Sternentänzer, Band 17 - Caro und die weiße Stute - Lisa Capelli - E-Book

Sternentänzer, Band 17 - Caro und die weiße Stute E-Book

Lisa Capelli

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Beschreibung

Mit ihrem wunderschönen Schimmel bricht Caro nach Mallorca auf. Dass sie ihren Vater besuchen will, ist nur der eine Grund für diese Reise. Darüber hinaus folgt sie auch den rätselhaften Hinweisen Sternentänzers: Warten auf sie und den geliebten Hengst besondere Aufgaben auf der Insel? Als Caro dann von Sternentänzer zu einem heruntergekommenen Gutshof geführt wird, scheint die Lösung nahe. Sie finden ein Pferd, das von seinem Besitzer gefangen gehalten wird. Die weiße Stute ist wild, geradezu unberechenbar - und doch mit dem magischen Sternentänzer seltsam vertraut …

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In der Buchreihe „Sternentänzer“ sind bisher erschienen:

Band 1:   Das Rätsel um den weißen Hengst,

Band 2:   Das geheimnisvolle Mädchen

Band 3:   Weißer Hengst in Gefahr

Band 4:   Caro unter Verdacht

Band 5:   Rettung für Lindenhain

Band 6:   Bedrohung für den weißen Hengst

Band 7:   Letzter Auftritt des weißen Hengstes?

Band 8:   Der unheimliche Pferdehof

Band 9:   Zeit der Entscheidung

Band 10: Hoffen und Bangen in Lilienthal

Band 11: Silbersterns Geheimnis

Band 12: Abschied mit Folgen

Band 13: Caro und das Mädchen im Moor

Band 14: Ponys in Not

Band 15: Eine rätselhafte Vision

Band 16: Das Geheimnis der Schlossruine

Band 17: Caro und die weiße Stute

Band 18: Die Botschaft des weißen Hengstes

Band 19: Achterbahn der Gefühle

Band 20: Die geheimnisvollen Briefe

Band 21: Eine unglaubliche Entdeckung

Band 22: Ein verhängnisvolles Erbe

Band 23: Geister aus der Vergangenheit

Band 24: Die Magie des weißen Hengstes

Band 25: Voller Einsatz für Lina

Band 26: Verwirrung des Herzens

Band 27: Caro und das Geheimnis der alten Frau

Band 28: Aufregung um Stute Aziza

Band 29: Eine Reise voller Überraschungen

Band 30: Caro und der rätselhafte Dieb

Band 31: Der Eisprinz und die große Liebe

Band 32: Ein unglaublicher Verdacht

Band 33: Die verschwundenen Ponys

Band 34: Caro gibt nicht auf

Band 35: Gefährliche Zeiten auf Lindenhain

Band 36: Feuerprobe für die Liebe

Band 37: Wo ist Sternentänzer?

Sternentänzer

Caro und die weiße Stute

Lisa Capelli

Band 17

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

Sternentänzer, Band 17 – Caro und die weiße Stute© 2007 by Panini Verlags GmbH,Rotebühlstraße 87, 70178 StuttgartAlle Rechte vorbehalten

Chefredaktion: Claudia WeberRedaktion: Nicole Hoffart (verantw.), Birgitt KehrerLektorat: Sonja Lehmann, Helga KronthalerUmschlag: tab indivisuell, StuttgartFotos: Bob Langrish; mauritius images; pixelio.deSatz: CB Fotosatz & Werbeproduktion GmbH, FellbachISBN 978-3-8332-1605-3eISBN: 978-3-8332-3098-1

www.panini.de

Caro und die weiße Stute

In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche ein, und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.

Vorfreude und jede Menge Zweifel

Die Tage vor den Sommerferien fühlen sich so an wie der Endspurt eines ewig langen Marathonlaufs. Das Ziel ist schon in Sichtweite, doch die Puste reicht kaum mehr aus, um die letzten Meter zu bewältigen. Carolin Baumgarten, genannt Caro, rutschte ungeduldig auf ihrem Stuhl in der Schule hin und her. In der allerletzten Stunde vor dem allerletzten Pausengong war Englisch angesagt – und ihre Lehrerin, Miss Katie Somerset, schrieb in einem Tempo unregelmäßige Verben an die Tafel, als wäre es nicht der letzte, sondern der wichtigste Schultag vor der wichtigsten Arbeit des Jahres.

