Star Wars™ Der Vergessene Stamm der Sith - John Jackson Miller - E-Book

Star Wars™ Der Vergessene Stamm der Sith E-Book

John Jackson Miller

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Beschreibung

Ein unvergesslicher Einblick in die dunkle Seite der Macht

Nach einem Jedi-Angriff stürzt der Sith-Kreuzer „Omen” auf einem unbekannten Planeten ab. Geschwächt und verwundet bleibt der Sith-Crew nichts anderes übrig, als in die Tiefen des finsteren Planeten vorzudringen. Alleine die Dunkle Seite der Macht hilft ihnen, die brutalen Herausforderungen zu überleben, die über sie hereinbrechen.

Doch ihnen ist ein anderes Schicksal bestimmt: Als Herrscher über das Universum werden die Sith zurückkehren und sich Tausende von Jahre behaupten – bis sie mit der gefährlichsten Bedrohung konfrontiert werden: dem Feind im Inneren.

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John Jackson Miller

DER VERGESSENE STAMM DER SITH

Storys

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Star Wars™ Lost Tribe of the Sith. The Collected Stories«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung

bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München.

Copyright © 2012 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved. Used under authorization.

Translation Copyright © 2013 by Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft, München,

nach einer Originalvorlage

Cover art and design: © David Stevenson and Scott Biel

Redaktion: Marc Winter

HS · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN 978-3-641-11046-8

www.blanvalet.de

Für Jack und Josie,

meinen eigenen kleinen Stamm

Danksagung

Die neun Das Verhängnis der Jedi-Ritter-Romane von Aaron Allston, Christie Golden und Troy Denning führten den Vergessenen Stamm der Sith ins Star Wars-Universum ein, der vor Jahrtausenden auf dem Planeten Kesh gestrandet ist und zu Luke Skywalkers Zeit entdeckt wird. Das Projekt Der Vergessene Stamm der Sith erzählte die Geschichte jener Sith mittels einer Reihe von Erzählungen im E-Book-Format, die beim amerikanischen Verlag Del Rey erschienen. Diese Erzählungen bilden nun diesen Band, zusammen mit einer neuen Novelle, die hier erstmals erscheint. Mein Dank gilt der Del-Rey-Redakteurin Shelly Shapiro und der ehemaligen Lucasfilm-Fiction-Redakteurin Sue Rostoni, die mich mit ins Boot geholt haben, sowie Aaron, Christie und Troy, die die Hintergrundmaterialien schufen, auf denen diese Geschichten beruhen. Meiner Dankbarkeit können sich außerdem David Pomerico, Frank Parisi, Erich Schoeneweiss und alle bei Random House gewiss sein, die dazu beigetragen haben, den Vergessenen Stamm in gedruckter und elektronischer Form zum Leben zu erwecken. Um weitere Abenteuer des Vergessenen Stammes zu erleben, empfehle ich die Das Verhängnis der Jedi-Ritter-Romane, die allesamt als Taschenbücher bei Blanvalet vorliegen. Neue Geschichten rund um den Vergessenen Stamm der Sith finden sich außerdem in den Comics von Dark Horse.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Am Abgrund

(PRECIPICE)

1. Kapitel

5000 JAHRE VOR DER SCHLACHT VON YAVIN

»Lohjoy! Geht denn hier gar nichts?« Captain Korsin rappelte sich in der Dunkelheit auf und reckte den Hals, um das Hologramm anzustarren. »Triebwerke, Lageregelung … ich gebe mich sogar mit den Landedüsen zufrieden!«

Ein Raumschiff ist eine Waffe, doch tödlich wird sie erst durch die Besatzung. Eine alte Raumfahrer-Weisheit – abgedroschen, ja, aber sie hinterließ genug Eindruck, dass sie einem eine gewisse Autorität verschaffte. Korsin hatte selbst gelegentlich darauf zurückgegriffen. Heute jedoch nicht. Sein Schiff war schon von Natur aus tödlich – und seine Besatzung nicht mehr als eine Beigabe.

»Wir haben aber nichts mehr in der Hinterhand, Captain!« Die schlangenhaarige Ingenieurin Lohjoy flackerte vor dem Schiffskapitän auf. Der Ton war nicht synchron zum Bild, und die Darstellung war unscharf. Korsin wusste, dass die Lage unter Deck bescheiden sein musste, wenn sein wackeres, geradliniges Ho’Din-Genie derart außer sich war. »Die Reaktoren sind ausgefallen! Und wir haben Strukturversagen in der Außenhülle, sowohl an achtern als auch …«

Lohjoy kreischte vor Pein. Ihre Kopfranken verwandelten sich in eine Mähne aus Flammen, die sie außer Sicht taumeln ließ. Korsin gelang es kaum, ein erschrockenes Lachen zu unterdrücken. In ruhigeren Zeiten – kaum eine halbe Standardstunde zuvor – hatte er noch darüber gescherzt, dass die Ho’Din zur Hälfte Bäume waren. Allerdings war das kaum angemessen, wenn das ganze Maschinendeck zur Hölle ging. Die Hülle war beschädigt. Schon wieder.

Das Hologramm erlosch – und überall um den gedrungenen Kapitän herum tanzten die Warnleuchten, blinkten und gingen dann aus. Korsin ließ sich wieder in seinen Sessel fallen und umklammerte die Armlehnen. Tja, zumindest der Sitz funktioniert noch. »Ist da jemand? Irgendjemand?«

Schweigen – und das ferne Knirschen von Metall.

»Gebt mir einfach irgendwas, auf das ich feuern kann.« Das war Gloyd, Korsins Geschützoffizier, dessen Zähne in den Schatten schimmerten. Das starre Halbgrinsen war ein Andenken an den Hieb eines Jedi-Lichtschwerts, das dem Houk Jahre zuvor beinahe den Kopf von den Schultern getrennt hätte. Wie als Reaktion darauf hatte Gloyd als Einziger an Bord einen Witz entwickelt, der genauso schneidend war wie der des Kommandanten – allerdings hatte der Schütze heute nur wenig Anlass zu Späßen. Man konnte es förmlich in den winzigen Augen des animalischen Kerls lesen: Im Kampf zu sterben, das ist eine Sache. Aber so abzutreten ist das Letzte.

