Sternenleuchten - Uwe Vogelgesang - E-Book

Sternenleuchten E-Book

Uwe Vogelgesang

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Beschreibung

Dieses Buch will bezaubern. Die Geschichten in diesem Buch sind aus dem Leben für das Leben geschrieben. In ihnen spiegeln sich die vielfältigsten Probleme unserer Zeit. Das besondere an diesen Geschichten ist aber, dass sie auch einen Weg der Lösung zeigen, dass sie nicht beim Problem stehen bleiben. Dadurch kommt es in jeder einzelnen Geschichte zu einer Wandlung. Eine vormals düstere Stimmung löst sich, ein scheinbar Hilfloser findet die innere Stärke in sich und Unüberwindbares wird überwunden. "Die schönen Handlungen aber, die wir aus reiner Liebe für unseren Nächsten tun, ohne Berechnung und dem Hoffen auf eine Gegenleistung, hinterlassen schöne und harmonische Flächen auf dem Kristall unserer Seele." (Der wissende Händler)

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Seitenzahl: 171

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Über den Autor:

Uwe Vogelgesang wurde am 13. August 1977 in Dessau geboren. Dort wuchs er als mittleres von drei Geschwistern auf. Lesen war von Kindheit an eine Leidenschaft, welche die gesamte Familie zeitlebens geteilt hat. Nach dem Abitur in Bernburg an der Saale folgte ein Zivildienst in einem integrativen Kindergarten der Lebenshilfe und eine Ausbildung und Anstellung in der Camphill Schulgemeinschaft Föhrenbühl als Heilerziehungspfleger mit überwiegender Lehrtätigkeit. Dem schloss sich eine sechsjährige Auszeit in Österreich, in einer anthroposophischen Anlehreeinrichtung am Wörthersee an.

Vielseitig interessiert, absolvierte Herr Vogelgesang 2001 eine Ausbildung zum Lehrer für Tai Chi und Qigong im „Taichi Haus“ in Überlingen (Bodensee) und 2011 eine Ausbildung zum Lifecoach in der „Akademie des Wissens“ Sulzberg.

Innerhalb der Ausbildung schrieb Herr Vogelgesang im Ausbildungsfach „Metaphern schreiben“ seine erste Geschichte. Angeregt von dem positiven Feedback folgten weitere Geschichten und eine wachsende Leidenschaft für das Schreiben.

Sternenleuchten

Geschichten zum Nachdenken und Innehalten

Uwe Vogelgesang

Impressum

© 2021 Uwe Vogelgesang, 2. Auflage

Buchcover: Linda Bauer, Short Cuts GmbH Berlin

Korrektorat: Susanne Junge

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN:

978-3-347-45155-1 (Softcover)

ISBN:

978-3-347-45156-8 (Hardcover)

ISBN:

978-3-347-45157-5 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen National-bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dub.d-nb.de abrufbar.

Für das Licht in Dir

Inhalt

Vorwort

Der Riese vom Berg

Die vergessene Stadt

Die Eisspitzen

Die Hilfe eines Unbekannten

Die Hilfe eines Unbekannten II

Die Lichtwerkstatt

Das goldene Tor

Der wissende Händler

Ein kostbares Gut

Unter warmer Sonne

Der arme Reiche

Der lichte Helfer

Es ist Liebe

Und schon wieder Abschied nehmen

Nachwort

Vorwort

Sternenlicht. Ein Wort, mit dem jeder etwas anderes verbindet. Die meisten denken dabei vielleicht an eine sternenklare Nacht. Ein milder Wind säuselt durch die Bäume, und die Wärme des Sommers liegt auf der Haut. Hoch oben spannt der Nachthimmel sein Zelt auf, und unendlich viele Lichtpunkte schimmern in der Dunkelheit der Nacht … und leuchten.

Das Sternenlicht hat etwas ganz Einzigartiges an sich, denn es ist in der Lage zu verzaubern. Es kann uns Menschen in unseren tiefsten Tiefen berühren. Es kann uns zu unserer wahren Quelle führen und uns bewusst machen, wie klein und unbedeutend wir eigentlich sind, im Getriebe der Welt.

