Das Kind aus erster Ehe - Karina Kaiser - E-Book

Das Kind aus erster Ehe E-Book

Karina Kaiser

5,0

Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Es war Sommer. Auf Gut Schoeneich, das mit Sophienlust durch eine Straße verbunden war, herrschte Hochbetrieb. Doch für den Gutsherrn Alexander von Schoenecker war es kein so schöner Tag. Ein Mähdrescher musste repariert werden, einige Kühe waren ausgebrochen und konnten erst nach längerer Suchaktion ausfindig gemacht und auf die Weide zurückgetrieben werden, und schließlich hatte es auch noch eine Auseinandersetzung mit einem der Saisonarbeiter gegeben, der der Meinung gewesen war, um fünf Uhr nachmittags sei sein Dienst zu Ende, obwohl es noch ein ganzes Feld abzuernten gegeben hatte. Inzwischen war es Abend geworden. Verschwitzt, hungrig und durstig fuhr der Herr von Gut Schoeneich mit seinem Geländewagen nach Hause, darauf hoffend, dass er nach Dusche und einem reichhaltigen Abendessen den Tag mit seiner geliebten Frau Denise angenehm ausklingen lassen konnte. Zu seinem Verdruss war Denise jedoch gar nicht da. Sein Abendbrot bekam er natürlich dennoch. Dafür sorgte die Wirtschafterin. Doch gerade heute hätte Alexander so gern mit seiner Frau beim Essen geplaudert und sich dabei entspannt. Nun, das wurde also wieder einmal nichts. Und so saß Alexander später in der Bibliothek bei der Tageszeitung und einem Glas Rotwein und ärgerte sich – was eigentlich ganz gegen sein sonst immer so ausgeglichenes Naturell war. Und dieser Ärger traf Denise, als sie gegen zwanzig Uhr den Lieblingsraum ihres Mannes betrat. »Es ist ja schön, dass meine Frau endlich nach Hause kommt«, knurrte er. »Ich habe schon angenommen, du übernachtest in Sophienlust und denkst nicht mehr daran, dass du hier einen Mann hast, der dich sehnsüchtig erwartet.« »Aber Alex, nun sei doch nicht gleich so ungehalten«, erwiderte sie beschwichtigend und setzte sich zu ihm. »Drüben gab es einfach viel zu tun. Die Kinder haben Schulferien bekommen.

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Sophienlust - Die nächste Generation – 5 –

Das Kind aus erster Ehe

Wie Moni eine neue Familie fand …

Karina Kaiser

Es war Sommer. Auf Gut Schoeneich, das mit Sophienlust durch eine Straße verbunden war, herrschte Hochbetrieb. Doch für den Gutsherrn Alexander von Schoenecker war es kein so schöner Tag.

Ein Mähdrescher musste repariert werden, einige Kühe waren ausgebrochen und konnten erst nach längerer Suchaktion ausfindig gemacht und auf die Weide zurückgetrieben werden, und schließlich hatte es auch noch eine Auseinandersetzung mit einem der Saisonarbeiter gegeben, der der Meinung gewesen war, um fünf Uhr nachmittags sei sein Dienst zu Ende, obwohl es noch ein ganzes Feld abzuernten gegeben hatte.

Inzwischen war es Abend geworden. Verschwitzt, hungrig und durstig fuhr der Herr von Gut Schoeneich mit seinem Geländewagen nach Hause, darauf hoffend, dass er nach Dusche und einem reichhaltigen Abendessen den Tag mit seiner geliebten Frau Denise angenehm ausklingen lassen konnte.

Zu seinem Verdruss war Denise jedoch gar nicht da. Sein Abendbrot bekam er natürlich dennoch. Dafür sorgte die Wirtschafterin. Doch gerade heute hätte Alexander so gern mit seiner Frau beim Essen geplaudert und sich dabei entspannt. Nun, das wurde also wieder einmal nichts. Und so saß Alexander später in der Bibliothek bei der Tageszeitung und einem Glas Rotwein und ärgerte sich – was eigentlich ganz gegen sein sonst immer so ausgeglichenes Naturell war. Und dieser Ärger traf Denise, als sie gegen zwanzig Uhr den Lieblingsraum ihres Mannes betrat.