Korsin machte sich nicht die Mühe, zur anderen Seite der Brücke hinüberzusehen. Dass man ihm von dort aus frostige Blicke zuwarf, war gewiss. Selbst jetzt, wo die Omen außer Gefecht und außer Kontrolle war. »Irgendjemand?«

Selbst jetzt. Korsins buschige Augenbrauen verzogen sich zu einem schwarzen V. Was stimmte mit ihnen nicht? Das Sprichwort stimmte. Ein Schiff brauchte eine Mannschaft, die geschlossen einem gemeinsamen Ziel folgte – bloß, dass das Ziel, ein Sith zu sein, das Ich zu etwas Größerem erhob. Jeder Fähnrich war ein potenzieller Imperator, der Fehltritt jedes Rivalen eine Gelegenheit. Nun, dies ist eine Gelegenheit, dachte er. Wer auch immer uns aus dieser Lage rettet, kann diesen verdammt bequemen Sessel sofort übernehmen …

Sith-Machtspielchen. Allerdings hatte das im Augenblick nicht sonderlich viel zu bedeuten – nicht angesichts der hartnäckigen Anziehungskraft des Planeten unter ihnen. Wieder hob Korsin den Blick zum vorderen Sichtfenster. Die riesige azurblaue Kugel, die man vorhin dort noch sehen konnte, war verschwunden, ersetzt durch Licht, Gas und Trümmer, die nach oben strömten. Er wusste, dass die letzten beiden Dinge aus den Eingeweiden seines eigenen Schiffs stammten, das den Kampf gegen die fremdartige Atmosphäre verlor. Was für ein Planet auch immer dies war, er hatte die Omen jetzt in seinem Griff. Der unkontrollierte Sinkflug aus dem Orbit dauerte lange, überraschend lange. Mehr Zeit, um sich mit dem eigenen Untergang anzufreunden, pflegte sein Vater stets zu sagen. Doch so, wie das Schiff durchgerüttelt wurde, war es durchaus möglich, dass Korsin und seine Mannschaft selbst dieses zweifelhaften Privilegs beraubt werden würden.

»Vergesst nicht«, brüllte er und ließ den Blick zum ersten Mal, seit es angefangen hatte, über seine gesamte Brückenbesatzung schweifen. »Ihr wolltet hier sein!«

Sie wollten tatsächlich hier sein – jedenfalls die meisten von ihnen. Die Omen war das allgemein favorisierte Schiff gewesen, als sich die Sith-Bergbauflottille bei Primus Goluud gesammelt hatte. Die Massassi-Stoßtrupps im Laderaum kümmerte es nicht, wohin die Reise ging – die Hälfte der Zeit wusste ohnehin niemand, was die Massassi dachten, vorausgesetzt, dass sie derlei überhaupt taten. Doch viele Wesen, die in dieser Angelegenheit eine Wahl hatten, hatten sich ganz bewusst für die Omen entschieden.

Saes, der Kapitän der Herold, war ein gefallener Jedi: eine unbekannte Größe. Man konnte einfach niemandem trauen, dem die Jedi nicht trauten, und die trauten immerhin praktisch jedem. Yaru Korsin hingegen kannten die Besatzungsmitglieder. Ein Sith-Captain, der lächeln konnte, war selten genug und erfüllte einen stets mit Argwohn. Korsin jedoch war bereits seit zwanzig Standardjahren dabei – lange genug, dass jene, die unter ihm gedient hatten, die Kunde von seiner Kompetenz verbreiteten. Auf einem Schiff, das unter Korsins Kommando stand, war man auf der sicheren Seite.

Heute allerdings sahen die Dinge anders aus. Voll beladen mit Lignan-Kristallen schickten sich die Herold und die Omen gerade an, Phaegon III den Rücken zu kehren, um die Front anzusteuern, als ein Jedi-Sternenjäger die Verteidigungsvorkehrungen der Bergbauflotte auf die Probe stellte. Während die sichelförmigen Klingen-Jäger dem Eindringling die Stirn boten, traf Korsins Crew die nötigen Vorbereitungen für den Hyperraumsprung. Die Ladung zu schützen hatte oberste Priorität – und wenn es ihnen gelang, sie vor dem Jedi-Abtrünnigen abzuliefern, nun, dann war das kein schlechter Bonus. Sollte die Herold die Klingen-Piloten doch anschließend einsammeln.

Gleichwohl, dummerweise war irgendetwas schiefgegangen. Eine Erschütterung durchlief die Herold, und dann noch eine. Die Sensordaten des Schwesterschiffs wurden widersinnig – und plötzlich steuerte die Herold gefährlich auf die Omen zu. Bevor der Kollisionsalarm auch nur ertönen konnte, aktivierte Korsins Navigator reflexartig den Hyperantrieb. Gerade noch rechtzeitig …

… vielleicht aber auch nicht. Nicht, wenn man bedachte, wie gerade die Systeme der Omen versagten. Sie haben uns erwischt, dachte Korsin. Wären sie imstande gewesen, auf die Telemetriedaten zurückzugreifen, hätten sie das vermutlich bestätigt. Das Schiff war um eine astronomische Winzigkeit vom Kurs abgebracht worden – aber das genügte.

Captain Korsin hatte es noch nie mit einer Gravitationsquelle im Hyperraum zu tun gehabt, was ebenso für seine gesamte Crew galt. Damit Geschichten von solchen Vorfällen die Runde machten, brauchte es Überlebende. Doch es war, als sei unweit der vorbeifliegenden Omen der Weltraum selbst aufgeklafft, um die stählernen Aufbauten des Schiffs durchzukneten wie Spachtelmasse. Das Ganze dauerte bloß einen Sekundenbruchteil, sofern Zeit hier überhaupt existierte. Der Austritt aus dem Hyperraum war sogar noch schlimmer als der Eintritt. Ein ungesundes Bersten, und die Schilde versagten. Schottwände gaben nach – und dann die Waffenkammer.

Die Waffenkammer war explodiert. Das ließ sich aufgrund des gähnenden Lochs im Rumpf des Schiffs ohne Probleme feststellen. Damit war klar, dass die Kammer im Hyperraum hochgegangen war, denn schließlich lebten sie noch. Im Normalraum wären all die Granaten, Bomben und anderen Spielereien, die die Massassi mit nach Kirrek nahmen, mit einer gewaltigen Detonation explodiert, und das Schiff mit ihnen. Stattdessen jedoch war die Waffenkammer einfach verschwunden – zusammen mit einem beeindruckenden Teil des Achterdecks der Omen. Per definitionem war die Physik im Hyperraum unberechenbar. Anstatt nach außen zu explodieren, riss ein seismischer Sog das beschädigte Deck einfach aus dem Schiff. Korsin malte sich aus, wie die hochgehende Munition Lichtjahre hinter der Omen irgendwo den Hyperraum verließ. Das würde irgendwem gehörig den Tag versauen!