Lina Schniggenfittich, die neben Carolin saß, rollte vorwurfsvoll mit den Augen. „Mit deinem nervösen Rumgezappel machst du mich auch ganz hektisch, Caro!“ Lina war Carolins beste Freundin.

Carolin nagte an ihrer Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war. „Ich wünschte, ich wäre schon dort“, murmelte sie dabei.

Lina deutete auf die große Uhr im Klassenzimmer. „Dauert nicht mehr lang. In ein paar Tagen um die Zeit bist du es. Dann hockst du auf Mallorca am Strand, spielst mit den Wellen und mampfst Paella, bis du platzt.“ Sie seufzte. „Beneidenswert.“

Carolin schnaufte tief durch. „Ich weiß nicht ...“

Mit einer schnellen Bewegung warf Lina ihre wilden roten Haare zurück, die – wenn sie sie offen trug und sich nach vorne beugte – ihr ganzes Gesicht bedeckten. „Falls du einen Abnehmer für dein Flugticket suchst ...“, grinste sie.

Carolin sah die Freundin an. „Du weißt ganz genau, dass ich nicht aus Spaß dorthin fahre!“, korrigierte sie.

Auch Lina wurde gleich wieder ernst. „Ich weiß, Caro. Du willst herausfinden, was es mit Sternentänzers Vision auf sich hat.“

„Außerdem hab ich meinem Paps versprochen, dass ich komme“, ergänzte Carolin.

„Und Versprechen muss man halten“, sagte Lina.

„Wenn ich auch um eure Aufmerksamkeit bitten darf? Carolin! Lina!“, mischte sich Miss Somerset ein und warf ihnen einen strengen Blick zu.

„Kannst du nicht einfach mit mir mitkommen, Lina?“, raunte Carolin der Freundin zu.

„Sofort“, nickte Lina. Ihre wilden grünen Augen funkelten. „Nur leider hab ich keinen Vater, der mir ein Ticket organisiert.“

Der Pausengong riss sie aus ihrer Unterhaltung.

„Okay! My friends.“ Miss Somerset ließ ihren Blick durch die Klasse wandern. „Ich wünsche euch allen a wonderful summertime. Genießt eure Ferien. Wir sehen uns dann in ein paar Wochen wieder.“ Damit packte sie schwungvoll ihre Unterlagen in ihre noble Designertasche und rauschte aus dem Klassenzimmer.

„Hoffentlich übersteht mein Sternentänzer die Reise gut“, murmelte Carolin vor sich hin, während sie das Pausenbrot aus ihrer Schultasche holte. Doch sie steckte das Brot gleich wieder zurück, nachdem sie es kurz begutachtet hatte. Sojaschnitten zwischen zwei Mehrkornbroten. Bäh!

Sternentänzer war Carolins Pferd. Ein mondheller Araberhengst, der nicht nur wunderschön war, sondern auch eine magische Gabe besaß.

„Bekommt das Pferd eigentlich einen eigenen Sitzplatz im Flugzeug?“, feixte Lina, während sie ihr Englischheft einsteckte. „Und zum Essen vegetarische Kost? Grassalat mit Kräuterdressing?“

„Na klar“, schmunzelte Carolin. „Sternentänzer sitzt am Notausstieg, da hat er mehr Beinfreiheit.“

Lina prustete los. „Bekommt er auch was zum Lesen? Die neueste Klatschlektüre? Welches Pferd mit wem und warum?“

Auch Carolin konnte kaum noch ernst bleiben. „Ist bestellt. Die aktuelle Ausgabe der Pferde-Revue.“

Lina stand so schwungvoll auf, dass ihr Stuhl beinahe nach hinten kippte. „Das Bild muss man sich echt mal vorstellen: sitzt ein Pferd angeschnallt auf einem Sitz im Flugzeug, blättert mit den Vorderhufen in einer Zeitschrift und lässt sich von der Stewardess einen Drink servieren. Na, das wär’s doch!“ Allein die Vorstellung löste bei Lina erneut einen Lachanfall aus. Als sie sich schließlich wieder einigermaßen beruhigt hatte, fragte sie: „Aber jetzt mal im Ernst, Caro. Du nimmst Sternentänzer ja nicht im Flugzeug mit nach Spanien. Hat dir dein Vater denn inzwischen mitgeteilt, wie alles genau abläuft?“

„Wie gesagt, morgen oder übermorgen schickt diese Firma, die auf Tiertransporte spezialisiert ist, einen Lkw. Der holt Sternentänzer ab. Darum hat sich mein Vater gekümmert“, erklärte Carolin. Ich hoff nur, es klappt alles!, fügte sie in Gedanken ein wenig besorgt hinzu. Dass Paps auch immer alles auf den letzten Drücker erledigen muss!