»Es ist ja schön, dass meine Frau endlich nach Hause kommt«, knurrte er. »Ich habe schon angenommen, du übernachtest in Sophienlust und denkst nicht mehr daran, dass du hier einen Mann hast, der dich sehnsüchtig erwartet.«

»Aber Alex, nun sei doch nicht gleich so ungehalten«, erwiderte sie beschwichtigend und setzte sich zu ihm. »Drüben gab es einfach viel zu tun. Die Kinder haben Schulferien bekommen. Da habe ich kaum auf die Uhr geschaut.«

»Wozu hast du eigentlich einen erwachsenen Sohn und durchaus fähige Mitarbeiter? Frau Rennert zum Beispiel, die du doch sonst immer über den grünen Klee lobst.«

»Nick ist am Nachmittag von Freunden abgeholt worden, mit denen er übers Wochenende zelten will, und Frau Rennert ist mit ihrer Familie für ein paar Tage in Urlaub gefahren. Allerdings hat auch unsere neue Erzieherin, Rosita Wellner, um Urlaub gebeten.«

»Den hättest du dann eben nicht bewilligen dürfen. In dieser Zeit ist das unklug.«

»Da irrst du dich«, versetzte sie entschieden. »Es sind Ferien. Da sind einige Kinder bei ihren Verwandten und müssen somit nicht betreut und beaufsichtigt werden. Und letzten Endes ist der Urlaubsplan verbindlich.«

Alexander blieb grämlich: »Wenn es so ist, dann hättest du ja pünktlich Feierabend machen können.«

»Es war außerdem noch viel Büroarbeit liegen geblieben. Aber morgen, mein lieber Brummbär, komme ich pünktlich nach Hause und werde es meinem gestressten Landwirt sehr gemütlich machen.«

Denise stand auf, ging zu ihm, setzte sich auf seinen Schoß und gab ihm einen Kuss.

Danach sagte er nur noch: »Du könntest es mir auch heute schon sehr gemütlich machen. Es ist ohnehin sehr günstig. Nick ist zelten und Henrik übernachtet heute bei Freunden im Dorf.«

»Wo du recht hast, hast du recht«, antwortete Denise lächelnd. »Hast du dich denn schon genügend von den heutigen Strapazen erholt?«

»Aber ja doch. Deine Nähe muntert mich immer auf.« Er schob sie sanft von seinen Knien, stand auf, nahm ihre Hand fest in die seine und ging mit ihr zum Schlafzimmer.

An defekte Mähdrescher, widerspenstige Kühe und aufmüpfige Mitarbeiter dachte Alexander von Schoenecker in den nächsten Stunden nicht mehr.

*

Endlich Urlaub! Rosita Wellner hatte an diesem Samstagmorgen eine Stunde länger geschlafen, ­hatte ausgiebig gefrühstückt und packte nun die Mitbringsel für ihre Eltern in einen Korb – zwei Flaschen Rotwein, eine Schachtel Pralinen und eine neue CD, auf der ein berühmter Tenor Arien von Mozart sang. Für ihren Vater würden diese Klänge allerdings das Signal sein, umgehend in den Garten oder in den Keller zu gehen und sich dort zu beschäftigen.

So, nun war alles für den Wochenendausflug fertig. Die 28-Jährige sah noch einmal in den Spiegel, fand sich hübsch und schick und verließ anschließend mit Tasche und Korb ihre Wohnung.

Zum Auto hatten ihre Eltern ein paar Tausender spendiert, damit sie recht oft zu Besuch zu ihnen kommen konnte. Sie war immerhin die einzige Tochter. Natürlich hofften Gerda und Horst Wellner auch schon seit Jahren auf ein Enkelkind und ließen es nicht an Ermahnungen fehlen.

