Steinreich - Karin Mayer - E-Book

Steinreich E-Book

Karin Mayer

4,8

Beschreibung

Die beiden Journalistinnen Ruth und Solveig wollten eigentlich nur eine gelungene Zeitungsstory feiern, da hat ihnen jemand eine Leiche in den Kofferraum gelegt. Unversehens geraten sie unter Mordverdacht. Der Tote ist niemand anderes als der Immobilienhai Armin Buchheit, über den sie gerade geschrieben haben. Mit einem Bauprojekt für ein saarländisch-luxemburgisches Palliativzentrum soll er Geld gewaschen haben. Doch Armin Buchheit arbeitet nicht allein. Er hat Verbindungen zu Politik und Bankenwelt. Ruth und Solveig recherchieren weiter und stossen auf weitere dunkle Geschäfte. Das ist lebensgefährlich, denn schon bald ist ihnen ein Auftragskiller auf den Fersen.

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Prolog

Sandstrand, Palmen, Caipirinha. Sorgenlos das Leben: sein Traum seit 17 Jahren. Steinreich wollte er dort anlanden. Doch es reichte nicht, noch reichte es nicht. Dabei war er müde. So müde. Seine Arbeit bereitete ihm schon lange keine Freude mehr.

Früher, ja früher, da gab es ihm einen Adrenalinschub. War es Rausch, ein unglaubliches Gefühl, das alles sprengte.

Und sein Auftraggeber hatte sich mal wieder was ganz Kompliziertes ausgedacht. Dreifache Ausfertigung sozusagen. Kostete natürlich extra. Er würde es erledigen, wie er alles erledigte: einfach, schnell, präzise. Es war nur verdammt schwer. Und so auffällig. Es würde schon einiges Geschick erfordern. Das „Wie“ überließ der Auftraggeber natürlich ihm. „Du weißt schon, wie du’s machst“. Jawohl, das wusste er. 20 Jahre Erfahrung, er war ein Künstler.

Er fühlte sich ausgebrannt. Müde, so müde. Wenn er nur jemanden hätte, dem er sein Wissen, sein Können weitergeben könnte. Wenn nur irgendetwas von ihm bliebe. Alle anderen Künstler hinterließen Bleibendes. „Es“ würde aber letztendlich verschwinden, wie jedes Mal.

Kapitel 1

Preisverdächtig

Vorsichtig griff er zum Gewehr. Er spürte den harten Anschlag an der Schulter, nahm sein Opfer genau ins Visier. Gleich sollte er sterben.

Vor seinem geistigen Auge erschien ein ganz anderes Bild. Alfons wusste auch nicht, warum er jetzt an seinen größten Konkurrenten denken musste. Er zwang sich ruhig zu atmen, kniff sein Auge zu, der Zeigefinger lag am Abzug. Neben ihm lagen zwei weitere Männer, ebenfalls schussbereit. Alfons bemühte sich ruhig zu atmen, bog den Zeigefinger. Der Schuss verhallte zwischen den Bäumen.

Der Hirsch fiel langsam, wie ein gefällter Baum. Auch im Tod sah das Tier noch majestätisch aus.

„Gut getroffen“, murmelte Alexander. Eins musste man Alfons lassen. Im Leben wie bei der Jagd saß alles.

Armin klopfte Alfons anerkennend auf die Schulter. „Das macht Dir so schnell keiner nach“, sagte er.

Armin genoss die frühmorgendlichen Stunden mit seinen Freunden. Mit ihnen hatte er seit Kindertagen alles geteilt, sie verstanden sich oft ohne Worte. Normalerweise trafen sie sich samstags zum Jagen. Armin wäre allerdings ein regelmäßiger wöchentlicher Jagdtag am liebsten gewesen. Für ihn wäre das recht einfach gewesen. Als selbstständiger Immobilienunternehmer konnte er sich seine Ausflüge einrichten, wie er wollte. Doch Alfons und Alexander hatten einen dichten Terminkalender. Wichtig, wichtig. Da konnten auch schon mal drei Samstage ausfallen.

Dieser Donnerstag war eine Ausnahme. Sie hatten etwas zu feiern.

Alfons hatte seinen Jagdschein als junger Mann in Frankreich gemacht. Damit prahlte er immer. Das sei ein ganz anderes Jagen als in Deutschland. Da träfen sich die Jäger auf dem Hochsitz und packten erst einmal das Picknick samt dem Rotwein aus. Diesen hatte er heute morgen weg gelassen. Sie wollten später im Jagdclub Champagner aufmachen. Aber sonst hatte Alfons an alles gedacht – Baguette, Hartsalami, Comté-Käse, Gurken und Oliven. Alexander hatte wie immer für den Kaffee gesorgt.

