Spiel mit dem Feuer - Samantha Prentiss - E-Book

Spiel mit dem Feuer E-Book

Samantha Prentiss

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Clairé Beauvais besitzt den Körper einer Venus, die Geschmeidigkeit eines Panthers und Augen wie funkelnde Diamanten. Sie arbeitet als Edel-Prostituierte, fesselt die Blicke der Männer und hasst Flecken auf weißen Westen. Dass sie als freie Mitarbeiterin vom britischen Geheimdienst angeworben wurde, wissen nicht einmal ihre Freunde. Als die attraktive Journalistin Isabelle Parker bedroht wird und deren Verlobter Chief Inspector Lennox Walsh Clairé aufsucht, fängt der Ärger erst richtig an und sie wird vor eine weitere schwierige Aufgabe gestellt …

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Seitenzahl: 185

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Clairé Beauvais

Spiel mit dem Feuer

Clairé Beauvais

Spiel mit dem Feuer

Erotic – Crime – Fiction

Samantha Prentiss

Bibliografische Information durch

die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.de abrufbar

1. Auflage

Covergestaltung:

© 2018 Susann Smith & Thomas Riedel

Coverfoto:

© 2018 Depositphotos.com

Impressum© 2018 Samantha Prentiss

Verlag: Kinkylicious Books, Bissenkamp 1, 45731 WaltropDruck: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.deISBN siehe letzte Seite des Buchblocks

Für Tamora Donovan

Wer im Regen nicht mit mir tanzt, wird im Sturm nie bei mir sein, und wer im Sturm nicht mehr bei mir ist, den brauche ich auch nicht bei Sonnenschein.

Danke, dass du im Regen mit mir tanzt.

»Frauen,

die lange ein Auge zudrücken,

tun es am Ende nur noch,

um zu zielen.«

Humphrey Bogart (1899-1957)

Kapitel 1

Die rothaarige Schönheit wälzte sich unruhig im Schlaf hin und her. Die dünne Decke war bis zum Hals hochgezogen und zeichnete die Konturen ihres makellosen Körpers nach. Durch eine heftige Armbewegung verrutschte die Decke und gab ihre linke Brust frei, die ein wahres Meisterstück der Natur war. Sie schwitzte, und die feinen Schweißperlen wirkten wie Morgentau auf ihrer samtenen Haut.

Das schöne Gesicht mit den sinnlichen, vollen Lippen verzerrte sich angstvoll. Die Lider flatterten, hoben sich halb und ließen die rollenden Augäpfel erkennen. Ein unterdrückter Schrei entrang sich ihrer Kehle.

Mit einem Schlag war Isabelle Parker wach und ruckte hoch. Ihr weiches rotes Haar ergoss sich über ihre alabasterfarbenen Schultern. Einige Strähnen hingen ihr wirr ins Gesicht. Verstört sah sie sich um.

Das Schrillen des Telefons nebenan ließ sie aufmerken. Es half ihr, die wirren Gedanken in ihrem hübschen Kopf zu ordnen. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Oh mein Gott!«, murmelte sie. »Es war nur ein Traum!«

Wieder schrillte das Telefon.

»Lennox!«, rief sie lauthals, warf das Oberbett zurück und sprang auf. Ihr üppiger Busen wogte, als sie leichtfüßig zur Tür lief. Das vorn weit auseinanderklaffende weiße Nachthemd bauschte sich hinter ihr. Sie riss die Tür auf und rannte ins Wohnzimmer.

Im Gegensatz zum hypermodern eingerichteten Schlafzimmer mit dem kreisrunden Wasserbett war das Interieur des Wohnzimmers ein geschmackvolles Arrangement antiker Einrichtungsgegenstände unterschiedlichster Stilrichtungen. Die nicht ganz heruntergezogenen Blendjalousien ließen ein wenig von dem freundlichen Morgenlicht herein, das die Möbel weich überflutete und den Verzierungen eigenes Leben zu verleihen schien. Das Telefon stand auf einem antiken Schreibtisch vor einer Kupfervase mit gelben Rosen und einer stoffbespannten Tischlampe im Jugendstil.