Rosita seufzte dann stets und ging schnell zu einem anderen Thema über. Sie hätte gern ein Kind, lebte nach großer Enttäuschung aber zurzeit allein.

Ronald Keller, mit dem sie mehr als vier Jahre in Berlin zusammengelebt hatte, hatte von ihrem Kinderwunsch gar nichts gehalten.

Er könne mit diesen ständig plärrenden Rotznasen absolut nichts anfangen, hatte er oft gesagt. Sie würden seine Lebensqualität erheblich verschlechtern und eigentlich nur Geld und Nerven kosten. Außerdem verstand er ohnehin nicht, dass sie unbedingt ein eigenes Kind haben wollte. Als Erzieherin in einer Kindertagesstätte hätte sie doch fast jeden Tag genug Gören um sich.

Nein, er verstand sie nicht. Er wollte sie auch nicht verstehen. Aber er brauchte sie – vor allem für den Haushalt und seine Bequemlichkeit. Und wenn er mal eine kleine Freundin hatte, war das seiner Meinung nach nur ein Ausrutscher, den sie geflissentlich zu übersehen hatte.

Die betrogene und ausgenutzte Lebensgefährtin zu spielen, dazu hatte Rosita jedoch keine Lust. Sie wollte auch schon lange aus der Hektik und dem Lärm der Großstadt heraus. Und so hatte sie Ronald eines Tages verlassen und hatte die Stellung im Kinderheim Sophienlust als Erzieherin angenommen. In dieser ländlichen Idylle fand sie bald ihre innere Ruhe wieder, und die Arbeit mit den Kindern bereitete ihr große Freude, und auch die Kleinen, allen voran Heidi und der kleine Kim mochten »die neue Tante« sehr.

Ronald hatte sie seitdem nicht mehr wiedergesehen. Und das war auch gut so.

Mit diesen Gedanken lenkte sie ihren Kleinwagen in Richtung Nordosten und kam gegen Mittag vor dem geräumigen Landhaus an, das ihre Eltern am Rande von Potsdam bewohnten.

Vater und Mutter hatten selbstverständlich schon nach ihr Ausschau gehalten und standen samt Dackel Hugo auf der gepflasterten Einfahrt.

»Ach, mein Kind. Wie schön, dass du da bist!« Mutter Gerda umarmte gleich darauf ihre Einzige, ihr Mann tat das Gleiche und erklärte dabei: »Dir zu Ehren gibt es heute Kohlrouladen und zum Kaffee Heidelbeertorte.«

Rosita lächelte verständnisvoll. Ihr Papa aß nun mal gern die kalorienhaltigen Sachen und war trotzdem dünn wie eine Bohnenstange.

Er verdrückte dann auch zum Mittagessen eine gehörige Portion, anschließend ging er zu seinem Lieblingsplatz im Garten, um unter einem großen Apfelbaum im Liegestuhl das reichhaltige Mahl zu verdauen. Der Dackel folgte ihm, schlief aber nicht. Es war ja schließlich seine Pflicht, Haus und Hof zu bewachen und eventuelle Besucher lautstark anzumelden.

Rosita und ihre Mutter bewältigten indessen den Abwasch und räumten die Küche auf. Danach setzten sie sich im Wohnzimmer auf die Couch und lauschten dem Operntenor auf der mitgebrachten CD, plötzlich begann der Hund laut zu kläffen. Offenbar ärgerte er sich.

Die Hausfrau eilte zum Fenster, schaute hinaus und seufzte dann genervt: »Na, die fehlen mir gerade noch.«

›Die‹ waren Rositas Cousine Kathleen, ihr zweiter Mann, Robert, sowie die Kinder Simone und Ludovic.

Auch Horst Wellner war aus seinem wohlverdienten Mittagsschlaf hochgeschreckt und stand schon bei den Überraschungsgästen.

Der kleine Ludovic hatte anscheinend Angst vor dem Hundevieh und klammerte sich schluchzend an seine Mutter, seine ältere Schwester stand wie unbeteiligt da, und Robert Richter, der neue Ehemann, sagte leise ein unfeines Wort. Er mochte den Hund offenbar auch nicht.