Wenn man manchmal durch die Straßen unserer Städte geht, dann kann man in den Augen einiger weniger Menschen ebenfalls einen Hauch von Sternenlicht schimmern sehen. Diese Menschen sind, so wie die Sterne am nächtlichen Himmel, in der Lage, uns zu berühren und zu bezaubern. Die Art, durch die sie das schaffen, kann dabei ganz vielfältig sein. Manche bezaubern durch ihre Musik, durch die Kunst oder durch die Art und Weise, wie sie mit ihren Mitmenschen umgehen. Die meisten bezaubern einfach durch die Art ihres Seins.

Dieses Buch will ebenfalls bezaubern. Doch vor dem Bezaubern kommt hier das Innehalten und Nachdenken. Die Geschichten in diesem Buch sind aus dem Leben und für das Leben geschrieben. In ihnen spiegeln sich die vielfältigsten Probleme unserer Zeit. Das Besondere an diesen Geschichten ist aber, dass sie auch einen Weg der Lösung zeigen, dass sie nicht beim Problem stehen bleiben. Dadurch kommt es in jeder einzelnen Geschichte zu einer Wandlung. Eine vormals düstere Stimmung löst sich, ein scheinbar Hilfloser findet die innere Stärke in sich, und Unüberwindbares wird überwunden.

Die Geschichten zeigen dabei jeweils Lösungsmöglichkeiten auf und können so helfen, den inneren Freiraum zu finden, die eigenen Probleme anzugehen und zu lösen. Sie sind somit eine Hilfe zur Selbsthilfe. Ob man die Geschichten dabei für sich selber liest oder anderen erzählt, ist letzten Endes egal. Wichtig ist, dass man sich Zeit nimmt. Denn nur wenn man sich Zeit nimmt, wenn man innerlich für eine kurze Zeit zur Ruhe kommt, können die Geschichten ihre größte Wirkung und ihren größten Zauber entfalten. Dann können sie den Leser und Zuhörer berühren.

Für mich als Autor ist das eines der größten Geschenke, wenn ich erleben kann, dass meine Geschichten berühren. Das sie denn innersten Kern, den Geist des Menschen, erreichen. In die Augen eines Menschen zu sehen, der von einer Geschichte wirklich berührt wurde, zu merken, wie sich die Stimmung eines Raumes verändert und wie für einen Augenblick so etwas wie Sprachlosigkeit in den Augen meines Gegenübers steht, macht dankbar.

In diesen Augenblicken wird mir bewusst, dass ich reich beschenkt bin. Und es ist mein innigster Wunsch, etwas von diesem Geschenk weiterzugeben. So wie die Sterne uns ihr Licht schenken, um uns zu bezaubern, so möchte ich Ihnen diese Geschichten schenken in der großen Hoffnung, Sie ebenfalls zu bezaubern.

Ihr Uwe Vogelgesang

Der Riese vom Berg

Es war einmal in einem Land weit, weit von dem unseren entfernt. Dort, in einer Ebene, die von den mächtigsten und größten Bergen des Landes umgeben war, stand zwischen Wiesen und Äckern eine einfache Hütte. Ganz aus Holz gebaut, trotzte sie seit Jahrhunderten den Gewalten von Hitze, Wind und Regen. Schon viele Familien lebten in diesem Haus. Kinder wurden geboren, spielten im Licht der Sonne auf der Terrasse oder suchten, sich am Ofen wärmend, Schutz vor Wind und Kälte. Und wie im Jahreskreislauf auf den Frühling der Sommer, auf den Sommer der Herbst und auf den Herbst der Winter folgte, so wurden aus den aufgeweckten Kindern liebende Eltern, aus den liebenden Eltern mitfühlende Lehrer und aus den mitfühlenden Lehrern weise Greise. Alle Bewohner des Hauses fügten sich in die Weisheit der Natur und in die Gesetze des Lebens. Jeder stand an seinem Platz und füllte diesen voller Hingabe, Achtung und Liebe aus. Bis, ja, bis zu jener Zeit, von der ich erzählen möchte.

Es begann an einem stürmischen Tag. Der Regen prasselte gegen das kleine Fenster der Hütte, und der Wind pfiff durch die Ritzen. Vier Kinder saßen, lauschend und mit pochendem Herzen, auf einem großen, abgenutzten Bett.