„Und wie kommt er dann vom Festland nach Mallorca? Muss er für die Überfahrt betäubt werden, wenn’s auf dem Meer recht stürmisch ist?“, erkundigte sich Lina.

„Spinnst du total?“ Völlig empört sprang Carolin auf.

„Na ja, dann könnten sie ihn doch problemlos in den Frachtraum legen. Schwimmen scheidet ja wahrscheinlich aus?“, überlegte Lina.

Carolin schnappte sich ihre Schultasche. „Du, keine Ahnung, wie die Überfahrt genau funktioniert. Ob die dann den gesamten Lkw verladen?!“

Lina schulterte ihre Tasche. „Außerdem ist so eine Reise doch bestimmt richtig teuer. Kostet ja schon für Menschen ordentlich Geld, aber dann für Pferde ...“

Carolin zuckte mit den Schultern. „Paps weiß, dass ich nur mit meinem Pferd komme. Nicht ohne! Und er hat versprochen, alles zu organisieren. Betäubt wird Sternentänzer jedenfalls nicht, soviel steht fest! Das lasse ich nicht zu. Lieber bleib ich hier.“ Sie verdrehte genervt die Augen. „Denke mal, er meldet sich bald.“

„Ohne Sternentänzer macht die Reise ja auch keinen Sinn“, nickte Lina und näherte sich mit großen Schritten der Klassenzimmertür.

Carolin lief ihr nach, legte eine Hand auf ihre Schulter und zog die Freundin zu sich. „Und wenn ich Paps frage, ob er auch noch ein Ticket für dich springen lässt?“

Lina winkte ab. „Nee, lass mal, Caro! Erstens kannst du das nicht von deinem Vater verlangen, das ist viel zu teuer, zweitens erwartet mich Ami zum Unterricht, und drittens wollte irgendwann in den Ferien ja auch Amalia aufkreuzen.“ Beim Hinausgehen hakte sich Lina bei der Freundin unter. „Da musst du allein durch.“

Carolin blies die Backen auf. „Schätze, das werden die spannendsten Sommerferien meines Lebens.“

„Ach nee!“, ertönte hinter ihnen die Stimme von Julia Schlupf. „Was hast du denn vor? Pferdeäpfel zählen? Stall ausmisten?“ Affektiert warf sie ihre langen blonden Haare in den Nacken und klimperte mit ihren langen, schwarz getuschten Wimpern.

Lina wollte sich umdrehen und Julia gleich mit einer passenden Antwort Kontra geben. Doch Carolin hielt sie zurück. „Ey, lass doch die olle Dosensuppe“, raunte sie ihr zu.

„Ich fahr gleich morgen nach Ibiza. Surfen, sonnen, chillen“, prahlte Julia. „Da geht die Post ab. Wer in ist, macht da Ferien! Das wird echt der Megahammer!“ Julias Eltern gehörte die Strumpffabrik Cecilia. Julia war reich, verwöhnt und hochnäsig – daher konnte sie in der Klasse niemand so richtig leiden, außer Heike Fichte, die sie grenzenlos bewunderte, und Viola Glas.

Jetzt war es um Linas Beherrschung doch geschehen. „Ibiza? Erbseneintopf bei dreißig Grad im Schatten wird ganz schön sauer“, prustete sie los.

„Pah!“, machte Julia nur und stiefelte hoch erhobenen Hauptes an den beiden vorbei. An der Art, wie sie ging, konnte man allerdings deutlich erkennen, dass sie keinesfalls so locker war, wie sie tat.

Carolin und Lina wechselten vielsagende Blicke und kicherten. Vor ein paar Wochen hatte Julia tagelang in der Schule von einem genialen Modeljob geprahlt und verkündet, dass in ganz Lilienthal Plakate von ihr hängen würden. Hingen dann auch überall – allerdings nicht ganz so, wie Julia es gerne gehabt hätte. Denn am Ende hatte sich herausgestellt, dass sie für Werbeaufnahmen für eine Dosensuppe gebucht war, und seither hatte sie ihren Spitznamen „Dosensuppe“ weg.