Und nun hatte Alfons auch noch den kapitalen Bock geschossen. Armin war von Natur aus nicht neidisch, aber eigentlich hätte er ihm gebührt. Die letzten beiden Böcke hatten sich Alfons und Alexander vorgenommen. Ihm blieb jetzt nur der Überläufer. Ein zweijähriger Keiler, der ihnen beim letzten Mal entwischt war. Alexander schüttete Kaffee nach. „Das wird uns wärmen“, sagte er.

‚Weichei’, dachte Armin. Er griff nach der Hartsalami. „Ich muss erst mal was essen. `Ne Grundlage für später schaffen“, grinste er.

*

Solveig kam verschwitzt an der Haustür an. Die blonden Haare klebten an ihrer Stirn, ein flüchtiger Blick in den Spiegel zeigte, das T-Shirt konnte nur noch in die Wäsche. Eine Stunde lang war sie am Fluss entlang gelaufen. Sie öffnete die Tür, hängte den Schlüssel an einen Haken neben dem Eingang und stellt die Laufschuhe ins Schuhregal. Der Tag konnte beginnen. Sie ging in die Küche und warf die Kaffeemaschine an. Zehn Minuten später war sie geduscht und angezogen. Jetzt konnte sie die Kinder und Peter wecken.

Eine halbe Stunde später war die Küche nicht wieder zu erkennen. Die fünfjährige Klara saß auf ihrem Kinderstuhl und plapperte fröhlich drauf los. Ihr Versuche, selbst Cornflakes und Milch in ein Schälchen zu schütten, hatte feuchte und bröselige Spuren auf dem Holztisch hinterlassen.

„Ich möchte mehr Milch,“ strahlte sie und blickte auf den großen See in ihrer Müslischüssel.

„Ich will aber zuerst,“ rief ihr Bruder Joshua schnell dazwischen. Mit seinen acht Jahren war ihm sehr daran gelegen, seiner Schwester eine Nasenlänge voraus zu sein. Solveig hatte alle Hände voll damit zu tun, die Wünsche ihrer Kinder zu erfüllen. Außer einer Tasse Kaffee hatte sie noch nichts zu sich genommen. Gerade konnte sie noch verhindern, dass Klara ihre Tasse mit dem Ellbogen vom Tisch fegte, da meldete sich Peter hinter seiner Zeitung.

„Fährst du heute eigentlich mit nach Luxemburg? Du wolltest doch über den EU-Gipfel berichten?“

„Nein, daraus wird leider nichts. Den Job hat mein Kollege übernommen. Martin Kerner.“ antwortete Solveig.

Sie arbeitete im Politikressort einer Tageszeitung, speziell Auslandsthemen–meist ein Schreibtischjob, den sie wegen der Kinder angenommen hatte. Das gab ihr nur selten Gelegenheit, solche Termine wahrzunehmen. Als es nun hieß, der Brüsseler Kollege sei erkrankt, der Termin aber wichtig, hatte sie sofort „Hier“ gerufen. Doch dann war Martin ihr zuvor gekommen. Dabei war der sonst so kollegial und umgänglich. Manchmal hatte sie den Eindruck, er sei an ihr interessiert. Möglicherweise täuschte sie sich da auch.

Ihr Mann machte sich über Alltagsfragen keine Gedanken. Er fuhr jeden Morgen von Saarbrücken nach Luxemburg und wickelte bei der Europäischen Investitionsbank internationale Finanzgeschäfte ab. Sein Job ließ ihm gerade noch so viel Zeit, seinen Hobbys Marathon und Fechten nachzugehen. Meist kam er spät nach Hause. Etwas ärgerlich war allerdings, dass Peter jetzt darüber nachdachte, in einem Luxemburger Club zu Fechten. Das bedeutete, noch mehr lange Abendtermine und Wochenenden alleine mit den Kindern. Solveig nahm sich fest vor, Peter einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sie wusste noch nicht wie, aber langsam wurde ihr das zuviel. Joshua und Klara verbrachten hauptsächlich am Wochenende Zeit mit Peter. Der Alltag, die Kinder, der Haushalt – das war Solveigs Sache. Ohne Haushaltshilfe und Schwiegermutter wäre sie überhaupt nicht zu recht gekommen.