Isabelle Parker riss das schnurlose Telefon aus der Ladestation und meldete sich keuchend. Doch als niemand antwortete, stellte sie es enttäuscht zurück. Vermutlich war ich zu langsam, dachte sie bei sich, und der Anrufer ist ungeduldig geworden. Nachdenklich betrachtete die gutgewachsene Rothaarige mit ihren strahlend blauen Augen das Telefon. Hinter ihrer hübschen Stirn arbeitete es.

Mit einer fahrigen Bewegung streifte sie die wilden Haarsträhnen aus ihrem ausdrucksvollen Gesicht und nahm das violette Band vom Tisch, das neben der Kupfervase lag. Als ihr Blick dabei die gelben Rosen streifte, die ihr Lennox Walsh am Vortag geschenkt hatte, verstärkte sich ihre Unruhe. Sie spürte kommendes Unheil, und ihr Herz pochte einige Takte zu schnell.

Sie schüttelte die rote Flut ihrer Haare in den Nacken und hob die Arme. Ihre großen, hoch angesetzten Brüste kamen der Bewegung ein Stück nach und standen steil ab. Das hauchdünne Nachthemd, das sie zuvor unbewusst zusammengezogen hatte, glitt zart über ihre vollendeten Rundungen und klaffte wieder weit auseinander. Anmutig drehte sie sich herum und ging barfuß zum Schlafzimmer zurück, während sie sich unterwegs das violette Band ins Haar einflocht.

Plötzlich schrillte das Telefon erneut.

Sie erstarrte und blickte über ihre Schulter. Ihr Herz pochte wilder. Es kostete sie fast schon Überwindung, noch einmal zum Schreibtisch zurückzugehen. Ihre Hand, mit der sie das Mobilteil aus der Basisstation nahm, zuckte nervös. Sie nahm das Gespräch erst an, als es abermals klingelte. »Hallo!«, meldete sie sich mit brüchiger Stimme.

»Ich bin es, Lennox!«, klang es aus der Handstation.

»Mein Gott«, flüsterte sie, »was ist passiert?«

»Das möchte ich dich fragen, Isabelle«, kam es zurück. »Ich habe vor zwei Minuten schon einmal angerufen. Deine Stimme klingt so nervös.«

»Entschuldige, ich bin etwas durcheinander und habe geträumt.«

»Verrätst du mir von wem?«

»Von dir natürlich, Sweetheart! Aber du wurdest verfolgt, und ich musste tatenlos dabei zusehen, wie sie dich gefangen und zusammengeschlagen haben. Als du ihnen nicht gegeben hast, was sie wollten, schossen sie dich nieder.« Jetzt hatte sie sich wieder einigermaßen in der Gewalt.

»Deine Nerven lassen nach, Darling! Wo bleibt die gelassene Journalistin, die du sonst immer zur Schau stellst?« Lennox Walsh lachte heiser, wurde aber sofort wieder ernst. »Pass auf! Ich habe nicht viel Zeit! Da ist was im Busch. Ich glaube, eines der Londoner Syndikate ist mir auf der Spur. Irgendwer hat Wind davon bekommen, dass ich etwas in den Händen habe, was …«

»Also doch!«, entfuhr es der Rothaarigen.

»Nur keine Aufregung, Süße! Bislang ist das ja nur eine Vermutung von mir. Jedenfalls müssen wir wachsam sein.«

»Warum sagst du mir nicht, was du in deinen Besitz bringen konntest?«

»Das kann ich nicht. Viel zu gefährlich für dich. Nur eines: Ich trage es bei mir. Aber es gibt noch etwas davon. Erinnerst du dich an das versiegelte Kuvert, das ich dir letzte Woche gegeben habe? Öffne es, falls mir etwas zustößt! Oder nein, halt, warte! Das wäre nicht gut. Ich will dich nicht in die Sache hineinziehen. Übergib den Umschlag einfach einer Bekannten von mir. Sie heißt Clairé Beauvais.«

Isabelles Kopf ruckte herum. Sie hatte ein Geräusch im Flur gehört. Es hatte geklungen, als machte sich jemand an der Haustür zu schaffen. Sie ließ das Mobilteil sinken und lauschte.

Da war es wieder, und das Geräusch war eindeutig.

