Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz - Bernadette Duda - E-Book

Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz E-Book

Bernadette Duda

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Beschreibung

Sanierung und Restrukturierung erhalten in Deutschland 2021 einen auf dem Recht der Europäischen Union basierenden neuen Rahmen. Auch das Insolvenzrecht wird grundlegend reformiert, insbesondere im Bereich der Haftung der geschäftsleitenden Organe. Berater müssen in Krise und Insolvenz stets neben den betriebswirtschaftlichen Effekten und zivilrechtlichen Konsequenzen auch die steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Auswirkungen beachten. Die steuerlichen Pflichten gehen spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über (§§ 155, 80 InsO). Der Insolvenzverwalter wird Vermögensverwalter mit der Folge, dass ihn die steuerlichen Pflichten nach § 34 Abs. 1 i.V. mit Abs. 3 AO treffen. Ihre Erfüllung ist gefahrgeneigt - leicht werden Steuer- und Strafrechtsrisiken übersehen und es drohen Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs steuerstraf- oder bußgeldrechtlicher Verfehlungen. Der unachtsame Umgang mit steuerlichen Pflichten kann für den Insolvenzverwalter erhebliche Folgen haben. Sie können von der Rufschädigung über die persönliche Haftung gegenüber der Finanzverwaltung bis hin zu Geld- und Haftstrafen reichen. Die Einhaltung der Pflichten hingegen trägt zur Vermeidung von Ermittlungsverfahren bei und sichert die Reputation der Beteiligten. Die Autoren stellen unter Berücksichtigung der laufenden Entwicklung in der Abgabenordnung, der Insolvenzordnung und dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz die steuerstrafrechtlichen Risiken in Krise und Insolvenz dar. Sie geben dem Einsteiger und auch dem erfahrenen Praktiker wertvolle Handlungsempfehlungen und bieten zudem professionelle Analysen möglicher Fallstricke. Das Buch wird sowohl Insolvenzverwaltern als auch Beratern schnell als hilfreicher Begleiter im Schnittstellenbereich zwischen Steuer- und Insolvenzrecht unentbehrlich.

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Seitenzahl: 621

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Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz

von

Dipl.-Finanzwirtin (FH) Bernadette Duda, LL.M. Düsseldorf

Professor Dr. Jens M. Schmittmann Essen

2., aktualisierte Auflage 2021

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1784-8

© 2021 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main www.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang

Printed in Germany

Vorwort

Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (RL [EU] 2019/1023) vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz; ABl. EU L 172 vom 26. Juni 2019, S. 18) hat in ganz Europa neue Impulse für die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen gesetzt. In Deutschland wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 20. Dezember 2020 (BGBl. I 2020, 3256ff.) nicht nur das Gesetz über den Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) eingeführt, sondern auch die Insolvenzordnung (InsO) vielfältig geändert.

Fortan stehen Unternehmen zur Restrukturierung beginnend mit der Möglichkeit der Sanierungsmoderation nach StaRUG über die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach StaRUG auch die bislang schon bekannten Möglichkeiten der vorläufigen Eigenverwaltung sowie des Schutzschirmverfahrens nach der InsO und schließlich auch das Insolvenzplanverfahren im eröffneten Insolvenzverfahren zur Verfügung. Damit wird die Sanierung, Restrukturierung und Insolvenz von Unternehmern noch deutlich komplexer, zumal sich auch steuerliche Fragen unterschiedlichster Art anschließen. Da den Beteiligten vielfach das Bewusstsein für ihre strafrechtliche Verantwortung in Bezug auf steuerliches Fehlverhalten fehlt, thematisiert dieses Buch die steuerstrafrechtlichen Risiken. Den Beteiligten drohen Ermittlungs- und Strafverfahren wegen des Vorwurfes steuerstrafrechtlicher Verfehlungen, wenn sie als Geschäftsleiter, aber auch als (vorläufiger) Insolvenzverwalter steuerliche Pflichten verletzen. Hinzu kommt die neue zivilrechtliche Warn- und Hinweispflicht der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der Aufstellung von Jahresabschlüssen (§ 102 StaRUG)

Besondere Gefahren drohen im Insolvenzverfahren, da die unternehmenstypischen Pflichten, die der Insolvenzverwalter übernimmt, vielfältig sind. Deshalb besteht insbesondere bei Fortführung von Unternehmen in der vorläufigen Insolvenz und im eröffneten Insolvenzverfahren die Gefahr, dass er branchentypische Strafbarkeitsrisiken übersieht. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter kann Strafbarkeitstatbestände verwirklichen, die ihm nicht präsent sind. Eine Schuldbefreiung aus Unkenntnis erfolgt nicht. Die Konsequenzen eines strafgerichtlichen Urteils erschöpfen sich regelmäßig nicht in der Verurteilung zu Geld- oder Freiheitsstrafen. Auch berufsgerichtliche Konsequenzen und ein Reputationsverlust, insbesondere auch beim Insolvenzgericht, treffen den Berater und Insolvenzverwalter häufig nicht minder schwer.