Sie beschwerte sich nicht. Na ja, zumindest nicht oft. Sie kannte Peter schon aus der Schulzeit. Ein Leben ohne ihn konnte sie sich nicht vorstellen.

„Es ist schon zwanzig vor acht. Wir müssen gleich los. Geht schnell Zähneputzen,“ sagte Solveig und schob die Kinder aus der Küche. Peter schnappte sich seinen Aktenkoffer, verabschiedete sich kurz und schon fiel die Tür ins Schloss. Während Solveig den Küchentisch abräumte, hörte sie die Kinder im Bad streiten.

„Du hast mich geschubst.“ – „Nein, du hast angefangen, du hast mich getreten.“ Am Ende weinte Klara, und Solveig konnte sie nur durch eine „Autogeschichte“ wieder trösten. Auf der Fahrt zum Kindergarten und zur Schule erzählten Solveig und die Kinder sich abwechselnd kleine Geschichten, die sie Autogeschichten nannten, weil sie immer nur im Auto gehört und erzählt wurden.

*

Kurz vor zehn kam Solveig ins Büro. Das Telefon klingelte, stehend griff sie zum Telefonhörer.

„Solveig Wagner“, meldete sie sich noch außer Atem.

„Ich bin’s, Martin“, röchelte es am anderen Ende der Leitung. „Meine Stimme ist weg. Es kam ganz plötzlich. Gestern Abend hatte ich Halsschmerzen, heute kann ich nicht mehr sprechen. Ich kann unmöglich nach Luxemburg fahren. Kannst du für mich einspringen?“

Solveig atmete tief durch. „Natürlich“, antwortete sie. „Wie ist der Zeitplan genau in Luxemburg?“

Martin teilte ihr die Daten mit. Die Pressekonferenz sollte in einem Hotel in Luxemburg Stadt stattfinden. Hätte Martin doch nur etwas früher angerufen, dann säße sie jetzt gemütlich mit Peter im Auto... Solveig seufzte, griff zum Hörer und telefonierte mit der deutschen Botschaft in Luxemburg, die ihr so kurzfristig den Zugang ermöglichen musste. Wegen der Sicherheitsbestimmungen hatte Martin die Akkreditierung bis gestern beantragen müssen. Schnell gab sie der Redaktion Bescheid, dass sie anstelle von Martin fuhr und stieg kurz danach ins Auto.

*

Ruth stand im Postamt in der Schlange. Wie gut, dass sie so früh los gefahren war. Die Franzosen wie die Deutschen hatten mittlerweile das gleiche System: eine einzige Schlange, die sich vorne auf die einzelnen Schalter aufteilte. Doch während es in Saarbrücken zügig voran ging, waren in „ihrem“ Pariser Postamt im 15. Arrondissement nur zwei Schalter geöffnet. Ab und zu trat eine Postbeamtin aus der Tür, rief „gibt es jemanden mit Paketen?“, was die Schlange nur unwesentlich verkürzte, trat doch höchstens mal einer daraus hervor. Ruth musste ihr Konto auffüllen. Mehr als 30 Tage durfte sie bei der französischen Post nicht in den roten Zahlen sein. Zwar stellte sie regelmäßig Geld auf ihr Konto, hauptsächlich für den Fiskus, es reichte aber nicht, um einen ständigen Überziehungskredit zu bekommen. Mehr als Wohnungskosten hatte sie aber nicht. Also füllte sie regelmäßig ihr Konto auf.

Wie üblich redete niemand, alle starrten vor sich hin. Auch Ruths Gedanken schweiften ab. Gestern noch hatte sie in Saarbrücken in der Schlange gestanden. Vor und hinter ihr Mütter mit einem, zwei, drei Kindern an der Hand und auf dem Arm. Dazwischen Punker, Penner, abgerissene Gestalten. Selbst hier in Paris hatte sie wieder den säuerlichen Geruch von Alkohol in der Nase. Wie die meisten anderen las sie einen Flyer, den man ihr vor der Tür in die Hand gedrückt hatte. Neben ihr lästerte einer der Punker.

„Guck mal, gebügelt und geschniegelt.“ Sein tätowierter Finger zeigte auf das weiße Hemd und den roten Schlips des Ministerpräsidenten.

