Sternentänzer, Band 4 - Caro unter Verdacht - Lisa Capelli - E-Book

Sternentänzer, Band 4 - Caro unter Verdacht E-Book

Lisa Capelli

0,0

Beschreibung

Auf Reiterhof Lindenhain ist die Hölle los. Erst verschwindet das Zaumzeug der Stute Merhaba, dann erschreckt jemand mitten in der Nacht die Pferde mit Silvesterkrachern und schließlich wird auch noch das dicke Shetlandpony Sophia vergiftet. Und zu allem Unglück vermutet die Polizei ausgerechnet Caro hinter diesen Anschlägen. Denn warum sollte eine Mädchen wie sie ausgerechnet nachts mit ihrem Pferd ausreiten? Eine aufregende Suche nach dem wahren Täter beginnt, in der Caro schmerzhaft lernen muss, echte von falschen Freunden zu unterscheiden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 179

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



In der Buchreihe „Sternentänzer“ sind bisher erschienen:

Band 1:   Das Rätsel um den weißen Hengst,

Band 2:   Das geheimnisvolle Mädchen

Band 3:   Weißer Hengst in Gefahr

Band 4:   Caro unter Verdacht

Band 5:   Rettung für Lindenhain

Band 6:   Bedrohung für den weißen Hengst

Band 7:   Letzter Auftritt des weißen Hengstes?

Band 8:   Der unheimliche Pferdehof

Band 9:   Zeit der Entscheidung

Band 10: Hoffen und Bangen in Lilienthal

Band 11: Silbersterns Geheimnis

Band 12: Abschied mit Folgen

Band 13: Caro und das Mädchen im Moor

Band 14: Ponys in Not

Band 15: Eine rätselhafte Vision

Band 16: Das Geheimnis der Schlossruine

Band 17: Caro und die weiße Stute

Band 18: Die Botschaft des weißen Hengstes

Band 19: Achterbahn der Gefühle

Band 20: Die geheimnisvollen Briefe

Band 21: Eine unglaubliche Entdeckung

Band 22: Ein verhängnisvolles Erbe

Band 23: Geister aus der Vergangenheit

Band 24: Die Magie des weißen Hengstes

Band 25: Voller Einsatz für Lina

Band 26: Verwirrung des Herzens

Band 27: Caro und das Geheimnis der alten Frau

Band 28: Aufregung um Stute Aziza

Band 29: Eine Reise voller Überraschungen

Band 30: Caro und der rätselhafte Dieb

Band 31: Der Eisprinz und die große Liebe

Band 32: Ein unglaublicher Verdacht

Band 33: Die verschwundenen Ponys

Band 34: Caro gibt nicht auf

Band 35: Gefährliche Zeiten auf Lindenhain

Band 36: Feuerprobe für die Liebe

Band 37: Wo ist Sternentänzer?

Sternentänzer

Caro unter Verdacht

Lisa Capelli

Band 4

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sternentänzer, Band 4 – Caro unter Verdacht5. aktualisierte Auflage © 2009 by Panini Verlags GmbH,Rotebühlstraße 87, 70178 StuttgartAlle Rechte vorbehalten

Chefredaktion: Claudia WeberRedaktion: Sonja WittlingerLektorat: Judith WenkUmschlag: tab indivisuell, StuttgartFotos: ©Juniors Bildarchiv; mauritius imagesSatz: Greiner & Reichel, KölnISBN: 978-3-8332-1029-7eISBN: 978-3-8332-3085-1

www.panini.de

Caro unter Verdacht

In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.

Was gibt es Schöneres als ein Fohlen?