Der Berater des Geschäftsleiters und der gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter haben stets die Grenzen zu beachten, innerhalb derer sie die Beratung und Insolvenzverwaltung risikofrei durchführen können. Dazu gehören auch der professionelle Abstand zu Gestaltungsmöglichkeiten sowie die freundlich-kritische Distanz zu den Wünschen des Beratenen. Die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Ermittlungsbehörden im Zusammenwirken mit deren Bereitschaft, schwierige wirtschaftliche Felder zu betreten, sollten Geschäftsleiter, Berater und Insolvenzverwalter stets dazu anhalten, die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen jedweder Zeit im Blick zu halten.

Der unachtsame Umgang mit den steuerrechtlichen Pflichten in allen Verfahrensabschnitten kann nicht nur zu empfindlichen Strafen führen, sondern ebenso zur Verwirklichung von Haftungstatbeständen.

Soweit die Begriffe „Steuerpflichtiger“, „Anzeigender“, „Erklärender“ etc. verwendet werden, ist darunter neben dem Geschäftsleiter aufgrund der besonderen Pflichtenstellung auch der erklärungspflichtige Insolvenzverwalter zu verstehen.

Das Buch befindet sich auf dem Rechtsstand April 2021 und soll sowohl Insolvenzverwaltern als auch Beratern ein hilfreicher Begleiter im Schnittbereich Steuerrecht, Steuerstrafrecht, Insolvenzrecht und Restrukturierungsrecht sein.

Duisburg/Essen, Juni 2021

Bernadette Duda

Jens M. Schmittmann

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel A Einleitung

I. Grundlagen

1. Rechtliche Grundlagen

a) Entwicklung der Insolvenzordnung

b) Zweck des Insolvenzverfahrens

c) Eröffnungsverfahren

d) Eröffnung des Insolvenzverfahrens

e) Insolvenzmasse und Gläubigerbefriedigung

f) Beendigung des Insolvenzverfahrens

g) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und andere Wirkungen der Verfahrenseröffnung

h) Insolvenzanfechtung

i) Aufgaben des Insolvenzverwalters

j) Anmeldung der Forderungen

k) Restschuldbefreiung

l) Insolvenzplanverfahren

m) Eigenverwaltung

n) Schutzschirmverfahren

o) Verbraucherinsolvenzverfahren und andere besondere Verfahrensarten sowie europäisches und internationales Insolvenzrecht

p) Besonderheiten durch die Corona-Steuerhilfegesetze I, II und III

2. Wirtschaftliche Bedeutung

II. Akteure

1. Gutachter

2. Vorläufiger Sachwalter

3. Vorläufiger Insolvenzverwalter

4. Insolvenzverwalter

5. Sachwalter

6. Treuhänder

7. Restrukturierungsbeauftragter

8. Sanierungsmoderator

9. Steuerberater

III. Krise

1. Stakeholderkrise

2. Strategiekrise

3. Produkt- und Absatzkrise

4. Ertrags- oder Erfolgskrise

5. Liquiditätskrise

IV. Insolvenz

1. Einordnung

2. Insolvenzgründe

a) Zahlungsunfähigkeit

b) Drohende Zahlungsunfähigkeit

c) Überschuldung

Kapitel B Perspektive des (vorläufigen) Insolvenzverwalters

I. Stellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters

1. Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters

2. Stellung des Insolvenzverwalters

3. Stellung des (vorläufigen) Sachwalters

II. Problemfelder aus dem Zeitraum vor Insolvenzantragstellung bzw. vor Anordnung von Sicherungsmaßnahmen

1. Verfahrensrecht

2. Umsatzsteuer

a) Grundsätze

b) Umsatzsteuerkorrektur bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens

c) Umsatzsteuerkorrektur bei Anordnung von Sicherungsmaßnahmen

3. Ertragsteuern

4. Sonstige Steuerarten

III. Problemfelder aus dem Zeitraum zwischen Anordnung von Sicherungsmaßnahmen bis zur Eröffnung des Verfahrens

1. Verfahrensrecht

2. Umsatzsteuer

3. Ertragsteuern

4. Sonstige Steuerarten

IV. Problemfelder aus dem Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens

1. Verfahrensrecht

2. Umsatzsteuer

a) Korrekturen aufgrund Rechtsprechungsänderung

aa) BFH, Urteil vom 29.1.2009 – V R 64/07

bb) BFH, Urteil vom 9.12.2010 – V R 22/10

cc) BFH, Urteil vom 15.4.2015 – V R 44/14

b) Korrekturen aufgrund einer Insolvenzanfechtung

c) Schädigung des Umsatzsteueraufkommens

3. Ertragsteuern

a) Auflösung von stillen Reserven

b) Auflösung von Rückstellungen

c) Korrekturen aufgrund Insolvenzanfechtung

aa) Betriebsvermögensvergleich

bb) Einnahme-Überschuss-Rechnung

d) Zwangsverwaltung

4. Sonstige Steuerarten

V. Problemfelder aus dem Zeitraum nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens

1. Verfahrensrecht

2. Umsatzsteuer

3. Ertragsteuern

4. Sonstige Steuerarten

Kapitel C Organisation und Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden in Steuersachen

I. Aufgaben und Befugnisse der Straf- und Bußgeldsachenstelle

1. Aufgaben und Abgrenzung zur Staatsanwaltschaft

2. Befugnisse der Straf- und Bußgeldsachenstelle

II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung

1. Erforschen von Steuerstraftaten durch die Steuerfahndung (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO)

a) Aufgaben der Steuerfahndung

b) Befugnisse der Steuerfahndung

2. Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in Steuerstrafsachen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO)

a) Aufgaben

b) Befugnisse

aa) Auskunftsersuchen

bb) Urkundenvorlage

3. Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) sowie Steueraufsicht

a) Aufgaben

b) Befugnisse

aa) Umsatzsteuer-Nachschau

bb) Lohnsteuer-Nachschau

Kapitel D Verhältnis des Steuerstrafverfahrens zum Besteuerungsverfahren (§ 393 AO)

I. Rechtsstellung des Steuerpflichtigen im jeweiligen Verfahren

1. Verbot der Selbstbelastung

2. Beschleunigungsgebot

Kapitel E Täterschaft und Teilnahme

I. Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme

II. Grundsatz zur Täterschaft

1. Alleintäterschaft

2. Mittelbare Täterschaft

3. Mittäterschaft

III. Grundsatz zur Teilnahme

1. Anstiftung gemäß § 26 StGB

2. Beihilfe gemäß § 27 StGB

IV. Täterbegriff im Steuerstrafrecht

1. Steuerhinterziehung durch Handeln gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO

2. Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO

V. Täterbegriff im Ordnungswidrigkeitenrecht

Kapitel F Materielles Steuerstrafrecht

I. Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO

II. Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO

III. Schätzung im Steuerrecht

1. Einzelne Schätzungsmethoden

2. Bewertung

IV. Schätzung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

1. Kriterien für die Anwendung und die Durchführung der Schätzung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren

2. Bedeutung der einzelnen Schätzungsmethoden

3. Strafschätzung

4. Einwendungen gegen die Schätzung und ihre Würdigung

5. Argumentationshilfen für die Verteidigung

Kapitel G Taterfolg der Steuerverkürzung gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 AO