Kurz entschlossen glitt sie katzengleich zur Flurtür. Mit der freien Hand tastete sie nach dem Drücker. Blitzschnell stieß sie die Tür auf. Ihre Sinne waren bis aufs Äußerste angespannt. Suchend blickte sie sich um.

Der Flur war leer und der Eingang zur Wohnung unverändert geschlossen.

Erleichtert atmete sie auf und lehnte sich lässig gegen den Rahmen der geöffneten Flurtür. Dann drückte sie das Mobilteil wieder gegen ihr Ohr.

»Verdammt! Was ist denn los?«, beschwerte sich Lennox.

In diesem Moment schob sich hinter dem Türblatt eine Hand mit einer Pistole hervor.

Entsetzt richtete sich ihr Blick darauf. Dann begriff sie endlich, dass es sich um keine Sinnestäuschung handelte. »Hier gibt's ein beschissenes Problem, Süßer!«, stieß sie aufgeregt hervor.

*

Isabelle Parker reagierte im nächsten Moment. Blitzschnell trat sie gegen das weiße Türblatt.

Ein schmerzerfüllter Schrei folgte und die Pistole fiel zu Boden. Ein untersetzter Mann, der mit verzerrtem Gesicht sein Handgelenk hielt, kam zum Vorschein.

Sie war im Umgang mit Gangstern alles andere als ein Routinier, aber durch ihren Verlobten Lennox Walsh hatte sie einiges hinzugelernt. Nicht umsonst war er einer der besten Polizisten in der Weltmetropole London. Mit aller Wucht schlug sie ihm in Notwehr das Mobilteil an den Schädel, bevor der Kerl sich von der ersten Attacke erholt hatte.

Der unerwartete Schlag brachte den Mann zum Taumeln.

Blitzschnell bückte sich Isabelle nach der Pistole und richtete sie auf den Fremden. Aber sie kam nicht mehr zum Schuss, denn der Bursche hatte mit einem riesigen Satz die Haustür erreicht, sie aufgerissen und war draußen.

Isabelle rannte ihm nach und wollte bereits ins Treppenhaus hinaus, als sie sich an ihre Nacktheit erinnerte und innehielt. Tatenlos musste sie mit ansehen, wie der Gangster entkam. Sie hörte seine schnellen im Treppenhaus nachhallenden Schritte, die sich rasch entfernten.

Mit wiegenden Hüften ging sie nachdenklich in ihre Wohnung zurück. Erst jetzt stellten sich die Nachwirkungen des überstandenen Schreckens ein. Unwillkürlich ließ sie die Waffe fallen. Ihre Knie wurden weich wie Pudding, und sie musste allen Willen aufbringen, um das Mobilteil vom Boden aufzuheben.

Wie durch ein Wunder war die Verbindung nicht unterbrochen. Lennox war noch am anderen Ende der Leitung.

Erregt berichtete sie ihm, was geschehen war. Schwer atmend hob und senkte sich ihre Brust.

»Dann ist es bereits schlimmer als erwartet«, kam es leise über seine Lippen.

»Warum, zum Teufel, sagst du nichts deinen Kollegen?«, schimpfte sie. »Warum bringst du uns beide in unnötige Gefahr?«

»Das … das kann ich dir nicht erklären, Sweetheart. Das, was ich in den Händen halte ist für den Yard praktisch wertlos. Damit kann nur eine Einzelperson etwas anfangen.«

»Mag sein, aber nicht, wenn sie tot ist!«, entgegnete Isabelle trocken. In ihren verführerischen blauen Augen blitzte es.

»Man wollte dich bestimmt nicht umbringen, Sweetheart«, suchte Lennox seine Verlobte zu beruhigen. »Vermutlich wollten sie dich nur entführen, um mich unter Druck setzen zu können.«

Sie hatte genug und drückte das Gespräch weg. Dann lief sie zur Wohnungstür und verrammelte sie. Als sie dabei zufällig aus dem Fenster blickte, nahm sie eine schwarze Limousine war, die unten vor der Haustür stand.

Der Mann, der sich lässig gegen die Kühlerhaube gelehnt hatte, war ihr nicht unbekannt. Sie erkannte ihn sofort wieder. Es war der Gangster, den sie aus ihrer Wohnung gejagt hatte.