Warum sollten eigentlich nur sie leiden …

Die Omen war bebend in den Realraum zurückgekehrt, hatte ruckartig abgebremst – und steuerte geradewegs auf eine blaue Blase zu, die vor einem pulsierenden Stern schwebte. War das vielleicht die Ursache des Masseschattens, der ihre Reise unterbrochen hatte? Aber selbst wenn: Wen kümmerte das? Gleich würde ohnehin alles vorbei sein. Gefangen im Sog der Gravitation, war die Omen über den Kristallozean aus Luft gehüpft und geholpert, bis der Sinkflug richtig einsetzte. Korsin hatte seine Ingenieurin verloren – vermutlich all seine Ingenieure –, doch noch hielt das Kommandodeck stand. Tapanische Handwerkskunst, staunte Korsin. Sie stürzten ab, aber vorerst lebten sie noch.

»Warum ist er nicht tot?«

Halb hypnotisiert von den Flammensäulen, die nach draußen explodierten – zumindest lag die Omen dieses Mal auf dem Bauch, um den Aufprall abzufangen –, war sich Korsin der harschen Worte zu seiner Linken bloß vage bewusst.

»Ihr hättet nicht springen sollen!«, tobte die junge Stimme. »Warum ist er nicht tot?«

Captain Korsin richtete sich auf und warf seinem Halbbruder einen finsteren, ungläubigen Blick zu. »Ich bin mir sicher, dass du nicht mich damit meinst.«

Devore Korsin stieß an dem Kommandanten vorbei einen behandschuhten Finger in Richtung eines gepeinigt aussehenden Mannes, der noch immer vergeblich auf seiner Kontrollkonsole herumtippte und sehr allein wirkte. »Dein Navigator! Warum ist er nicht tot?«

»Vielleicht hält er sich schlicht auf dem falschen Deck auf?«

»Yaru!«

Der Captain wusste, dass es nicht einfach war, heute keine Scherze auf Boyle Marcoms Kosten zu machen. Marcom dirigierte bereits seit Mitte der Herrschaft von Marka Ragnos Schiffe durch die Unwägbarkeiten des Hyperraums. Boyle war schon seit Jahren nicht mehr auf der Höhe seines Könnens, aber Yaru Korsin wusste, dass es nie verkehrt war, einen ehemaligen Steuermann seines Vaters an Bord zu haben. Heute allerdings sah die Sache anders aus. Ganz gleich, was vorhin auch passiert war, die Schuld dafür lag mit Sicherheit beim Navigator. Doch jemandem inmitten eines Feuersturms für irgendwas die Schuld zuweisen? Das war typisch für Devore.

»Darum kümmern wir uns später«, sagte der ältere Korsin von seinem Kommandosessel aus. »Sofern es ein ›Später‹ für uns gibt.« Zorn blitzte in Devores Augen auf. Yaru konnte sich nicht entsinnen, dort jemals etwas anderes gesehen zu haben. Der blasse, schlaksige Devore hatte nur wenig Ähnlichkeit mit Yarus eigener kräftiger, gedrungener Gestalt, die er von seinem Vater geerbt hatte. Aber diese Augen und dieses Aussehen? Dabei hätte es sich um ein direktes Transplantat handeln können.

Ihr Vater. Einen Tag wie diesen hatte er niemals erlebt. Der alte Raumfahrer hatte kein einziges der Schiffe verloren, die er im Namen der Sith-Lords befehligte. Der jugendliche Yaru, der sein Handwerk an seiner Seite gelernt hatte, hatte die eigene Zukunft stets fest im Blick gehabt – bis zu jenem Tag, als er mit einem Mal nicht mehr so sehr darauf erpicht gewesen war, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Bis zu jenem Tag, als Devore aufgetaucht war – halb so alt wie Yaru und der Sohn einer Mutter von einem Raumhafen auf einem anderen Planeten. Der alte Veteran hatte ihn ohne eine Sekunde zu zögern unter seine Fittiche genommen. Anstatt sich daranzumachen, in Erfahrung zu bringen, wie viele andere Kinder sein Vater da draußen noch hatte, die um Posten auf der Brücke wetteiferten, hatte Kadett Korsin es vorgezogen, die Sith-Lords um seine Versetzung zu ersuchen. Das war kein Fehler gewesen. Innerhalb von fünf Jahren hatte er es zum Kapitän gebracht. Nach zehn Jahren wurde ihm und nicht einem versierten Rivalen, der viele Jahre lang sein Vorgesetzter gewesen war, das Kommando über die frisch getaufte Omen übertragen.

Das hatte seinem Vater nicht gefallen. Er hatte kein einziges der Schiffe verloren, die er im Namen der Sith-Lords befehligte. Doch er hatte eines an einen seiner Söhne verloren. Allerdings schien es jetzt schon fast eine Familientradition zu werden, die Omen zu verlieren. Die gesamte Brückenbesatzung – sogar der Außenseiter Devore – atmete vernehmlich aus, als Rinnsale von Nässe die Flammen außerhalb des Sichtfensters ersetzten. Die Omen war in die Stratosphäre eingetreten, ohne komplett in Flammen aufzugehen, und nun trudelte das Schiff in träger Tellerrotation durch regenschwere Wolken. Korsin kniff die Augen zusammen. Wasser?

Gibt es da überhaupt einen Boden?

Dieser beängstigende Gedanke kam allen sieben auf der Brücke auf einmal in den Sinn, während sie verfolgten, wie sich das Transparistahlfenster nach innen wölbte und verzog: Gasriese!

Ja, vorausgesetzt, dass man den Wiedereintritt in die Atmosphäre überlebte, dauerte es lange, um vom Orbit aus abzustürzen. Aber wie viel länger mochte es noch dauern, wenn es keine Oberfläche gab, auf der man aufschlagen konnte? Korsin wimmelte ziellos an den in seine Armlehne eingelassenen Steuerkontrollen herum. Die Omen würde Risse bekommen und auseinanderbrechen, erstickt unter einem Berg von Dämpfen. Sie alle teilten diesen Gedanken – und fast wie als Antwort darauf verdunkelte sich das gebeutelte Sichtfenster. »Köpfe runter«, rief er, »ihr alle! Und haltet euch an irgendetwas fest … sofort!«

Diesmal taten sie, wie geheißen. Er wusste: Wenn es ums Überleben ging, würde ein Sith alles tun – sogar dieser Haufen. Korsin hielt sich am Sessel fest, die Augen auf das vordere Sichtfenster und den Schatten fixiert, der sich rasch darüber senkte.

