Spielplatz der Helden - Michael Köhlmeier - E-Book

Spielplatz der Helden E-Book

Michael Köhlmeier

5,0

Beschreibung

88 Tage in der menschenfeindlichen Einöde: Ohne Schlittenhunde und externe Mittel durchqueren drei südtiroler Bergsteiger das Inlandeis von Grönland. Diese spektakuläre Expedition von 1983 wird in Michael Köhlmeiers Roman zu einem aberwitzigen Psychodrama. Vom ersten Tag an herrscht Streit zwischen den drei Bergsteigern, Konkurrenzdenken, Kraftproben und Überlegenheitsdemonstrationen prägen die Atmosphäre. Das Dokument eines großen Abenteuers und eine eindrucksvolle Parabel auf unsere Zeit.

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Hanser E-Book

Michael Köhlmeier

Spielplatz der Helden

Roman

Carl Hanser Verlag

Die Erstausgabe erschien 1988 im Piper Verlag, München

ISBN 978-3-446-24569-3

© Carl Hanser Verlag München 2013, 2014,2015

Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München, unter Verwendung einer Fotografie © shkonst / thinkstock.

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Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

Dieses Buch widme ich Robert Peroni, Josef Schrott und Wolfgang Thomaseth in Bewunderung ihrer Leistung. Ihre Expedition durch Grönland war Ausgangspunkt für die folgende Geschichte. Die darin auftretenden Personen sind allerdings erfunden.      M. K.

Erster Teil

Der Führer

1

Mein Leben war eng wie mein Schlafzimmer. Ich war weder in der Lage zu arbeiten, noch mich zu zerstreuen. Die Wohnung verließ ich selten. Den ganzen Tag lief der Fernseher. Manchmal schaltete ich den Ton aus und das Radio an. Ich bin ein Held und ein armer Hund, sagte ich mir, beide Wörter fangen mit »H« an und hören mit »d« auf und haben gleich viel Buchstaben. Über solche Dinge dachte ich nach. Es war ein dummes Leben. Bei der Post gab ich an, ich wünsche nicht, daß mein Name im Telefonbuch aufscheine; bei den Behörden war ich nicht gemeldet; und das Schlafzimmer war leer bis auf drei Wolldecken, zwei als Unterlage und eine als Zudecke; meinen Wagen stellte ich niemals vor dem Haus ab; und als ich in den ersten Tagen, nachdem ich eingezogen war, an der Türklingel mein Namensschild entdeckte, riß ich es weg und verbot dem Hausmeister, ein neues anzubringen. Wenn das Telefon klingelte, nahm ich ab, ohne ein Wort zu sagen; wenn ich das Haus verließ, schaute ich erst nach links und nach rechts, ehe ich auf die Straße trat. Ich habe in dieser Zeit niemanden kennengelernt; die meisten Bekanntschaften und auch Freundschaften hielten nicht, und den wenigen wirklichen Freunden ging ich so lange aus dem Weg, bis sie mir auch aus dem Weg gingen. Alles wegen einer Frau, die verheiratet war. Ich hatte sie zwei Jahre zuvor in Südtirol kennengelernt.

Aber meine Sicherheitsmaßnahmen waren wenig effektiv. Ihr Mann bekam bald meine Adresse heraus. Ich hab ihn ja gekannt. Er wußte ja, daß ich mit seiner Frau etwas hatte. Aber er wußte bis dahin nicht, daß ich in der Stadt wohne. Jemand hat mich an ihn verraten. Er selbst verlor nie ein Wort darüber. Ich traf ihn häufig. Ob ich wieder zu Besuch hier sei, hat er dann gefragt. Ja, ja, hab ich dann gesagt. Da war dann immer eine Herzlichkeit! Zum Kotzen! Manchmal sah ich ihn vom Fenster meines Schlafzimmers aus, in seinem metallblauen Citroen durch die Gasse fahren. Das war seine Art, sich in seinem Schmerz einzurichten: Einerseits wollte er wissen, wo seine Frau und ich uns trafen, andererseits mochte er sich nicht eingestehen, daß sie sich überhaupt mit mir traf, daß es da überhaupt eine Wohnung gab, vielleicht sogar, daß es mich gab. Er machte aus mir einfach einen anderen.

Ich lebte von einem Literaturstipendium. Nicht eine Zeile habe ich geschrieben in dieser Zeit. Bilder aus Zeitschriften habe ich ausgeschnitten. Massenhaft. Aus den Bildern habe ich Plakate geklebt, die ich an die Wand heftete. Hauptbeschäftigung allerdings war Warten: daß sie anruft, daß sie kommt, daß sie einmal kommt, ohne anzurufen.

Allmählich richtete ich mich ein. Ich ging selten aus, und wenn ich zurückkam, brachte ich jedesmal irgendetwas mit, das dann im Schlafzimmer oder in dem anderen Zimmer herumstand und so aussehen sollte, als machte es meine Wohnung gemütlich. Ich besorgte mir alle möglichen Lokalanzeigen, verfolgte, wann und wo Sperrmüll ausgelagert wurde. In der Nacht fuhr ich die betreffenden Straßen ab. So, dachte ich, wird die Mansarde mit der Zeit bewohnbar. Alle diese Gegenstände besitze ich heute noch. Sie lassen sich beschwören. Das ist ihr Zweck.

Es war ein wunderschönes Leben, weil ich so wenig gegessen und geschlafen habe. Und das Warten war gräßlich, aber am nächsten Tag bereits erinnerte ich mich daran mit Wehmut. Ein vergangener Tag war wie ein vergangener Sommer. Und so gab es in diesen eineinhalb Jahren hundertmal mehr, wovon ich zehren konnte als in anderen eineinhalb Jahren.

Das ist die eine Geschichte.

Auf die andere Geschichte bin ich durch eine Rundfunksendung gestoßen. Ich saß in der Küche – aus jener Mansarde war ich längst ausgezogen es war Samstag, noch früh am Morgen. Im ersten Programm wurde ein Feature gesendet. Ich bereitete das Frühstück vor, Christian und Eva, die beiden großen Kinder, waren in der Schule; Pia saß mit Grete und Josef, den beiden kleinen, in der Badewanne. Zwei Männer berichteten im Radio von einer Expedition, einem Fußmarsch quer durch Grönland, und zwar an jener Stelle, wo die Insel am breitesten ist. Zu dritt waren sie aufgebrochen, dreieinhalb Monate waren sie fort gewesen, und als sie heimkehrten, kannten die Kinder des einen ihren Vater nicht mehr.

Beim Frühstück erzählte ich Pia davon; und obwohl die Sendung erst vor wenigen Minuten zu Ende gegangen war, hätte ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen können, ob ich nun das nacherzählte, was ich soeben gehört hatte, oder ob ich mich bereits selbst in diese fremde Geschichte einmischte. Die Fakten sind schnell berichtet:

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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