I. Anmeldungssteuern

1. Umsatzsteuer

a) Umsatzsteuerverkürzung auf Zeit/auf Dauer

b) Umsatzsteuerbetrug

aa) Ablauf

bb) Beteiligte Personen und die steuerlichen und strafrechtlichen Auswirkungen

(1) Missing Trader

(2) Buffer

(3) Distributor

2. Lohnsteuer

II. Veranlagungssteuern

1. Einkommensteuer/Körperschaftsteuer

2. Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

III. Nicht gerechtfertigte Steuervorteile

IV. Kompensationsverbot

V. Vorsätzliches Handeln

Kapitel H Steuerordnungswidrigkeiten

I. Leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO

II. Steuergefährdung gemäß § 379 AO

III. Gefährdung der Abzugsteuern gemäß § 380 AO

IV. § 26a Abs. 2 UStG (neue Rechtslage)

V. Schädigung des Umsatzsteueraufkommens gemäß § 26b UStG – seit dem 1.7.2021 gem. § 26a Abs. 1 UStG

VI. § 26c UStG

Kapitel I Ablauf des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

I. Ermittlungsanlass

II. Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

III. Durchsuchung beim Insolvenzverwalter als Dritten gemäß § 103 StPO

IV. Abschluss des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

1. Einstellung und Absehen von Verfolgung

a) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO

b) Einstellung gemäß § 153a StPO

2. Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gemäß § 400 AO

3. Vorlage an die Staatsanwaltschaft gemäß § 400 AO

4. Strafzumessung

Kapitel J Das Recht der Selbstanzeige

I. Wirksamkeitsvoraussetzungen

1. Anzeigender

2. Anwendungsbereich

3. Adressat der Selbstanzeige

4. Formen der Selbstanzeige

5. Inhalt der Selbstanzeige

a) § 371 Abs. 1 Satz 1 AO

aa) Alle Steuerstraftaten

bb) Eine Steuerart

cc) Unrichtige oder unvollständige Angaben

dd) Steuerlich erhebliche Tatsachen

ee) Voller Umfang

b) § 371 Abs. 1 Satz 2 AO

aa) Verjährung

bb) Berichtigungsverbund

6. Besonderheiten

a) Widerruf/Änderung der Selbstanzeige

b) Teilselbstanzeige

c) Selbstanzeige in Stufen

d) Schätzung

e) Ankündigung einer Selbstanzeige

II. Sperrgründe

1. Anordnung der Außenprüfung

a) Adressatenkreis

b) Bekanntgabe der Prüfungsanordnung

c) Sachlicher und zeitlicher Umfang der Außenprüfung

2. Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung

3. Erscheinen des Amtsträgers der Finanzbehörde zur Außenprüfung

a) Umfang der Sperrwirkung

b) Amtsträger der Finanzbehörde

c) Erscheinen zur steuerlichen Prüfung

4. Das Erscheinen des Amtsträgers zur Ermittlung der Steuerstraftat/Ordnungswidrigkeit

a) Amtsträger

b) Umfang der Sperrwirkung

5. Umsatzsteuer- und Lohnsteuer-Nachschau

a) Umsatzsteuer-Nachschau

b) Lohnsteuer-Nachschau

c) Kassen-Nachschau

d) Ausweisen des Prüfers

e) Umfang der Sperrwirkung

6. Tatentdeckung

a) Begriff der Tatentdeckung

b) Kenntnis der Tatentdeckung

7. Steuerhinterziehung über 25.000 €

a) Umfang der Sperrwirkung

b) Weiteres Verfahren

8. Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung

9. Einschränkung der Sperrwirkung

10. Sonderregelung für Steueranmeldungen

a) Bekanntgabe der Prüfungsanordnung/Erscheinen zur steuerlichen Prüfung

b) Tatentdeckung

c) Steuerhinterziehung über 25.000 €

d) Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung

e) Zahlung der Steuern

f) Weitere Steuerarten

g) Umsatzsteuer-Jahresanmeldung

III. Nachzahlungspflicht

1. Verpflichteter Personenkreis

a) Tatbeteiligte

b) Begünstigte

c) Dritte

2. Steuern und steuerliche Nebenleistungen

a) Hinterzogene Steuer

b) Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO

c) Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO

3. Nachzahlungsfrist

IV. Absehen von der Verfolgung gemäß § 398a AO

1. Zuständige Behörde

2. Voraussetzungen

a) Steuern und Zinsen

b) Geldbetrag

aa) Staffeltarif

bb) Hinterzogene Steuer

cc) Hinterziehungsbetrag

c) Kompensationsverbot

3. Verpflichteter Personenkreis

4. Anwendungszeitraum

5. Einstellung des Verfahrens

6. Besonderheiten

a) Zahlungsfrist

b) Aufnahme des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

c) Folgen bei unvollständiger Zahlung des Zuschlags

7. Schlussbetrachtung zum Absehen von der Verfolgung

V. Einzelfragen

1. Fremdanzeige

2. Leichtfertige Steuerverkürzung

3. Konkurrenzfragen

a) Rücktritt vom Versuch

b) Berichtigung gemäß § 153 AO

VI. Nebenfolgen

VII. Checkliste zur Selbstanzeige

VIII. Bewertung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Kapitel A Einleitung

I. Grundlagen

1

Im folgenden Abschnitt werden im Überblick die (1.) rechtlichen Grundlagen sowie (2.) die wirtschaftliche Bedeutung von Insolvenzverfahren dargestellt.