Eine feuchte Masse klatschte gegen die Außenhülle. Die ausladende Gestalt trudelte über den Transparistahl und verharrte dort einen Moment, bevor sie verschwand. Der Captain blinzelte zweimal. Er hatte das Ding zwar nur flüchtig gesehen, aber was immer es gewesen sein mochte, es gehörte nicht zu seinem Schiff. Es hatte Schwingen!

Verblüfft sprang Korsin auf und hastete auf das Fenster zu. Diesmal war der Fehler nachweislich ihm anzulasten. Der von der Kollision mitten in der Luft bereits in Mitleidenschaft gezogene Transparistahl gab nach, und messerscharfe Scherben wurden schimmernden Tränen gleich vom Schiff fortgerissen. Ein Sog entweichender Luft ließ Korsin aufs Deck krachen. Der alte Marcom wankte zur Seite, er hatte an seiner Station den Halt verloren. Sirenen schrillten – wie kam es, dass ausgerechnet die noch funktionierten? –, doch der Tumult verebbte rasch. Ohne nachzudenken, atmete Korsin ein.

»Luft! Das ist Luft!«

Devore kam als Erster wieder auf die Beine und stemmte sich gegen den Wind. Ihr erstes Glück. Das Sichtfenster war größtenteils nach außen hin gerissen und nicht nach innen geschleudert worden – und während der Druck in der Kabine sank, drang eine feuchte, salzige Bö zu ihnen herein. Auf eigene Faust bahnte sich Captain Korsin den Weg zurück zu seiner Station. Danke für die Hilfe, Bruder.

»Bloß eine Gnadenfrist«, sagte Gloyd. Sie konnten noch immer nicht ausmachen, was sich unter ihnen befand. Korsin hatte schon früher selbstmörderische Sinkflüge überstanden, doch das war in einem Bomber gewesen – und er wusste damals, wo der Boden war. Dass da ein Boden war.

Vormals unterdrückte Zweifel überfluteten Korsins Verstand – und Devore reagierte. »Genug«, bellte der Kristalljäger und stemmte sich gegen das schwankende Deck, um zum Kommandosessel seines Bruders zu gelangen. »Lass mich an die Kontrollen!«

»Bei dir werden sie genauso wenig funktionieren wie bei mir!«

»Das werden wir ja sehen!« Devore griff nach der Armlehne, bloß damit Korsins kräftiges Handgelenk ihm den Zugriff auf die Armatur verwehrte. Der Kommandant biss die Zähne zusammen. Tu das nicht. Nicht jetzt.

Ein Baby schrie. Korsin sah Devore einen Moment lang fragend an, bevor er sich zu Seelah im Schottdurchgang umdrehte, die ein kleines, purpur umwickeltes Bündel umklammert hielt. Das Kind heulte.

Seelah, dunkelhäutiger als jeder andere von ihnen, war eine Mitarbeiterin von Devores Bergbauteam. Korsin kannte sie bloß als Devores Gespielin – das war noch die freundlichste Bezeichnung dafür. Er hatte keine Ahnung, welche ihrer Aufgaben an erster Stelle stand. Jetzt wirkte die schlanke Frau ausgezehrt, als sie gegen den Türrahmen sackte. Ihr Kind, das in der Tradition ihres Volkes fest eingeschnürt war, hatte es geschafft, einen seiner winzigen Arme freizubekommen, und krallte nach ihrem wirren, rotbraunen Haar. Sie schien es nicht zu bemerken.

Überraschung – oder war es Verärgerung? – huschte über Devores Antlitz. »Ich habe dich doch zu den Rettungskapseln geschickt!«

Korsin zuckte zusammen. Die Rettungskapseln waren Rohrkrepierer – im wahrsten Sinne des Wortes. Das wussten sie bereits, seit sich die erste Kapsel im Weltall nicht ordnungsgemäß von ihrer störrischen Andockklammer gelöst und geradewegs im Innern des Schiffs explodiert war. Er wusste nicht, was aus den anderen geworden war, aber der Rücken des Schiffs hatte solche Schäden erlitten, dass er davon ausging, dass vermutlich die gesamte Rettungskapselbatterie hinüber war.

»Wir waren … im Frachtraum«, sagte sie keuchend, als Devore zu ihr eilte und ihre Arme ergriff. »In der Nähe unseres Quartiers.« Devores Blick schoss an ihr vorbei, den Korridor hinunter.

»Devore, du kannst nicht zu den Rettungskapseln …«

»Halt die Klappe, Yaru!«

»Hört auf damit«, sagte sie. »Da ist Land.« Als Devore sie mit ausdrucksloser Miene anstarrte, atmete sie aus und sah den Captain eindringlich an. »Land!«

Korsin begriff, was sie meinte. »Der Frachtraum!« Die Kristalle befanden sich in einer Lagerbucht weiter vorn, sicher vor den Beschädigungen – an einer Stelle mit Sichtfenstern, die so abgeschrägt waren, dass man nach unten schauen konnte. Offenbar war unter diesem ganzen Blau doch etwas. Etwas, das ihnen eine Überlebenschance verschaffte.

»Der Backbordantrieb wird anspringen«, sagte sie flehend.

»Nein, wird er nicht«, sagte Korsin. Jedenfalls nicht auf irgendeinen Befehl von der Brücke hin. »Wir werden das manuell erledigen müssen.« Er trat an dem angeschlagenen Marcom vorbei zum Steuerbordsichtfenster, das zur Hauptmasse des Schiffs hinausblickte, das sie an achtern hinter sich herzogen. Auf beiden Seiten des Schiffs befanden sich vier große Torpedorohrabdeckungen, kreisrunde Klappen, die über oder unter der horizontalen Fläche angebracht waren, je nachdem, wo sie sich befanden. In der Atmosphäre wurden diese Abdeckungen niemals geöffnet, aus Angst vor dem Sog, den dies verursachen würde. Möglicherweise würde dieser Konstruktionsfehler sie jetzt retten. »Gloyd, werden sie funktionieren?«

»Sie werden rotieren – einmal. Aber ohne Energie müssen wir die Haltebolzen absprengen, um sie zu öffnen.«

Devore glotzte sie an. »Wir gehen da nicht raus!« Sie flogen noch immer mit tödlicher Geschwindigkeit. Allerdings war Korsin ebenfalls in Bewegung und hastete an seinem Bruder vorbei zum Backbordsichtfenster. »Alle auf eine Seite!«

