Sternentänzer, Band 11 - Silbersterns Geheimnis - Lisa Capelli - E-Book

Sternentänzer, Band 11 - Silbersterns Geheimnis E-Book

Lisa Capelli

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Beschreibung

Sternentänzers Sohn Silberstern wird eingeritten - und Caro hofft, nun endlich zu erfahren, ob der stolze Hengst dieselben magischen Fähigkeiten hat wie sein Vater. Doch bei den ersten Vollmondritten passiert nichts. Caro ist sich nicht sicher, wie sie das deuten soll. Hat Silberstern nun eine geheimnisvolle Gabe oder nicht? Eine spannende Suche nach dem Geheimnis von Sternentänzers Sohn beginnt …

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In der Buchreihe „Sternentänzer“ sind bisher erschienen:

Band 1:   Das Rätsel um den weißen Hengst,

Band 2:   Das geheimnisvolle Mädchen

Band 3:   Weißer Hengst in Gefahr

Band 4:   Caro unter Verdacht

Band 5:   Rettung für Lindenhain

Band 6:   Bedrohung für den weißen Hengst

Band 7:   Letzter Auftritt des weißen Hengstes?

Band 8:   Der unheimliche Pferdehof

Band 9:   Zeit der Entscheidung

Band 10: Hoffen und Bangen in Lilienthal

Band 11: Silbersterns Geheimnis

Band 12: Abschied mit Folgen

Band 13: Caro und das Mädchen im Moor

Band 14: Ponys in Not

Band 15: Eine rätselhafte Vision

Band 16: Das Geheimnis der Schlossruine

Band 17: Caro und die weiße Stute

Band 18: Die Botschaft des weißen Hengstes

Band 19: Achterbahn der Gefühle

Band 20: Die geheimnisvollen Briefe

Band 21: Eine unglaubliche Entdeckung

Band 22: Ein verhängnisvolles Erbe

Band 23: Geister aus der Vergangenheit

Band 24: Die Magie des weißen Hengstes

Band 25: Voller Einsatz für Lina

Band 26: Verwirrung des Herzens

Band 27: Caro und das Geheimnis der alten Frau

Band 28: Aufregung um Stute Aziza

Band 29: Eine Reise voller Überraschungen

Band 30: Caro und der rätselhafte Dieb

Band 31: Der Eisprinz und die große Liebe

Band 32: Ein unglaublicher Verdacht

Band 33: Die verschwundenen Ponys

Band 34: Caro gibt nicht auf

Band 35: Gefährliche Zeiten auf Lindenhain

Band 36: Feuerprobe für die Liebe

Band 37: Wo ist Sternentänzer?

Sternentänzer

Silbersterns Geheimnis

Lisa Capelli

Band 11

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sternentänzer, Band 11 – Silbersterns Geheimnis2. aktualisierte Auflage © 2009 by Panini Verlags GmbH,Rotebühlstraße 87, 70178 StuttgartAlle Rechte vorbehalten

Chefredaktion: Claudia WeberRedaktion: Sonja WittlingerLektorat: Helga KronthalerUmschlag: tab indivisuell, StuttgartFotos: © Juniors Bildarchiv; mauritius imagesSatz: Vanessa Buffy, MannheimISBN: 978-3-8332-1466-0eISBN: 978-3-8332-3092-9

www.panini.de

Silbersterns Geheimnis

In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche ein und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.

Gewitterwolken über Lindenhain

Es war früher Nachmittag. Doch plötzlich wurde es auf Lindenhain so düster, als wäre es schon weit nach Mitternacht. Innerhalb von wenigen Minuten waren dunkle, fast schwarze Wolken am Himmel über dem Reiterhof aufgezogen und die ersten dicken Tropfen auf die Erde geklatscht. Windböen peitschten über die Weide und ließen die kräftigen Äste der hohen Linden auf dem Hügel tanzen. In der Ferne war leises Donnergrollen zu hören. Die Stimmung hatte etwas Bedrohliches. Dann prasselten mit einem Mal Hagelkörner, groß wie Tischtennisbälle, herab und trommelten geräuschvoll auf das Dach der Reithalle und des Stalls. In Sekundenschnelle überzog eine Hageldecke den ganzen Hof.

