Sorrowville - Scarecrow Neversea - E-Book

Sorrowville E-Book

Scarecrow Neversea

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Beschreibung

Tauchen Sie ein in die schaurige Welt von "Sorrowville" und erleben Sie die unheimlichen Fälle des Zacharias Zorn! Die erste Staffel der Reihe beinhaltet fünf Romane, die auch als Ebook und Hörbuch erscheinen. Über die Reihe "Sorrowville": Die Goldenen Zwanziger in Amerika – Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft erblühen. Doch in manchen Städten sind selbst die Fassaden von Schmutz besudelt, und nicht einmal der Schein trügt. An diesen Orten haben Verbrechen und Korruption längst die Herrschaft ergriffen. Verborgen in den Ruinen der Rechtschaffenheit lauern unsagbare Schrecken, welche die Vorstellungskraft schwacher Geister und krimineller Gemüter sprengen. Kaskaden des Wahnsinns, geboren aus einem zerstörerischen Willen zu allumfassender Macht, zerren am Verstand einstmals braver Bürger. Dagegen stellt sich Zacharias Zorn, Privatermittler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Nur er ist imstande, Licht in die Finsternis zu tragen – unter Einsatz seines Lebens und seiner Seele. Willkommen … in Sorrowville! Über Band 3 "Horrorstreik im Albtraumhafen": Ein deutscher Frachter havariert im Devil's Riff unweit von Sorrowville, wo der Regen immer fällt und die Menschen kein freundliches Wort miteinander wechseln. Während ein Streik der Hafenarbeiter die Stadt in Atem hält, machen sich Elizabeth Roberts und Zacharias Zorn auf den Weg, um das gestrandete Geisterschiff zu untersuchen. Sie ahnen nicht, in welcher Gefahr Sorrowville schwebt: Eine dunkle Macht hat ihren hässlichen Schädel erhoben und zeichnet Bilder eines blutigen Untergangs der Stadt.

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Seitenzahl: 121

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Ähnliche


Impressum
Vorwort
Prolog
Kapitel 1: Schlechte Nachrichten
Kapitel 2: Das Riff des Teufels
Kapitel 3: Der Tod wirft seine Schatten voraus
Kapitel 4: Das Geisterschiff der Deutschen
Kapitel 5: Im Bauch der Bestie
Kapitel 6: Captain´s Dinner
Kapitel 7: Wo sind all die Toten hin?
Kapitel 8: Kalter, toter Fisch
Kapitel 9: Bring mir den Kopf von Ronan D.
Kapitel 10: In vollen Zügen
Epilog
Über Sorrowville

Sorrowville

Teil 3: Horrorstreik im Albtraumhafen

Scarecrow Neversea

Impressum

Originalausgabe | © 2021

Verlag in Farbe und Bunt

Am Bokholt 9 | 24251 Osdorf

www.ifub-verlag.de / www.ifubshop.com

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Veröffentlichung des Buches, oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Alle Rechte liegen beim Verlag.

Herausgeber: Björn Sülter

Lektorat & Korrektorat: Telma Vahey

Cover-Illustration: Terese Opitz

Cover-Gestaltung: EM Cedes

Satz & Innenseitengestaltung: EM Cedes

ISBN (Print): 978-3-95936-290-0

ISBN (Ebook): 978-3-95936-291-7

ISBN (Hörbuch): 978-3-95936-292-4

Vorwort

Die Goldenen Zwanziger in Amerika – Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft erblühen. Doch in manchen Städten sind selbst die Fassaden von Schmutz besudelt, und nicht einmal der Schein trügt.

An diesen Orten haben Verbrechen und Korruption die Herrschaft ergriffen. Verborgen in den Ruinen der Rechtschaffenheit lauern überdies unsagbare Schrecken, welche die Vorstellungskraft schwacher Geister und krimineller Gemüter sprengen. Kaskaden des Wahnsinns, geboren aus einem zerstörerischen Willen zu allumfassender Macht, zerren am Verstand einst braver Bürger.