Seelah und ein weiteres Crewmitglied traten zur rechten Scheibe. Widerwillig gesellte sich Devore, finster dreinblickend, zu ihr. Allein auf der linken Seite, legte Yaru Korsin eine Hand auf das kalte, schwitzende Fenster. Draußen, nur wenige Meter entfernt, entdeckte er eine der gewaltigen runden Abdeckungen – und den kleinen, daneben angebrachten Kasten, nicht länger als ein Komlink. Das Ding war kleiner, als er es von der Inspektion her in Erinnerung hatte. Wo ist der Mechanismus? Da. Er streckte seine Machtsinne aus. Vorsichtig …

»Oberes Torpedorohr, auf beiden Seiten. Jetzt!«

Mit einer entschlossenen mentalen Kraftanstrengung löste Korsin den Zündmechanismus des Haltebolzens aus. Explosionsartig schoss ein großer Bolzen hervor, der davonschwirrte – und der riesige Torpedorohrdeckel reagierte entsprechend und schwang jetzt an einem einzigen Scharnier. Das ohnehin schon bebende Schiff ächzte laut, als die Abdeckung ihre finale Position erreichte, oben auf der Tragfläche der Omen wie ein provisorisches Querruder. Korsin warf erwartungsvoll einen Blick hinter sich, wo Seelahs Miene ihm verriet, dass es auf ihrer Seite einen ähnlichen Erfolg zu verzeichnen gab. So wie viele der Sith-Anhänger an Bord war auch sie in der Verwendung der Macht geschult – allerdings war Korsin bislang noch nie in den Sinn gekommen, sich dies zunutze zu machen, um während des Fluges Korrekturen auszuführen. Einen Moment lang fragte er sich, ob es wohl geklappt hatte …

Tschuuum! Mit einem heftigen Ruck, der die Brückenbesatzung von den Füßen riss, kippte die Omen nach unten. Das Manöver verlangsamte das Schiff nicht so sehr, wie Korsin erwartet hatte, doch das war nicht weiter von Belang. Zumindest konnten sie jetzt sehen, wo sie hinflogen – was unter ihnen war. Würden sich diese verdammten Wolken doch bloß klären …

Mit einem Mal sah er es: Da war tatsächlich Land – aber noch mehr Wasser. Viel mehr. Schartige, zerklüftete Gipfel ragten aus der grünlichen Brandung empor, nahezu ein Gerippe aus Felsgestein, das von der untergehenden Sonne des fremden Planeten, die am Horizont kaum noch auszumachen war, erhellt wurde. Sie jagten rasch in die Nacht hinein. Ihnen würde nicht viel Zeit bleiben, um eine Entscheidung zu treffen …

… aber Korsin wusste bereits, dass sie letztlich überhaupt keine Wahl hatten. Obgleich vermutlich mehr Angehörige der Besatzung eine Wasserung überleben würden, würde ihnen das nicht viel bringen, wenn ihre Vorgesetzten erfuhren, dass sich ihre kostbare Fracht auf dem Grund eines fremden Ozeans befand. Besser, wenn sie die Kristalle zwischen unseren verbrannten Leichen bergen können. Finster dreinblickend, befahl er den Machtnutzern auf der Steuerbordseite, die unteren Torpedorohrklappen zu aktivieren.

Wieder ein brutaler Ruck, und dann brach die Omen nach links aus, um auf einen bedrohlich aufragenden Gebirgszug zuzuhalten. Hinter ihnen schoss eine Rettungskapsel vom Schiff fort – und krachte geradewegs in den Kamm. Kaum eine Sekunde später war die rot glühende Stichflamme bereits wieder aus dem Blickfeld der Brücke verschwunden. Da konnte Gloyds Torpedo-Crew glatt neidisch sein, dachte Korsin, der dabei den Kopf schüttelte und einen tiefen Atemzug ausstieß. Dort hinten waren noch immer Leute am Leben. Sie kämpfen nach wie vor.

Die Omen sauste weniger als hundert Meter über einen schneebedeckten Gipfel hinweg. Unter ihnen breitete sich dunkles Wasser aus. Eine weitere Kurskorrektur – und der Omen gingen rasch die verfügbaren Torpedorohre aus. Eine weitere Rettungskapsel startete, um in einem steilen Bogen in die Tiefe zu schießen, doch erst, als sich das kleine Gefährt den Wellen näherte, warf der Pilot – falls es einen gab – das Triebwerk an. Die Schubdüsen schossen die Kapsel mit Höchstgeschwindigkeit geradewegs in den Ozean.

Schweiß rann Korsin von der Stirn, und er kniff die Augen zusammen, als er sich zu seiner Mannschaft umdrehte. »Bereit machen für Notwasserung! Genau der richtige Moment für eine hübsche Manöverübung!« Selbst Gloyd konnte darüber nicht lachen. Allerdings war das nicht seinem Anstand geschuldet, wie der Kapitän feststellte, als er sich umwandte – sondern dem, was vor ihnen lag. Noch mehr scharfklippige Berge ragten aus dem Meer auf – einschließlich eines Berges, auf dem praktisch bereits ihr Name stand. Korsin eilte zu seinem Sessel zurück. »Alle Mann auf ihre Posten!«

Seelah wankte panisch umher und verlor beinahe den heulenden Jariad, als sie ins Taumeln geriet. Sie hatte keinen Posten, keine Verteidigungsposition. Sie schickte sich an, zu Devore hinüberzueilen, der wie erstarrt an seinem Terminal stand. Dafür war keine Zeit. Er streckte eine Hand nach ihr aus. Yaru riss sie zu sich heran und stieß sie hinter den Kommandosessel, wo sie sich Schutz suchend zusammenkauerte.

Diese noble Geste kam ihn teuer zu stehen. Die Omen krachte in schrägem Winkel auf einen Granitkamm, verlor den Kampf gegen den Berg – und noch mehr von sich selbst. Der Aufprall schleuderte Captain Korsin nach vorn gegen die Schottwand, wo er beinahe von den im Rahmen verbliebenen Scherben des zertrümmerten Sichtfensters aufgespießt wurde. Gloyd und Marcom versuchten, ihm zu Hilfe zu kommen, aber die Omen war noch immer in Bewegung, schrammte über eine weitere felsige Anhöhe und schoss sich um sich selbst drehend abwärts. Irgendetwas explodierte, um im knirschenden Fahrwasser des Schiffs brennende Wrackteile zu verstreuen.