Nur wenig später hatte sich die Szene etwas entschärft, Kathleen und ihr Mann saßen auf der Couch und nippten an kühlen Getränken, die Gerda eilig auf den Tisch gestellt hatte. Der dreijährige Sohnemann hatte indessen sein Spielzeugköfferchen auf dem Teppich ausgekippt, während seine große Schwester Simone, genannt Moni, ziemlich lustlos in einem Buch blätterte.

Man sprach nun über das Wetter und andere Belanglosigkeiten. Rosita hatte aber den Eindruck, als wenn es einen ganz bestimmten Grund für den plötzlichen Besuch gab. Kathleen wirkte nervös und fahrig, und ihrem Mann schien überhaupt alles zu viel zu sein.

Rosita irrte sich nicht, denn gleich nach dem Kaffeetrinken, als die beiden Männer mit den Kindern und dem Dackel zum nahegelegenen Spielplatz gingen, begann Kathleen mit einem flehenden Blick auf ihre Tante:

»Bei euch ist alles so friedlich und harmonisch. So hätten wir es auch gern, aber Moni macht uns das Leben mehr und mehr zur Hölle.«

»Nanu, warum denn das?«, wunderte sich Gerda. »Sie hat hier doch ganz brav gesessen und kaum ein Wort gesagt.«

»Sie macht nicht, was sie soll, und kann sich mit Vico … Ludovic nicht vertragen. Ständig gibt es Streit. Der Kleine ist dann immer völlig fertig und weint manchmal stundenlang. Das ist kaum noch auszuhalten.«

»Ja, der Altersunterschied ist ja auch beträchtlich. Moni ist immerhin schon neun.«

»Du sagst es, Tante Gerda. Eigentlich müsste sie schon sehr vernünftig sein, sie ist es aber nicht.«

»Warum denn nicht? Lernt sie schlecht?« Das kam von Rosita, die bis jetzt nur zugehört hatte.

»Nein, sie ist recht gut in der Schule. Da dürfte es ihr doch nicht schwer fallen, auf ihren Bruder zu achten und mit ihm zu spielen. Ich habe so viel um die Ohren, und Robert kommt oft spät nach Hause. Wir haben eben nicht immer Zeit, uns mit Vico zu beschäftigen. Und von einer großen Schwester kann man doch schon erwarten, dass sie die Eltern unterstützt. Aber sie will einfach nicht und ist unzufrieden. Dabei bekommt sie doch alles.«

»Tatsächlich?«, warf Rosita spöttisch ein.

»Einen Goldhamster oder ein anderes ekliges Vieh natürlich nicht«, erwiderte Kathleen aufgebracht. »Tiere machen alles schmutzig. Die sind auch gar nicht gut für Kinder, vor allem für unseren Sohn nicht. Er ist ein so empfindliches Kind.«

»Wenn die Kinder älter sind, werden sie sich bestimmt besser vertragen«, meinte Gerda, nur um etwas zu sagen.

»Ja, vielleicht. Aber wir haben jetzt schon ein Problem.«

Ich habe es geahnt, dachte Rosita. Deshalb sind sie gekommen. Mein Muttchen ist ja auch so eine gute Seele, die Verständnis für alles Mögliche hat. Das muss man ausnutzen.

Gerda fragte auch sofort: »Was für ein Problem habt ihr denn?«

»Wir wollen nächste Woche nach Gran Canaria fliegen, schön Urlaub machen und so, aber Moni will absolut nicht mit.«

»Warum nicht?«

Kathleen sah ihre Cousine erbost an und fauchte: »Weil sie uns ärgern will. Ist doch klar.«

Rosita versuchte es im Guten und fragte: »Könnt ihr sie nicht bei deinen Eltern lassen?«

»Die sind zur Kur gefahren, und Robert hat nur noch einen Vater. Und der ist furchtbar unbeholfen und kann die Kleine ganz gewiss nicht nehmen. Es ist zum Verzweifeln.«