Dagegen stellt sich Zacharias Zorn, Privatermittler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Er ist derjenige, der Licht in die Finsternis zu tragen imstande ist – unter Einsatz seines Lebens und seiner Seele.

Willkommen … in Sorrowville!

Prolog

Das dumpfe Dröhnen der vierzylindrigen Vierfach-Expansions-Dampfmaschine hallte durch den Schiffsrumpf. Genieteter Stahl warf den Schall zurück, wie ein industrielles Echo in einem canyongleichen Schiffsbauch. Unaufhörlich arbeiteten die Kolben, um das Gesamtgewicht von fünfeinhalbtausend Bruttoregistertonnen über den Atlantik zu schieben.

Nicht wenige Schiffe fanden in diesen Tagen ihre letzte Ruhe tausende Fuß tief in den stockfinsteren Abgründen des Ozeans. Selbst die modernste Bathymetrie, die Wissenschaft der Meeresvermessung, konnte nicht genau angeben, wie tief die Schiffe und die armen Seelen an Bord in den Schlund gezogen wurden. Selten überlebte einer der tapferen Seeleute eine Havarie auf hoher See. Manche Stimmen, meist nur geflüsterte Worte hinter vorgehaltener Hand, gingen von noch schlimmerem Übel in den Gräben am Grund des Atlantiks aus, als der Tod bereits darstellte.

Heftige Stürme machten die Überfahrt nach Amerika zu einer kaum überwindbaren Herausforderung für die Mannschaft des Frachters. Immer wieder peitschte der Regen über das Deck, als wolle er ihnen zu verstehen geben, es sei besser, umzukehren. Doch wer waren sie, dass sie die Entscheidungen der Reederei in Frage stellten?

Drei Seelen waren vor zwei Tagen bereits über Bord gegangen und nicht mehr gesehen worden. In einem Moment waren sie noch an Deck gewesen und im nächsten Augenblick auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Selbst bei vergleichsweise mildem Seegang, wie in dieser Nacht, konnten solche Unfälle immer wieder passieren.

Wann immer Kapitän Otto Brunkahl und seine Offiziere nicht zugegen waren, raunten die fünfzig Matrosen, die an Bord der Lothar von Trotha ihren Dienst schoben, einander zu: Diese Überfahrt war verflucht und stand unter dem dunkelsten Stern, der sich am Firmament abzeichnen konnte.

Friedrich zog die Wollmütze tiefer in die Stirn. Er war froh, dass es ihn noch nicht erwischt hatte und sein noch junges Leben weiterhin Bedeutung hatte. Mit schwieligen Händen wischte er das Regenwasser aus dem Gesicht. Ein Frösteln erfasste ihn und ließ ihn schaudern.

Er mochte die anderen Matrosen und wünschte den wenigsten von ihnen etwas Schlechtes. Sie waren seine Kameraden, und zusammen hatten sie in den letzten fünf Jahren der See getrotzt. Wann immer das launische Meer die Hand aufhielt und Wegzoll in Form von menschlichen Leben einforderte, hatten sie dem Tod ein Schnippchen geschlagen und dem Verderben die Stirn geboten. Keiner von ihnen hätte je gedacht, dass sich das Blatt einmal wenden und der Einsatz, den sie von Überfahrt zu Überfahrt aufbrachten, verbraucht sein könnte.

Genauso kam es Friedrich diesmal vor. Sie hatten ihr Glück überstrapaziert und wurden einzeln in die Hölle geschickt, für das Unheil, das sie der Menschheit angetan hatten.

Curt hatte er noch nie leiden können. Genau wie Friedrich war er Schiffsmechaniker dritten Ranges und für die einfachen Arbeiten an den Zylindern der von Wigham Richardson & Co. Ltd. erbauten Dampfmaschine zuständig. Dennoch goss er dem Toten zu Ehren einen Becher Rum ins Meer, als feststand, dass Curt nicht mehr unter ihnen weilte und die See auch sein Leben gefordert hatte. Auch Emil und Fritz verschwanden spurlos im nächtlichen Unwetter irgendwo zwischen den Kapverdischen Inseln und Sorrowville, mitten im Atlantik, wo das Meer dunkel und ebenso tief war. Eben noch hatten sie ihren Dienst als Deckwache verrichtet, und kurz danach waren sie nicht mehr. Drei Briefe hatte Kapitän Brunkahl mit zittrigen Fingern an die Familien der Verstorbenen geschrieben. Dreimal hatte er seine Trauer und sein Beileid ausgesprochen für das schwere Schicksal, das sie erleiden mussten.