1.Rechtliche Grundlagen

a)Entwicklung der Insolvenzordnung

2

Das Insolvenzverfahren ist in der Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I 1994, S. 2866), die zuletzt durch Art. 6 Abs. 8 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3328) geändert worden ist, geregelt.

3

Die Insolvenzordnung ist gemäß § 335 InsO i.V.m. Art. 110 Abs. 1 nach Maßgabe des Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I 1994, S. 2911), das zuletzt durch Art. 7 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3328) geändert worden ist, in Kraft getreten.

4

Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3256) wurde das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz – StaRUG) geschaffen sowie eine Vielzahl von Gesetzen geändert.

5

Durch das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz werden nicht nur die Anforderungen an Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern gesetzlich geregelt, sondern erstmals auch im deutschen Recht ein Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ohne die obligatorische Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geschaffen. Ebenfalls neu ist die Einführung einer Sanierungsmoderation sowie der gesetzlichen Regelung zu Frühwarnsystemen.

6

Die Änderungen in der Insolvenzordnung betreffen neben Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit (§ 3 Abs. 2 InsO und § 3a Abs. 4 InsO) die Möglichkeit der Durchführung einer hybriden Gläubigerversammlung gem. § 4 InsO i.V.m. § 128a ZPO. Zudem sollen Insolvenzverwalter gem. § 5 Abs. 5 InsO ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können.

7

Neu ist auch der gesetzlich geregelte Anspruch auf ein Vorgespräch gem. § 10a InsO hinsichtlich der Eigenverwaltung, der Eigenverwaltungsplanung, der Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses, der Person des vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters, etwaiger weiterer Sicherungsanordnungen und der Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten bei Schuldnern, die mindestens zwei der drei in § 2a Abs. 1 InsO genannten Voraussetzungen erfüllen.

8

Die bisherigen Bestimmungen zur Massesicherungspflicht (§ 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 130a Abs. 1 HGB, auch i.V.m. § 177a Satz 1 HGB und § 99 GenG) wurden zum 1.1.2021 ohne Übergangsregelung aufgehoben und eine Neuregelung in § 15b InsO zu Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung geschaffen, die sich zwar an der bisherigen Regelung orientiert, allerdings auch erhebliche Neuerungen mit sich bringt. Gem. § 15b Abs. 1 InsO dürfen die Geschäftsleiter insolvenzantragspflichtiger Rechtsträger nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung keine Zahlungen mehr vornehmen, es sei denn, dass diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Gem. § 15b Abs. 2 InsO gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen, grundsätzlich als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Dies gilt nach § 15b Abs. 3 InsO nicht, wenn der für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen ist und der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt hat.

9

Die Erstattungspflicht findet nunmehr ihren Platz in § 15b Abs. 4 InsO. Neu ist die Regelung dahin, dass sich die Ersatzpflicht für den Fall, dass der Gläubigerschaft der juristischen Person ein geringerer Schaden entstanden ist, auf den Ausgleich dieses Schadens beschränkt, wobei dafür den Geschäftsleiter die Darlegungs- und Beweislast trifft. Der Verzicht der juristischen Person auf Erstattungs- oder Ersatzansprüche oder einen Verzicht der juristischen Person über diese Ansprüche ist unwirksam, es sei denn, dass der Erstattungs- oder Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. Die Ansprüche verjähren nunmehr gem. § 15b Abs. 7 InsO in fünf Jahren. Bei börsennotierten Gesellschaften verjähren die Ansprüche in zehn Jahren, § 15b Abs. 7 InsO.

10

Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus § 15b Abs. 8 InsO hinsichtlich der steuerrechtlichen Zahlungspflichten. Die Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten soll gem. § 15b Abs. 8 Satz 1 InsO nicht vorliegen, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder der Überschuldung nach § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen der Insolvenzantragspflicht nachgekommen sind. Wird der Insolvenzantrag verspätet gestellt, gilt die Regelung nur für die nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung fällig werdenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Diese Regelungen gelten gem. § 15b Abs. 8 Satz 3 InsO nicht, wenn das Insolvenzverfahren aufgrund einer Pflichtverletzung des Antragspflichtigen nicht eröffnet wird.