In Schlangenlinien radelte Carolin nach der Schule nach Hause. Einerseits war sie überglücklich, dass endlich Ferien waren, andererseits war da diese Reise. Beinahe bedauerte sie es schon ein wenig, dass sie ihrem Vater angeboten hatte, ihn in Spanien zu besuchen.

Aber andererseits hab ich keine Wahl, überlegte sie, während sie ihr Rad in den Radständer hievte. Ich muss herausfinden, was es mit dieser merkwürdigen Vision auf sich hat, die ich wieder und wieder gesehen habe.

Carolin schloss für einen Moment die Augen und rief sich die Vision wieder in Erinnerung. Felsen, die einen Strand halbkreisförmig begrenzen. Palmen, die sich sacht im Wind bewegen. Hellblaues, klares Wasser, das in schaumgekrönten Wellen ausläuft. Ein langer, feiner Sandstrand, an dem ein wunderschöner Schimmel entlanggaloppiert. Sein mondheller Schweif weht im Wind. Das Pferd hat einen schwarzen Stern auf seiner Stirn. Es ist Sternentänzer. Leicht wie eine Feder jagt er über den Strand. Auf dem Pferd sitzt ein Mädchen. Es ist sie selbst, Carolin. Sie ist barfuß. Das Wasser spritzt hoch bis zu ihren nackten Beinen.

„Caro!“, riss die Stimme ihrer Mutter sie abrupt aus ihren Gedanken. Ines Baumgarten stand in der offenen Haustür und winkte etwas hektisch. „Los, beeil dich, dein Vater ist am Telefon und will dich sprechen.“

Carolin flitzte ins Haus und klemmte sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter. „Hi, Paps.“

„Hi, Caro. Ich wollte mich nur noch einmal vergewissern, ob deine Reise auch wirklich steht.“ Seine Stimme klang etwas unsicher. Kein Wunder, denn bei seinem letzten Besuch in Lilienthal hatte er sich ziemlich unmöglich benommen. Er hatte einen Sorgerechtsprozess losgetreten, den er aber zum Glück verloren hatte. Es gab Momente, da hätte Carolin ihren Vater zum Mond schießen können, ohne Rückfahrkarte.

„Ich hab gesagt, dass ich komme, also komme ich“, erklärte Carolin entschlossener, als sie eigentlich war. Als sie sich von ihrem Vater am Flughafen verabschiedet hatte, hatte sie ihm versprochen, dass sie ihn in den Sommerferien auf Mallorca besuchen würde.

„Gut, gut.“ Kleine Pause. „Ich freu mich, Tochter.“

„Ich bin ziemlich gespannt“, gab Carolin zurück. Sie wollte nicht lügen, denn Freude war auf jeden Fall das falsche Wort für ihre Gefühle. „Du wolltest mir noch schreiben, wie der Transport von Sternentänzer genau abläuft.“

Wieder eine kleine Pause.

„Ohne mein Pferd komm ich nicht, das hab ich dir gesagt“, setzte Carolin nach.

„Ich weiß. Es ist auch bereits alles organisiert. Ich hab’s nur noch nicht geschafft, dir eine Mail mit allen Details zu schreiben. Mach ich spätestens heut Abend“, erklärte Paul.

„Okay, Paps, bis dann.“

„Bis dann, Caro.“

Ines stand mit verschränkten Armen in der Küchentür und beobachtete ihre Tochter. „Deine erste große Reise“, meinte sie dann mit einem wehmütigen Schmunzeln. „Ganz allein, so weit weg.“

„Hm“, nickte Carolin und spürte, wie ihr Herz vor Aufregung ein wenig schneller pochte. „Wenigstens kommt Sternentänzer mit.“

Belustigt schüttelte Ines den Kopf. „Du und dein Pferd ...“

„Wir sind eben unzertrennlich“, ergänzte Carolin, schleuderte ihre Schultasche in die Ecke und spitzte in die Küche. „Gibt’s was zu essen?“

Ines ging in die Küche und deutete auf eine große Schüssel griechischen Bauernsalat. „Hier.“