Voller Spannung und völlig regungslos schauten sie zur einzigen Tür im Raum. Da war es wieder, das Schreien, das sie in ihrem Innersten zusammenzucken ließ. Und wie schon einige Male zuvor, klammerten sie sich noch fester aneinander und lauschten auf das, was da kommen wollte. Als plötzlich – und ihre Augen wurden groß und weit, als sie es hörten – sich das nach Luft ringende Schreien eines kleinen, winzigen Wesens Raum suchte. Ein neuer Erdenbürger hatte die Welt betreten.

Auf einmal wurde die Tür voller Schwung aufgerissen. Als die vier ihren Vater erkannten, zog Erleichterung über ihre Gesichter, und noch etwas zaghaft, aber voller Freude, stürmten die drei Schwestern mit ihrem Bruder zu ihm. Lachend bremste er ihren Schwung, und mit zarten, langsamen Bewegungen zeigte er ihnen ihren neuen Bruder. „Seid vorsichtig“ sagt er, „Wilfried ist jetzt der Jüngste in unserem Haus. Wir müssen gut auf ihn aufpassen! Und jetzt Abmarsch ins Bett. Es ist spät, und wir müssen morgen wieder früh raus.“

Die vier Geschwister stiegen in ihr Bett und schliefen nach und nach ein. Nur Gabriel, das dritte Kind der Familie, lag noch lange wach. Er lauschte den Geräuschen im Nebenzimmer und freute sich mit der ganzen Kraft seines kleinen, kindlichen Herzens, dass er endlich, endlich einen Bruder hatte. Denn nun mal wirklich, ganz ehrlich, mit drei Schwestern ist das Leben nicht immer leicht. Mit dem Brabbeln und Glucksen des kleinen Wilfried fiel Gabriel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Wo aber, werdet ihr euch fraen, liegt nun eigentlich das Problem? Nun, ich werde es euch sagen. Zum ersten Mal, seitdem die kleine, einfache Hütte in dem Tal, umgeben von den mächtigsten Bergen des Landes, steht, vergaßen die Bewohner die Weisheit der Natur und ihre Gesetze. Mutter und Vater, welche von der Arbeit auf dem Acker, dem täglichen Kampf ums Überleben und den Nöten und Sorgen ihrer Kinder erschöpft waren, hatten keine Kraft mehr. Sie hatten keine Kraft mehr, sich dem Wirbelwind, als der sich der kleine Wilfried schon früh zeigte, entgegen zu stellen. So ließen sie ihm schon sehr früh seinen Willen und versäumten ihre Pflicht. Sie versäumten es, ihren Jüngsten zu formen und zu erziehen. Sie vergaßen, dass alles im Leben aus Nehmen und Geben besteht. Was aber noch schlimmer und trauriger war, sie vergaßen, ihrem Jüngsten Geschichten zu erzählen. Geschichten von Nächstenliebe, Respekt und Achtung. Geschichten von Wertschätzung und Menschlichkeit.

Und so wurde aus dem kleinen Wirbelwind ein Hitzkopf und Raufbold. Immer musste alles nach seinem Kopf gehen, ohne Rücksicht darauf, was das für die anderen bedeutete.

Und Gabriel? Das Leuchten seiner Augen war schon lange erloschen. Die Freude auf den Bruder war gewichen, und schon seit vielen Wochen und Monden fiel es ihm schwer und immer schwerer, sich mit seinem Bruder zusammen an einen Tisch zu setzen. Er wollte und konnte ihn nicht mehr sehen. Er konnte nicht begreifen, dass seine Eltern sich diese ganzen Frechheiten gefallen ließen. Dass sie nicht die innere Stärke aufbrachten, ihm Grenzen zu setzen.