Die Omen ruckte gequält ein weiteres Mal nach vorn, und die Torpedoklappen, die ihnen als provisorische Luftwiderstandsbremsen gedient hatten, brachen wie Treibholz, als das Schiff einen kiesigen Hang hinunterschlidderte. Steine prasselten in alle Richtungen. Korsin schaute mit blutiger Stirn auf und spähte hinaus, um … nichts zu sehen. Die Omen rutschte weiter auf einen Abgrund zu. Gleich war der Berg zu Ende.

Stopp. Stopp!

»Stopp!«

Stille. Korsin hustete und öffnete die Augen. Sie lebten noch.

»Nein«, sagte Seelah, die dakniete und Jariad umklammert hielt. »Wir sind bereits tot.«

Dank dir, setzte sie zwar nicht hinzu, aber Korsin spürte, wie die Worte durch die Macht zu ihm strömten. Nicht, dass es dieser Hilfe bedurft hatte. Ihre Augen sagten alles.

2. Kapitel

Die Stammbesatzung der Omen war derselben menschlichen Abstammung wie Korsin: Sie waren Nachfahren der Überbleibsel eines einstmals großen Adelshauses, das Jahrhunderte vor den Turbulenzen, die das Tapani-Imperium begründeten, zu den Sternen aufgebrochen war. Die Sith hatten sie gefunden und als nützlich erachtet. Sie waren geschickt, was Handel und Industrie betraf, also in all den Dingen, die die Sith-Lords am meisten brauchten, für die sie angesichts all ihrer Pläne zum Weltenaufbau und zur Weltenzerstörung jedoch selbst keine Zeit hatten. Seine Vorfahren hatten das Sagen auf Schiffen und in Fabriken, und darauf verstanden sie sich gut. So dauerte es nicht lange, bis sie ihr Blut mit dem der Dunklen Jedi vermischten und die Macht alsbald auch in seinem Volk stark war.

Sie waren die Zukunft. Das wollten die Sith zwar nicht zugeben, doch es war offensichtlich. Viele der Sith-Lords gehörten nach wie vor der purpurhäutigen Spezies an, die lange Zeit den Kern ihrer Gefolgschaft gebildet hatte. Doch mittlerweile wandelte sich ihre zahlenmäßige Stärke – und wenn Naga Sadow die Galaxis beherrschen wollte, brauchte er sie dazu.

Naga Sadow. Tentakelgesichtig, Dunkler Lord und Erbe uralter Kräfte. Naga Sadow war es gewesen, der die Omen und die Herold auf der Suche nach Lignan-Kristallen losgeschickt hatte, und Naga Sadow war es auch, der die Kristalle auf Kirrek brauchte, um die Republik und ihre Jedi zu bezwingen.

Oder waren es vielmehr die Jedi und ihre Republik? Was von beidem zutraf, spielte letztlich keine Rolle. Naga Sadow würde Captain Korsin und seine Mannschaft dafür töten, dass sie ihr Schiff verloren hatten. Was das betraf, hatte Seelah recht. Allerdings bedeutete das nicht zwangsläufig, dass Sadow den Krieg verlieren würde. Alles hing davon ab, was Korsin jetzt tat. Immerhin hatte er nach wie vor etwas in der Hinterhand: die Kristalle. Jedoch befanden sich diese im Augenblick nicht unbedingt in Reichweite.

Es hatte eine ganze entsetzliche Nacht gekostet, um 355 Leute von dem Hochplateau herunterzuholen. Sechzehn Verletzte starben unterwegs, und weitere fünf waren in der Dunkelheit von dem schmalen Sims gestürzt, der anscheinend den einzigen Weg nach oben beziehungsweise nach unten darstellte. Dennoch zweifelte niemand daran, dass die Evakuierung des Schiffs das einzig Richtige gewesen war. Dort oben konnten sie nicht bleiben, nicht angesichts der noch immer brennenden Feuer und der unsicheren Lage der Omen. Korsin, der als Letzter von Bord gegangen war, wäre beinahe dran gewesen, als ein Protonentorpedo, der sich beim Aufprall losgerissen hatte, aus der frei liegenden Röhre schnellte und über die Kante in den Abgrund stürzte.

Bei Sonnenaufgang hatten sie eine Lichtung entdeckt, auf halbem Wege den Berg hinunter, von Wildgräsern gesprenkelt. Überall in der Galaxis gab es Leben, sogar hier. Das war das erste gute Zeichen. Über ihnen brannte die Omen weiter. Korsin fand, dass es nicht weiter schwierig war zu bestimmen, wo über ihnen sich das Schiff befand. Nicht, solange sie sich an dem Rauch orientieren konnten.

Als er jetzt, am Nachmittag, durch die Menge marschierte – weniger ein Feldlager als eine Versammlung –, wusste Korsin, dass er sich auch nicht mehr zu fragen brauchte, wo seine Leute wohl steckten. Nicht, solange seine Nase ihn nicht im Stich ließ. »Jetzt weiß ich, warum wir die Massassi auf ihrer eigenen Ebene untergebracht hatten«, murmelte er bei sich.

»Charmant«, erklang hinter seiner Schulter die Reaktion darauf. »Ich würde behaupten, dass sie mit Euch auch nicht besonders viel Glück hatten.« Ravilan war ein Roter Sith, so reinblütig, wie es nur ging. Er war der Quartiermeister und Aufseher der Massassi, jener hässlichen, schwerfälligen Zweibeiner, die die Sith als Werkzeuge des Schreckens auf dem Schlachtfeld schätzten. Im Augenblick wirkten die Massassi allerdings nicht allzu respekteinflößend. Korsin folgte Ravilan in einen Höllenkreis, der durch den Gestank von Erbrochenem sogar noch unangenehmer wurde. Die rotgesichtigen, zwei bis drei Meter großen Ungetüme hatten sich keuchend und hustend auf dem Boden ausgebreitet.

»Vielleicht so eine Art Lungenödem«, meinte Seelah, die um Behälter mit gereinigter Luft herumging, die sie aus einem Notfallcontainer geborgen hatten. Bevor sie sich mit Devore eingelassen und sich einen Platz in seinem Team gesichert hatte, war sie Frontsanitäterin gewesen – auch wenn Korsin darauf angesichts des distanzierten Verhaltens, das sie gegenüber den kranken Massassi an den Tag legte, nie im Leben gekommen wäre. Sie rührte die keuchenden Riesen kaum an. »Wir sind jetzt raus aus der Höhe, also sollten diese Symptome eigentlich bald abklingen. Vermutlich ist das ganz normal für sie.«

Zu ihrer Linken hustete ein anderer Massassi angestrengt – und musterte stumm das Resultat: eine Handvoll tropfenden Narbengewebes. Korsin sah den Quartiermeister an und fragte trocken: »Ist das normal?«

»Ihr wisst, dass dem nicht so ist«, knurrte Ravilan.