„Guten Morgen, süßes Silbersternchen“, wisperte Carolin liebevoll. Vorsichtig streichelte sie über die Nüstern des schwarzen Hengstfohlens, als würde sie etwas Zerbrechliches berühren. Sie saß in einer Box des Pferdehofs Lindenhain auf frischem Stroh und hatte nur Augen für Sternentänzers kleinen Sohn. Beim Anblick des Fohlens auf seinen langen Beinchen spürte sie immer, wie eine warme Welle sie durchströmte. Zwar war es schon seit ein paar Monaten auf der Welt und wurde auch gut von Cinderella, der Mutterstute, beschützt. Dennoch hatte Carolin ständig das Bedürfnis, für das junge Tier da zu sein. Seit es in jener Vollmondnacht geboren worden war, wollte Carolin am liebsten Tag und Nacht im Stall auf Lindenhain verbringen. Das ging leider nicht, denn sowohl ihre Mutter, als auch ihr Klassenlehrer, Armin Pfefferbeißer, würden heftig protestieren. Wenn nur die Schule nicht wäre! Dann hätte sie wesentlich mehr Zeit. So aber musste Carolin den frühen Morgen vor Unterrichtsbeginn nutzen, um mit Silberstern zusammen sein zu können.

„Ihhh, das kitzelt!“, prustete sie, als Silberstern ganz sacht über ihre Hand schnüffelte.

Doch das Fohlen ließ sich nicht stören und machte fröhlich weiter. Schließlich durften auch Tierkinder den lieben langen Tag spielen!

Auf einmal stiefelte jemand in den Stall und unterbrach die Schmusestunde. Es war Nick, der Mann für alles auf dem Reiterhof Lindenhain und fast so etwas wie ein großer Bruder für Carolin. Sein Overall stand vor Dreck. Der Neunzehnjährige sah aus, als sei er vor kurzem in den Misthaufen vor dem Stall gefallen.

„Heute Nachmittag soll’s ja nun losgehen“, sagte er unvermittelt.

„Was denn losgehen?“, wunderte sich Caro. Sie gähnte. Ihr Wecker hatte schon um fünf Uhr geklingelt. Eine Uhrzeit, zu der Carolin niemals aus dem Bett kommen würde, wenn es nicht um Pferde ging.

Nick versenkte seine Hände in den schmuddeligen Overall-Taschen. „Na, die Kinder vom Landschulheim kommen!“

„Ach ja. Heute schon?“, murmelte Caro, ohne die Hand von den samtweichen Nüstern des Fohlens zu nehmen. Seit es Silberstern gab, hatte sie sich um den Rest des Hofes nicht mehr allzu sehr gekümmert.

Nick pickte einen Strohhalm auf und kaute darauf herum. „Ja. Der Probedurchlauf für den Reiterhof beginnt. Es wird ernst. Gunnar ist tierisch aufgeregt. Kein Wunder, schließlich musste er sich etwas einfallen lassen, um die vielen Karöttchen und Äpfelchen auch in Zukunft bezahlen zu können. Und wenn sein Plan nicht aufgeht …“ Er runzelte die Stirn. „Dann möchte ich echt nicht in seiner Haut stecken.“

„Meinst du, Gunnar muss dann dichtmachen?“, erkundigte sich Carolin besorgt.

Nick zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, wollen wir mal hoffen, dass alles rund läuft.“

„Wie viele kommen denn?“, wollte Caro wissen.

Nick spuckte den Strohhalm aus. „Was meinst du, Kinder?“

„Wieso Kinder? Ich dachte, die sind alle so alt wie ich?“

„Ja, und was bist du denn mit deinen mickrigen 14 Jährchen anderes?“

„Na warte!“ Blitzschnell bückte sich Carolin, packte einen klatschnassen Schwamm aus dem Eimer neben Silberstern und warf ihn mit aller Kraft in Richtung Nick.

Der erwischte ihn zwar gerade noch im Flug, doch der Schwamm spritzte und Nick sah jetzt aus wie ein geduschter Pudel. „Na warte!“, drohte er und stürzte in Richtung Eimer. „Das zahl ich dir heim, du Biest!“

„Geht nicht!“, kicherte Carolin und drückte sich blitzschnell an ihm vorbei. „Ich muss in die Schule!“

„Mir doch egal!“ Nick griff sich den Schwamm.

Lachend rannte sie aus dem Stall.

Bevor Carolin mit ihrem Rad vom Hof fuhr, blickte sie noch einmal kurz zurück auf ihren geliebten Reiterhof. Hier in Lindenhain hatte sie schon viele glückliche, aber auch traurige Stunden mit Sternentänzer, ihrem Pferd, erlebt.