Carolin setzte sich an den Tisch und packte sich eine Portion auf ihren Teller. „Und die anderen?“

Seit ein paar Wochen lebten Carolin und Ines nicht mehr allein. Ines hatte Dr. Sander, den Tierarzt von Lilienthal, geheiratet und zusammen mit seinem Sohn Thorben waren sie in ein Haus im Ahornweg 16 gezogen. Anfangs war es ein komisches Gefühl gewesen, plötzlich zu viert zu sein. Aber mittlerweile hatte sich Carolin an die beiden gewöhnt und vermisste sie beinahe schon, wenn sie nicht da waren – so wie jetzt.

„Jo muss mit Thorben was erledigen, sie essen in Grünstadt“, erklärte Ines und setzte sich zu Carolin. „Am besten, du nimmst meinen Trolley mit, da passt eine Menge rein, und du kannst ihn ziehen.“

„Ich wollte meinen Rucksack nehmen“, schmatzte Carolin.

Ines runzelte die Stirn. „Da hat doch nie und nimmer dein ganzes Gepäck Platz.“

Carolin grinste. „Mam, ich bin ja nicht du!“ Selbst wenn ihre Mutter nur für zwei Tage verreiste, brauchte sie mindestens einen Koffer und eine Kosmetiktasche. „Ich pack ein paar T-Shirts ein, eine zweite Jeans, Zahnbürste und fertig.“ Carolin schluckte den letzten Rest Salat hinunter und wischte sich mit der Papierserviette den Mund ab. „Deswegen geht das Packen bei mir auch ruck, zuck.“

Ines räumte die Salatschüssel und ein paar verirrte Zwiebeln vom Tisch. „Du fährst in den Süden, Caro. Auf Mallorca hat es im August leicht vierzig Grad und mehr. In deinen Jeans schwitzt du dich zu Tode. Ich würde leichtere Klamotten einpacken und auf jeden Fall eine Kopfbedeckung und Badesachen mitnehmen, wenn ich du wäre.“ Ines holte eine Einkaufstüte und platzierte sie auf dem großen Küchentisch direkt vor Carolins Nase. „Ich hab dir noch ein paar Sachen gekauft, die du auf jeden Fall mitnehmen solltest.“ Sie griff in die Tasche, holte eine sonnengelbe Tube heraus und legte sie auf den Tisch. „Sonnencreme.“ Sie griff wieder hinein und beförderte zwei weitere Tuben nach draußen. „Was gegen Mücken. Und auch was gegen Mückenstiche.“ Erneut ein Griff in die Tüte. „Jod. Und hier hab ich was gegen Durchfall, wenn du das Essen nicht verträgst, und noch was gegen Verstopfung.“ Der nächste Griff in die Tüte. „Hier was gegen Quallen. Und das gegen eine Sommergrippe.“

Sprachlos sah Carolin ihrer Mutter zu. „Mam ...“

Unbeirrt packte Ines weiter aus. „Ohrentropfen und Augentropfen.“

„Mam, aber ich unternehm doch keine Amazonas-Expedition“, warf Carolin schmunzelnd ein. „Und außerdem hatte ich noch nie in meinem Leben Augen- oder Ohrenschmerzen.“

„Das ist ein völlig anderes Klima“, unterbrach Ines sie streng. „Man weiß nie.“

„Aber wenn wirklich was wäre, hat Paps bestimmt auch Mittel.“

„Pah!“, machte Ines. Dabei knüllte sie die Tüte, die endlich leer war, zusammen und steckte sie weg. „Der doch nicht. So verantwortungslos, wie dein Vater ist ... Jedenfalls besteh ich darauf, dass du das mitnimmst, Caro. Alles!“, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

„Aber Mam, allein dafür brauch ich schon einen Koffer“, stöhnte Carolin.

„Meinen Trolley, sag ich doch“, nickte Ines.

Carolin startete noch einen letzten Versuch. „Aber ...“

„Du nimmst das mit und basta!“ Damit rauschte Ines aus der Küche.

Carolin rollte mit den Augen, brachte ihre Schultasche nach oben in ihr Zimmer, schlüpfte in ihre Jeans und radelte nach Lindenhain.

