Sternentänzer, Band 7 - Letzter Auftritt des weißen Hengstes? - Lisa Capelli - E-Book

Sternentänzer, Band 7 - Letzter Auftritt des weißen Hengstes? E-Book

Lisa Capelli

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Beschreibung

Auf Reiterhof Lindenhain wird ein Film gedreht. Anfangs findet das Caro gar nicht toll, bis sie und Sternentänzer eine Rolle darin angeboten bekommen. Doch plötzlich verhält sich der weiße Hengst merkwürdig. Caro macht sich große Sorgen. Ist Sternentänzer krank? Oder wird er von jemandem aus dem Filmteam bedroht? Auch Caros beste Freundin Lina ist nicht wieder zu erkennen - und zu Hause geht alles drunter und drüber. Welche Rolle spielen der neue Tierarzt und sein Sohn? Und können sie dabei helfen, Sternentänzer zu retten?

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In der Buchreihe „Sternentänzer“ sind bisher erschienen:

Band 1:   Das Rätsel um den weißen Hengst

Band 2:   Das geheimnisvolle Mädchen

Band 3:   Weißer Hengst in Gefahr

Band 4:   Caro unter Verdacht

Band 5:   Rettung für Lindenhain

Band 6:   Bedrohung für den weißen Hengst

Band 7:   Letzter Auftritt des weißen Hengstes?

Band 8:   Der unheimliche Pferdehof

Band 9:   Zeit der Entscheidung

Band 10: Hoffen und Bangen in Lilienthal

Band 11: Silbersterns Geheimnis

Band 12: Abschied mit Folgen

Band 13: Caro und das Mädchen im Moor

Band 14: Ponys in Not

Band 15: Eine rätselhafte Vision

Band 16: Das Geheimnis der Schlossruine

Band 17: Caro und die weiße Stute

Band 18: Die Botschaft des weißen Hengstes

Band 19: Achterbahn der Gefühle

Band 20: Die geheimnisvollen Briefe

Band 21: Eine unglaubliche Entdeckung

Band 22: Ein verhängnisvolles Erbe

Band 23: Geister aus der Vergangenheit

Band 24: Die Magie des weißen Hengstes

Band 25: Voller Einsatz für Lina

Band 26: Verwirrung des Herzens

Band 27: Caro und das Geheimnis der alten Frau

Band 28: Aufregung um Stute Aziza

Band 29: Eine Reise voller Überraschungen

Band 30: Caro und der rätselhafte Dieb

Band 31: Der Eisprinz und die große Liebe

Band 32: Ein unglaublicher Verdacht

Band 33: Die verschwundenen Ponys

Band 34: Caro gibt nicht auf

Band 35: Gefährliche Zeiten auf Lindenhain

Band 36: Feuerprobe für die Liebe

Band 37: Wo ist Sternentänzer?

Sternentänzer

Letzter Auftritt des weißen Hengstes?

Lisa Capelli

Band 7

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sternentänzer, Band 7 – Letzter Auftritt des weißen Hengstes?2. Auflage© 2009 by Panini Verlags GmbH,Rotebühlstraße 87, 70178 StuttgartAlle Rechte vorbehalten

Chefredaktion: Claudia WeberRedaktion: Sonja WittlingerLektorat: Helga KronthalerUmschlag: tab indivisuell, StuttgartFotos: © mauritius images; SorrelSatz: Vanessa Buffy, MannheimISBN: 978-3-8332-1194-2eISBN: 978-3-8332-3088-2

www.panini.de

Letzter Auftritt des weißen Hengstes?

In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche ein und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.

Trügerische Ruhe

Es war ein glühend heißer Hochsommertag. Die Sonne brannte vom tiefblauen, wolkenlosen Himmel, die Luft flirrte. Die Pferde auf der Koppel drängten sich in dem schmalen Schattenstreifen unter den hohen Linden. Es war so heiß, dass der Asphalt auf der Hofeinfahrt zu schmelzen schien. Carolin, genannt Caro, hockte neben ihrer allerbesten Freundin Lina Schniggenfittich auf ihrem Lieblingsplatz – auf dem Gatter an der Weide. Die beiden Mädchen reckten ihre Gesichter fröhlich den Sonnenstrahlen entgegen.