Inzwischen sah der Hof ganz anders aus als damals, als sie Sternentänzer kennen gelernt hatte. Rechts neben dem Haupthaus erhob sich jetzt das neue zweistöckige Gästehaus mit rot-weiß gestrichenen Fensterläden, einer Veranda und einer hübschen Terrasse. Es sah einladend und freundlich aus. Dort sollten ab heute die ersten Kinder aus einem Landschulheim wohnen. Gunnar hatte sie zu einem mehrwöchigen Reitprogramm eingeladen. Das war sozusagen ein Probelauf: Denn Gunnar Hilmer, der Besitzer von Lindenhain, hatte große Zukunftspläne. Aus dem kleinen Anwesen wollte er einen Ferienreiterhof machen. Und wenn das mit der Landschulheimgruppe klappte, dann sollten zukünftig auch andere und vor allem mehr Kinder kommen, um Ferien zu machen. Gunnar machte das alles nicht ganz freiwillig, sondern aus finanziellen Gründen. In der letzten Zeit hatte nämlich nur noch Ebbe in der Kasse geherrscht. Neben dem Gästehaus hatte Gunnar zudem ein paar neue Außenboxen bauen lassen, denn der Stall platzte mittlerweile aus allen Nähten. Und wenn das Programm mit der ersten Gruppe gut funktionierte und später auch genug Feriengäste kämen, dann brauchte Lindenhain sowieso noch mehr Pferde.

Carolin rollte hinüber zur Koppel. Sie lehnte sich mitsamt ihrem Rad für einen Moment gegen den seit kurzem weiß gestrichenen Zaun und atmete tief ein. Von diesem Geruch nach Lindenblüten, Gras und Pferden konnte sie nicht genug bekommen.

Vor ihr erstreckte sich die Weide. Es war ein herrlicher Morgen mit einem klaren, im Osten rosa gefärbten Himmel. Über der Grasfläche, begrenzt von dicken, knorrigen Linden auf der Anhöhe und dem angrenzenden sattgrünen Land, lag Nebel wie ein hauchdünner Schleier. Aus diesem Dunst tauchte nun ein weißer Hengst mit wehender, seidiger Mähne auf. In seinem anmutigen tänzerisch-eleganten Galopp sah er fast aus, als würde er fliegen. Dieses herrliche Pferd war tatsächlich ihres! Bei dem Gedanken stockte Carolin immer noch der Atem. Sie sah Sternentänzer nach bis er wieder im Nebel verschwunden war, dann fuhr sie los.

Gerade als sie durch die große Toreinfahrt radelte und in die Straße einbog, schob sich auf einmal eine dichte graue Wolke über die helle Morgensonne. Carolin fröstelte und eine leise Ahnung stieg in ihr auf. Als würde in ihrem Leben bald nichts mehr so sein, wie es jetzt noch war …

Das fing ja gut an!

„Zack, zack, Leute, Hefte raus! Und du, Carolin, an die Tafel!“

Na toll. Carolin erhob sich von ihrem Stuhl und ging nach vorn.

„Dann wollen wir mal den Stoff der letzten Stunde zusammenfassen, bitteschön, Fräulein Baumgarten!“ Armin Pfefferbeißer hatte ganz offensichtlich glänzende Laune. Seine braunen Augen funkelten hinter den Brillengläsern wie die eines angriffslustigen Tigers. Außerdem fummelte er ständig an seiner Krawatte herum. Bei näherem Hingucken war Carolin auch klar, warum. Ein dottergelber Fleck prangte mitten auf dem blau-weißen Muster. Es sah aus, als sei das Frühstücksei auf der Krawatte gelandet. Carolin musste grinsen und dachte: Stress am Frühstückstisch und wir dürfen es ausbaden.

„Was ist jetzt?“ Pfefferbeißer trommelte ungeduldig mit einem Lineal auf den Tisch.

„Ähm …“ Caro sah sich hilflos um. Wer konnte ihr jetzt helfen? Ihr Blick blieb an Lina hängen, doch die zuckte auch nur ratlos die Achseln. Manchmal vergaß Carolin, dass Lina erst vor zwei Jahren nach Lilienthal gekommen war. Zusammen mit ihrer Familie, die von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zog und Kräuterbonbons und Liköre verkaufte. Auch daran, dass ihr Lina anfangs gar nicht sympathisch gewesen war, mit ihren weiten Röcken, den derben Schuhen und den wilden Haaren, dachte Caro nicht mehr. Inzwischen war Lina ihre beste Freundin geworden.

