Sternentänzer, Band 14 - Ponys in Not - Lisa Capelli - E-Book

Sternentänzer, Band 14 - Ponys in Not E-Book

Lisa Capelli

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Beschreibung

Ein Neuer kommt in Caros Klasse. Matthias ist nett, intelligent, witzig - und hat Pickel. Deswegen wird er von Julia Schlupf und ihrer Clique gemobbt. Caro setzt sich für Matthias ein, obwohl sie selbst genügend Probleme hat. Auf den Reiterhof Lindenhain werden Ponys gebracht, die von ihrem früheren Besitzer misshandelt wurden. Caro beginnt, die Ponys zu pflegen, doch bald stellt sich heraus, dass die Ponys nicht länger auf Lindenhain bleiben können. Wie kann Caro den Ponys nun helfen? Gibt es Rettung für sie oder müssen sie auf den Gnadenhof? Sternentänzer gibt Caro merkwürdige Hinweise …

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In der Buchreihe „Sternentänzer“ sind bisher erschienen:

Band 1:   Das Rätsel um den weißen Hengst,

Band 2:   Das geheimnisvolle Mädchen

Band 3:   Weißer Hengst in Gefahr

Band 4:   Caro unter Verdacht

Band 5:   Rettung für Lindenhain

Band 6:   Bedrohung für den weißen Hengst

Band 7:   Letzter Auftritt des weißen Hengstes?

Band 8:   Der unheimliche Pferdehof

Band 9:   Zeit der Entscheidung

Band 10: Hoffen und Bangen in Lilienthal

Band 11: Silbersterns Geheimnis

Band 12: Abschied mit Folgen

Band 13: Caro und das Mädchen im Moor

Band 14: Ponys in Not

Band 15: Eine rätselhafte Vision

Band 16: Das Geheimnis der Schlossruine

Band 17: Caro und die weiße Stute

Band 18: Die Botschaft des weißen Hengstes

Band 19: Achterbahn der Gefühle

Band 20: Die geheimnisvollen Briefe

Band 21: Eine unglaubliche Entdeckung

Band 22: Ein verhängnisvolles Erbe

Band 23: Geister aus der Vergangenheit

Band 24: Die Magie des weißen Hengstes

Band 25: Voller Einsatz für Lina

Band 26: Verwirrung des Herzens

Band 27: Caro und das Geheimnis der alten Frau

Band 28: Aufregung um Stute Aziza

Band 29: Eine Reise voller Überraschungen

Band 30: Caro und der rätselhafte Dieb

Band 31: Der Eisprinz und die große Liebe

Band 32: Ein unglaublicher Verdacht

Band 33: Die verschwundenen Ponys

Band 34: Caro gibt nicht auf

Band 35: Gefährliche Zeiten auf Lindenhain

Band 36: Feuerprobe für die Liebe

Band 37: Wo ist Sternentänzer?

Sternentänzer

Ponys in Not

Lisa Capelli

Band 14

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

Sternentänzer, Band 14 – Ponys in Not© 2007 by Panini Verlags GmbH,Rotebühlstraße 87, 70178 StuttgartAlle Rechte vorbehalten

Chefredaktion: Claudia WeberRedaktion: Nicole Hoffart (verantw.)Lektorat: Sonja Wittlinger, Helga KronthalerUmschlag: tab indivisuell, StuttgartFotos: Bob Langrish; Mauritius; PixelQuelle.deSatz: CB Fotosatz & Werbeproduktion, Leinfelden-EchterdingenISBN 978-3-8332-1541-4eISBN 978-3-8332-3095-0

www.panini.de

Ponys in Not

In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche ein, und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.

Der Neue in der Klasse

Carolin Baumgarten, genannt Caro, kauerte auf ihrem Stuhl, kaute am hinteren Ende ihres Bleistiftes und schaute gedankenverloren nach draußen. Das hohe, weiß gerahmte Fenster in ihrem Klassenzimmer gab den Blick frei auf einen strahlend blauen, beinahe wolkenlosen Himmel. Kein Lüftchen wehte. Auf dem Wipfel der mächtigen Fichte schaukelten zwei Vögel und zwitscherten fröhlich vor sich hin.