Weitere Jahre zogen ins Land. Die Äcker wurden gepflügt, bestellt und abgeerntet. Gabriel wohnte schon seit längerer Zeit nicht mehr in der einfachen Hütte. Es hatte ihn fortgezogen in die Fremde. Auf einen einsamen Berg, nur schwer und mühevoll zu erreichen. Oft dachte er an sein Zuhause. An die Eltern, die nun ohne seine Hilfe die Äcker bewirtschaften mussten. Und wie meistens, wenn er an Zuhause dachte, endeten seine Gedanken bei Wilfried, der noch immer in dem Tal wohnte. Er hatte sich eine kleine Hütte neben der der Eltern gebaut. Und wie so häufig überkam ihn das Unverständnis und die Frage nach dem Grund. Was hinderte seine Eltern daran, Stellung zu beziehen? Was hinderte sie daran, Wilfried Grenzen aufzuzeigen? Schon so oft hatte er mit ihnen darüber gesprochen. Schon so oft hatte er versucht, sie wachzurütteln und an die Gesetzmäßigkeiten des Lebens zu mahnen. Doch umsonst. Sie wollten es einfach nicht hören.

Auch heute saß er wieder auf seinem Lieblingsplatz. Auf einem großen Stein, von der Sonne gewärmt. Sein Blick folgte der Bewegung des Berges. Er sah die steilen Hänge und tiefen Furchen. Er lauschte dem Singen des Windes und dem Zirpen der Grillen. Und ohne dass er es bemerkte, kam sein fragender Geist zur Ruhe. Er fand den einen Punkt ganz, ganz tief im Inneren, wo sie war: die Stille. Und noch während er ganz erstaunt war, die Stille gefunden zu haben, fing sein Herz an, schnell zu pochen. Denn auf einmal wusste er, dass er nicht allein war. Obwohl sein Kopf ihm sagte, dass es unmöglich war, wusste er, dass jemand direkt vor ihm stand. Und noch während er die Augen geschlossen hatte, hörte er eine Stimme. „Gabriel, auch wenn du die Augen geschlossen hältst, ich bin hier. Öffne deine Augen, damit wir uns unterhalten können!“

Was also blieb Gabriel anderes übrig, als der tiefen, seinen ganzen Körper durchdringenden Stimme zu gehorchen? Und so öffnete er zaghaft und mit pochendem Herzen seine Augen. Größer und immer größer wurden diese. Starr und sprachlos saß er auf dem warmen Stein und staunte. Staunte über das, was er sah.

Er hatte erwartet, einen Mann zu sehen. Vielleicht einen Reisenden, der sich verirrt hatte, oder einen der Hirten aus dem Nachbartal, die ihm ab und zu Brot und Käse brachten. Aber das? Unglaublich. Unmöglich. Und doch: Direkt vor seinen Augen sah er einen Kopf. Groß, riesen-, riesengroß. Die Augen strahlten in einer Tiefe, die alles zu durchdringen schien. Als sich der Kopf bewegte, dachte er erst, dieser würde schweben. Erst nach und nach bemerkte er den mehr als baumdicken Hals und die langen, mächtigen Arme. Und während sich der Riese bedächtig erhob, rieselten kleine Steine die tiefen Abhänge hinunter ins Tal, dort, wo die Hände des Riesen sich an den Berghängen abstützten.

„Ich bin der Hüter dieses Berges, den du dir zur Heimat erkoren. Schon lange, sehr, sehr lange wache ich über diesen Berg und seine Bewohner. Und so weiß ich auch von deinem Kummer und deinen Sorgen.“ „Meinen Sorgen?“, fragte Gabriel. „Wir haben uns doch noch nie getroffen und nie, nie habe ich dir von mir erzählt.“ Der Riese schmunzelte. „Und doch kann ich dich hören. Denn wisse, dass alles, auch deine Gedanken, Energie ist. Und diese sind es, die ich wahrnehmen kann. So weiß ich von deinem Bruder Wilfried und davon, dass du ihn nicht mehr sehen möchtest.“

Gabriel schaute in die Augen des Riesen und hatte den Eindruck, dass diese tief in seine Seele blickten. „Heute darf ich dir einen Rat geben, denn auch du bist ein Diener des EINEN. Deine Augen sind klar und rein und dein Herz voller kindlichem Vertrauen auf die Hilfe aus dem Licht. Und deshalb, und nur deshalb, darf ich dir helfen! Also lausche und höre eines der größten Geheimnisse der Welt: Der Mensch ist ein Geistkeim auf dem Weg seiner Entwicklung. Doch diesen Weg muss er alleine und selbstständig gehen. Und aus diesem Grund hat er ein Geschenk erhalten, was ihn über alle Kreaturen dieser Erdenwelt erhebt: den freien Willen. Der Mensch ist frei. Er ist frei zu tun und zu lassen, was er will. Doch wenn er diese Freiheit nicht recht verwendet, wenn er dabei die Gesetze des Lebens vergisst, wird sein Weg abwärts führen, auch wenn er vermeint, aufwärts zu gehen! Verstehst du, was ich dir damit sagen will?“