Letzte Reisevorbereitungen

Es war ein sehr warmer Julitag, und ein tiefblauer, wolkenloser Himmel wölbte sich über dem Reiterhof. Die Lindenhain-Pferde waren auf der Koppel – ganz weit oben auf dem Hügel bei den Linden – und grasten friedlich. Die Hofhunde Herr Maier und Carolina dösten faul vor ihrer Hütte in der Sonne. Sternchen, die unternehmungslustigste der Hofkatzen, lag am Ufer des Tümpels auf der Lauer. Carolin parkte ihr Rad neben dem Haupthaus und lief zu Sternchen. Sie ging in die Hocke und strich liebevoll über das weiche tiefschwarze Fell der Katze.

„Na du, meinst du, dass es Mäuse auch im Wasser gibt? Oder hast du es etwa auf Gunnars schweineteure Kois abgesehen?“ Gunnar Hilmer, der Besitzer von Lindenhain, hatte erst kürzlich drei japanische Farbkarpfen in den kleinen Hofteich gesetzt.

Sternchen antwortete mit einem genüsslichen Schnurren.

Carolin schmunzelte vor sich hin. „Ich würde dir dringend raten, die Kois in Ruhe zu lassen. Sonst kriegst du richtig Ärger mit Gunnar!“ Obwohl von den Fischen meist nicht viel mehr als eine Flosse zu sehen war, führte Gunnar seither jeden Morgen sein erster Gang an den Teich. Offenbar hatte er ein inniges Verhältnis zu den neuen Teichbewohnern entwickelt.

„Du kommst gerade richtig.“ Gunnar stand im Hof und winkte. Wie immer trug er einen Cowboyhut und Cowboystiefel.

Carolin eilte auf ihn zu. „Was gibt’s?“

„Ich bin gerade dabei, die Unterlagen für Sternentänzer für die Reise zusammenzustellen und brauch noch die eine oder andere Info.“ Er drehte sich um und stiefelte in sein Büro. Carolin folgte ihm.

Als alle Formalitäten erledigt waren, machte sie sich auf den Weg in den Stall. Wenn sie ganz ehrlich war, wurde ihr immer mulmiger, je näher die Abreise rückte.

Hoffentlich übersteht Sternentänzer alles gut, überlegte sie, während sie die Stalltür öffnete. Sie wandte sich um und blickte hinüber zur Koppel, auf der Sternentänzer bei den anderen Pferden stand. Sein weißes Fell glänzte in der Sonne. Seine mondhelle, seidenweiche Mähne schimmerte wie Seide. Hoffentlich geht unterwegs nichts schief, dachte sie etwas bang, während sie dann den Stall betrat. Ob es auf Mallorca wohl Gras gibt? Bei vierzig Grad ist doch bestimmt alles verdörrt. Und was ist mit Hafer? Oder Leckerli?

Carolin öffnete Sternentänzers Box. Ob Paps überhaupt einen Platz für ihn hat? Bestimmt ist seine Finca nicht so groß. Und viel Geld hat er ja auch nicht. Oh Mann! Carolin fuhr sich mit beiden Händen durch ihre kurzen braunen Haare. Es gibt so vieles, woran ich vorher noch gar nicht gedacht habe. Etwas unschlüssig stand sie eine Weile in der Box.

Dann packte sie einen der Hafersäcke, die in der Ecke lagen, und verschwand damit in der Vorratskammer. Mit einer Hand hielt sie den Sack auf, mit der anderen füllte sie zuerst etwas Hafer hinein, dann einige Handvoll Leckerli.

„Da steckst du!“ Ferdi kam herein. Ferdinand Reifenbach war Carolins Freund. Eigentlich stammte er aus Berlin. Doch als er sich vor einer ganzen Weile schon in Carolin verliebt hatte, war er in das Gästehaus auf Lindenhain gezogen. Mit Pferden hatte er eher wenig am Hut, seine große Leidenschaft war das Eishockeyspielen. Ferdi hatte kurze blonde Haare, hellblaue Augen und ein Lausbubengrinsen.

„Ich hab dein Fahrrad gesehen und dich schon überall gesucht.“ Mit einem Schmunzeln musterte er Carolin mit dem Hafersack. „Was machst du denn da?“

„Packen“, erklärte Carolin und füllte weiter Leckerli in den Sack.

Ferdi sah sie etwas verständnislos an. „Wie bitte?“

„Für Sternentänzer.“

„Aha“, machte Ferdi und grinste.