Wie gerne würde ich jetzt mit meinem Sternentänzer ausreiten!, dachte Carolin sehnsüchtig. Über die Felder bei Lindenhain galoppieren, den Wind um meine Nase wehen lassen, mich ganz dicht in Sternentänzers seidenweiches Fell drücken, seine mondhelle Mähne in meinem Gesicht spüren und …

„Guten Morgen, die Herrschaften!“ Die raue Stimme ihres Mathelehrers Dr. Hutmacher holte Carolin höchst unsanft aus ihren Träumen zurück in die Realität.

„Die Hausi war diesmal echt richtig schwierig“, raunte Lina ihr besorgt zu. „Hast du das hingekriegt?“ Lina Schniggenfittich saß auf dem Platz neben ihr. Sie war Carolins beste Freundin und – ganz im Gegensatz zu ihr – normalerweise ausgesprochen gut in Mathe.

Carolin zog eine Grimasse. „Nur mit Nachhilfe.“ Sie seufzte. „Ich glaub, ich check das alles nie. Und wenn ich bis an mein Lebensende täglich Nachhilfe bekomme.“

„Dann holt gleich einmal eure Hefte raus“, forderte Dr. Hutmacher seine Schüler auf.

Lina wollte gerade etwas erwidern, als sich mit einem leisen Knarren ein wenig zögerlich die Klassenzimmertür öffnete. Erst einen Spalt, dann immer weiter. Herein trat ein mittelgroßer, untersetzter Junge mit kurzen, dunklen, leicht lockigen Haaren. Auf seiner Nase saß eine kleine Nickelbrille, die im Verhältnis zu seinem großen runden Gesicht viel zu klein wirkte. Zudem hatte er dicke rote Pickel im Gesicht. Er sah wirklich nicht besonders hübsch aus.

Dr. Hutmacher blickte dem Jungen sichtlich erstaunt entgegen. „Ja bitte? Kann ich dir helfen? Hast du dich im Klassenzimmer geirrt?“

„Nein, ich bin der Neue hier“, erklärte der Junge etwas schüchtern, aber mit fester Stimme.

Julia Schlupf prustete los. „Der Neue, wo? Im Gruselkabinett?“, kreischte sie laut wie eine Sirene durch die Klasse. Die anderen brachen in schallendes Gelächter aus.

Dr. Hutmacher warf Julia einen strafenden Blick zu. „Wenn ich um Ruhe bitten dürfte!“

Tapfer rückte der Junge seine Nickelbrille zurecht. „Der Neue in dieser Klasse. Ich heiße Matthias Kömpke, und die Dame vom Sekretariat hat mich hierher geschickt.“

Dr. Hutmacher zwickte die Augen zusammen und musterte Matthias kurz. „Hm, ich wusste eigentlich gar nicht, dass diese Klasse einen Neuen bekommen soll, aber gut.“

„Oh Mann! Können wir nicht mal einen schicken Neuzugang kriegen?“, rief Julia vorlaut. „So was wie Brad Pitt oder Justin Timberlake. Coole Frisur, super Body …“

Dr. Hutmacher ignorierte ihren Einwand. Er sah sich in der Klasse um. „Wo ist denn noch ein Platz frei? Mal schauen … ja … setz dich doch neben Viola, Matthias.“

„Arme Viola“, kicherte Julia. „Dafür würde ihr eigentlich Schmerzensgeld zustehen.“

Viola verdrehte angewidert die Augen und schüttelte ihre langen, braunen Haare wie einen Vorhang vor ihr Gesicht.