Carolin konnte es gar nicht heiß genug sein. Sie liebte den Sommer. Alle waren besser drauf, munterer und unbeschwerter, die Auswahl an Eissorten war viel größer, abends war es länger und morgens früher hell. Sie liebte die langen, hellen Sommerabende, wenn sie mit Sternentänzer, ihrem wunderschönen weißen Araberhengst, noch spät abends ausreiten konnte. Doch am meisten liebte Caro ihr Lindenhain. Zu jeder Jahreszeit. Der Reiterhof erhob sich auf einem sanften, grünen Hügel zwischen großen, knorrigen, alten Linden. Er bestand aus einem langen, hellgelben Stall mit blauen Türen und einem Auslauf davor, einem Reitplatz, einem großen Paddock mit blauem Holzzaun, der Reithalle und dem Haupthaus. Seit kurzem gehörte auch ein hübsches, zweistöckiges Ferienhaus mit blumengeschmückten Balkonen und einer Holzterrasse dazu.

„Na Caro, Lina, alles im grünen Bereich?“

Carolin fuhr herum. „Nick.“

„Ungewohnt friedlich in letzter Zeit.“ Nick, Lindenhains Mann für alles, zog eine Packung Kaugummis aus der Tasche seines blauen Overalls und hielt sie ihnen hin.

Lina schüttelte den Kopf, Carolin nahm einen. „Zum Glück!“ Der bittersüße Geschmack von Limonen breitete sich in ihrem Mund aus.

Nick schob sich ebenfalls einen Kaugummi in den Mund. „War schon ganz schön heftig.“

„Schrecklich nervig“, nickte Carolin. „Überall waren Gesichter, die du noch nie zuvor gesehen hattest. Und dann noch dieser fiese Rüdiger.“

Lina schüttelte sich. „Du meinst diesen widerwärtigen Reporter, der überall rumgeschnüffelt hat und beinahe Sternentänzers Geheimnis gelüftet hätte?“

Carolins Pferd, Sternentänzer, war nämlich nicht nur wunderschön, sondern ihn umgab auch ein Geheimnis. Er verfügte über eine ganz besondere Gabe, von der nur ganz wenige wussten. Nur demjenigen, dem Sternentänzer sein Vertrauen schenkte, konnte es gelingen, dieses Geheimnis herauszufinden und seine magischen Kräfte zu nutzen.

Carolin formte eine riesige zartgelbe Blase mit ihrem Kaugummi und ließ sie geräuschvoll zerplatzen. „Ein echter Albtraum! Wenn ich nur dran denke, wie er Sternentänzer und mich auf Schritt und Tritt verfolgt hat.“ Trotz der Hitze bekam sie eine leichte Gänsehaut, wenn sie sich nur Rüdigers feistes Gesicht mit den kleinen Fischaugen vorstellte.

Nick stemmte sich gegen das Holzgatter. „Vorbei und vergessen, Caro! Mit den paar Feriengästen, die nun noch auf den Hof kommen, lässt es sich doch ganz gut aushalten.“

„Stimmt. Das vorher war viel zu viel Rummel.“

Carolin hatte als Distanzreiterin Turniere geritten und so war Lindenhain eine Zeit lang in aller Munde gewesen. Die Zeitungen lobten sie als Nachwuchstalent und Lindenhain als Talentschmiede. Massen von Leuten waren daraufhin nach Lindenhain geströmt.

„Bereust du’s inzwischen manchmal, dass du mit dem Turnierreiten aufgehört hast?“, wollte Nick wissen.