Carolin ließ sich nicht beirren. „Wer weiß, ob es so was auf Mallorca gibt.“

Ferdis Grinsen wurde immer breiter. „Also, ich würde auch noch Äpfel und Karotten mitnehmen.“

„Tu ich auch“, bestätigte Carolin. „Aber die besorg ich erst kurz vorher, dann bleiben sie länger knackig.“

Ferdi prustete los. „Caro, ich hab das doch als Scherz gemeint.“

„Mir ist es ernst“, erklärte Carolin ungerührt und füllte weiter den Sack.

„Caro“, begann Ferdi schmunzelnd. „Auf Malle gibt es sowohl Karotten als auch Äpfel. Du reist ja nicht ins wilde Kurdistan.“

Carolin sah ihn unschlüssig an. „Sicher?“

Ferdi nickte. „Ganz sicher.“

Carolin deutete auf ihren Sack. „Und Hafer?“

„Auch Hafer.“

„Hm.“ Carolin zog eine Grimasse. „Aber bestimmt nicht die Leckerli, die Sternentänzer am liebsten frisst.“

Immer noch grinsend zuckte Ferdi die Schultern. „Das kann ich dir nicht sagen.“

„Also gut.“ Carolin nahm den Sack und kippte den Hafer wieder zurück. „Aber seine Leckerli pack ich auf jeden Fall ein.“

Ferdi legte den Arm um sie und drückte sie an sich. „Ich werd dich vermissen, Carolinchen.“

Carolin legte den Kopf gegen seine Schulter. „Ich dich auch“, murmelte sie. „Wahrscheinlich wird es voll langweilig, und ich bin froh, wenn ich wieder zu Hause bin.“ Doch da sollte sie sich gewaltig irren.

Wie versprochen hatte Carolin am nächsten Morgen eine Mail von ihrem Vater in ihrem Posteingang. Gleich nach dem Aufstehen hatte sie ihren Computer hochgefahren und klickte nun – mit der Zahnbürste im Mund – den Umschlag auf. Dabei umschloss sie die Zahnbürste fest mit ihren Lippen, um keine Zahnpastaspuren auf der Tastatur zu hinterlassen.

„Buenos días, Caro! Das heißt „Guten Tag“ auf Spanisch, so sagt man hier. Alles paletti, Deine Reise ist organisiert. Und auch für Dein Pferd liegt mir die Transportbestätigung vor. Die Firma, mit der es reist, heißt Horse Transport. Es wird noch heute, so gegen zwölf Uhr, auf Deinem Reiterhof abgeholt, in einen speziellen Anhänger verladen und damit auf die Insel gebracht. Und Du fliegst übermorgen Mittag um zwei mit Air Malle nach Palma de Mallorca, dort hole ich Dich dann ab. Dein Ticket erhältst Du am Flughafen, die Reservierungsnummer lautet: AM 545857. So sieht’s aus, Tochter. Wir beide sehen uns bald. Ich freu mich auf Dich. Hasta la vista, also bis bald! Dein Vater.“ Carolin klickte die Mail weg und wischte mit dem Schlafanzugärmel die Zahnpastaspuren von der Tastatur, die sie trotz aller Vorsicht hinterlassen hatte. Dann eilte sie ins Bad und spülte ihren Mund aus. Sie hob den Kopf und blickte ihrem Spiegelbild entgegen. „Bald bist du also auf Mallorca, Carolin Baumgarten“, murmelte sie und zwinkerte sich aufmunternd zu.

„Sag mal, Caro, hat er sich endlich gemeldet? Typisch dein Vater, bis zur letzten Minute weiß man nichts Genaues!“ Ines platzte in heller Empörung in die offene Badezimmertür.

Carolin stellte ihre Zahnbürste wieder an ihren Platz. „Gerade eben kam eine Mail von ihm.“

„Echt typisch, auf den letzten Drücker! Und?“, drängelte Ines.

„Übermorgen Mittag um zwei geht mein Flug.“

„Er hätte uns die genauen Abflugdaten schon längst mitteilen können“, schimpfte Ines noch. Mit einem Mal wurde ihr Gesichtsausdruck etwas traurig. „Irgendwie ist mir gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass du allein nach Mallorca fliegst“, murmelte sie. „Was da alles passieren kann!“