Verschüchtert ließ sich Matthias an dem angegebenen Platz nieder. Viola warf ihm durch ihre Haare einen so verächtlichen Blick zu, als wäre er ihr ärgster Feind. Matthias spürte ihre Ablehnung und krümelte sich am äußeren Ende des Tisches zusammen – so, als wollte er am liebsten schnurstracks im Fußboden versinken.

Carolin blickte voller Mitgefühl zu Matthias. „Voll mies, so in einer neuen Klasse aufgenommen zu werden.“

Lina grinste schief. „Unsere liebe Frau Schlupf ist echt das freundlichste Empfangskomitee der Welt.“

Carolin betrachtete ihre beste Freundin aus den Augenwinkeln. Lina hatte auch ihre Probleme mit Julia. Immer wieder! Die beiden waren schon des Öfteren richtig heftig aneinandergeraten. Zwischen den zwei Mädchen lagen Welten: Julia hatte lange, hellblonde, glänzende Haare und war stets nach der neuesten Mode gekleidet, sie war stinkreich, denn ihrer Familie gehörte die Strumpfwarenfabrik Cecilia. Linas Eltern hingegen lebten in einem Wohnwagen und zogen von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, um Kräuterprodukte zu verkaufen. Lina hatte eine wilde rote Lockenmähne, trug eigentlich fast immer mehrere bunt gemusterte Röcke übereinander, geschnürte Blusen und derbe Schnürstiefel dazu.

„Matthias tut mir echt leid“, beharrte Carolin voller Mitleid. „Das ist echt unfair!“

Tina, die vor ihnen saß, drehte sich um. „Find ich auch. Er kann ja nichts dafür, dass er etwas mehr wiegt. Vermutlich schmeckt’s ihm auch so gut wie mir“, meinte sie mitfühlend. Tina wusste, wovon sie sprach. Sie brachte ebenfalls ein paar Pfündchen mehr auf die Waage. Ihre Mutter setzte sie zwar immer mal wieder auf Diät, aber Möhren- und Gurkenschnitze waren eben nur ein schlechter Ersatz für Schokokekse und Gummibärchen. Tina schickte noch einen prüfenden Blick zu Matthias. „Eigentlich macht er ja einen ganz netten Eindruck.“

Lina knuffte Carolin in die Seite. „Wir können ihm ja zeigen, dass in der Schule in Lilienthal nicht nur bescheuerte, eingebildete Tussen anzutreffen sind.“

In der Pause lehnte Matthias ganz allein in einem Eck an der Schulhofmauer und kaute an einem dick belegten Pausenbrot. Carolin und Lina steuerten auf ihn zu.

„Hi, ich bin Caro, und das ist Lina, meine beste Freundin“, begann Carolin gleich.

Matthias schwieg einen Moment lang. Dann verzog er den Mund zu einem breiten Grinsen. „Hey, und ich bin Matthias. Frisch aus dem Gruselkabinett.“

Carolin grinste zurück. Offenbar hat er Humor.

„Denk dir nichts“, gab Lina leichthin zurück. „Unsere liebe Julia würde dafür beim Wettbewerb ‚Deutschland sucht die Superzicke‘ den ersten Platz belegen.“

„Sieht ganz so aus“, nickte Matthias und biss genüsslich in sein Pausenbrot. Dabei klopfte er demonstrativ auf seine Rettungsringe am Bauch. „Muss schließlich was für mein Anti-Timberlake-Image tun.“

„Pah!“, winkte Lina ab. „Wer braucht den denn schon?“

„Wo kommst du eigentlich her?“, wollte Carolin wissen.

„Ich bin vorher in Silberthann in die Schule gegangen“, erzählte Matthias. „Aber wir sind vor Kurzem umgezogen, und so bin ich hier gelandet.“ Er biss erneut mit Appetit in sein Brot. „Leider.“

„Ach was!“ Carolin schüttelte den Kopf. „Du hast einen völlig falschen Eindruck von uns. So schlimm ist es hier echt nicht.“

„Stimmt“, bestätigte Lina. „Wenn man Julia einfach ignoriert, dann geht’s.“

Matthias kaute schmatzend weiter.