Ihr habt also noch nicht aufgegeben, ging es ihr durch den Kopf, und das Spiel hat erst begonnen. Und ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, worum es überhaupt geht.

***

Kapitel 2

Lennox Walsh war seiner Verlobten nicht böse. Wahrscheinlich hätte ich an deiner Stelle nicht anders gehandelt, dachte er und überlegte. Ob ich zu ihr fahre? Er kratzte sich am Kinn und schüttelte den Kopf. Nein, das hat nicht viel Sinn! Aber ich sollte jemand anderen in die Sache einweihen. Ich denke, es wird Zeit.

Dieser andere Jemand war Clairé Beauvais, die ungemein attraktive Frau, mit den französischrussischen Wurzeln.

Ihr Bild erschien vor seinem geistigen Auge. Sie war fünfundzwanzig Jahre als, hatte blauschwarzes Haar, Kohleaugen und besaß ideale weibliche Proportionen. Er war einer der wenigen, der wusste, dass sie neben ihrem Rotlicht-Gewerbe als Callgirl auch jederzeit gern einen Job für den Yard übernahm. Erst vor etwa einem Jahr hatte sie ihm geholfen, einen schwierigen Fall in der ›High Society‹ zu lösen.

Kurz entschlossen wählte er ihre Nummer. Es war keine, die man irgendwo im Telefonbuch oder Internet fand. Sie wurde nur von Angehörigen gewisser Schichten im Flüsterton hinter vorgehaltener Hand dem besten Freund anvertraut.

Clairé Beauvais meldete sich sofort. Ihre Stimme ließ einem Mann auch am Telefon automatisch wohlige Schauer über den Rücken laufen. Sie war voll an erotischer Ausstrahlung.

Lennox nannte seinen Namen.

»Was, Chief Inspector Lennox Walsh?«, entfuhr es ihr überrascht.

»Ja, ich bin es«, bestätigte er gepresst. »Ich stecke bis zu beiden Ohren in der Patsche.«

»Aha! Und um was geht es diesmal?«

»Das kann ich dir am Telefon nicht sagen.«

»Okay! Du weißt ja, wo ich wohne.«

Lennox fiel ein Stein vom Herzen, als er das Gespräch beendete und sein Smartphone zurück in die Jackentasche steckte. Aufmerksam sicherte er nach allen Seiten. Es herrschte reger Verkehr, und Passanten hasteten scheinbar wahllos durcheinander. Schnell mischte er sich in das Gewühl und ließ sich mittreiben, bis er seinen Wagen erreicht hatte.

Kaum hatte er den Verschlag geöffnet, gewahrte er eine Bewegung hinter sich. Aber seine Abwehr kam zu spät. Er spürte, wie sich ein harter Gegenstand in seine Seite bohrte.

»Keine falsche Bewegung!«, zischte eine Stimme. »Steig' ein!«

Widerwillig klemmte sich Lennox hinter das Lenkrad, aber der Fremde drängte ihn auf den Beifahrersitz, wobei er kurz in sein Blickfeld geriet. Er hatte den Mann noch nie zuvor gesehen. Doch vermutlich war das gar kein Wunder, denn sein unverhohlener Glasgow-Slang des vierschrötigen Kerls verriet, dass sein Betätigungsfeld normalerweise außerhalb Londons lag. »Was wollen Sie von mir?«, fragte er.

Der Gangster lachte hämisch auf.

Lennox bemerkte, dass sein Wagen umstellt wurde. Gleich darauf kletterten die Komplizen des Burschen auf die Rücksitzbank.

»So, und jetzt rück' mal schnell das Tagebuch raus!«

»Tagebuch?«, zeigte sich Lennox erstaunt.

Blitzschnell schlug der Gangster, der hinter ihm Platz genommen hatte, zu.

Lennoxs Kopf flog zur Seite. Er spürte, dass die Haut über dem linken Jochbein aufplatzte. Blut rieselte über seine Wange.