„Oh nein! Nicht eine Sekunde“, antwortete Carolin. Ihre braunen Augen blitzten. „Die Erfahrung war toll, aber am Ende hat mich der ganze Zirkus echt nur noch voll genervt. Das ist nichts für mich. Es ist so herrlich, jetzt auf Sternentänzer endlich wieder ganz normal ausreiten zu können, ohne Stoppuhr und den ganzen Krempel. Du glaubst gar nicht, wie ich das genieße.“

„Kann ich mir gut vorstellen, du Ex-Nachwuchsstar von Lindenhain.“

Carolin schnitt eine Grimasse. „Haha! Sehr witzig! Und du?! Hast uns hier hängen lassen und bist auf diesen superschicken Reiterhof.“ Ausgerechnet, als auf Lindenhain alles drunter und drüber gegangen war, hatte Nick für ein paar Wochen zum Reiterhof Espenlaub gewechselt. Carolin war so froh, dass er wieder da war. Sie mochte Nick wie einen großen Bruder. Mit ihm konnte man buchstäblich Pferde stehlen.

Nick ließ eine Blase platzen. „Ja, das was ein Fehler. Das war nicht meine Welt!“

„Hallo, ihr drei! Was wird denn das? Sieht nach einer Verschwörung aus!“ Gunnar Hilmer kam angestiefelt. Er war der Besitzer von Lindenhain und trug wie immer Cowboyhut und Cowboystiefel.

Carolin winkte ihm zu. „Hi Gunnar. Wir haben uns nur gerade darüber gefreut, dass es auf Lindenhain wieder so friedlich ist wie früher.“

Gunnar sagte nichts, er grinste nur. Mit seiner Hand griff er in eine seiner Hemdtaschen, zog sie aber gleich wieder heraus. „Diesen blöden Suchreflex muss ich mir noch abtrainieren“, brummte er. Er war gerade dabei, sich das Rauchen abzugewöhnen. Eigentlich rauchte Gunnar nur, wenn er viel Stress hatte. In der letzten Zeit hatte er aus diesem Grund gepafft wie ein Schlot in einem Industriegebiet. Doch der Stress war vorbei und somit auch die Zeit der Glimmstängel.

Carolin seufzte. „Ich bin echt megafroh, dass der ganze Trubel vorbei ist.“

„Seid euch da nur mal nicht so sicher, Leute“, verkündete Gunnar und schmunzelte dabei recht merkwürdig.

„Was willst du damit sagen?“, hakte Carolin sofort beunruhigt nach.

„Ach nichts, gar nichts“, meinte Gunnar und schaute unschuldig drein.

Nick legte die Hand auf Carolins Oberschenkel. „Gunnar will uns doch nur veräppeln, Caro, keine Sorge. Kennst ihn doch! Er ist ein kleiner Spaßvogel.“

„Glaub ich auch“, stimmte Lina zu.

„Ein bisschen Spaß muss sein“, trällerte Gunnar vergnügt vor sich hin und verschwand wieder in Richtung Haupthaus.

Nick klopfte auf Carolins Bein, wie bei einem Pferd, das man beruhigen muss. „Siehst du, alles paletti!“

„Na hoffentlich hast du recht“, entgegnete Carolin, aber ganz tief drinnen blieb ein kleiner Hauch von Zweifel.

„So eine Affenhitze!“, stöhnte Nick und wedelte sich mit einer Hand Luft zu. Dann deutete er auf den Hof, wo gerade ein gelber Flitzer einrollte. „Sieh an! Wir bekommen Besuch. Hoffentlich nicht dienstlich.“

Der Flitzer gehörte Dr. Joachim Sander, dem neuen Tierarzt von Lindenhain. Der Wagen hielt an und zwei Personen stiegen aus.

Carolin knuffte Lina in die Seite. „He, Thorben ist auch dabei.“

Thorben war der Sohn von Dr. Sander. Ein hübscher Junge, der so alt wie Caro und Lina war. Und den Lina eigentlich ganz süß fand.