Carolin Baumgarten, genannt Caro, saß im Gemeinschaftsraum und blickte aus dem Fenster. „Puh! Nur gut, dass wir die Pferde rechtzeitig in den Stall gebracht haben“, ächzte sie und rubbelte mit den Händen durch ihre kurzen, dunklen, feuchten Haare.

„War ganz schön knapp“, bestätigte Jan. „Cinderellas Hinterteil hat schon ein paar Tropfen abbekommen. Willst du auch ’ne heiße Schoko?“ Jan war seit einiger Zeit Hilfskraft auf Lindenhain und kümmerte sich gemeinsam mit Nick um alle anfallenden Arbeiten.

„Au ja“, antwortete Carolin und knetete ihre Hände. „Kann ich brauchen. Ich bin total durchgefroren. Silberstern und Sternentänzer wären am liebsten draußen geblieben, die wollten überhaupt nicht in den Stall.“

„Dafür waren die anderen Gäule ziemlich durch den Wind“, sagte Jan.

„Boah!“ Nick stürmte in den Raum und schüttelte sich wie ein Hund. „So ein Mistwetter!“ Er blickte sich um. „Sagt mal, hat einer von euch Herrn Maier gesehen?“ Herr Maier war der Hofhund und hatte schon jede Menge Hundejahre auf dem Buckel. Wie viele wusste keiner so genau.

Jan nickte. „Ich hab den betagten Herrn in seine Hütte verfrachtet.“

„Gut“, lobte Nick. „Nicht dass er noch von einem Hagelkorn getroffen wird.“

Carolin konnte den Blick nicht mehr von dem Naturschauspiel vor dem Fenster lassen. Inzwischen fielen dicke Regentropfen aus den Wolken – so, als hätte jemand im Himmel eine Schleuse geöffnet. „Wahnsinn, was da draußen abgeht!“, staunte sie. Ein greller Blitz zuckte über den Himmel. „Sieht total irre aus!“

„So ein gewaltiges Gewitter hab ich schon lange nicht mehr erlebt“, stimmte Jan kopfschüttelnd zu. „Der Donner knallt so laut, dass du dir die Ohren zuhalten musst.“

„Ausgerechnet heute“, seufzte Carolin enttäuscht.

„Warum das denn, wolltest du ausgerechnet heute zum Sonnenbaden?“, zog Jan sie auf. „Oder hattest du eine Poolparty geplant?“

„Nee.“ Carolin nagte an ihrer Unterlippe. „Silberstern wird doch momentan eingeritten. Wir wollten heute wieder mit ihm arbeiten und ihm das erste Mal einen Sattel auflegen. Ich hab mich so darauf gefreut. Aber bei dem Gewitter können wir das echt vergessen.“

Nick klopfte ihr auf die Schulter. „Ach komm, Caro! Was soll’s? Du wartest jetzt schon so lange, da kommt’s auf den einen Tag auch nicht drauf an. Verschieben wir’s halt auf morgen.“

„Eben“, stimmte Jan zu und stellte ihr eine Tasse heißen Kakao vor die Nase. „Was macht das schon für einen Unterschied, ob so ein Gaul heute oder morgen eingeritten wird?“

Carolin pustete in den Kakao. „Ich fühl mich wie ein Marathonläufer kurz vor dem Ziel. Langsam geht mir die Puste aus.“

„Und außerdem“, Jan sah sie an, „so spannend ist das dann auch wieder nicht, oder? Sattel rauf und los.“

„Von wegen Sattel rauf und los!“ Nick zog eine Grimasse. „Da spricht ein Blinder über Farben.“

„Hä?“, machte Jan verdutzt.