„Kannst du reiten?“, erkundigte sich Carolin dann – ohne eigentlich genau zu wissen, warum.

Matthias grinste sie an, sodass seine Backen noch dicker wurden. „Ey, ich bin doch kein Tierquäler. Jedes kluge Pferd läuft, was es kann, wenn es mich sieht.“

Carolin kicherte. Dieser Matthias war zwar keine Schönheit, schien aber richtig lustig zu sein.

„Und was machst du sonst so?“, fragte Lina neugierig.

„Ich lebe.“ Matthias deutete auf sein Pausenbrot. „Und esse.“

In diesem Moment schlenderte Julia mit ihren Freundinnen an ihnen vorbei. Heike hatte sich rechts untergehakt, Viola links. Viola war seit gut einem halben Jahr in ihrer Klasse und genauso zickig wie Julia. Daher hatten sich die beiden auf Anhieb super verstanden. Manchmal schaukelten sie sich mit ihrem Gezicke gegenseitig richtig hoch.

„Sieh mal an, unsere zwei Pferdedamen haben ja auch ein Herz für andere Tiere. Für Nilpferde zum Beispiel“, spottete Julia.

Heike, Julias beste Freundin und größter Fan, prustete pflichtschuldig laut los. Auch Viola kicherte hysterisch.

Matthias kaute immer heftiger.

„Hör einfach nicht drauf“, versuchte Carolin Matthias zu trösten.

Der wehrte gleich ab. „Vergiss es! Das macht mir nichts.“ Er klopfte auf seinen Bauch. „Ich bin Spott gewöhnt. Als Zielscheibe unübersehbar!“

Es war nicht das, was er sagte, sondern es war die Art, wie er es sagte: der Ton in seiner Stimme, der traurige Blick in seinen braunen Augen – sie weckten das Mitleid in Carolin. Matthias versuchte zwar, über dem Spott zu stehen, doch man merkte ihm deutlich an, dass es ihn tief in seinem Inneren verletzte.

„He, Leute!“ Thorben kam angestiefelt. Er war Linas Freund und ging ebenfalls in ihre Klasse.

Lina packte ihn gleich an seiner Jacke und zog ihn mit einer Hand zu sich heran. „Während du im Computerraum warst, haben wir uns ein bisschen mit Matthias angefreundet“, erklärte sie. Dann wandte sie den Kopf und deutete auf Thorben. „Matthias, das ist Thorben, mein Freund.“

Thorben nickte ihm kurz zu. „Hi, Matthias.“

Matthias verzog den Mund zu einem Lächeln. In diesem Augenblick ertönte die Schulglocke. Matthias schluckte den letzten Rest seines Brotes hinunter und ging wieder ins Gebäude.

Carolin zögerte kurz. „Wir fahren nach der Schule nach Lindenhain. Hast du vielleicht Lust, mitzukommen?“, fragte sie dann auf dem Weg ins Klassenzimmer. Normalerweise war es zwar gar nicht ihre Art, einfach irgendwen mit nach Lindenhain zu nehmen. Aber da war irgendetwas, was sie drängte, Matthias einzuladen.

„Was ist denn dieses Lindenhain?“, fragte Matthias zurück. Er zog eine Grimasse und gab die Antwort gleich selbst. „Oh, ich weiß! Das ist ein Jahrmarkt. Dort wollt ihr mich ausstellen und mit mir Geld verdienen.“

Carolin schmunzelte leicht. „Quatsch! Lindenhain liegt ganz in der Nähe. Es ist meine zweite Heimat und der tollste Reiterhof der Welt. Also, hast du Lust? Kommst du mit?“

Matthias zuckte die Achseln. „Klar, warum nicht! Kann ich mir ja mal anschauen.“

Julia drückte sich an Matthias vorbei ins Klassenzimmer. „Boah ey! Wir müssen dringend dem Hausmeister Bescheid sagen, dass er die Türen verbreitert, bevor hier noch jemand stecken bleibt“, stänkerte sie.