Sogar ihre Locken sahen in Caros Augen wunderschön aus, obwohl sie an sich selbst solche Zotteln hasste. Sie sorgte dafür, dass ihre Haare immer rechtzeitig abgeschnitten wurden. Kurze Haare waren einfach praktischer wenn man mit Pferden zu tun hatte.

„Carolin, ich warte!“, keifte Pfefferbeißer.

Suchend blickte Caro durch die Reihen. Die ehemals pummelige Tina, die zwischendurch für kurze Zeit spindeldürr wie ein Fotomodell gewesen war, aber inzwischen schon wieder ein paar Speckschichten zugelegt hatte, drehte die Augen zur Decke des Klassenzimmers. Die hübsche Julia beschäftigte sich so intensiv mit ihren sorgfältig manikürten Fingernägeln, als wolle sie sie hypnotisieren. Heike, die seit ein paar Tagen kurze mahagonirote Haare hatte, zog den Kopf so weit ein, dass die Ohren zur Hälfte in ihrem Rollkragenpulli verschwanden. Luisa spitzte einen Stift nach dem anderen, als wollte sie dafür ins Guiness-Buch der Rekorde kommen. Offensichtlich war Caro also nicht die einzige Unwissende im Klassenzimmer. Nur leider machte das die unbehagliche Situation vor der leeren Tafel nicht erträglicher.

„Unsere liebe Carolin hat keine Ahnung, keinen blassen Schimmer von unserem Unterrichtsstoff“, bemerkte Pfefferbeißer mit Nachdruck und ließ das Lineal in seine Handfläche klatschen. „Dann setz dich mal wieder hin. Mit hängendem Kopf trottete Carolin zu ihrer Bank zurück. Er hatte ja Recht. Genaugenommen saß sie in der Schule jeden Tag die Stunden ab, bis es endlich wieder so weit war, dass sie nach Lindenhain konnte. Ich muss mir was einfallen lassen, dachte sie, als sie wieder an ihrem Platz saß. Zum Glück waren ihre Noten noch einigermaßen akzeptabel, doch schlechter sollten sie nicht werden.

Pfefferbeißer spähte auf der Suche nach einem neuen Opfer umher. „Lina, komm du bitte nach vorne!“

Als Lina ebenso hilflos wie Carolin vor der Tafel stand und mit den Schultern zuckte, schickte Pefferbeißer auch sie zurück an ihren Platz und schrieb seufzend den Stoff eigenhändig an die Tafel.

„Bin ja mal gespannt, wie die Leute vom Landschulheim so drauf sind“, meinte Carolin, als sie neben Lina nach der Schule in Richtung Lindenhain radelte. Ihre beste Freundin liebte Pferde ebenso wie sie und verbrachte genau wie Carolin jede freie Minute auf dem Reiterhof.

Lina zog eine Grimasse. „Hoffentlich ist keine ‚ich-hab-die-schicksten-Klamotten-und-Papa-kauft-mir-zu-Weihnachten-sowieso-ein-Pferd-Julia‘ dabei.“

Carolin grinste. Sie wusste, was Lina meinte. Julia aus ihrer Klasse war zwar ganz nett, aber ziemlich verwöhnt und öfter mal zickig. Sie und Lina hielten deswegen Abstand zu ihr.

„Können die vom Landschulheim eigentlich schon reiten?“, erkundigte sich Lina.

Caro zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, ich hab mich in letzter Zeit nur noch mit Silberstern beschäftigt.“

Lina seufzte. „Er ist ja auch so süß und kuschelig. Am liebsten würde man ihn ständig knuddeln. Mist. Wart mal kurz, Caro.“ Sie hielt an, zog einen Gummi aus ihrer Jackentasche und band ihre Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Mensch, irgendwann schneide ich mir den ganzen Wust ab“, fluchte sie. „Streichholzkurz, so wie du.“

Carolin kurvte mit dem Rad um Lina herum. „Aber sein Geheimnis haben wir immer noch nicht gelüftet.“

„Was meinst du?“ Lina war immer noch mit dem Gummi beschäftigt.