„Mach du erst mal eine Ausbildung als Bereiter wie ich, dann reden wir weiter“, erklärte Nick und verdrehte die Augen.

„Außerdem ist Silberstern kein normales Pferd“, murmelte Carolin in ihre Tasse.

„Ich weiß ja, dass er das Fohlen von deinem heiß geliebten Sternentänzer ist“, gab Jan zurück und grinste.

Aber nicht nur das, fügte Carolin in Gedanken hinzu und wechselte einen raschen Blick mit Nick. Der zuckte nur mit den Schultern. Carolin schaute wieder nach draußen. Ohrenbetäubender Donner zerriss die Stille. „Tagelang war bestes Wetter. Jeden Tag Sonnenschein“, sagte sie. Es scheint fast so, als ob jemand verhindern will, dass wir Silberstern weiter einreiten und an den Sattel gewöhnen, schoss es ihr für eine Sekunde durch den Kopf. Doch dann wischte sie den Gedanken gleich wieder weg. Blödsinn, Caro!

Nick blickte besorgt in den tiefschwarzen Himmel. „Das wird immer schlimmer statt besser. Diese Hagelkörner vorhin waren dick wie Hühnereier. Hoffentlich hauen die uns nicht den ganzen Laden hier kaputt.“

Jan trank einen Schluck Kakao. „Ich seh schwarz für den hinteren Stallbereich, Nick. Der ist auch schon ohne Hagellöcher renovierungsbedürftig.“

Ein greller Blitz durchzuckte erneut den Himmel. Kurz darauf war ein krachendes Geräusch zu hören.

Carolin zuckte zusammen. „Was war das?“

Nick riss das Fenster auf. „So ein Mist! Die Reithalle hat was abbekommen“, schrie er.

Jan schoss hoch. „Verdammt!“ Er wollte zur Tür laufen, doch Nick hielt ihn am Arm zurück. „Warte. Das ist viel zu gefährlich.“

Als das Gewitter endlich weiterzog und der Regen langsam aufhörte, liefen Nick und Jan nach draußen. Carolin hinterher. Die Luft war herrlich klar. Durch den Regen hatten sich große Pfützen auf dem Hof gebildet. Carolin atmete tief durch, nahm Anlauf und hüpfte mit voller Wucht in eine Pfütze. Klatsch! Das Wasser spritzte bis zu ihren Ohren, sie quiekte vor Vergnügen. „Jippieeehh!“ Pfützenhüpfen war eindeutig das Beste am Regen. Klatsch!

Ein dunkelblauer Wagen kam auf den Hof gerollt und Ferdi stieg aus. Er lehnte sich an die Autotür und beobachtete sie mit einem amüsierten Lächeln. „Carolin Baumgarten, manchmal könnte man meinen, du wärst vier und nicht vierzehn!“

Carolin winkte ihm zu und hüpfte fröhlich in die nächste Pfütze. Klatsch! Das Wasser spritzte bis zu ihrem Gesicht. Glucksend wischte sie es mit ihrem Jackenärmel weg.

Ferdi zog seine Sporttasche mit den Eishockeysachen aus dem Auto. „Aber das ist mit ein Grund, warum ich dich so lieb habe“, sagte er dabei.

Carolin hüpfte zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Und ich dich.“

Ferdi schlug die Autotür zu. „Kommst du mit rein?“ Er guckte nach oben zum Himmel, wo erneut dicke, dunkle Wolken aufzogen. „Ich glaub, es geht gleich wieder los.“

Carolin schüttelte den Kopf. „Ich muss erst mal zu Sternentänzer. Vielleicht hat er sich ja erschreckt“, erklärte sie. Doch im gleichen Moment wusste sie, dass sich Sternentänzer ganz sicher nicht erschreckt hatte.