„Die Arbeitslosen hat er von der Straße geholt“, las und interpretierte sein Freund, „die Wirtschaft flott gemacht und die Landesfinanzen saniert.“

„Ja, und die Lahmen können wieder gehen und die Blinden wieder sehen.“

„Ein echter Messias.“

„Carlo hat ihn hier letzt gesehen. Hat ihn um zwei Euro angehauen.“

„Und?“

„Sein Bodyguard hat ihm fast den Arm gebrochen. Rausgerückt hat der Sack natürlich nichts.“

„So habe ich ihn mir den Messias vorgestellt.“

In diesem Moment war Ruth war an der Reihe gewesen. Schade. Dem Gespräch hätte sie gern weiter gelauscht. Am Schalter hatte sie sich vorgebeugt, eine verschwörerische Miene aufgesetzt und nach links und rechts geblickt: “Sagen sie mal, ist zur Zeit in Saarbrücken das Treffen der anonymen Alkoholiker?“

„Nein“, hatte der Postbeamte zurück gegeben, „der Monatserste, die Leute kommen mit ihren Schecks. Hartz IV wird ausgezahlt.“

„Aua.“ Ruth schämte sich plötzlich der Tatsache, dass sie nie einen Gedanken daran verschwendete, wann sie Geld abhob und seit ihrer Erbschaft war das wie viel auch kein Problem mehr. Sie blickte sich um, sah in müde Gesichter. Demütigend–sich einmal im Monat in die Schlange am Postschalter einreihen und geduldig wie ein Schaf auf die paar Euro fuffzig warten zu müssen...

*

„Komisch, wir hatten hier doch extra die Magnum kaltgestellt.“ Armin stand vor der geöffneten Kühlschranktür und streckte sich schwerfällig nach oben. Wenn er Alfons um etwas beneidete, dann um seinen drahtigen Körper und das dichte Haar. Er selbst musste täglich im Spiegel sein schütteres Haar betrachten und kämpfte ständig mit dem Gewicht.

„Das beste liegt immer unten im Fach“, belehrte ihn Alexander.

„Ja, super, dann kann die Feier losgehen!“ sagte Armin und zog seinen grünen Jagdpullover nach unten.

Alexander war anders. Er war zwar schlank, aber nicht der sportliche Typ. Er hatte eher etwas Weiches, Empfindliches. Sein Äußeres war immer gepflegt, an seiner Hand fehlte nie ein Siegelring, im Hemd steckte immer ein passendes Tuch. Typisch war jetzt auch sein kritischer Blick durch den Jagdclub.

„Das Hauptquartier müsste mal wieder sauber gemacht werden“, wandte er sich mit angeekeltem Gesicht zu Armin. „Wolltest du dich nicht um eine Putzfrau kümmern?“

Der winkte ab. „Jetzt wird gefeiert und nicht dumm geschwätzt“.

Mit einem trockenen Plopp entwich der Korken aus der Flasche.

„Natürlich hast Du die Flasche geschüttelt“, bemerkte Alexander säuerlich, als der Champagner überlief.

„Sei an einem solchen Tag kein Miesepeter.“ Alfons schubste ihn in die Seite.

Die Gläser klirrten. „Auf das A-Trio!“ riefen alle drei.

„Und auf die Kohle“, fügte Armin hinzu. Die Männer grinsten einander an.

„Steht nicht schon in der Bibel geschrieben, seid fruchtbar und mehret euer Geld?“ meinte Alfons.

„... auf dass ihr steinreich werdet“, fügte Alexander an.

Alfons gab einen Laut der tiefen Zufriedenheit von sich. „Ein gutes, sauberes Geschäft. Wenn nur alles schon von Luxemburg nach Liechtenstein transferiert wäre.“

„Wir nehmen am besten wieder Werner als Boten. Der war bisher jedes Mal zuverlässig.“ Armin dachte wie immer pragmatisch.

Alfons nickte. „Du machst das schon. Hauptsache keine Scherereien.“

Alexander wirkte nicht ganz so zufrieden. „Für meinen Geschmack sind zu viele involviert. Was ist zum Beispiel mit dem Bauunternehmer?“

„Ach Alexander, kümmere du dich um deine Kunstsammlung, ich erledige dann schon das Alltagsgeschäft“, wies Armin ihn zurecht, „mit dem Bauunternehmer ist bereits alles geklärt.“

Alfons sah sich um. „Wie gut, dass ich den Raum abhörsicher gemacht habe. Wir müssen trotzdem vorsichtig sein, was wir sagen.“

„Mach dir um mich mal keine Sorgen“, dröhnte Armin, „wenn’s um Geld geht, ist bei mir alles immer wasserdicht.“

Alfons nickte bedächtig. „Ja, bis auf die zwei, dreimal, die du uns fast reingeritten hättest.“

„Ist doch alles jedes Mal gut gegangen, oder?“ Armin begann sichtlich, seine gute Laune zu verlieren.