Lina verdrehte die Augen. „Möge diese alte Giftspritze irgendwann an ihrer eigenen Bosheit ersticken!“

Auf nach Lindenhain!

Nach der Schule warteten Lina und Carolin am Fahrradständer auf Matthias. Sie erklärten ihm rasch, mit welchem Bus er nach Lindenhain kam, und radelten schon mal vor.

Lilienthal war durch einen beschrankten Bahnübergang in zwei Hälften geteilt. Die Schranke gehörte zu einem von Carolins Omen. Wenn sie geschlossen war, verhieß das nichts Gutes, stand sie offen, betrachtete Carolin das als gutes Zeichen. An diesem Tag war die Schranke oben, und die beiden Freundinnen konnten ungehindert weiterradeln. Nach einer guten halben Stunde bogen Lina und Carolin in die Zufahrt zum Reiterhof und ließen ihre Räder zum Haupthaus rollen. Carolin stellte ihr Bike ab und hielt sogleich Ausschau nach ihrem Pferd.

Lina deutete zur Weide, die direkt an den Hof angrenzte und sich bis weit hinüber zum nächsten Hügel erstreckte. Darauf thronte eine Gruppe hoher alter Linden – ihnen hatte Lindenhain seinen Namen zu verdanken. „Sternentänzer ist ganz hinten auf der Koppel.“

Carolin ließ ihren Blick schweifen. Dort oben stand er, ihr wunderschöner weißer Hengst. Das Fell des Schimmels glänzte wie flüssiges Silber in der Sonne. „Ist er nicht einfach traumhaft?!“, schwärmte Carolin. Der Anblick ihres geliebten Pferdes erfüllte sie jedes Mal aufs Neue mit großem Glücksgefühl.

Lina schmunzelte. „Du hast ihn jetzt schon ewig. Langsam müsstest du dich an sein Aussehen gewöhnt haben.“

Carolin seufzte tief. „Ich freu mich eben jedes Mal wieder, wenn ich ihn sehe.“

Lina stieß Carolin in die Seite. „Da ist ja auch schon Matthias.“

Etwas unschlüssig – mit beiden Händen in der Hosentasche – stand der rundliche Junge in der großen Toreinfahrt und spähte umher. Sein Blick wanderte vom Hügel mit den hohen Linden über die Pferdekoppel zum Haupthaus mit dem kleinen Tümpel und dem Garten daneben, in dem seit Kurzem Zucchini wuchsen. Von dort weiter zum Paddock über die Reithalle zum Stall und dem Misthaufen, auf dem gerade Hofhahn Fridolin aufgeregt mit den Flügeln schlug und lauthals krähte.

Carolin und Lina winkten Matthias zu sich. Etwas zögerlich kam der Junge angetrottet. „Hi, Matthias“, riefen die Mädchen im Chor.

„Das ist ja ein richtiger Reiterhof“, staunte Matthias.

„Was dachtest du denn?“, fragte Carolin empört.

Matthias zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, eher so was Ponyhof-mäßiges. Eine kleine Wiese mit ein paar Haflingern drauf.“ Er ließ seinen Blick erneut über das Anwesen bis hin zur Weide schweifen und nickte dabei anerkennend. „Aber ihr habt hier ja richtig schicke Pferde. Der Schimmel dort oben beispielsweise ist ein Prachtexemplar.“

„Dieser wunderschöne weiße Hengst gehört mir“, erklärte Carolin voller Stolz. „Er heißt Sternentänzer.“ Und er ist nicht nur wunderschön, sondern hat auch eine ganz besondere Gabe, fügte sie in Gedanken hinzu.

Matthias nickte begeistert. „Cool. So einen hab ich mal im Fernsehen gesehen.“

Aber bestimmt keinen, der eine magische Gabe besitzt und in die Zukunft blicken kann!