Sternentänzer war ihr Pferd. Ihr über alles geliebter, wunderschöner, mondheller Araberhengst. Er war in einer stürmischen Gewitternacht auf die Welt gekommen. Und wie sollte jemanden, der selbst in einer stürmischen Nacht geboren wurde, wildes Wetter erschrecken? Genau wie Silberstern, dachte Carolin. Auch Sternentänzers Sohn war in einer Nacht zur Welt gekommen, in der ein Sturm die Bäume bog und gellende Blitze über den Himmel zuckten. Klar, dass auch für den prächtigen schwarzen Junghengst ein Gewitter keine Bedrohung darstellte.

Ferdi schulterte seine Sporttasche. „Also dann, bis später, Carolinchen“, sagte er und stiefelte in Richtung Gästehaus davon.

Carolin blickte ihm lange nach. Ferdinand Reifenbach. Wasserblaue Augen, kurze blonde Haare und freches Lausbubengrinsen. Ihr Freund. Eigentlich stammte Ferdi aus Berlin, doch ihr zuliebe war er nach Lindenhain gezogen und wohnte jetzt im Ferienhaus. Sie und Ferdi waren nun schon seit etlichen Monaten zusammen und jeder Augenblick mit ihm war schön.

Auch eine erste Krise hatten sie gemeinsam gemeistert. Ferdi hatte sich beklagt, dass Carolin zu wenig Zeit für ihn hatte. Er war schrecklich drauf gewesen und hatte nur noch herumgemeckert. Ihr vorgehalten, dass alles andere wichtiger sei als er. Dass sie lieber mit Sternentänzer und sogar mit Lina, ihrer besten Freundin, die Zeit verbringe als mit ihm. Als dann auch noch Linas Onkel Rocco in Lilienthal eine Zirkusshow aufzog und Carolin darin auf Sternentänzer eine Voltigiernummer vorführte, war es zum großen Streit gekommen. Ferdi war so stinksauer gewesen, dass er nicht einmal zur Premiere erschienen war. Um ihre Liebe zu retten, hatten sie schließlich einen Kompromiss vereinbart: Carolin hörte beim Zirkus auf und teilte sich nun mit Jan Sternentänzers Pflege. So blieb ihr mehr Zeit für Ferdi. Und Ferdi, der ein begeisterter Eishockeyspieler war, stieg richtig beim EC Grünstadt ein. So war er mit Training und Spielen beschäftigt, wenn Carolin sich bei den Pferden aufhielt. Jeder hatte sein Hobby.

Jetzt war alles wieder gut. Zum Glück! Carolin hüpfte noch mit Anlauf in die nächste Pfütze, bevor sie in den Stall lief. Sie öffnete die Tür zu Sternentänzers Box und schlüpfte hinein. Der Araberhengst blickte ihr mit seinen großen, dunklen Kohleaugen entgegen. Carolin strich sanft über seinen Kopf. Auf einmal hörte sie ein gleichmäßiges Plätschern. Es kam vom hinteren Stallende. Carolin ging dem Geräusch nach. Oje! Die Hagelkörner hatten ein kleines Loch in die Decke geschlagen, durch das es nun hereinregnete. Das darunterliegende Stroh war schon völlig durchnässt. Carolin holte rasch einen Eimer aus der Sattelkammer und platzierte ihn auf dem Stallboden unter der tropfenden Stelle. Dann stiefelte sie zu Silbersterns Box. Der pechschwarze Junghengst schnaubte zufrieden.