»Wir haben das Telefonat von deiner Nutte abgehört, sind also im Bilde, Freundchen! Wenn du nicht spurst, werfen wir dich den Geiern zum Fraß vor. Dann stürmen wir die Bude von deinem Flittchen und holen uns den Umschlag … Falls wir bei dir nicht finden, was wir suchen!«

Abgesehen davon, dass es keine Geier in England gibt, jagten Lennoxs Gedanken, was mache ich jetzt? Die scheinen zu allem entschlossen zu sein! Eine verdammte Zwickmühle, aus der ich wohl nicht so mir nichts dir nichts verschwinden kann. Also gibt es nur eins: Zeit gewinnen! »Ich habe das Ding nicht bei mir!«

Wieder folgte ein brutal ausgeführter Schlag.

Diesmal schaffte er es aber seinen Kopf im letzten Augenblick wegzuducken. Der Hieb streifte sein Ohr und wurde von seiner Schulter abgefangen, worauf sofort sein linker Arm erlahmte. Nein, dachte er, mit diesen Typen ist nicht zu spaßen! Ich muss tun, was sie wollen. Außerdem werden sie es eh bei Isabelle finden, wenn sie mich erledigen. Zögernd griff er deshalb in die Innentasche seiner Jacke.

Blitzschnell zuckte die Rechte des Gangsters neben ihm vor, griff nach seinem Schnurbart und verdrehte ihn.

Lennox presste vor Schmerz die Zähne zusammen.

»Keine Tricks!«, warnte der Gangster hinter ihm und drückte ihm einen Revolver ins Genick.

»Ich wollte euch gerade das Tagebuch geben«, keuchte Lennox. »Ihr wisst doch, dass ich meine Waffe am Gürtel trage.«

Die Kerle ließen sich nicht beirren. Der eine griff in Walshs Jackentasche, riss seine Hand heraus und fasste wieder hinein. Gleich darauf wurden die Augen der Unterweltler groß und rund, als sie das schwarze abgegriffene Büchlein sahen, das ihr Kumpan zum Vorschein brachte.

Der Kerl, der es ihm entwendet hatte, blätterte es schnell durch. »Tatsächlich!«, flüsterte er ehrfurchtsvoll. »Es ist Richards' Tagebuch. Hier hat er alles aufgezeichnet, bevor ihn der Teufel holte.«

Für einen Moment waren die Männer abgelenkt. Eine Zeitspanne, die Lennox Walsh voll und ganz genügte. Er knallte dem Gangster hinter ihm die geballte Hand ins Gesicht und stieß gleichzeitig den Wagenverschlag auf.

Ein Schuss löste sich, durch den vorgeschraubten Schalldämpfer kaum hörbar, und die Kugel zischte in den Wagenhimmel. Zu einem zweiten Schuss kam es nicht mehr, denn schon war Lennox draußen und verschwand im Gewühl der Menge.

»Lasst ihn laufen!«, befahl der Glasgower seinen Komplizen. »Den finden wir schon noch!« Er hielt das Tagebuch hoch. »Außerdem haben wir ja, was wir wollten.«

»Was meinte der Bursche eigentlich mit Clairé Beauvais, als er mit seiner Schlampe telefonierte?«

Die beiden anderen sahen sich achselzuckend an.

»Vielleicht sollten wir deswegen den ›Londoner‹ einmal fragen«, schlug ein anderer vor.

Jeder der Ganoven sprach einen anderen Slang. Keiner stammte aus London – eine Tatsache, die auch Lennox Walsh aufgefallen war. Sie bewies ihm, dass etwas sehr Bedeutsames in der Unterwelt vor sich ging.

***

Kapitel 3

Eine Stunde lang geschah nichts. Isabelle Parker hatte inzwischen geduscht, sich die Beine rasiert, zurechtgemacht und angekleidet. Die hautengen Jeans waren schon fast sündig, und deutlich zeichneten sich ihre Brüste unter der engen Bluse ab. Auf einen BH hatte die attraktive Journalistin wie zumeist verzichtet.

Wieder stand sie am Fenster und spähte hinunter. Die erbeutete Pistole lag fest in ihrer Hand.

Unten war es zu einer Wachablösung gekommen. Jetzt stand ein anderer Wagen vor dem Haus, und ein anderer Kerl hatte sich in Position gebracht. Mit einem frechen Grinsen blickte er zu ihr hinauf.