Sinnend schauten Gabriels Augen in die Ferne. Lange bewegte er die Worte des Riesen in seinem Herzen. Stille legte sich über den Berg, während langsam die Sonne unterging. Und dann, gerade als das letzte Abendrot hinter den Bergen verschwand und der Riese schon lange verschwunden war, begriff er. Und mit dem Begreifen spürte er eine starke, wärmende Kraft, die seinen Rücken hinunterlief. Vom Boden aufspringend, den tiefen Abgrund völlig vergessend, rief er mit lauter und klarer Stimme: „Ich weiß es!“. Während ein Lächeln sich auf sein Gesicht zauberte, spürte er, dass seit langem zum ersten Mal wieder seine Augen leuchteten. „Ich weiß es!“, wiederholte Gabriel noch einmal mit leiser, fast andächtiger Stimme.

Während er dem Weg zur Hütte folgte, dachte er an das, was ihm wie Schuppen von den Augen gefallen war. „Ich kann sie nicht ändern. Wilfried und auch meine Eltern, müssen ihren Weg alleine gehen, denn das liegt durch das Geschenk des Schöpfers allein in ihrer Hand.“ Als er zur Hütte kam, freute er sich. Er freute sich, denn er wusste, er würde warten. Irgendwann, vielleicht morgen, vielleicht auch erst in einem Jahr oder in zehn Jahren würden seine Eltern und auch Wilfried erkennen. Und dann würden sie sich in die Arme fallen und er würde endlich das bekommen, was er sich schon so lange wünschte: einen Bruder und eine richtige Familie!

Die vergessene Stadt

Man sagt, das Weltall sei unendlich. Unzählige Sonnen und Sterne kreisen dort in ihrer Bahn. Kein menschliches Auge hat je das Ende gesehen und könnte sagen, wo es anfängt und wo es aufhört. Alles bewegt sich und ist im ständigen Fließen begriffen. In diesen, für uns Menschen so unbegreiflichen Weiten gibt es einen fast unscheinbaren Planeten. Aus den Weiten des Alls betrachtet, würde er nur wenigen auffallen. Doch wenn wir ihn betreten könnten, wir wären entzückt. Auf diesem Planeten herrschen eine Farbenfreude und Vielfalt, dass sich unser menschliches Auge nicht satt sehen könnte. Unsere Dichter würden ganze Gedichtbände darüber schreiben, und unsere Maler würden voller Hingabe versuchen, diese Lebendigkeit der Farben einzufangen und auf Papier zu bringen. Doch wir wollen nicht darüber reden, wie es für uns wäre, wenn wir jetzt auf diesem Planeten verweilen dürften, nein, heute soll es um die Bewohner dieses farbenfrohen Planeten gehen.

Die Bewohner dieses Planeten waren allesamt glücklich und zufrieden. Sie gingen ihrer Arbeit nach, erzogen ihre Kinder im Kreis ihrer Familien und lebten ein ausgefülltes und zufriedenes Leben. In einer dieser Familien wuchs der kleine Jonas heran. Er hatte noch zwei Brüder und war ein richtig fröhliches Kind. Oft machte er Ausflüge in die Umgebung seines Dorfes und vergaß dabei auch gerne mal die Warnungen der Alten. Es interessierte ihn nicht, dass er eigentlich nicht in die Wälder durfte. Sein kindlicher Geist war voller Neugier, und immer wieder zog es ihn hinaus in die verbotenen Wälder. Er suchte, auch wenn er nicht sagen konnte, nach was. Ein inneres Drängen trieb ihn immer wieder voran.