Kathleen begann zu schluchzen und flüsterte schließlich: »Was sollen wir bloß machen? Wir haben uns doch so auf die Reise gefreut. Kann sie nicht bei euch bleiben? Es sind doch nur zwei Wochen.«

Gerda Wellner war sekundenlang sprachlos, Rosita war es jedoch nicht. Sie antwortete entschieden: »Mutti und Papa müssen doch arbeiten.«

Dieses Argument leuchtete Kathleen nicht ein, sie erwiderte schmeichelnd: »Deine Mutter würde doch bestimmt kurzfristig Urlaub bekommen, nicht wahr, Tante Gerda?«

Die Hausfrau kam zu keiner Antwort, weil in diesem Augenblick die Tür aufgerissen wurde. Robert Richter kam herein und hatte seinen laut heulenden Sohn auf dem Arm.

»Mama …« Der Kleine streckte die Arme nach der Mutter aus, wurde sofort genommen und liebevoll getröstet, während der arg strapazierte Vater sich völlig geschafft in einen Sessel sinken ließ.

Rosita und ihre Mutter schauten sich bedeutungsvoll an, so, als wenn eine der anderen sagen wollte: Für diese Eltern gibt es nur ein Kind – Ludovic. Das Mädchen zählt nicht.

»Wo ist eigentlich Moni?«, erkundigte sich Kathleen, als das Brüderchen nach einigen Minuten endlich mit seinem Heulkonzert aufhörte.

»Keine Ahnung.« Robert zuckte mit den Schultern. »Auf einmal war sie weg. Ich konnte nicht auch noch auf sie achten. Vico ist ja so temperamentvoll.«

Kathleen wandte sich indessen an Tante und Cousine und keifte: »Da seht ihr es. Sie macht, was sie will.«

Und dann sagte sie noch: »Robert, du musst sie suchen.«

Ihr Ehemann schien diese fünf Worte nicht gehört zu haben. Er blieb jedenfalls sitzen und nahm sich ein paar Erdnussflips.

»Ich werde sie suchen.«

Rosita stand auf und verließ das Wohnzimmer.

*

Der Onkel Horst war bald wieder gegangen, und Robert hatte ihren Bruder in den Sandkasten gesetzt, wo der Kleine mit einer Schaufel den Sand nur so um sich warf. Einige dieser Geschosse trafen sie, seine große Schwester. Robert sagte natürlich nichts dazu. Das tat er ja nie. Da hatte sich Moni heimlich verdrückt, war zum Haus von Tante Gerda und Onkel Horst gelaufen und hatte sich hinter der Hecke versteckt. Dort wollte sie warten, bis die Mama und Onkel Robert wieder nach Hause fahren wollten.

Das konnte zwar noch dauern, aber vermissen würde sie garantiert niemand. Hier würde auch niemand sehen, dass sie weinte.

Rosita hatte unterdessen in den Geräteschuppen geschaut und war anschließend zum Obstgarten gegangen. Vielleicht war die Kleine auf einen Baum geklettert. Doch auch hier Fehlanzeige.

»Moni!«, rief sie.

Es antwortete natürlich niemand.

Sich an ihre eigene Kinderzeit erinnernd, ging sie weiter und schaute hinter die Hecke, die die Grenze zum Nachbargrundstück darstellte. Und dort entdeckte sie das Kind.

»Warum hast du dich denn da verkrochen?« Rosita strich der Kleinen behutsam über die Wange.

»Ich will allein sein«, kam es leise zurück.

»Dein kleiner Bruder ist sicher manchmal ein bisschen ungezogen und nervt dich.«

»Der ist immer ungezogen. Der darf auch alles.«

Rosita kommentierte diese Aussage nicht, sondern fragte nur: »Wollen wir uns auf die Bank da hinten setzen? Da kannst du mir dann erzählen, warum du lieber allein sein möchtest.«

»Und dann sagst du alles meiner Mama.«