„Na, Silbersterns Geheimnis. Ob er wie Sternentänzer die besondere Gabe hat!“, entgegnete Carolin, während sie versuchte, auf dem Rad die Balance zu halten. Denn ihr Sternentänzer war ein ganz besonderes Pferd. Wer in einer Vollmondnacht auf seinem Rücken ritt, konnte ihm eine Frage nach der Zukunft stellen. Zu wem Sternentänzer Vertrauen hatte, dem gab er eine Antwort. Noch nie hatte er sich geirrt!

Lina grub erneut in ihrer Jackentasche. Diesmal zog sie zwei Lutscher raus.

„Magst du? Himbeer oder Cranberry?“

Carolin bremste und griff zu. „Himbeer. Danke!“

„Wenn Sternentänzers Gene sehr stark sind, müsste sein Sohn Silberstern aller Wahrscheinlichkeit nach die gleiche Gabe haben. Dann müsste der süße Kleine auch in die Zukunft blicken können“, überlegte Lina, während sie ihren Lutscher auswickelte.

„Ich wünschte, ich wüsste, wie man das jetzt schon herausfinden kann“, seufzte Caro, während sie ihren Himbeerlolly in den Mund schob. „Bis Silberstern so groß ist, dass ich in einer Vollmondnacht auf ihm reiten kann, bin ich doch schon steinalt.“

Lina stieg wieder auf ihr Rad. „Weißt du, was meine Ami jetzt sagen würde?“

Carolin trat kräftig in die Pedale. „Was würde deine weise und komplett verrückte Großmutter denn wohl sagen?“

Lina grinste vergnügt und ahmte die tiefe Stimme ihrer Großmutter nach. „Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du es herausfinden.“

Carolin verzog die Miene in gespielter Verzweiflung. „Na super, und bis dahin sterbe ich vor Neugier.“

Lina kicherte. „So lange können wir uns ja mal die Kids vom Landschulheim anschauen.“

Einträchtig lutschend fuhren sie nebeneinander her.

Neue Gesichter auf Lindenhain

Als Carolin und Lina auf dem Reiterhof ankamen, hatte das Wetter umgeschlagen. Ein kühles Lüftchen wehte und am Himmel hingen dicke Wolken. Die Pferde waren alle auf der Wiese und weideten friedlich. Sie waren sichtlich erleichtert, dass die große Hitze des Sommers vorbei war. Ständig hatten sie mit den Schweifen wedeln, mit den Ohren zucken oder den Kopf schütteln müssen, um sich vor Mücken, Bremsen und Schnaken zu schützen. Manchmal waren alle wie wildgeworden über die Weide galoppiert. Da war der nahe Herbst willkommen.

Neben dem Stall standen vier Kinder vom Landschulheim aufgereiht wie die Orgelpfeifen vor Nick und hörten ihm andächtig zu.

„Sie sind schon hier“, stellte Carolin beiläufig fest, als sie ihr Rad abstellte.

Da hatte Nick sie beide auch schon entdeckt und winkte sie zu sich her. „Caro, Lina, ihr kommt genau richtig zur Begrüßung.“

Zur Feier des Tages hatte er sich richtig schick gemacht. Statt seines verdreckten Overalls und den mit Mist verklebten Gummistiefeln trug er Jeans, einen dunkelblauen Rollkragenpullover und braune Sneakers. Die Spitzen seiner blonden Haare hatte er mit Gel in die Höhe gekämmt. Sogar frisch rasiert war er und ein leichter Hauch von Rasierwasser lag in der Luft. Carolin und Lina zwinkerten sich heimlich zu.

„Man könnte meinen, Nina käme zu Besuch“, kicherte Carolin. Nina war Nicks Freundin. Doch im Moment lag ihre Beziehung auf Eis, weil sich Nina nicht dazu durchringen konnte, endgültig mit ihrem alten Freund Schluss zu machen. Das bereitete Nick ziemliche Magenschmerzen. Er redete nicht gern darüber.