„Ja, und Armin hat das auch immer prima hinbekommen“, rettete Alexander die Situation. „Ein Team wie das A-Trio gibt es eben nicht noch mal.“

Sie stießen erneut an, dabei blickte Alfons unauffällig auf die Uhr. „Ich kann nicht lange bleiben, wir haben heute noch die Unterzeichnung des neuen Kooperationsvertrages mit Luxemburg. Filmförderung“, sagte er in Alexanders Richtung, der interessiert den Kopf gehoben hatte.

„Ihr immer mit eurer Kultur“, bemerkte Armin gelangweilt. „Ich muss auch weg. Geschäfte, die Flocken bringen.“

Alexander und Alfons blitzten einander fast unmerklich an.

‚Sie denken immer, ich merke es nicht’, dachte Armin gereizt. Aber sie halten mich für den Depp, der nichts kann, außer den Schotter ranschaffen. Dabei wären sie ohne mich gar nichts.’

Die drei packten ihre Jagdsachen ein. Armin wusste, dass Alexander eigentlich nicht gern auf die Jagd ging. Ein Sensibelchen. Trotzdem war er Landesjägermeister geworden. Wohl, um seine unmännlichen, fast weibischen Hobbys, die Kunst und das Theater, zu übertünchen. Aber Alexander würde nie wirklich verstehen, was es bedeutete, ein Tier zu töten. Jedenfalls nicht so wie er. Diese Kraft die darin lag, ein Tier zu bezwingen–und wie lebendig man sich danach fühlte.

Im Hof trennten sie sich. Das Jägerheim stand auf einer Waldlichtung, umgeben von Tannen, nur ein schmaler Weg führte aus der Lichtung hinaus. Armin fuhr mit seinem Porsche Cayenne voran, musste aber schon bald stoppen. Was sollte diese Menschenmenge da? Dann sah er „Start und Ziel“ über der Straße hängen. Es war aber doch die einzige Straße, die sie nehmen konnten. Also bahnte er sich hupend den Weg durch die empörte Menge, gefolgt von Alfons und Armin in ihren Mercedes. Jetzt mussten sich im auch noch irgendwelche Ordner vor das Auto werfen. Wütend stieg er aus.

„Was soll das, wir müssen hier durch!“

„Ja sind sie denn blind“, schrie einer der Ordner. „Hier ist gesperrt. Sie können hier nicht durch!“

„Und ob wir das können!“ Armin wollte den Ordner beiseite schieben.

„Nein, hier am Ziel ist ein elektronischer Zähler für die Läufer, sie können hier eben nicht durchfahren!“ mischte sich ein weiterer ein.

„Ja, was sollen wir bitteschön tun, um nach Saarbrücken zu kommen?“

„Das hätten Sie sich früher überlegen sollen“, rief ein Zuschauer aufsässig.

Inzwischen standen Alfons und Armin neben ihm.

„Oh! Herr...“, hob einer der Ordner an.

Alfons hob beruhigend die Hand. „Ich schlage vor, sie räumen die Bude neben dem Zieleinlauf zur Seite, dann können wir drum herum fahren, ohne die Zählung durcheinander zu bringen.“ Die Ordner nickten.

„Selbstverständlich. Für Sie machen wir das gerne.“

*

Ruth starrte auf das leere Display. Nicht das kleinste Zeichen von Leben. Es mussten die Batterien sein. Natürlich hatte sie keine dabei. Konnte sie denn nicht einmal was richtig machen? Keine Pressekonferenz, bei der sie nicht irgendetwas vergaß. Meistens waren es Papier und Kugelschreiber. Dieses Mal eben die Batterien. Sie sah sich um. Natürlich war nicht ein Kollege da, den sie kannte. Eigentlich müssten doch auch Radio und Fernsehen aus dem Saarland da sein. Schließlich hatte doch ein Saarländer den Europäischen Kulturpreis gewonnen. Die hatten bestimmt Batterien dabei.