Isabelle ließ die Gardine los und trat zurück. Mit zusammengepressten Lippen sah sie sich um, als würde sie in ihrem Wohnzimmer die Lösung ihres Problems finden. Doch dann tippte sie sich mit einem Finger an die Stirn. Ihr war der Name wieder eingefallen, den Lennox am Telefon genannt hatte: Clairé Beauvais! Den Namen hatte sie nie zuvor gehört. Wahrscheinlich hätte Lennox ihr noch mehr Informationen gegeben, wenn nicht die Sache mit dem Gangster dazwischengekommen wäre.

Sie bereute inzwischen, dass sie ihr Gespräch mit ihrem Verlobten so schnell unterbrochen hatte – denn das rächte sich gerade. Sie versuchte ihn über sein Smartphone zu erreichen, aber da sprang nur die Mailbox an. Unzählige Fragen gingen ihr durch den Kopf: Was sollte sie tun? Was machte ihr Verlobter im Augenblick? War er in Gefahr?

Wieder warf sie einen Blick aus dem Fenster …

… und erstarrte.

Die Limousine stand unverändert an ihrem Platz, aber der Mann war verschwunden. »Wo steckt der?«, murmelte sie halblaut vor sich hin. »Hat der sich in den Wagen gesetzt oder ist der Kerl im Haus?« Sie presste die Lippen zusammen, bis sie einen schmalen Strich bildeten. »Na, warte! Dir werde ich die Suppe versalzen!«

Geräuschlos glitt sie auf Strümpfen zur Haustür, entfernte alles, was sie dort angebracht hatte und lauschte. Sind das nicht leise Schritte im Treppenhaus?, fragte sie sich. Klingt wie ein Scharren vor der Tür … eine leise Stimme? Sie zögerte eine Sekunde und starrte auf die Pistole in ihrer Hand, die mit einem Schalldämpfer versehen war. Lennox hatte ihr immer wieder eingeschärft, dass Angriff die beste Verteidigung war. Alles in ihr sträubte sich dagegen, aber sie wusste, dass sie letztlich keine andere Chance hatte.

Mit einem kräftigen Ruck riss sie die Tür auf, und im gleichen Moment sah sie die beiden vor ihr stehenden Männer, unfähig direkt zu handeln. Sie hatte sie überrumpelt. Der eine von ihnen war größer und recht hager, der andere der Kerl, der das Haus observiert hatte – und beide hielten Waffen in den Händen.

Die Situation war eindeutig.

Ohne weiter darüber nachzudenken zog Isabelle den Abzug ihrer Waffe durch und die spuckte Feuer – einmal, zweimal, dreimal.

Auf der Brust des einen erschien ein kreisrundes Loch, aus dem Blut rann. Der andere sah verwundert auf seine Hand. Aus dem Ärmel kam ein rotes Rinnsal.

Scheppernd fielen die Waffen auf die Marmorfliesen des Treppenhauses.

Der Hagere geriet ins Wanken und brachte ein Ächzen über die Lippen. Sein Blick wurde starr.

Isabelle wich kalkweiß zurück, verlor die Pistole und presste die Hände vor den Mund. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte sie die beiden an, während sie vor ihren Füßen zusammenbrachen. Sie bemerkte, dass der eine noch zu leben schien, denn seine Rechte tastete über den Boden. Ihre Waffe lag am nächsten. Wie in Zeitlupe nahm sie wahr, wie er danach griff und der Lauf herumschwenkte und sie direkt in die gähnende Öffnung sah, die immer größer zu werden schien. Dann schwankte sie und verlor das Bewusstsein – das Erlebte war Zuviel für sie gewesen.

Das leise Plopp, mit dem sich der Schuss löste, hörte sie nicht mehr.

***

Kapitel 4

Normalerweise hätte sich Chief Inspector Walsh darüber gewundert, dass er überhaupt so schnell und ohne Zwischenfälle hergefunden hatte, aber dafür hatte er nun gar keine Zeit. Er befand sich im Stadtteil ›Bromley‹, in der ›Shire Lane‹, auf Höhe ›High Elms Country Park‹. Vor ihm erhob sich ein vielstöckiges Gebäude. Lennox wusste, dass das große, mondän eingerichtete ›Penthouse‹ oben Clairé Beauvais gehörte.