Mit einer Kopfbewegung wies er jetzt auf die beiden Mädels. „Diese beiden kichernden Hühner sind Caro und Lina. Normalerweise sind sie total in Ordnung und unsere besten Helferinnen. Wenn’s um Pferde geht, macht ihnen so schnell niemand was vor. Ach, und Caro ist die stolze Besitzerin eines Prachtschimmels namens Sternentänzer.“ Er machte eine Pause und sah von einem zum anderen. „Dann stellt euch doch am besten alle mal vor.“

Ein Mädchen mit kurzen, strohblonden Haaren, jeder Menge Sommersprossen im Gesicht und einem lustigen Grinsen machte den Anfang. „Hi, ich bin Kerstin und schon öfter mal geritten.“

„Ich heiße Konrad, für meine Freunde und für euch Conny, und Pferde kenne ich aus Filmen und TV-Serien.“ Conny hatte kurze rötliche Igelhaare, trug eine

Nickelbrille und sah fast ein bisschen aus wie Harry Potter.

„Ich bin Giulia. Pferde finde ich toll und ich würde gerne richtig gut reiten lernen.“ Giulia hatte dunkelblonde Haare, blaue Augen und ein engelhaft sanftes Gesicht.

„Deborah“, stellte sich die Letzte vor. Sie hatte dunkelbraune Haare und trug Kleider, auf denen das Markenzeichen deutlich zu sehen war. Außerdem war sie stark geschminkt und trug mehrere Ringe sowie Kreolen in den Ohren.

„Und weiter?“, fragte Nick.

„Nichts weiter.“ Deborah verzog ihren rotgeschminkten Mund. „Oder doch: Ich hasse es, wenn man mich Debbie nennt!“

„Was ist mit Pferden?“

„Was soll schon sein mit Pferden? Ich bekomme mein eigenes Reitpferd. Zum Geburtstag.“

Caro und Lina sahen sich an und kicherten erneut los.

„Dein eigenes, gut“, nickte Nick. „Aber hast du schon Erfahrung mit Pferden?“

„Natürlich nicht, würde ich sonst hier rumhängen?“, gab Deborah unfreundlich zurück.

„Alles klar.“ Nick sah auf seine Liste. „Ihr seid fünf. Da fehlt doch noch … genau: Danny Martens.“ Nick sah sich um. „Wo ist denn der?“

In diesem Moment kam ein Junge über den Hof geschlendert. Die Hände hatte er tief in seine Cargo-Hosen versenkt, auf seinem Kopf standen stoppelige blonde Haare und im Gesicht hatte er ein freundliches Grinsen.

Nick schlug ihm zur Begrüßung auf die Schulter. „Du musst Danny sein.“

„Bingo.“ Danny gab allen nacheinander die Hand. Zuerst Nick. Dann Carolin.

„Hi.“

Mit himmelblauen Augen sah er sie an. Genauer gesagt waren es Augen in der Farbe eines satten Augusthimmels unter langen schwarzen Wimpern. Carolin hielt unwillkürlich den Atem an und brachte keinen Ton mehr heraus. Plötzlich hatte sie das Gefühl, die Welt stünde still. In ihrem Hals steckte ein Kloß. Zum Glück sprang Lina ein, die neben ihr stand. „Hi, Danny. Ich bin Lina und das ist Caro.“

„Hi“, presste Carolin heraus und spürte, wie sie errötete.

„Hi Caro!“ Danny lächelte sie an und Caro wurde warm ums Herz.

„So, dann wollen wir mal.“ Nick drückte jedem einen Putzkasten in die Hand. Darin lagen ein Mähnenkamm, ein Hufkratzer, eine Bürste, eine Wurzelbürste und ein Schwamm.

Deborah nahm ihren Kasten in Empfang und rümpfte sofort die Nase.

„Ihhhh, der ist ja voll verdreckt!“

„Naja“, meinte Nick. „Klinisch sauber geht es auf einem Pferdehof eben nicht zu, da hast du Recht. Aber glaub mir, man gewöhnt sich schnell daran. Zuerst mal zeig ich euch, wie man ein Pferd striegelt!“

„Aber da werden meine Klamotten ja bestimmt schmutzig“, befürchtete Deborah.