„Na du!“ Carolin drückte ihm ein Küsschen auf seine seidig weichen Nüstern. „Dir macht so ein Gewitter nichts aus. Im Gegenteil, oder?“ Kaum hatte sie ausgesprochen, ertönte wieder ein gewaltiger Donner. Es krachte so laut, als hätte ein Flugzeug hundert Meter über dem Hof die Schallmauer durchbrochen. Carolin zuckte zusammen, ihr Herz klopfte. Silberstern dagegen schnaubte wieder nur zufrieden und legte seinen Kopf auf Carolins Schulter – es sah fast so aus, als wolle er sie beruhigen. Als das Donnergrollen langsam verhallte und im Stall nur noch das gleichmäßige Plätschern des Regenwassers in den Eimer zu hören war, atmete Carolin tief durch. Sie legte ihren Kopf an Silbersterns Hals und strich zärtlich über seine Stirn. Carolin blieb noch eine ganze Weile bei ihren Pferden. Als sie den Stall schließlich verließ, schüttete es draußen wieder in Strömen. Sie zog ihre Jacke über den Kopf und spurtete zum Ferienhaus.

Ferdi wartete auf Carolin im Gemeinschaftsraum. Vor ihm auf dem Tisch lagen zwei Kartons mit Spielen. „Thorben und Lina kommen auch gleich, Thorbens Vater bringt sie mit dem Auto raus“, rief er Carolin entgegen. „Ich dachte mir, das wäre doch das ideale Wetter für einen lustigen Spielenachmittag.“

Als Carolin an Ferdi vorbeiging, strubbelte sie durch seine Haare. „Super Idee.“ Spiele gehörten zwar nicht zu ihrer ganz großen Leidenschaft, aber sie freute sich darauf, den Nachmittag mit ihren Freunden verbringen zu können.

Ferdi zog zwei Cola-Dosen aus seiner Tasche. Eine schob er über den Tisch zu Carolin, die sich ihm gegenüber hingesetzt hatte. „Durst?“

Carolin zwinkerte ihm zu. „Danke, du denkst echt an alles.“

„Stimmt.“ Ferdi grinste, kramte erneut in seiner Tasche und zog einen Föhn heraus. „Hier, deine Haare sind ja klatschnass.“

„Boah!“ Carolin blickte ganz erstaunt auf den Föhn. Sie lehnte sich zurück und betrachtete ihren Freund kopfschüttelnd. „Du bist ja echt eine Nummer, Ferdinand Reifenbach.“

„Ach was!“ Ferdi winkte ab. „Halb so originell. Den hab ich immer in meiner Sporttasche. Wegen des Duschens nach dem Training.“

„Trotzdem.“ Carolin beugte sich zu Ferdi über den Tisch, zog ihn an sich und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Du bist zum Verlieben.“

„Du aber auch“, gab er zurück.

Da ging die Tür auf und Lina und Thorben kamen Hand in Hand herein. Lina Schniggenfittich, Carolins beste Freundin, war mit Thorben Sander, dem Sohn des Tierarztes von Lilienthal, zusammen.

„So ein Mistwetter!“, schimpfte Thorben.

„In Dr. Sanders Auto war es wie in einem U-Boot“, kicherte Lina. „Überall nur noch Wasser.“

„Cool, dass er euch bei dem Wetter überhaupt hergebracht hat“, bemerkte Ferdi.

„Halb so wild.“ Thorben hängte seine und Linas Jacke über den Stuhl. „Er musste sowieso wegen eines Notfalls los.“

„Sind ein paar Fische ertrunken?“, witzelte Ferdi.

„Nee, ein Meerschweinchen.“

Ferdi prustete los. „Und ich dachte immer, Meer-Schweinchen können schwimmen.“

„Ferdi!“ Lina funkelte ihn an. „Das ist gar nicht witzig.“

In diesem Moment stürmten Nick und Jan mit düsteren Gesichtern in den Raum.

„Na, so schlechte Laune wegen des bisschen Regens?“, feixte Ferdi.

Nick schüttelte den Kopf. „Die Reithalle hat’s erwischt. Ein Teil des Daches ist im hinteren Bereich ziemlich beschädigt.“

„Oh nein!“, rief Carolin.