11

Die Insolvenzantragsfrist wird in § 15a InsO nunmehr modifiziert. Für zahlungsunfähige insolvenzantragspflichtige Rechtsträger bleibt es bei der Antragsfrist von drei Wochen. Bei überschuldeten Rechtsträgern wird die Frist auf sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung verlängert.

12

Bei den Insolvenzgründen der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO und der Überschuldung gem. § 19 InsO werden die Prognosezeiträume gesetzlich geregelt. Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 18 Abs. 2 InsO in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen. Bei der Überschuldung ist gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO darauf abzustellen, ob die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.

13

Umsatzsteuerverbindlichkeiten, sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben, bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern, die Luftverkehr- und Kraftfahrzeugsteuer sowie die Lohnsteuer des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten gem. § 55 Abs. 4 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten.

14

In den Vorschriften über die Bestellung und Entlassung des Insolvenzverwalters sowie den Vorschriften über den Insolvenzplan werden erhebliche Neuregelungen vorgenommen, insbesondere in Bezug auf gruppeninterne Drittsicherheiten.

15

Einer umfassenden Neuregelung werden die Vorschriften über den Schutzschirm, die vorliegende Eigenverwaltung sowie die Eigenverwaltung unterworfen.

16

Nach dem Grundsatz in § 270 Abs. 1 InsO ist der Schuldner berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht dies anordnet. Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist gem. § 270 Abs. 2 InsO eine Eigenverwaltung unzulässig.

17

Die Eigenverwaltung kommt gem. § 270a Abs. 1 InsO nur auf Antrag des Schuldners, dem eine Eigenverwaltungsplanung beizufügen ist, in Betracht. Eine vorläufige Eigenverwaltung gem. § 270b InsO setzt voraus, dass die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist sowie keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht. Das Gericht kann den vorläufigen Sachwalter, der in der vorläufigen Eigenverwaltung zu bestellen ist, gem. § 270c InsO beauftragen, bestimmte Berichte zu erstatten. Zudem kann das Gericht gem. § 370c Abs. 4 InsO anordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründen darf.

18

Das bisher in § 270b InsO a.F. geregelte Schutzschirmverfahren wird nunmehr in § 270d InsO geregelt. Die vorläufige Eigenverwaltung wird gem. § 270e InsO aufgehoben, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder Mängel der Eigenverwaltungsplanung nicht fristgerecht behoben werden oder sich die Erreichung des Eigenverwaltungsziels als aussichtslos erweist.

19

Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Eigenverwaltung gem. § 270f Abs. 1 InsO anzuordnen, es sei denn, eine vorläufige Eigenverwaltung wäre nach § 270b InsO nicht anzuordnen oder nach § 270e InsO aufzuheben.

20

Die Eigenverwaltung wird nach § 272 Abs. 1 InsO aufgehoben, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder die angestrebte Sanierung sich als aussichtslos erweist. Weiterhin kommt eine Aufhebung auch durch Beschluss der Gläubiger in Betracht.

21

Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde die Insolvenzantragspflicht mehrfach modifiziert. Aktuell gilt gem. Art. 10 SanInsFoG, dass vom 1.1.2021 bis zum 31.1.2021 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt ist, die im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 31.12.2020 einen Antrag auf Gewährung staatlicher Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben (§ 1 Abs. 3 Satz 1 COVInsAG).

22

Durch das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 vom 15.2.2021 (BGBl. I 2021, S. 237) wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlängert. Vom 1.1.2021 bis zum 30.4.2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags gem. § 1 Abs. 3 COVInsAG für die Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, gilt die Regelung auch für Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Dies gilt nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.

23

Hintergrund ist Folgender: Durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 (BGBl. I 2020, S. 569) war das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Pandemie-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG, BGBl. I 2020, S. 569) geschaffen worden, mit dem zunächst unter bestimmten Voraussetzungen die Insolvenzantragspflicht bis zum 30.9.2020 ausgesetzt worden ist, es sei denn, die Insolvenzreife beruhte nicht auf den Folgen der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie oder es bestanden keine Aussichten darauf, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.1

24

Durch das Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 15.9.2020 (BGBl. I 2020, S. 2016) wurde die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung vom 1.10.2020 bis zum 31.12.2020 gem. § 1 Abs. 2 COVInsAG weiter ausgesetzt.