„Das kann schon sein“, bestätigte Nick. „Daher hatten wir euch ja eigentlich geraten, für die Tage bei uns besser eure älteren Sachen anzuziehen.“

Deborah zog eine Grimasse. „Ich hab keine alten Klamotten.“

Nick überlegte einen Moment. „Du bekommst von mir eine Schürze, dann geht das schon. Okay?“

Als Deborah mehr oder weniger zustimmend die Schultern zuckte, kommandierte Nick mit Augenzwinkern: „Alle mir nach!“ und marschierte los in Richtung Stall. Die Kinder vom Landschulheim trabten im Gänsemarsch hinterher.

Carolin und Lina blieben zurück und sahen der Gruppe nach.

„Scheinen ja alle ganz nett zu sein“, stellte Lina fest.

„Hm“, machte Carolin gedankenverloren.

„Bis auf diese Deborah.“ Lina drehte die Augen zum Himmel.

„Ich hab’s ja geahnt. Es geht nicht ohne Zicken! Los!“ Lina knuffte Carolin in die Seite. „Lass uns mal sehen, was Nick mit denen so anstellt.“

Der war gerade im Stall dabei, den Neuankömmlingen zu zeigen, wie man ein Pferd sattelt, den Gurt um den Bauch stramm zieht und die Steigbügel nach unten rutschen lässt. Er machte auch gleich vor, wie man Zügel und Füße halten muss.

Die Fuchsstute Shania diente als Vorführpferd. Allmählich wurde sie schon ungeduldig und scharrte mit den Hufen.

„Dann kommen wir jetzt mal zur Pferdepflege.“ Nick befreite Shania von Gurt und Steigbügeln.

„Reiten ist nicht nur Spaß, sondern bedeutet auch Verantwortung für das Pferd. Man muss es täglich pflegen! Um den Körper zu säubern dürft ihr die Kardätsche und auch eine Wurzelbürste nehmen. Für den Kopf braucht ihr eine weichere Bürste, denn der ist empfindlicher. Der Schweif wird gekämmt. Es ist gar nicht so einfach, denn die Haare sind ziemlich durcheinander. Das wollen wir jetzt mal ausprobieren. Deborah, du machst den Anfang!“, befahl Nick.

Gelangweilt zerrte Deborah den Kamm durch die Schweifhaare. Prompt zuckte Shania zusammen.

Ärgerlich nahm Nick den Kamm aus Deborahs Hand. „So geht das nicht! Wenn deine Haare verwurstelt sind und jemand fährt einfach gnadenlos durch, dann tut dir das auch weh!“

Er reichte den Kamm weiter an Conny. Von unten beginnend zog der den Kamm immer wieder durch die Haare und entwirrte sie so vorsichtig.

„Was passiert eigentlich mit kranken Pferden?“, erkundigte er sich dabei.

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“, fragte Nick.

„Nur so, hat mich immer schon mal interessiert. Werden die geschlachtet?“

Die anderen Kinder guckten neugierig.

Nick schaute spitzbübisch drein. „Ja, das werden sie. Und kleine Jungs, die doofe Fragen stellen, auch!“

Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.

Noch eine ganze Weile sahen Carolin und Lina den Kindern vom Landschulheim beim Striegeln und Bürsten zu. Dann verabschiedete sich Caro: Sie wollte mit Sternentänzer ausreiten.

Der weiße Hengst bewegte sich locker und schien fast zu tanzen. Spielerisch setzte er die Hufe auf. Carolin ließ ihm die Zügel lang, denn sie vertraute dem Pferd blind. Nun ging es in den Galopp. Lauthals jauchzend jagte sie auf Sternentänzers Rücken über die Felder und genoss jede Bewegung seines edlen Körpers. „Jipppiiiiiiieee-yeahhhh!!!“, schrie Carolin gegen den Wind. Es tat gut, sorglos dahin reiten zu können! Nach all der Angst: Zuerst um Sternentänzer, als ihn Frank Stone, sein früherer Besitzer, in einem Schuppen im Wald versteckt gehalten hatte. Dann wegen der Entführung der Stute Cinderella und deren Fohlen Silberstern, das die Geburt beinahe nicht überlebt hätte. Doch jetzt war alles gut.