Ferdi zuckte die Schultern. „Muss man eben wieder reparieren.“

Carolins Blick wanderte zum Fenster. Es regnete ohne Unterlass. Die Pfützen auf dem Hof waren inzwischen schon kleine Seen geworden. „Dann können wir ja morgen wieder nicht mit Silberstern arbeiten!“, seufzte sie betrübt. „Wie soll das mit dem Einreiten denn jetzt gehen, wenn die Reithalle kaputt ist?!“

„Blöd!“ Lina sah die Freundin an. Sie wusste genau, wie ungeduldig Carolin darauf wartete, endlich auf Silberstern reiten zu können.

„Dann wird das Einreiten eben verschoben!“ Ferdi klopfte energisch mit der flachen Hand auf die Spieleschachteln. „Also Leute, worauf habt ihr Lust? Trivial Pursuit? Oder Mensch-ärgere-dich-nicht?“

„Mensch-ärgere-dich-nicht, ich nehm Rot.“ Lina griff nach der Schachtel. „Autsch!“, rief sie dann und fasste sich an ihren rechten Arm.

Carolin sah die Freundin besorgt an. „Tut er dir immer noch weh?“

Lina nickte. „Vor allem bei komischem Wetter spür ich ein Ziehen von oben bis unten. Oder wenn ich eine schnelle Bewegung mache, so wie jetzt.“ Sie winkte ab. „Aber halb so schlimm. Immerhin kann ich ihn wieder vollständig bewegen.“ Sie seufzte. „Und dafür bin ich echt dankbar.“

Lina war im Zirkus ihres Onkels auf ein Hochseil geklettert und heruntergestürzt. Dabei hatte sie sich den rechten Arm so schwer verletzt, dass sie große Angst hatte, sie würde ihn nie wieder bewegen können. Sie hatte lange Zeit im Krankenhaus verbringen müssen. Aber das war vorbei. Ebenso wie ihre Zirkuskarriere. Onkel Roccos Show fand nun ohne die beiden Freundinnen statt.

Carolin nickte. „Zum Glück ist alles gut ausgegangen.“

„Ich nehm Blau“, entschied Thorben und suchte sich aus der Schachtel die blauen Männchen zusammen.

„Welche Farbe nimmst du, Caro?“, fragte Ferdi.

Carolin zuckte die Schulter. „Mir egal. Ich nehm, was übrig bleibt.“ Nachdenklich blickte sie wieder aus dem Fenster. Ohne Unterlass klatschten dicke Tropfen in die Pfützen. Es schien, als würde es nie wieder aufhören zu regnen. Carolins Gedanken schweiften zu ihren Pferden. Sternentänzer war nicht nur ein außergewöhnlich schönes Pferd, er hatte auch eine besondere Gabe. Er konnte in die Zukunft blicken. Seit jener stürmischen Nacht, in der Sternentänzers Sohn zur Welt gekommen war, stellte sich Carolin nun die Frage, ob Silberstern diese magische Gabe geerbt hatte. Ob Silberstern wie Sternentänzer in die Zukunft blicken konnte oder nicht. Doch um dies herausfinden zu können, musste sie mit Silberstern in einer Vollmondnacht ausreiten. Aber um mit ihm ausreiten zu können, musste der junge Hengst zunächst eingeritten werden. Carolin seufzte. Wann werde ich endlich eine Antwort auf meine Frage bekommen?

Nick und Nina und rote Flecken

Als Carolin am nächsten Morgen die Augen aufschlug, blinzelte sie geradewegs in einen Sonnenstrahl. Sie sprang ans Fenster und zog rasch die Jalousie nach oben. Der Himmel war so blitzblau, als hätte es niemals ein Unwetter gegeben. Nur die Pfützen erinnerten noch an den heftigen Regen. Carolin eilte ins Bad, kippte sich prustend eine Hand voll Wasser ins Gesicht und fuhr mit der Bürste durch ihre kurzen rotbraunen Haare.

