendbrot gibt und wir uns alle noch die Hände und das Gesicht waschen müssen. Da haben sie mich angeschrien und mich eine Rotznase genannt. Und dann haben sie noch gesagt, dass sie etwas ganz Wichtiges vorhaben, was keiner wissen soll und … und ich soll nicht petzen. Sonst verhauen sie mich.« Heidi, sonst gar nicht so zimperlich, begann zu weinen und suchte nach ihrem Taschentuch, fand es jedoch nicht.

Schwester Regine drückte ihr ein Papiertaschentuch in die Hand und sagte beruhigend: »Sie werden dich nicht verhauen. Das lassen wir gar nicht zu. Und es ist gut, dass du uns die Wahrheit gesagt hast. Und nun iss weiter, Heidi.«

Heidi nickte tapfer, während Denise, die mit am Tisch saß und das Ganze mit angehört hatte, einen tiefen Seufzer hören ließ.

»Wir machen es heute so wie Mama und Papa«, hatte Bodo bereits am Nachmittag vorgeschlagen. »Da, wo besonders viele Bäume und Sträucher wachsen, graben wir uns eine Höhle, legen Zweige und Grasbüschel drauf und bleiben dort über Nacht.«

»Und worauf schlafen wir?«, hatte der etwas bedächtigere Benno gefragt.

»Wir holen uns heimlich aus unserem Zimmer zwei Decken, unsere Müsli-Riegel und eine Saftflasche. Das reicht.«

Nun hatte der Plan auch Benno eingeleuchtet. Ohne dass es sonderlich auffiel, hatten sie sich davongemacht und hatten so getan, als würden sie zur Pferdekoppel gehen. Dort kamen sie natürlich nicht an. Sie hatten nur aus dem offen stehenden Geräteschuppen zwei Spaten mitgehen lassen und hatten dann bald eine geeignete Stelle zum ›Höhlenbau‹ gefunden.

Dass man sie suchen und finden würde, bedachten sie nicht, auch nicht, dass die Dogge Anglos eine gute Schnüffelnase war.

Immerhin vergingen beinahe zwei Stunden, ehe man die beiden Ausreißer und Abenteurer entdeckte.

Nick von Wellentin-Schoenecker, der gerade in einer Prüfungsphase seines Fernstudiums war und ein paar Tage an einem Präsenzseminar an der Uni teilgenommen hatte, war vor einer Stunde zurückgekommen und hatte die Aufregung in Sophienlust gleich mitbekommen.

Eine Gruppe größerer Kinder, darunter Fabian mit Anglos, hatte sich um Denise und Else Rennert eingefunden, um die Suche nach den vermissten Zwillingen zu beginnen. Nick folgte der Gruppe mit langen Schritten. Alle liefen dem Hund hinterher, der offenbar schon eine Spur aufgenommen hatte. Was dachten sich diese Lauser bloß?

»Diese Teufelsbraten werden echt zum Problem, Mama«, rief er seiner jetzt neben ihm dahineilenden Mutter zu. »Immer stiften sie irgendetwas an und verbreiten Unruhe unter den anderen. So kann das nicht weitergehen.«

»Dass es so schlimm kommt, habe ich nicht geahnt. Ich habe der alten Frau nur helfen wollen«, gab Denise zu.

Alexander von Schoenecker war ebenfalls mitgekommen, und auch seine Stimmung war nicht die beste, als er neben seiner Frau herstapfte. »Da seht mal, ich glaube, wir haben sie jetzt.« Er wies auf Anglos, der in diesem Moment mit lautem Gebell eine Stelle im Unterholz umkreiste.

Die Jungen krochen indessen tiefer in ihren Unterschlupf hinein, in der Hoffnung, nicht gesehen zu werden. In diesem Augenblick stürzte das Erdreich über ihnen ein.

»Mein Gott!«, flüsterte Denise entsetzt, die sofort die Situation erkannte. Sie war einige Sekunden wie gelähmt vor Schreck. Ihr Mann und ihr Sohn griffen schon nach den Spaten und schaufelten die Erde fort, eifrig unterstützt von Anglos, der unermüdlich an ihrer Seite buddelte.

Bedeppert, aber noch lange nicht einsichtig, krochen die Abenteurer kurz darauf aus ihrem Versteck.

»Wir wollten hier doch bloß übernachten«, verteidigte Bodo das riskante Unternehmen. »Es ist doch Sommer. Unsere Eltern schlafen dann oft im Freien.«

»Eure Eltern haben sicher ein Zelt«, erklärte Nick ungehalten und zwang sich zur Ruhe. »Doch darum geht es nicht. Wir haben uns Sorgen um euch gemacht. Ihr habt nicht Bescheid gesagt, wo ihr seid. Es hätte sonst was passieren können.«

Die Zwillinge waren nun doch den Tränen nahe, allerdings nicht aus Reue, sondern weil sie ihren schönen Plan nicht in die Wirklichkeit hatten umsetzen können.