In diesem Moment kam Ferdi aus dem Ferienhaus, das gleich hinter dem Haupthaus lag. Wie so oft hatte er seine riesige Sporttasche dabei, die so schwer war, dass er sie kaum schleppen konnte. Als er Carolin und Lina entdeckte, ließ er die Tasche fallen und lief auf die Mädchen zu. „Hi, Lina.“ Carolin drückte er zur Begrüßung ein Küsschen auf die Wange. „Hi, Carolinchen, alles klar?“

Carolin nickte. „Aber immer. Und du?“

„Ich muss leider gleich los.“ Ferdi deutete auf seine Tasche. Seine wasserblauen Augen funkelten. „Neuerdings müssen wir ein paar Strafrunden laufen, wenn wir zu spät zum Training erscheinen.“ Er drehte sich um und war auch schon wieder verschwunden.

„Und wer war das?“, fragte Matthias neugierig.

„Ferdi“, erklärte Carolin. Ferdinand Reifenbach war ihr Freund. Er stammte eigentlich aus Berlin – aus einer stinkreichen Familie –, hatte sich aber ihr zuliebe im Ferienhaus des Reiterhofes einquartiert und besuchte eine Privatschule in Grünstadt.

„Ist der auch so ein Pferdefreak?“, wollte Matthias wissen.

Lina prustete los. „Ferdi hat mit Pferden in etwa so viel am Hut wie mit Topflappenhäkeln.“

„Ferdi ist reittechnisch völlig unbegabt“, ergänzte Carolin schmunzelnd. „Dafür spielt er supergut Eishockey.“

„Eishockey“, wiederholte Matthias andächtig. „Wollte ich auch mal spielen.“ Er lachte. „Da sind alle so dick angezogen, dass das Gewicht gar nicht auffällt. Aber meine Eltern haben es nicht erlaubt. Viel zu gefährlich.“

„Ferdis Mannschaft hat sogar schon den Meistertitel in der Regionalliga geholt“, berichtete Carolin stolz.

Matthias nahm seinen Schulrucksack vom Rücken und stellte ihn ab. „Ich dachte immer, auf einem Reiterhof laufen nur Pferdefreaks herum. Dass man dort auch Eishockeyspieler trifft, damit hätte ich im Leben nicht gerechnet.“

Lina grinste breit. „So kann man sich täuschen! Aber keine Sorge, mein lieber Thorben ist auch kein Superman auf dem Pferderücken.“

Matthias sah sich noch einmal um. „Aber cool habt ihr’s hier schon. Hier könnt’s mir auch gefallen.“

„Wie wär’s denn mit einem kleinen Rundgang?“, schlug Carolin eifrig vor.

Matthias stimmte zu und folgte den beiden Mädchen.

Als sie eine Stunde später das ganze Anwesen besichtigt hatten, näherten sich drei Fahrräder der Hofeinfahrt.

„Ätz!“ Lina verdrehte die Augen. „Nichts wie weg!“ Sie lief zu ihrem Bike und radelte in Windeseile davon.

Matthias blickte Lina verwundert nach. „Was hat die denn so plötzlich in die Flucht geschlagen?“

Carolin deutete Richtung Hofeinfahrt. „Wirst du gleich selbst sehen.“

Da erkannte auch Matthias, wer auf den Rädern saß, und zog eine Grimasse. „Alles klar! Wo ist hier der Notausgang?“

Kurz darauf stellten Julia, Heike und Viola ihre Fahrräder ab, winkten Carolin kurz zu und verschwanden dann im Ferienhaus.