Dann fiel ihr Blick auf die Kremedose, die am Waschbeckenrand stand. „Du kannst nicht immer rumlaufen wie ein Wildfang“, hatte sich ihre Mutter beschwert und ihr die Kreme vor ein paar Tagen besorgt. „Wenigstens ein Minimum an Pflege sollte schon sein. Sonst bekommst du am Ende noch Hornhaut im Gesicht“, hatte sie drohend hinzugefügt. Ines Baumgarten hätte ihre Tochter lieber im rosa Röckchen in der Ballettschule gesehen als auf dem Reiterhof. Sie hatte zu Pferden eine ähnliche Beziehung wie zu den Bäumen im Vorgarten, nämlich so gut wie keine.

Na gut, Ines, damit du Ruhe gibst!, dachte Carolin und griff nach der neuen Kreme. Sie schraubte den Deckel der Dose ab, verschmierte eine Hand voll Kreme in ihrem Gesicht und flitzte hinunter in die Küche.

„Guten Morgen, Caro“, rief ihre Mutter ihr entgegen.

„Morgen, Mam.“ Carolin setzte sich an den Tisch und goss Milch in ihre Müslischale. „Was machst du denn da?“

Ihre Mutter stand in der Ecke und kämpfte mit ihrem neuen Kaffeevollautomaten. „Ich könnte ...“, schimpfte sie und schlug mit der flachen Hand auf den Deckel.

„Was hast du denn vor?“, fragte Carolin trocken. „Willst du den Automaten töten?“

„Dauernd blinkt hier was anderes. Filter wechseln, Bohnen nachfüllen, Systemfehler, Stand-by, Reset. Mann, ich werf das Ding bald aus dem Fenster!“ Das Ding war ein Geschenk von Dr. Joachim Sander, dem Tierarzt von Lilienthal, Vater von Thorben und seit einiger Zeit auch Lebensgefährte von Caros Mutter.

„Ich will meine normale einfache Kaffeemaschine zurück, bei der ich nur Wasser und Kaffee einfüllen und den Knopf drücken muss“, wütete Ines mit hochrotem Kopf. „Was brauch ich so neumodisches Zeug wie Latte macchiato am Morgen?“ Sie drückte mittlerweile wahllos auf einen Knopf nach dem anderen. „Ich brauch morgens meinen ganz normalen Bohnenkaffee und basta!“

„Mam“, kicherte Carolin mit vollem Müslimund. „Joachim wollte dir bestimmt bloß eine Freude machen.“

„Soll er das Teil doch in seiner Praxis aufstellen!“, knurrte Ines. Sie zog den Stecker heraus und kramte im Küchenschrank. „Ich müsste doch irgendwo noch ein Päckchen Pulverkaffee haben ... nichts ... rein gar nichts!“ Dann wandte sie sich zu Carolin. „Weißt du was, nimm diese Teufelsmaschine doch mit auf deinen Reiterhof. Dann könnt ihr eure Gäste bewirten.“ Auf einmal stockte sie und betrachtete ihre Tochter. „Wie siehst du denn aus?“

„Warum?“, schmatzte Carolin.

Ines deutete auf Carolins Gesicht. „Auf deiner Haut liegt eine zentimeterdicke weiße Schicht.“

„Klar. Das ist die neue Kreme, die du mir besorgt hast“, erklärte Carolin und aß ungerührt weiter ihr Müsli.

Ines verdrehte die Augen. „Sag mal, schaust du denn nicht in den Spiegel?“

„Warum denn? Ich weiß doch, wie ich ausseh“, feixte Carolin.

„Kind, Kind, Kind.“ Ines schüttelte den Kopf. „Du sollst dich doch damit nicht zukleistern. Eine Fingerspitze davon reicht völlig.“ Sie riss ein Blatt von der Küchenrolle ab und drehte Carolins Kopf zu sich. „Komm her.“ Etwas unsanft rubbelte sie über das Gesicht ihrer Tochter.