Devore Korsin eilte von der anderen Seite der Lichtung herüber, um Seelah seinen Sohn in die Hände zu drücken, bevor sie es auch nur schaffte, sich diese zu Ende abzuwischen. Er packte das gewaltige Handgelenk des Ungetüms, um sich selbst davon zu überzeugen. Dann starrte er seinen Bruder mit loderndem Blick an. »Aber die Massassi sind zäher als jeder andere!«

»Als jeder, den sie schlagen, treten oder würgen können«, sagte der Kapitän. Ein fremder Planet war aber nun einmal ein fremder Planet. Sie hatten nicht die Zeit gehabt, einen Bioscan durchzuführen, und die gesamte Ausrüstung befand sich weit über ihnen. Devore tat es Seelah gleich, die von den kränklichen Massassi zurückwich.

Achtzig der Geschöpfe hatten den Absturz überlebt. Der Captain erfuhr, dass Ravilans Helfer drüben auf dem Hang just in diesem Moment ein Drittel dieser Überlebenden verbrannten. Welcher unsichtbare Faktor auf diesem Planeten auch für das Sterben der Massassi verantwortlich sein mochte, er raffte sie rasch dahin. Ravilan zeigte ihm den stinkenden Scheiterhaufen.

»Sie sind nicht weit genug weg«, sagte Korsin.

»Weit genug weg von wem?«, entgegnete Ravilan. »Ist diese Senke jetzt unser Dauerlager? Sollten wir uns nicht lieber zu einem anderen Berg begeben?«

»Genug, Rav.«

»Keine geistreiche Retourkutsche? Das überrascht mich. Zumindest das plant Ihr weit im Voraus.«

Korsin hatte schon auf früheren Missionen seine Differenzen mit Ravilan gehabt, doch jetzt war für derlei keine Zeit. »Ich sagte, genug. Wir haben uns umgeschaut, wie es nach unten weitergeht. Das hast du selbst gesehen. Aber wir können nirgendwohin.« Am Fuß der Felswand hatten sie Strände ausgemacht, die jedoch bei den glatten Klippen endeten, mit denen der nächste Berg des Gebirgszuges begann. Und diesem weiter zu folgen, bedeutete einen Marsch durch ein Gewirr rasiermesserscharfen Gestrüpps. »Wir brauchen keinen Aufklärungstrupp. Wir bleiben nicht hier.«

»Das will ich doch hoffen«, sagte Ravilan, der angesichts des Gestanks der Feuer selbst die Nase rümpfte. »Euer Bruder – ich meine, Eldrak Korsins anderer Sohn – will unverzüglich zum Schiff zurückkehren. Ich stimme ihm zu. Wir müssen Lord Sadow Bericht erstatten.«

Yaru Korsin hielt inne. »Ich habe die Transmittercodes. Diese Nachricht werde ich übermitteln.« Er schaute zu der zweiten, ferneren Rauchwolke hoch über ihnen auf. »Wenn es sicher ist.«

»Ja, absolut. Wenn es sicher ist.«

Eigentlich wollte der Kapitän Devore bei dieser Mission überhaupt nicht dabeihaben. Jahre zuvor war er erleichtert gewesen, als sein Halbbruder die Flottenlaufbahn abgebrochen hatte, um sich stattdessen dem Mineralogischen Dienst der Sith anzuschließen. Auf der Suche nach Edelsteinen und machterfüllten Kristallen ließen sich Macht und Reichtum wesentlich einfacher erlangen als in der Flotte. Dank der Unterstützung ihres Vaters war Devore zu einem Fachmann für den Einsatz von Plasmawaffen und Scan-Ausrüstung avanciert. Beim jüngsten Konflikt mit den Jedi war er sehr gefragt – und wurde zusammen mit seinem Team der Omen zugewiesen. Korsin fragte sich, wem er so auf die Füße getreten sein mochte, um das zu verdienen? Man hatte ihm gesagt, dass Devore ihm offiziell unterstellt war und seinen Befehlen Folge zu leisten habe, aber das wäre etwas ganz Neues gewesen. So mächtig waren nicht einmal Sith-Lords.

»Ihr hättet uns im Orbit halten sollen!«

»Wir waren überhaupt nicht im Orbit!«

Korsin erkannte die Stimme seines Navigators, Marcom, die über den staubigen Hang drang – und er wusste auch bereits, wem die zweite gehörte. Der alte Marcom versuchte gerade, sich seinen Weg aus der Menge zu bahnen, als Captain Korsin in vollem Lauf auf den Gipfel des Hügels stürmte. Devores Bergarbeiter ließen nicht von ihrem Opfer ab.

»Ihr habt doch gar keine Ahnung von meiner Arbeit!«, brüllte Marcom. »Ich habe alles getan, was ich konnte! Oh, was bringt es schon, sich einem Haufen von …«

Just, als Korsin auf der Lichtung anlangte, wogte die Menge nach vorn, wie Wasser, das in einen Abfluss gesogen wurde. Ein widerlich vertrautes Knistern folgte dem anderen.

»Nein!«

Korsin sah als Erstes das Lichtschwert, das auf seine Füße zurollte, als er durch die Menge brach. Der alte Steuermann seines Vaters lag abgeschlachtet weiter vorn. Devore stand neben Seelah und Jariad. In den länger werdenden Schatten glomm die Klinge seines Lichtschwerts blutrot.

»Der Navigator hat zuerst angegriffen«, erklärte Seelah.

Der Captain starrte sie an. »Was macht das jetzt noch für einen Unterschied?« Korsin stürmte in die Mitte und ließ das herrenlose Lichtschwert mithilfe der Macht in seinen Griff schnellen.

Devore rührte sich nicht vom Fleck, stattdessen lächelte er gemächlich und ließ das Lichtschwert eingeschaltet. In seinen Augen lag ein wilder, ein vertrauter Ausdruck. Er zitterte ein wenig, jedoch nicht aus Furcht – zumindest vor keiner Furcht, die Yaru Korsin fühlen konnte.

Der Kapitän wusste, dass die Ursache dafür etwas anderes war, etwas noch Gefährlicheres als er. Er drehte Marcoms deaktivierte Waffe so, dass die Spitze nach unten zeigte, und schüttelte sie. »Das war unser Navigator, Devore! Was, wenn die Sternkarten nicht funktionieren?«

»Ich finde schon den Weg zurück«, sagte Devore rasch.