Matthias sah ihnen nach. „Reiten die etwa auch?“

Carolin zuckte die Schultern. „Eigentlich nicht, aber seit ein paar Tagen kreuzen die immer mal wieder hier auf. Keine Ahnung, warum!“ Sie boxte Matthias in die Seite. „Soll uns aber egal sein!“

Matthias war so begeistert von Lindenhain, dass er am nächsten Tag nach der Schule gleich wieder mit Carolin und Lina dorthin fuhr. Erst machten sie alle zusammen im Gemeinschaftsraum ihre Hausaufgaben, dann spazierten sie auf dem Reiterhof herum. Als Carolin Sternentänzer vor dem Stall putzte, assistierte Matthias ihr begeistert. Unermüdlich zog er immer wieder los und holte frisches Wasser. Jedes Mal, wenn er einen Eimer voll Wasser brachte, schnupperte Sternentänzer liebevoll an seiner Hand.

„Du bist der perfekte Putz-Assi“, lobte Carolin. „Und ich glaube, Sternentänzer mag dich.“

„Wenn die Tiere nur nicht so hoch wären!“, klagte Matthias zerknirscht. „Und so pelzig und so tierisch …“

Carolin schüttelte lachend den Kopf. „Wie Ferdi!“ Sie freute sich über Matthias’ sichtliche Begeisterung für Lindenhain, wobei sie sich auch ein bisschen über sich selbst wunderte. Warum liegt mir eigentlich so viel an Matthias? Warum wollte ich, dass er nach Lindenhain kommt? In diesem Augenblick drehte Sternentänzer seinen Kopf und blickte sie mit seinen dunklen feuchten Kohleaugen so intensiv an, dass Carolin eine Gänsehaut bekam. Es schien fast, als wolle er sagen: „Du wirst schon noch erfahren, warum.“

„Und jetzt?“ Matthias’ laute Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

„Äh … was?“

Matthias stand neben ihr. Sein weißes T-Shirt war nass und hatte schon ein paar Flecken, aber seine Augen hinter der Brille funkelten. „Was soll ich jetzt tun?“

Carolin grinste. „Kannst du mir mal eben aus der Sattelkammer eine Kardätsche holen?“

Matthias runzelte die Stirn. „Klar! … Äh … was ist das?“

„Kar-dät-sche!“ Grinsend beschrieb Carolin ihm, wie das Teil aussah.

Matthias legte die Hand an eine nicht vorhandene Mütze. „Ay, ay, Sir!“, erklärte er fröhlich, bevor er Richtung Stall verschwand. Pfeifend marschierte er den Gang entlang bis zur Sattelkammer. Mit Schwung riss er die Tür auf und spähte hinein.

„He, musst du mich so erschrecken?“, machte eine Stimme ihn gleich an.

„Äh, sorry …“, stammelte Matthias, ohne erkennen zu können, wessen Stimme das war.

Da tauchte ein Mädchen mit langen braunen Haaren auf, das einen Sattel über dem Arm hielt. „Was guckst du denn so dämlich wie eine Kuh, wenn’s blitzt?“

Die Stimme gehörte Viola. Na toll!, dachte Matthias und wollte schon den Rückzug antreten. Doch dann fiel ihm ein, dass er Carolin etwas bringen sollte. „Äh, ich wollte nur … also wenn du hier eine Kardätsche siehst …“

Viola lüpfte eine Augenbraue. „Was ist dann?“

„Dann könntest du mir die geben, weil ich die brauche“, ergänzte Matthias, immer noch gut gelaunt.

Viola zog eine Grimasse. „Weißt du, was mir das ist, Fettsack? Schnurzpiepegal! Such dir das Teil doch selber. Kommst dabei vielleicht ins Schwitzen und verlierst ein paar Gramm Lebendgewicht.“ Sie fasste den Sattel fester, warf ihm noch einen verächtlichen Blick zu und stiefelte davon.

Matthias sah ihr nach und schluckte. Die hämischen Bemerkungen taten ja schon weh genug, wenn man sie erwartete. Doch wenn man sich in Sicherheit wiegte – gerade hatte er begonnen, sich auf Lindenhain wohl zu fühlen. Er schluckte die aufkommenden Tränen hinunter, suchte nach der Kardätsche und brachte sie nach draußen.