Als die Zwillinge nach einem ausgiebigen Bad und einer kleinen Mahlzeit endlich im Bett lagen, versuchte Nick deren Eltern über eine Satellitenverbindung in Australien zu erreichen, leider vergeblich.

Er versuchte es in den nächsten Tagen noch mehrmals. Anschluss bekam er nicht. Jörg und Lena Neumüller schienen offenbar im australischen Busch abhandengekommen zu sein.

Die Großmutter war ebenfalls nicht zu erreichen. Und das war kein Wunder. Die Zwillinge erinnerten sich, dass die Oma eine Kur beantragt hatte.

»Dann werden wir wohl noch etwas warten müssen, bis wir diese beiden Frechlinge nach Hause schicken können«, stellte Denise bekümmert fest.

Ihr Sohn und Else Rennert, die Heimleiterin, nickten nur dazu. Was hätten sie auch sagen sollen? Es war klar, dass die Jungen vorläufig bei ihnen bleiben mussten. Sie hatten doch außer den Eltern, dieser jungen Cousine Nelly und der Großmutter niemanden mehr.

*

»Nun ist deine Lehre also endlich zu Ende.« Hellmuth Hiller, Nelly Mosers Stiefvater, ein ehemaliger Bauarbeiter, der seit einiger Zeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhielt, warf das Zeugnis, das Nelly ihm eben gegeben hatte, achtlos auf den Tisch. Dann ließ er sich in einen der schäbigen Sessel fallen und setzte hämisch hinzu: »Nun kannste dir Arbeit suchen und musst mir nicht mehr auf der Tasche liegen. Aber vorher machst du mir noch eine schöne Pfanne mit Eiern und Bratkartoffeln. Nun musst du ja wohl nicht mehr über deinen Büchern hocken. Ich weiß sowieso nicht, was ’ne Floristin drei Jahre lang zu lernen hat. ’nen Blumenstrauß binden kann doch jeder.«

Nelly verzichtete darauf, ihrem rechthaberischen und meist nörgeligen Stiefvater etwas erklären zu wollen. Sie nahm ihr Zeugnis an sich, ging damit in ihr Zimmer und legte es in eine Mappe. Dabei fragte sie sich, was ihre vor vier Jahren verstorbene Mutter an diesem Hellmuth Hiller gefunden hatte, den sie in zweiter Ehe heiratete. Er war dicklich, höchst unattraktiv und kämmte sein schütteres rotblondes Haar über eine kahle Stelle an seinem Hinterkopf, was sehr unvorteilhaft wirkte. Ob er früher besser ausgesehen hatte, daran konnte sich Nelly nicht mehr erinnern.

Hellmuth hatte inzwischen den Fernseher angeschaltet und sah sich­ wahrscheinlich irgendeine Vorabendserie an. Das war gut. Dann hatte sie in der Küche wenigstens ihre Ruhe vor seinen bissigen Bemerkungen. Mit der Vorbereitung des Pfannengerichtes beschäftigt, überlegte sie, wie sie ihre Zukunft gestalten sollte. Aber eigentlich war alles schon klar: Wenn sie eine Stellung gefunden hätte, würden sie und Daniel in eine kleine, feine Wohnung ziehen und miteinander glücklich sein. Und so lange musste sie es bei Hellmuth eben noch aushalten, für den sie seit dem Tod der Mutter den Haushalt führte.

Ein Problem gab es allerdings noch: Sie bekam ein Kind, war im zweiten Monat schwanger und ­würde ihren Zustand bei der Stellungssuche hoffentlich verschweigen können. Sie würde auch ihrem Stiefvater vorläufig nichts sagen. Dann nörgelte der noch mehr als ohnehin schon.

Daniel wusste auch noch nicht, dass er Vater wurde. Sie wollte es ihm sagen, wenn er sie morgen ­besuchte. Ihr Stiefvater ging ja jeden Sonntagnachmittag zu seinem Stammtisch, dann waren sie für eine Weile ungestört. Sie hätte natürlich auch zu ihm fahren können, doch das war ungünstig. Er wohnte mit zwei anderen Studenten in einer WG zusammen, dort waren sie nie allein. Doch auch das würde sich bald ändern. Daniel stand kurz vor dem Examen.

So, nun waren die Bratkartoffeln und die Spiegeleier fertig. Nelly füllte eine angemessene Portion auf einen Teller, fügte Besteck und Serviette dazu sowie ein großes Glas mit Bier.

Hellmuth Hiller nickte nur, als sein Abendessen auf dem Wohnzimmertisch stand. Ein Dankeschön hielt er für überflüssig.

Nach dem Essen etwas friedlicher gestimmt, verbrachte er den Abend mit einem knallharten Actionfilm, während Nelly früh zu Bett ging.

*

»Na, ist dein Alter schon bei seinen Stammtischbrüdern?« Daniel Kemp, ein großer junger Mann mit guter Figur und hübschem Gesicht, schaute seine Freundin fragend an.