Doch Lina reagierte nicht. Sie wandte sich nicht einmal um. Sie starrte so konzentriert auf die Weide, als würde sie den Start eines Raumschiffes zum Mars beobachten.

„Komm, Lina, wir begrüßen Thorben“, schlug Carolin spontan vor.

Lina blieb weiter reglos wie eine Salzsäule.

Carolin zupfte an ihrer Bluse. „Na komm schon!“

Doch Lina riss sich unwirsch los und hüpfte wortlos vom Gatter. Dann murmelte sie nur kurz: „Ich muss heim“, und lief querfeldein davon. Lina hatte lange, dunkle, wallende Haare und trug immer mehrere Röcke übereinander. Auch sonst war sie sehr ungewöhnlich. Ihre Eltern verkauften Kräuterbonbons, Tees und Säfte auf Jahrmärkten und Lina lebte mit ihrer Großmutter in einem Wohnwagen auf einer Wiese bei Lilienthal.

Carolin sah ihr kopfschüttelnd hinterher. „Was ist denn mit Lina los? Warum rast sie plötzlich wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend?“

„Sonnenstich?“, vermutete Nick grinsend.

„Es ist ja auch echt zu heiß!“ Carolin stöhnte und fuhr sich durch ihre kurzen kastanienbraunen Haare. „Eine kleine Erfrischung wäre wirklich nicht schlecht.“

„Was hältst du davon, wenn wir ’ne Runde ausreiten, Caro? Nur wir beide. Wie in guten alten Zeiten“, schlug Nick vor.

Carolin hüpfte begeistert vom Gatter herunter „Au ja! Super!“

Wenig später trabten sie gemütlich über die weite, saftig grüne Wiese hinter Lindenhain. Nick auf Marhaba, einem braven Braunen voran, Carolin auf Sternentänzer hinterher. Die Mähnen der beiden Pferde flatterten im leichten, lauen Sommerwind. Als der Wald begann, verlangsamten sie zum Schritt. Sternentänzer schnaubte zufrieden.

„Warte!“ Nick stoppte auf einmal und legte den Finger auf den Mund. „Schscht! Leise!“ Zwei Rehe sprangen über den Weg. Als die Tiere im Gehölz verschwunden waren, ritten Carolin und Nick weiter. Nach einer Weile gelangten sie an den kleinen Bach. Sternentänzer kam gern hierher. Hier war es angenehm schattig. Der Hengst trank Wasser, dann durchquerte er mit gespitzten Ohren den Bach, Marhaba folgte ihm.

Nick stöhnte: „So eine Hitze, ich hätte jetzt Lust auf ein schönes Bad, was meinst du?“

„Ich auch!“, pflichtete ihm Carolin bei, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, was Nick vorhatte.

Er trieb Marhaba an, Sternentänzer trabte hinterher. Nick ritt einen Weg entlang, den Carolin nicht kannte. Auf einmal verlangsamte er sein Tempo und wartete, bis Carolin auf gleicher Höhe war. Sie sah sich um, nun wusste sie, wo sie waren. Am See. Die Wasseroberfläche leuchtete dunkelblau, ein paar Seerosenblätter schwammen darauf, Libellen schwirrten wild durch die Luft.

Nick deutete mit dem Kopf zum Wasser. „Wir wollten schwimmen gehen, du bist doch dabei, oder?“

„Aber ...“

„Keine Widerrede.“ Schon führte Nick Marhaba vorsichtig ins Wasser. Carolin zögerte.

Nick, ich kann doch gar nicht richtig schwimmen!, wollte sie ihm noch nachrufen, doch da setzte sich Sternentänzer auch schon in Bewegung und folgte Marhaba. Mit Lina hatte Carolin letzten Sommer ein paar Schwimmversuche gestartet. Oder vielmehr ein paar Über-Wasser-Halte-Versuche. Es ging so einigermaßen, aber Schwimmen konnte man das sicher nicht nennen, was sie im Wasser veranstaltete. Ganz behutsam tastete sich Sternentänzer weiter in den See. Wenigstens sind wir ohne Sattel unterwegs! Carolin saß wie festgezurrt und total steif auf seinem Rücken, solange Sternentänzer noch festen Boden unter den Hufen hatte. Doch plötzlich begann er zu schwimmen. Mist, was mach ich jetzt? Carolin packte ein Moment der Panik.