„Wo bleibst du denn? Hast du den ganzen Stall durchsucht?“, rief Carolin ihm fröhlich entgegen. „Sternentänzer wird auch schon ganz ungeduldig.“

Wortlos und mit gesenktem Kopf reichte Matthias ihr die Kardätsche.

„He, was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“, wunderte sich Carolin über sein geknicktes Gesicht. „Eben warst du doch noch richtig gut drauf.“

Matthias winkte nur ab. „Ach nichts, alles bestens.“

„Lass mich mal raten? … Dich hat ein Floh gebissen“, versuchte Carolin zu scherzen.

Matthias schüttelte nur stumm den Kopf.

Dann eben nicht! Carolin zuckte mit den Schultern und kümmerte sich weiter um Sternentänzer. Wenn sie sich noch einmal umgedreht hätte, hätte sie bemerkt, wie sich Matthias rasch eine Träne aus dem Augenwinkel wischte.

„So!“ Nach einer Weile tätschelte Carolin Sternentänzers Hals. „Fertig!“, sagte sie und griff nach dem Führstrick. „Jetzt können wir das sauberste Pferd der Welt wieder in den Stall bringen.“

In diesem Moment kam Ferdi aus dem Haupthaus. Grinsend tippte er Matthias auf die Schulter. „Pass bloß auf, Kumpel, Caro bekehrt dich am Ende noch zum Pferdeliebhaber! Mit mir hat sie das auch schon versucht.“

„Ich glaub nicht.“ Matthias rollte die Augen. „Ich kann gut verstehen, dass du Eishockey vorziehst.“

„Echt?“ Ferdi sah Matthias überrascht an. „Du magst Eishockey?“

„Oh Mann, ich liebe es! Im Fernsehen gucke ich mir jedes Spiel an, das übertragen wird. Mein Favorit ist Torhüter Oliver Jonas“, erzählte Matthias mit leuchtenden Augen.

„Im Ernst?“ Ferdi war auch gleich Feuer und Flamme.

Matthias nickte. „Ganz großes Kino. Aber auch die nordamerikanische Basketball-Liga find ich voll klasse.“

„Stimmt“, pflichtete Ferdi ihm bei. „Nowitzki ist echt voll genial.“

„Ich hab ein Autogramm von ihm“, erzählte Matthias mit blitzenden Augen.

„Von Nowitzki?“

„Von Jonas!“

„Nein!“ Ferdi rüttelte gespielt theatralisch an Matthias’ Schulter. „Bringst du das mal mit? Darf ich das mal sehen?“

„Na klar!“ Matthias’ Wangen färbten sich vor Freude knallrot.

Ferdi grinste. „Carolinchen, hast du das gehört?“

Carolin verdrehte die Augen. „Ich hab nur mitgekriegt, dass sich da zwei gefunden haben. Komm, Sternentänzer, wir werden hier nicht mehr gebraucht!“ Sie drückte ihrem Pferd ein Küsschen auf die weichen Nüstern und führte es zurück in den Stall.

Zickenalarm

Am Tag darauf nach der Schule warteten Carolin und Lina wieder im Schulhof bei ihren Rädern auf Matthias. Während er tags zuvor schnell angeschossen kam, schlich er diesmal als Letzter und mit hängendem Kopf aus dem Gebäude.

Carolin winkte ihm zu. „Jetzt komm schon, Matthias! Beeil dich, wir wollen nach Lindenhain abdüsen.“

Lina grinste. „Jede Minute auf dem Schulhof ist eine Minute zu viel!“

Matthias stellte sich neben die beiden Mädchen, blickte auf den Boden und scharrte verlegen mit seinem Fuß. „Ich weiß nicht.“ Er hatte vorhin gehört, wie sich Julia mit ihren Freundinnen auf Lindenhain verabredet hatte. Und er hatte keine Lust auf eine ähnliche Begegnung wie gestern.

Lina sah ihn verwundert an. „Was soll denn das heißen?“