»Das wirst du nun wohl auch müssen!« Erst jetzt wurde sich Korsin der bunt zusammengewürfelten Menge um sich herum bewusst. Zu dem Kreis gehörten Bergarbeiter in goldenen Uniformen, ja, aber auch Mitglieder der Brückenbesatzung und ein rotgesichtiger Sith – nicht Ravilan, aber einer seiner Kumpane. Er ließ sich davon nicht abschrecken. »Dies wird euch nichts Gutes bringen, keinem von euch. Wir warten hier, bis es sicher ist, zum Schiff zurückzukehren. Das ist alles.«

Seelah richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, ermutigt durch die Unterstützer ringsum. »Wann wird es denn sicher sein? In einigen Tagen? In einigen Wochen?« Ihr Kind heulte. »Wie lange müssen wir überleben – bis es sicher genug für Euch ist?«

Korsin starrte sie an und atmete tief durch. Er warf Marcoms Lichtschwert zu Boden. »Sagt Ravilan, dass hier noch einer mehr für den Scheiterhaufen ist.« Als die missmutige Menge ihm Platz machte, damit er passieren konnte, sagte er: »Wir gehen, wenn ich es sage. Wenn dieses Schiff explodiert oder in den Ozean stürzt, haben wir ein echtes Problem. Wir gehen, wenn ich es sage.«

Die Welt drehte sich. Als Korsin zurücktrat, trat Gloyd vor, um ein wachsames Auge auf die grummelnde Menge zu haben. Er hatte den ganzen Spaß verpasst. »Captain.«

Sie sahen aneinander vorbei, um Sith in allen Himmelsrichtungen zu beobachten. »Die Stimmung hier ist nicht unbedingt die beste, Gloyd.«

»Dann wird es Euch freuen, dies zu hören«, rasselte der ungeschlachte Houk. »So, wie ich die Sache sehe, haben wir drei Möglichkeiten. Entweder bringen wir die Leute von diesem Felsbrocken in was auch immer fliegt herunter. Oder wir suchen irgendwo Schutz und verstecken uns, bis sie sich alle gegenseitig umbringen.«

»Was ist die dritte Möglichkeit?«

Gloyds tätowiertes Gesicht legte sich in Fältchen. »Es gibt keine. Allerdings dachte ich, es würde Euch aufheitern, wenn Ihr der Ansicht wärt, dass dem doch so ist.«

»Ich hasse dich.«

»Hass ist gut. Vielleicht macht Euch das eines Tages zu einem Dunklen Lord der Sith.« Korsin kannte Gloyd bereits, seit er das erste Mal das Kommando über ein Schiff übernommen hatte. Der Houk war genau die Art von Brückenoffizier, wie sie sich jeder Sith-Kapitän wünschte: mehr an seinen eigenen Aufgaben interessiert als daran, die von jemand anderem zu übernehmen. Gloyd war klug genug, sich diesen Ärger zu ersparen. Oder vielleicht liebte er es auch einfach bloß zu sehr, Dinge in die Luft zu jagen, als dass er irgendwo anders eingesetzt werden wollte als auf der Taktikstation.

Natürlich hatte Korsin keine Ahnung, als wie nützlich sich sein alter Weggefährte angesichts des Umstands erweisen würde, dass sich diese Station ungefähr einen Kilometer weiter den Berg hinauf befand. Doch zumindest war Gloyd den meisten aus der Mannschaft nach wie vor um fünfzig Kilo Muskelmasse überlegen. Niemand würde es wagen, sich gegen sie aufzulehnen, solange sie zusammenhielten. Jedenfalls nicht allein und auf eigene Faust.

Korsin schaute über die Lichtung von Neuem zu der Meute hinüber. Ravilan war jetzt unter ihnen und steckte mit Devore, Seelah und einigen jüngeren Offizieren die Köpfe zusammen. Devore bemerkte, dass sein Bruder ihn beobachtete, und wandte den Blick ab. Seelah starrte den Kommandanten einfach ihrerseits unerschrocken an. Korsin spie ein Schimpfwort aus. »Gloyd, wir sterben hier. Ich verstehe sie einfach nicht!«

»Doch, das tut Ihr«, meinte Gloyd. »Ihr wisst doch: Bei uns geht es stets um die ganze Mission – bei den anderen Sith darum, was als Nächstes kommt.« Der Houk pflückte eine schuppige Wurzel aus der Erde und schnüffelte daran. »Das Problem ist, dass es hier nur darum geht, was als Nächstes kommt. Ihr versucht, sie zusammenzuhalten – obwohl Ihr ihnen eigentlich bloß zeigen solltet, dass dieser Felsen nicht das Ende ist. Dafür, Leute auf Eure Seite zu ziehen, ist keine Zeit. Ihr wählt den Weg, und jeder, der nicht bereit ist, diesen Weg zu gehen …«

»Wird zurückgelassen?« Korsin grinste. Das war wirklich nicht sein Stil.

Gloyd erwiderte das Lächeln und biss in die Wurzel. Der leitende Schütze zuckte übertrieben zusammen, entschuldigte sich und spie den Bissen wieder aus. Die Erde würde sie nicht ernähren – jedenfalls nicht diese Erde.

Korsin ließ den Blick an der Menge vorbei zu dem schrumpfenden Rauchtentakel emporschweifen, der in der Höhe über ihnen aufstieg. Über ihnen … Gloyd hatte recht. Das war die einzige Möglichkeit.

3. Kapitel

Die Massassi waren auf dem Berg gestorben. Korsin war bei Einbruch der Morgendämmerung mit drei Trägern aufgebrochen: mit den gesündesten der Massassi, die abwechselnd den verbliebenen Luftbehälter trugen. Doch die Luft war bald am Ende und sie ebenfalls. Was auch immer es auf diesem Planeten gab, das die Massassi nicht vertrugen, existierte nicht bloß unten, sondern auch oben.

Korsin fand, dass es letztlich keine Rolle spielte, wo sie verreckten, und ließ die blutroten Leichen dort liegen, wo sie zu Boden gingen. Er beherrschte kein Massassi. Sie waren formbare, gehorsame Krieger, aber sie gehorchten nur Gewalt, nicht Worten. Ein guter Sith-Captain musste sich beides zunutze machen, doch Korsin tendierte im Allgemeinen mehr zu Letzterem. Damit hatte er es bereits weit gebracht.

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