„Nick!“ Doch der hörte sie nicht. Er rutschte gerade von Marhabas Rücken, griff in die Mähne des Hengstes und ließ sich von ihm durch den See ziehen. Was jetzt? Carolin starrte in das Wasser. Wenn Sternentänzer hier nicht mehr stehen konnte, musste es ziemlich tief sein. Sie nahm all ihren Mut zusammen und glitt sachte vom Rücken ihres Pferdes, dann fasste sie rasch in seine Mähnenhaare. Sternentänzer musste ihre Unsicherheit gespürt haben. Denn für einen Augenblick drehte er seinen Kopf und sah sie an. Hab keine Angst, schien sein Blick zu sagen, ich bin ja da! Mit einem Mal wurde Carolin ganz ruhig, ihre Panik war wie weggeblasen und sie ließ sich durch den See ziehen. „Juhuhu!!!! Ist das schön!“ Sie schloss die Augen, genoss das erfrischende Wasser, Sternentänzers Nähe, die warme Luft, die ganze Leichtigkeit des Sommers.

Im flotten Trab ritten sie später zurück. „Puh!“ Die letzten hundert Meter vor Lindenhain schwang sich Carolin von Sternentänzers Rücken und führte ihn auf den Platz vor dem Stall. Die Luft war so warm, dass sie nach ihrem Bad beinahe schon wieder getrocknet waren.

Nick war schneller, er stellte Marhaba gleich vor dem Stall ab und holte den Gartenschlauch. „War das was, oder nicht?“, rief er Carolin zu und richtete den Strahl auf sie und Sternentänzer, um sie von den Überresten des Sees zu befreien. „War das nicht eine geniale Idee?“

„Das war superobergenial! Lass uns das morgen gleich wieder machen“, kicherte Carolin und war zum zweiten Mal an diesem Tag klatschnass. „Na warte!“ Sie rannte kichernd in den Stall, holte einen Eimer Wasser und kippte Nick diesen entgegen. Der zückte wieder den Schlauch, so lange, bis Carolin völlig außer Puste die Hände in die Luft streckte. „Ich ergebe mich, halt, aufhören, halt!“

Nick lachte. „Ich ergebe mich dem allerliebsten Nick, heißt das. Und ich werde immer tun, was er von mir verlangt, heißt das!“

„Jajaja, du hast gewonnen!“, prustete Carolin in den Wasserstrahl.

„Also gut!“ Nick drehte endlich das Wasser ab.

Carolin knuddelte ihr T-Shirt vor dem Bauch und wrang es aus. Doch das hätte sie sich glatt sparen können, denn Sternentänzer hatte nun offensichtlich Gefallen an dem Spiel gefunden. Er begann schwungvoll mit seinem langen, triefend nassen Schweif um sich zu schlagen und schüttelte sich gleich darauf so heftig, dass er Carolin von oben bis unten mit Wasser aus seiner üppigen Mähne voll spritzte. „Wah, Sternentänzer, aufhören!“ Doch der dachte gar nicht daran. Er stupste Carolin mit der Nase an, sodass sie stolperte und in eine Pfütze purzelte, die sich auf dem Boden gebildet hatte. „Sternentänzer!“, kreischte Carolin kichernd und kämpfte sich wieder hoch. „Aufhören!“

Sternentänzer sah sie mit seinen herrlichen, großen dunklen Augen an. Es schien so, als würde er lächeln. Carolin war völlig durchnässt, komplett außer Puste, aber überglücklich. Ein langer, wunderschöner Sommer mit Sternentänzer lag vor ihr. Endlich war auf Lindenhain wieder alles so wie früher. Und so wird es auch bleiben, dachte sie, während sie losging, um ihre nassen Klamotten zu wechseln. Doch da sollte sie sich gewaltig täuschen.