Jeder, der zur See fuhr, wusste, dass er nicht nur monatelang von seinen Lieben getrennt war, sondern auch, dass jede Fahrt über das Meer die letzte sein konnte. Matrosen sprachen gemeinhin wenig von solchen Dingen, aber Friedrich erkannte in ihren Augen, dass sie alle die Gefahren auf hoher See und die Möglichkeit, niemals mehr zurückzukehren, nur zu gut kannten.

»Nun los, du Faulpelz! Was stehst du hier an der Reling und starrst Löcher in die Wellen?«

Friedrich zuckte zusammen. Leutnant Alfred Burmeister stand zu seiner vollen Größe von fast zwei Metern aufgerichtet vor ihm. Burmeister war ein harter Hund, der den Männern häufiger die Knute zeigte, als es für einen anständigen Seemann angemessen wäre. Immer wenn er mit dem sandgefüllten Lederknüppel ausholte, um jemanden zu maßregeln, sah man das freudige Leuchten in seinen Augen. Ganz so, als sei jeder Schlag ein Vergnügen, wie für normale Menschen der Genuss eines scharfen Schnapses.

»Tschuldigung, Leutnant«, stammelte Friedrich. »Ich mach mich schon an die Arbeit.« Er sah, wie der Offizier die Schlaufe lockerte, die den Knüppel an seinem Gürtel hielt.

Ein finsterer Blick aus den Untiefen des menschlichen Sadismus erreichte ihn, wie der strafende Bannstrahl des Erzengels Michael. »Dein Platz ist unter Deck, im Maschinenraum, wenn ich mich recht entsinne, oder etwa nicht?«

Umgehend zog Friedrich den Kopf ein und machte sich kleiner, als er war. »Ja, Leutnant! Ich wollte nur etwas kühle Nachtluft schnuppern. Unten ist es stickig und heiß.«

»Na, das ist ja was ganz Neues.« Mit einer schnellen Bewegung löste er den Knüppel und zog ihn Friedrich in einer raschen Bewegung über das Gesicht. Dumpfer, harter Schmerz durchzog seine Wange und ließ Friedrichs Zähne knirschen.

Oh, wie gerne hätte er sich revanchiert und dem brutalen Kerl das Maul gestopft! Links und rechts eine ordentliche Backpfeife verpasst, bis ihm die Grausamkeit ausgetrieben war. Jedoch galt eine erhobene Hand gegen einen Offizier als eine erhobene Hand gegen den Kapitän selbst und hätte zu einer drakonischen Strafe geführt, die Friedrich wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Also nahm er den Schlag hin und hoffte, dass diesem keine weiteren folgen würden. Tatsächlich hatte er Glück, denn Burmeister schien heute gut aufgelegt zu sein und verzichtete auf weitere Züchtigungen. »Wenn ich dich heute Nacht noch einmal an Deck erwische, setzt es eine richtige Tracht Prügel.«

Unter zahlreichen Entschuldigungen zog sich Friedrich zurück und wandte sich schnellen Schrittes dem Schott zu, das ihn auf direktem Weg zum Maschinenraum führte. Keinesfalls hatte er vor, Leutnant Burmeister heute Nacht noch einmal vor den Knüppel zu kommen. Lieber verbrachte er seine Stunden im lärmerfüllten Maschinenraum und kümmerte sich für die sichere Überfahrt nach Sorrowville um genügend Kraft in den Maschinen. In einem, höchstens zwei Tagen sollten sie die Kleinstadt an der Ostküste der Vereinigten Staaten erreicht haben. Er würde für den nötigen Dampf sorgen, sodass sie, sobald die Sonne aufging, sicherlich die Küste Amerikas sehen konnten.