„Autsch, Mam! Du tust mir weh“, klagte Carolin.

Ines rubbelte völlig ungerührt weiter. „Sei nicht so zimperlich!“

„Und du musst nicht die ganze Wut über deinen Kaffeeautomaten an mir auslassen“, beschwerte sich Carolin und zog ihren Kopf weg.

Seufzend warf Ines das Stück Papier in den Mülleimer. „Schon gut.“ Dann holte sie einen Beutel Tee aus der Schublade und setzte heißes Wasser auf.

Ein Tag, der so nervig begonnen hatte, konnte ja nichts werden. Als Carolin zur Schule radelte, war auch noch die Bahnschranke geschlossen, die Lilienthal in zwei Hälften teilte. Schlechtes Omen! Eine geschlossene Bahnschranke bedeutete nichts Gutes. In der ersten Stunde war Mathe angesagt. Dr. Hutmacher, Carolins Mathelehrer, zitierte sie auch gleich nach vorne. Er schrieb ein paar Zahlenreihen an die Tafel und drückte ihr die Kreide in die Hand. „Dann rechne uns das doch mal bitte vor, Carolin. Schritt für Schritt.“

Carolin nahm die Kreide und starrte so lange an die Tafel, bis die Zeichen vor ihren Augen verschwammen. Carolin stand mit Mathe auf Kriegsfuß. In den letzten Arbeiten war es dank regelmäßiger Nachhilfe ganz gut gelaufen, aber seit kurzem vernachlässigte sie die Lernerei etwas. Und das war nun die Quittung.

„Carolin, wir haben nicht ewig Zeit.“

„Ähm!“ Carolin rückte näher an die Tafel.

„Du sollst die Aufgabe nicht auswendig lernen, sondern lösen“, drängelte Dr. Hutmacher. „Also, wenn ich bitten darf.“

Carolin schob die Kreide in die linke Hand. „Schon ...“

„Aber ...?“

Sie schnaufte tief durch. „Ich bin im Moment ein bisschen ratlos.“

„Ratlos, soso“, machte Dr. Hutmacher. Er nahm die Kreide wieder an sich und sah sie streng an. „Nur weil du in den letzten Monaten einigermaßen gute Noten geschrieben hast, ist das kein Grund wieder nachzulassen, mein Fräulein!“

Carolin nickte. „Ja. Schon.“

„Dann setz dich bitte hin.“

„Jetzt geht das Theater von vorne los!“, raunte Carolin Lina zu, als sie wieder auf ihrem Platz saß.

Lina zwinkerte der Freundin zu. „Das kriegst du wieder hin. Keine Panik.“ Sie tätschelte Carolins Arm. „Kein Grund, hektische Flecken im Gesicht zu bekommen.“

Carolin zog eine Grimasse. „Ich bin weder panisch, noch neige ich zu hektischen Flecken.“

„Ach ja?“, sagte Lina grinsend. „Dann hab ich hier wohl gerade eine Erscheinung.“

„Was meinst du?“

„Du siehst aus wie ein Dalmatiner, nur nicht schwarzweiß, sondern rot-weiß.“

Carolin tippte sich an die Stirn. „Veralbern kann ich mich selber.“

„Meine Herrschaften, darf ich auch um eure Aufmerksamkeit bitten“, unterbrach Dr. Hutmacher sie.

Nach der Stunde drehte Lina Carolin zu sich. „Im Ernst, Caro, du siehst total komisch aus.“

„Jaja“, entgegnete Carolin. „Heute ist eben nicht mein Tag.“

„Nee.“ Lina tippte Tina, die eine Reihe vor ihnen saß, auf die Schulter. „Tina, was siehst du, wenn du Carolin anschaust?“

Tina warf einen Blick auf Carolin und schlug die Hände vor den Mund. „Oh mein Gott!“, rief sie. „Was ist denn mit dir los?“