Was will der Fremde auf Lindenhain?

Carolin stand in der Küche und rührte hoch konzentriert abwechselnd in zwei riesigen Töpfen.

„Sag mal, was machst du denn da eigentlich, Caro?“

Carolin fuhr zusammen. „Hast du mich erschreckt, Mam! Ich hätte einen Herzinfarkt bekommen können.“

Ines Baumgarten lehnte im Türrahmen und beobachtete ihre Tochter skeptisch. Sie schlenkerte den Hausschlüssel ungehalten in der Hand. „So leicht bekommt man keinen Infarkt.“

„Warum bist du denn schon da, Mam?“, erkundigte sich Carolin zaghaft. Heute war Donnerstag und da arbeitete Ines normalerweise auch am Nachmittag in der Rechtsanwaltskanzlei. Anschließend ging sie dann meist mit ihrem Chef noch zum Essen und trudelte erst ziemlich spät zu Hause ein. Was Carolin überhaupt nicht ungelegen kam, denn dann hatte sie freie Bahn und konnte Dinge tun, die sie unter Aufsicht nicht tun konnte, wie zum Beispiel neue Leckereien oder Rezepte für Sternentänzer auszuprobieren. So wie jetzt!

Ines mochte das nämlich gar nicht. Genauso wenig wie sie Pferde mochte. Aber sonst war Ines ganz in Ordnung. Carolin lebte allein mit ihrer Mutter in einer Doppelhaushälfte in Lilienthal. Paul Baumgarten war vor ein paar Jahren mit seiner aufgetakelten Sekretärin durchgebrannt. Rosanna hieß sie und sah auch so aus, wie sie hieß. Rote, lockige Mähne, kurzer Mini, rote Lippen. Doch Rosanna war inzwischen längst Geschichte. Paul hatte Schluss gemacht. Genauso wie mit zwei, drei anderen Freundinnen, die Carolin nur vom Hörensagen kannte. Sie erinnerte sich auch schon nicht mehr an die Namen. Anfangs hatte Carolin unter der Trennung ihrer Eltern schwer gelitten, inzwischen machte es ihr fast überhaupt nichts mehr aus. Sie fand es nur schade, dass sie mit Paul in letzter Zeit recht wenig unternommen hatte. Vor lauter Arbeit hatte er keine Zeit mehr.

Ines schlüpfte aus ihrer kanariengelben Kostümjacke. „Die Klimaanlage im Büro ist ausgefallen, es war so stickig, dass man nicht mehr denken konnte. Dann hat uns unser Chef für heute hitzefrei gegeben.“ Sie fuhr sich mit der Handfläche erst über die Stirn, dann durch ihre Haare, die sie seit kurzem raspelkurz und strohblond trug. „Puh! So eine Hitze.“

„Ist doch total schön!“, strahlte Carolin und riss geschäftig den Kühlschrank auf. „Magst du eine Erfrischung? Eine eiskalte Cola mit ein paar Eiswürfeln. Hilft prima bei großer Hitze.“

Ines zog ihre hohen, ebenfalls kanariengelben Pumps aus, bewegte ihre Zehen hin und her und massierte dann ihre Fesseln. „Caro, lenk nicht ab! Es stinkt hier meilenweit. Bis um die nächste Ecke! Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich feststellen musste, dass der Gestank aus meinem Haus kommt. Und zwar exakt aus dieser Küche. Was also tust du?“

„Ooch ...“ Carolin setzte ihren Unschuldsblick auf.