Ehe er die Straße überquerte, sicherte er nach allen Seiten. Der Verkehr war hier mäßig und es zeigte sich nichts Verdächtiges. Vergeblich suchte er in seiner Erinnerung, ob die Möglichkeit bestand, dass er unterwegs verfolgt worden war. Aber offenbar war das nicht der Fall. Dennoch wollte er kein Risiko eingehen. Immerhin hatte er ihren Namen am Telefon genannt. Und inzwischen wusste er von den Gangstern, dass sie Isabelles Anschluss überwachten.

Clairé Beauvais war nur in der ›High Society‹ bekannt, aber gerade Vertreter dieser privilegierten Schicht waren es, die gesteigertes Interesse an Zack Richards' Tagebuch haben mussten. Wahrscheinlich hatten die Gangster in deren Auftrag gehandelt. Dass sie aus verschiedenen Teilen Großbritanniens stammten, bewies nur, wie brisant die ganze Angelegenheit war. Schließlich hatte sich Zack Richards nie lange an einem Ort aufgehalten. Überall, sogar im Ausland, hatte er Aufträge erledigt.

Lennox Walsh betrat das Apartmenthaus. Er wusste, dass der Fahrstuhl vor dem letzten Stockwerk, Clairés Wohnung, blockierte, wenn er sich nicht bei ihr anmeldete. Er holte das nach und wurde gleich darauf vom Lift nach oben getragen.

Clairé Beauvais erwartete ihn in der Diele.

Lennox verschlug es angesichts der berauschend schönen Frau die Sprache. Er sah in ihre unergründlichen kohlefarbenen Augen und gewann den Eindruck, darin zu versinken.

Clairé hingegen machte einen gelösten, fast heiteren Eindruck. Sie freute sich aufrichtig, einen alten Bekannten wiederzusehen, obwohl der Anlass dazu wahrscheinlich alles andere als erfreulich war. Sie erkannte seine Unsicherheit. »Komm rein, Chief Inspector!«, rettete sie die Situation. »Ich habe dir bereits einen Drink gemixt!« Sie sah ihn fragend an. »Ist dir doch recht so, oder?«

Lennox verzog das Gesicht, wobei ihm das schmerzende Jochbein den Grund seines Besuches wieder deutlich in Erinnerung brachte. »Du sollst mich doch nicht immer mit meinem Dienstgrad ansprechen«, knurrte er, ohne ihr deswegen wirklich böse zu sein.

Clairé lächelte entwaffnend und ging voraus. Sie trug ein ihre Knie umspielendes Kleid, das in seinem Schnitt schon ungewohnt züchtig gewirkt hätte, wäre es nicht rückenfrei gewesen.

Lennox bewunderte ihre makellos reine, samtene Haut, die von der Sonne ganz leicht gebräunt war. Der Ausschnitt des Kleides ging fast bis zum Ansatz ihrer hinteren Rundungen, die sich aufregend vor ihm hin und her bewegten. Er musste an sich halten, um nicht ihren herrlichen Rücken zu streicheln oder ihr einen Klapps auf das knackige Hinterteil zu geben. Der Ernst der Situation brachte ihn von derartigen Gedanken ab und sorgte dafür, dass die betörende Frau für ihn Ihre Bedeutung als Symbol der Sinnlichkeit verlor und er wieder voll in die Wirklichkeit zurückfand.

Sie erreichten den Salon.

Clairé Beauvais ließ sich in eines der Polster gleiten und legte damenhaft die Beine gegeneinander.

So wie sie dasaß, kam Lennox nicht umhin, einen Blick auf einen Teil ihrer schönen Schenkel zu werfen.

Sie strich sich ihr schwarzes Haar über die Schulter, lächelte aufmunternd und deutete auf eines der beiden Gläser, die auf den Tisch standen. Eine dickbauchige Flasche ›Dalmore King Alexander III‹ und ein Glaskelch mit Eiswürfeln befanden sich in seiner Gesellschaft.

Lennox ließ sich ächzend nieder und prostete Clairé zu. Dann trank er das Glas schottischen ›Single Malt‹ mit einem Zug leer. »Ah! … Das tut gut«, bemerkte er und lehnte sich bequem zurück.