Dieser Dietrich Haustadt war sehr klug gewesen: Er hatte den „Europäischen KulturKreis“ geschaffen: ein Kunstwerk aus Steinen; eine Mischung aus keltischem Ringwall und Opferplatz. Bunt und vielfältig, durch die einfallende Licht- und Schattenwirkung aber gleichzeitig mystisch und geheimnisvoll. So hatte sie es bei der Vorstellung damals beschrieben. „Im Reich der Steine. Der europäische KulturKreis.“, hatte er es übertitelt. Die Jury kam überwiegend aus Ländern mit keltischer Vorgeschichte. Das Reich der Steine hatte sie überzeugt: „Die Umsetzung der keltischen Kulturwurzeln in die europäische Moderne“, hieß es in der Begründung für den 1. Preis. Und wenn Haustadt auch nicht reich wurde, so würde er heute mit diesem Preis doch 30.000 Euro aus Paris mit nach Hause nehmen können. Und sie hatte mal wieder ihre Batterien vergessen.

Ihr Blick fiel auf eine Frau, die sie offensichtlich und belustigt musterte. Ruth hob die Augenbrauen. Die Frau durchquerte den Raum. Boah, was für eine Klasse! Ein modernes Chanelkostüm in grün und beige, Schminke, Schmuck, Schuhe, alles passte zusammen. Dazu eine Aufsehen erregende Hochsteckfrisur. Genau so hatte sie sich immer eine typische Pariserin vorgestellt.

„Kann ich Ihnen helfen?“ fragte sie mit kaum hörbarem Akzent.

„Batterien vergessen“, sagte Ruth trocken.

„1,5 Volt?“ Ruth nickte. „Die kann ich ihnen geben. Wie viele brauchen sie?“

Dankbar strahlte Ruth sie an. „Vier.“

„Ich bin gleich wieder da“, nickte die Französin und verschwand durch die nächste Tür.

Was hieß noch mal „gleich“, wenn es Franzosen sagten? durchzuckte es Ruth. In der Regel konnte das doch seeeehr lange dauern, dieses „Gleich“. Länger als bis zum Beginn der Pressekonferenz, jedenfalls ihrer Erfahrung nach.

Sie hätte sich jedoch keine Sorgen machen müssen. Kaum fünf Minuten später stand sie wieder vor ihr, die Batterien in der Hand. Ruth atmete erleichtert aus.

„Das ist ja furchtbar nett. Wem verdanke ich denn diese überraschende Hilfe?“

„Suzanne Veauthier, ich arbeite hier im Europäischen Kulturzentrum.“

„Und Sie sprechen phantastisch deutsch!“

„Mein Mann ist Deutscher, er arbeitet bei der Botschaft. Und ich bin bei der Deutschen ComTron. Sie hat hier im Haus ihren französischen Sitz und hat die Ausrüstung für Preisverleihung und Pressekonferenz hier installiert.“

„Was für ein Glück für mich.“ Ruth leuchtete sie dankbar an, „darf ich Sie als Dankeschön gleich zum Mittagessen einladen?“

Suzanne überlegte einen Moment. „Gerne ein anderes Mal. Die ComTron-Mitarbeiter sind von den Organisatoren des Preises zum „Déjeuner“ eingeladen, und da muss ich dabei sein. Aber wissen Sie was? Ein paar Leute haben abgesagt, weil sie früher abreisen müssen, da werde ich einfach dafür sorgen, dass Sie zum Essen dazu kommen können.“

„Ja prima!“ Das würde Ruth die Gelegenheit zu jeder Menge interessanten Hintergrundgesprächen ermöglichen. „Meine Einladung steht dann für das nächste Mal, wenn ich wieder in Paris bin. Ich habe nämlich eine kleine Wohnung im fünfzehnten und bin öfters hier.“

Suzanne nickte. „Ich freu mich schon darauf.“

Kapitel 2

Bescherungen

Solveig kam als eine der letzten aus der Pressekonferenz. Sie hatte versucht, ein Interview zu ergattern und Glück gehabt. Nun war alles im Kasten, sie würde rechtzeitig zurück sein und konnte den Artikel und das Interview von zu Hause zur Redaktion mailen.

Beschwingt schlenderte sie die Avenue de la Liberté entlang. Sie befand sich mitten im Finanzzentrum von Luxemburg. Das war Peters Welt. Ganz in der Nähe lag sein Büro. Einkaufsstraßen und Touristenattraktionen waren fast um die Ecke erreichbar. Solveig kam am Hotel Golden Tulip vorbei. Hier hatte sie mit Peter einmal gemeinsam Mittag gegessen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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