Den Ines natürlich nur zu gut kannte. „Caro!“

„Ach Mam“, seufzte Carolin betont gequält. „Es ist doch so tierisch heiß ...“

„Das ist mir nicht entgangen, Caro, also weiter!“

„Und Sternentänzer ist es auch so heiß.“

Ines verdrehte die Augen. „Ich hätte mir ja gleich denken können, dass die Aktion etwas mit Pferden zu tun hat. Womit auch sonst?“

Carolin bemühte sich, die Töpfe im Auge zu behalten. Nicht auszumalen, wenn die Mischung überkochte, über die Kochfläche kroch, den Herd entlang und auf den Boden tropfte – Ines würde komplett ausrasten.

„Caro, zum zehnten Mal: Was genau machst du da?“

„Sieh mal, Mam, wenn es so furchtbar heiß ist, dann kommen so viele Mücken und Stechfliegen und quälen Sternentänzer. Der Arme, du müsstest ihn mal sehen! Ständig muss er die gemeinen Biester mit seinem Schweif verscheuchen. Er schafft das gar nicht. Die sitzen überall, sogar in seinen Augen und auf seiner zarten Nase. Wenn du ihn sehen würdest, würde er dir auch leidtun!“

Ines schnaufte tief durch. „Also? Was stinkt hier so bestialisch?“

„Obstessig und Nelkenöl.“ Carolin schob die Töpfe vom Herd. Inzwischen dürfte das Gemisch lange genug gekocht haben. „Damit muss ich ihn am ganzen Körper einreiben, denn die Mücken mögen das überhaupt nicht.“

„Muss das sein, dass du dieses fürchterliche Gebräu in meinen guten Töpfen und in meiner Küche kochst?“

Wo denn sonst? Gunnar würde sich schön bedanken, wenn ich das auf Lindenhain machen würde, dachte Carolin, sagte es aber wohlweislich nicht. Sie warf Ines einen zerknirschten Blick zu.

Ines sah ihre Tochter an. „Caro, Caro, womit hab ich so was wie dich eigentlich verdient? Könnte ich nicht ein Mädchen haben, das auf Ballett steht? Das Ärztin werden will oder von mir aus auch Rechtsanwältin?“

Doch sie lächelte dabei und Carolin wusste, dass sie es nicht so meinte, wie sie es sagte. Na ja, zumindest nicht ganz!

Einige Tage später – Carolin kehrte mit Sternentänzer gerade von einem herrlichen Ausritt zurück – tauchte auf Lindenhain ein fremder Mann auf. Er trug trotz der Hitze einen weiten, schwarzen Mantel, einen suppentellergroßen, schwarzen Schlapphut und eine große, schwarze Sonnenbrille. Gemeinsam mit Gunnar sah er sich auf dem Hof um, begutachtete die Pferde, die Ställe und das ganze Gelände bis hoch zu den Linden. Er unterhielt sich angeregt mit Gunnar, die beiden schienen sich gut zu verstehen. Carolin beäugte das Ganze äußerst misstrauisch. Fremde auf Lindenhain waren kein gutes Zeichen. Bisher hatte es jedes Mal nur Ärger und Probleme gegeben, wenn Fremde auf dem Reiterhof auftauchten. Was will dieser Mann? Was hat sein Besuch zu bedeuten? Er interessierte sich augenscheinlich besonders für das Gelände. Und das konnte eigentlich nur eins heißen: Er wollte Lindenhain kaufen.

„Wer war das?“, erkundigte sich Carolin hektisch bei Gunnar im Büro, als der Wagen des Fremden wieder vom Hof rollte.

„Ach, nichts Wichtiges, nur ein Bekannter“, entgegnete Gunnar schnell und versteckte sich hinter seiner Kicker-Zeitschrift. Doch Carolin sah ihm an der Nasenspitze an, dass er nicht die ganze Wahrheit sagte.

Eine Woche drauf sah sie den Unbekannten erneut. Noch einmal überprüfte er das ganze Gelände. Diesmal marschierte er sogar durch den Wald bis zum kleinen Bach. Er hatte eine Digitalkamera dabei und schoss ein paar Aufnahmen. Carolin wurde allmählich immer nervöser. Das versprach nichts Gutes.