Friedrich schloss das schwere Schott hinter sich. Ein düsterer Gang aus verschweißtem und genietetem Stahl eröffnete ihm den Abstieg in den Bauch des Schiffs. Ab hier traf er für gewöhnliche keine Menschenseele mehr, die nicht explizit für den Dienst im Maschinenraum eingeteilt war. Der Kapitän und Burmeister achteten penibel darauf, dass sich jeder nur dort aufhielt, wo er laut dem kaiserdeutschen Schiffshandbuch sein sollte. »Die Beibehaltung preußischer Tugenden« nannten sie es. Für Friedrich stellte vieles davon allerdings nichts anderes als üblen Sadismus dar sowie die Freude daran, Macht brutal auszuüben. So, wie er es immer erlebte, wenn sie vor Windhoek vor Anker gingen und die feinen Herren sich ordentlich austobten, als wären sie Herrenmenschen.

Die Schritte hallten blechern von den Wänden wider, und das Gefühl von Einsamkeit ergriff ihn. Nicht zum ersten Mal. Immer wenn er den Ozean überquerte, fühlte er sich verloren in den Weiten der Wellen. Je tiefer er in die Eingeweide des Schiffes vordrang, desto mehr kam er sich wie Jona im Bauch des Wals vor. Friedrich war nicht sonderlich religiös, besuchte aber immer eine christliche Kirche, sobald sie Landgang hatten, für ein Dankesgebet. Eine sichere Anlandung war auch in diesen modernen Tagen nicht immer selbstverständlich. Dennoch fühlte er sich der Erzählung von Jona sehr nahe und dachte häufig an ein einsames Leben im Bauch des Wals, wenn sein Herz schwermütig wurde.

Die biblische Geschichte von Jona und dem Wal berichtete von der Einsamkeit des Mannes, als er vom Giganten der Meere verschlungen worden war. Jona war ebenso wie Friedrich ein Seemann, und beide verband das Gefühl des Verlorenseins, wie es Friedrich oft schon nach ein paar Tagen auf hoher See ereilte. Im Gegensatz zu ihm war Jona auserwählt worden, im Namen Gottes in die Stadt Ninive zu reisen und ihr den gottgewollten Untergang zu verkünden. Die Menschen Ninives waren erfüllt von Boshaftigkeit und hatten nichts anderes verdient als den Tod. Auf der Überfahrt zur Stadt soll sein Schiff in schwere Stürme geraten sein und die Mannschaft, abergläubisch wie sie war, hatte Jona als Symbol der unheilvollen Verheißung ausgemacht und ihn kurzerhand über Bord geworfen, um ein düsteres Schicksal von dem Schiff abzuwenden. So war Jona in den Bauch des Wals geraten, zufällig verschluckt vom König der Meere. Ob er jemals Ninive erreicht hatte oder die Stadt ihrem Untergang entgehen konnte, wusste Friedrich nicht. Wahrscheinlich war Jona gar kein Seemann gewesen, und Friedrich verfügte lediglich über Halbwissen, wie es in vielen Lebensbereichen der Fall war, aber das störte den jungen Mann nicht. Irgendwann würde er schon noch herausfinden, ob die Stadt tatsächlich durch Gottes Zorn vernichtet worden war.

Dumpfes Dröhnen schallte aus der Richtung des Maschinenraums durch die Eingeweide des einhundertfünfzehn Meter langen Frachters. Peter musste wieder das Schott offengelassen haben, um etwas Sauerstoff in den heißen und stickigen Raum zu bekommen, wie er es häufig tat. Wenn ihn Burmeister dabei ertappte, setzte es eine ordentliche Tracht Prügel. Peter sollte es eigentlich besser wissen. Bereits kurz nachdem sie Afrika verlassen hatten, war er mit dem Offizier aneinandergeraten und hatte drei volle Tage benötigt, bis er wieder schmerzfrei sitzen konnte.