Auch heute streifte er wieder durch die bunten Wälder, deren Schönheit er in sich aufnahm. Er lauschte dem Gesang der Vögel und dem Brüllen weit entfernter Wildtiere. Er hatte keine Angst, er war aber auch nicht leichtsinnig. Er war schon früh aufgebrochen, denn heute wollte er weiter gehen als jemals zuvor. Und als die Sonne den Höhepunkt ihrer Bahn erreicht hatte, kam er an dem Wasserfall an, welchen er schon so oft besucht hatte. Doch weiter als bis hier war er noch nie gegangen. Heute wollte er sehen, was dahinter lag. Er wollte wissen, wo der Fluss hinfloss, und wollte schauen, welche Wunder es an seinen Ufern zu finden gab. Deshalb hatte er seinen Eltern erzählt, er würde bei seinem besten Freund übernachten. Das schlechte Gewissen nagte an ihm, seitdem er das elterliche Haus verlassen hatte. Er wusste, dass Lügen verboten war und dass jemand, der sich auf diesen Pfad begab, sehr leicht die Richtung verlieren konnte. Er kannte einige Burschen, die sich so sehr in ihren Lügen verstrickt hatten, dass ihre Eltern nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollten. Er hörte ihre mahnenden Stimmen, die immer wieder bedauerten, dass sie gelogen hatten, und die ihn flehentlich baten, sich niemals auf diesen Weg zu begeben. „Denn weißt du, Jonas, wenn man einmal lügt, dann fällt die zweite Lüge schon viel leichter. Und bei der dritten wird die Stimme deines Gewissens leiser, und bei der fünften kannst du diese Stimme nicht mehr hören. Dann hast du den inneren Kompass verloren, den Kompass, der dein wichtigstes Werkzeug im Leben ist. Der Kompass, der dir hilft zu unterscheiden, was Recht und Unrecht ist!“ Ja, Jonas´ Gewissen pochte, und ganz fest nahm er sich vor, niemals den falschen Weg zu beschreiten, den Weg der ihn forttrieb von seinen Eltern. Dass er den ersten Schritt auf diesem Weg bereits gemacht hatte, bemerkte er nicht. Zu stark war die Vorfreude auf das unbekannte Neue.

Nach einer kurzen Rast, bei der er sich gestärkt hatte, macht sich Jonas auf den Weg. Drei Tage lang streifte er durch die Wälder. Er folgte dem Fluss und sah Blumen, die noch nie ein Bewohner dieses Planeten zuvor gesehen hatten.

Er beobachtete Tiere, die voller Zutrauen zu ihm kamen, denn noch nie hatten diese die unliebsame Begegnung mit einem der Bewohner dieses Planeten gemacht. Er schlief in den Wipfeln der Bäume und bestaunte die Anzahl der Sterne. Er stand an steilen Felsenklippen und hörte den brausenden, tobenden Wassermassen zu, wie diese ins tiefe Tal stürzten.

Es war am Ende des dritten Tages, als er auf die Ruinen traf. Sein Herz machte einen großen Hüpfer, als er die vom Grünzeug überwucherten Mauern sah. Er konnte im fahlen Licht der Sonne, welche langsam hinter den Baumkronen verschwand, alte Wege ausmachen, die schon seit Jahrhunderten keines Menschen Fuß mehr betreten hatten. Er sah vom Wind und Wetter gezeichnete Mauerreste. Er konnte spüren, wie die Steine unter der Feuchtigkeit und Hitze des feuchten Klimas zerfielen.

Mit dem letzten Licht der Sonne kam er auf einen großen Platz. Nur noch unscharf konnte er einzelne Figuren erkennen. Deshalb beschloss er, hier zu übernachten. So errichtete Jonas also das Lager zur Nacht. Doch neben den schemenhaften Figuren und mit dem Rauschen des Windes, der durch die Mauerreste strich, konnte Jonas lange nicht einschlafen. Sein Schlaf war dann auch sehr unruhig, und mehrmals in der Nacht wachte er auf. Einige Male musste er überlegen, wo er sich befand und dass er allein war. Denn im Dämmerzustand des Halbschlafes war es ihm, als ob er Stimmen hören würde. Stimmen, von denen er wusste, dass sie nicht existierten. Oder sollte er sagen, nicht mehr? Ihr könnt euch also vorstellen, dass Jonas sehr froh war, als am nächsten Morgen endlich die Sonne aufging. Er machte sich kurz frisch und stärkte sich an den leckeren Beeren, die er gestern unterwegs gesammelt hatte. Danach machte er sich auf den Weg. Er wollte unbedingt mehr über diesen Ort