Sie versuchte Vicky, Gunnars Lebensgefährtin, auszuquetschen, doch die wusste auch nichts Näheres. „Ich hab wirklich keine Ahnung, was Gunnar im Moment so treibt, Caro. Ich weiß nur, dass er seit ein paar Wochen ziemlich regelmäßig Briefe von seiner Ex-Frau bekommt. Diese Antonia aus Italien, mit der er mal verheiratet war. Ich habe nachgefragt, er meinte, sie wolle nur Geld. Das kann, muss aber nichts mit diesem Fremden zu tun haben.“

Geld. Seine Ex, eine Italienerin, wollte Geld. Vielleicht gehörte der schwarze Mann zu ihrer Familie oder zur Mafia? Er spaziert hier herum, weil er sehen will, wie viel Gunnars Besitz wert sein könnte, kombinierte Carolin beunruhigt.

Ein paar Tage später geisterte der Schlapphutmann schon wieder auf dem Hof herum. Diesmal war er nicht allein unterwegs, sondern hatte einen Begleiter mit Glatze und Trenchcoat dabei. Der hielt einen Block in der Hand und machte offenbar Skizzen von Lindenhain.

Als die beiden schließlich wieder weg waren, stellte Carolin Gunnar wild entschlossen zur Rede. Er wollte gerade in sein Büro im Haupthaus, doch Carolin hielt ihn auf. „Hi Caro!“ Er strahlte sie an, seine Augen blitzten. Carolin hatte ihn schon lange nicht mehr so gut gelaunt gesehen.

„Wirst du Lindenhain verkaufen, Gunnar? Diesmal will ich eine Antwort! Keine faulen Ausreden mehr.“

Gunnar sah sie an wie ein Auto. „Wie kommst du denn auf so eine absurde Idee, Caro? Natürlich nicht! Niemals!“

Carolin atmete auf. „Was wollten denn dann diese komischen Typen bei uns? Wer war das, sag endlich!“

„Das war Sven Örigson“, erklärte Gunnar und strahlte noch viel breiter. „Jetzt ist alles in trockenen Tüchern und ich darf endlich drüber reden. Vorher musste ich nämlich Stillschweigen bewahren, was mir gar nicht leicht fiel.“

„Aha! Und was wollte dieser Örgi...?“

„Örigson.“ Gunnar drehte sich zu Caro und legte die Hände auf ihre Schultern. „Stell dir vor, Caro, wir werden berühmt!“

Caro verdrehte nur die Augen. „Oh nein, nicht schon wieder! Das hatten wir doch erst, als ich Turnierreiterin war.“

Gunnar ließ seinen Blick über den Hof kreisen wie ein Gutsherr. „Diesmal ist es völlig anders. Wir werden richtig berühmt. Stars sozusagen.“

Carolin betrachtete Gunnar skeptisch. Sie hasste Veränderungen. Vor allem auf Lindenhain.

Gunnar grinste zufrieden und sah aus wie ein kleines Kind, das sich über einen gelungenen Streich freute. „Stell dir vor, Örigson und sein Team wollen auf Lindenhain einen Film drehen und auch noch ganz schön Kohle dafür zahlen.“

„Einen richtigen Film, aha“, murmelte Carolin. Doch dann stutzte sie. Was für einen Film? Hatte Rüdiger Sternentänzers Geheimnis doch verraten? Wollten sie einen Film über Sternentänzer drehen?

„Dieser Örigson ist ein berühmter schwedischer Regisseur, der sich hier schon mal umgesehen hat.“

Carolin schwieg. Die Gedanken wirbelten weiter durch ihren Kopf. Wenn der Regisseur tatsächlich einen Film über Sternentänzer drehen will, dann muss ich den Hengst von hier wegbringen. Sofort! Vielleicht zu Ferdi nach Berlin.