Die Deckenbeleuchtung flackerte, als Friedrich den Gang entlang in die Tiefen des Frachters schritt. Nichts Ungewöhnliches an Bord des Schiffes und kein Grund zur Sorge. Spannungsschwankungen waren alltäglich. Als das Licht vollends erlosch und absolute Dunkelheit ihn einhüllte, wurde es Friedrich jedoch etwas mulmig zumute. Er hielt inne und lauschte in die Dunkelheit. »Peter? Soll das einer deiner dummen Witze sein?«

Keine Antwort. Nur das immerwährende Dröhnen der zweitausendfünfhundert PS starken Maschine war zu hören.

»Peter?«

Friedrich breitete die Arme aus, um sich voran zu tasten. Da vernahm er ein Geräusch in der Dunkelheit, das sich rasch und entschlossen näherte. Es hörte sich an wie nackte Füße auf verschweißten Metallplatten. Pitsch, patsch. Irgendetwas kam direkt auf ihn zu, anscheinend mit der Geschwindigkeit eines Rennpferds.

»Peter, ich paddel dir eine, wenn du mich erschreckst!«, rief Friedrich mit zitternder Stimme und ballte die Fäuste. Das Geräusch der Schritte stoppte unmittelbar vor ihm. Eiseskälte erfasste Friedrich, ein Schauer lief vom Nacken aus bis tief hinab über den Rücken. Von einem Moment auf den anderen hatte sich die Temperatur im Bauch des Schiffs sicher um mehr als dreißig Grad abgekühlt. Die kleinen Härchen an seinen Unterarmen stellten sich auf. Er merkte, wie Schwindel ihm die Sinne vernebelte, und es erforderte viel Kraft, um sich aufrecht zu halten und nicht am Metallgeländer abzustützen.

Das Licht flammte auf. Für einen kurzen Moment wurde es taghell im Gang zum Maschinenraum. Das Licht brannte sich unangenehm in seine Augen. Noch ehe Friedrich mehr erkennen konnte als schemenhafte Konturen, die sich ihm näherten, erstarb die Beleuchtung in einem erneuten Flackern. Doch die Zeit hatte ausgereicht, um einen Blick auf klauenartige Finger zu erhaschen. Rasiermesserscharf, gebogen und viel zu lang für einen Menschen. Nichts hätte Friedrich auf die grässliche Fratze vorbereiten können, die er für einen Wimpernschlag kaum einen Meter vor sich gesehen hatte. Der Geruch nach Tod breitete sich aus.

Ein Schrei entfuhr der Kehle des Maschinisten. Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte davon, so schnell ihn die Beine trugen. Wenngleich seine Augen keine Hilfe in der Finsternis waren, so kam ihm die mehrjährige Erfahrung an Bord dieses Schiffes zugute, die ihm präzise aufzeigte, wann das nächste Schott kam und er einen Schritt über den Rand des metallischen Türrahmens am Boden machen musste. Wie ein Schlafwandler bewegte er sich voran, jedoch ungleich schneller. Eine Biegung nach links, acht Schritte voraus, dann erneut ein Schott. Friedrich kannte die Lothar von Trotha fast besser als sein schlesisches Heimatdorf, in dem er so viele Jahre verbracht hatte.

Die Kälte ließ etwas nach, und er hatte den Eindruck, als hätte er das, was aus der Dunkelheit auf ihn zugekommen war, hinter sich gelassen. Was auch immer es war, er wollte wirklich keine nähere Bekanntschaft mit diesem Ding machen.

Keine zwanzig Meter lagen zwischen ihm und dem Oberdeck. Er musste Leutnant Burmeister finden und umgehend Meldung machen. Vielleicht hatte diese grässliche Kreatur der diensthabenden Besatzung im Maschinenraum etwas angetan. Wenn er sich richtig erinnerte, waren Blutflecken an den langen, knochigen Fingern auszumachen gewesen.

»Wenn der verdammte Leutnant mir nicht glaubt«, schimpfte er vor sich hin, »kann er gefälligst selbst da runter gehen und sich ein Bild machen. Ich setze keinen Schritt mehr in diese Finsternis!«

Eine säuselnde Stimme erklang direkt neben seinem Ohr. »Dann kommt die Finsternis eben zu dir.«