25

Durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3328) wird den Vorgaben der Europäischen Union aus Restrukturierungsrichtlinie folgend die Abtretungsdauer zur Erlangung der Restschuldbefreiung gem. § 287 Abs. 2 InsO auf drei statt bisher sieben Jahre verkürzt. In den Fällen, in denen dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30.9.2020 gestellten Antrags einmal Restschuldbefreiung erteilt worden ist, beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre, sodass die auf drei Jahre verkürzte Frist lediglich einmal in Anspruch genommen werden kann.

26

Neuregelungen gelten im Bereich der Obliegenheiten in der Wohlverhaltensphase. Während er bislang lediglich Vermögen, das der Schuldner von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirkt, zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben hatte, muss er darüber hinaus nunmehr gem. § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirkt, zum vollen Wert an den Treuhänder herausgeben. Lediglich gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert sind von der Herausgabepflicht ausgenommen. Unsystematisch wirkt der Begriff der „Herausgabepflicht“, da in der Einleitung des Satzes sowie in der Überschrift von einer „Obliegenheit des Schuldners“ die Rede ist. Zudem obliegt es dem Schuldner gem. § 295 Nr. 5 InsO keine unangemessenen Verbindlichkeiten i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO, zu begründen.

27

Die Vorschrift des § 300 InsO über die Entscheidung über die Restschuldbefreiung wurde neu gefasst. Darüber hinaus sieht Art. 3 des Gesetzes mit Art. 103k EGInsO Übergangs- und Sonderregelungen vor.

28

Weiterhin hat der Schuldner nunmehr gem. § 35 Abs. 3 InsO den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat, zu dem Ersuchen zu erklären. Die Obliegenheiten des Schuldners bei selbstständiger Tätigkeit in § 295a InsO werden neu gefasst.2 Die Änderungen im Zusammenhang mit der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens sind im Wesentlichen rückwirkend zum 1.10.2020 in Kraft getreten. Die Neuregelungen im Rahmen des SanInsFoG, also das StaRUG und die Änderungen in der Insolvenzordnung gelten ab 1.1.2021.3

b)Zweck des Insolvenzverfahrens

29

Das Insolvenzverfahren dient gemäß § 1 Satz 1 InsO dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, getroffen wird. Damit löst sich die Insolvenzordnung bewusst von den Vorgaben der früheren Konkursordnung, die als reines Liquidationsverfahren angelegt war. Zudem dient es der Marktbereinigung.4

30

Darüber hinaus wurde mit der Einführung der Insolvenzordnung auch für natürliche Personen die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung geschaffen. Dem redlichen Schuldner wird gemäß § 1 Satz 2 InsO Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

c)Eröffnungsverfahren

31

Ein Insolvenzverfahren wird eröffnet, wenn ein zulässiger und begründeter Insolvenzantrag gestellt worden ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt einen Eröffnungsgrund (§ 16 InsO) sowie eine kostendeckende Masse voraus. Insolvenzgründe sind die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) sowie die Überschuldung (§ 19 InsO). Ist eine kostendeckende Masse nicht vorhanden, so weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 26 Abs. 1 InsO ab, es sei denn, dass ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO) oder – sofern der Schuldner eine natürliche Person ist – Stundung der Verfahrenskosten bewilligt wird.

32

Nach dem Eröffnungsantrag (§ 13 InsO), der von einem Gläubiger, vom Schuldner und im Sonderfall des § 111i Abs. 2 StPO auch von der Staatsanwaltschaft gestellt werden kann, lässt das Insolvenzgericht regelmäßig durch einen Sachverständigen die Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung sowie die Möglichkeit der Fortführung des Unternehmens prüfen. Zwischen Insolvenzantragstellung und Verfahrenseröffnung hat das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 1 InsO alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Dabei stehen insbesondere die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses sowie die Untersagung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung im Vordergrund. Wird dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, wird ein sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Ordnet das Gericht an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, handelt es sich um einen sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter.

d)Eröffnung des Insolvenzverfahrens

33

Sind die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben, eröffnet das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren und ernennt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO einen Insolvenzverwalter (§ 56 InsO), sofern nicht gemäß § 270 Abs. 1 InsO Eigenverwaltung angeordnet wird.

34

Zum Insolvenzverwalter ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. Sofern ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt worden ist, ist dieser bei der Verwalterbestellung gemäß § 56a InsO zu beteiligen.5

35

Mit dem Eröffnungsbeschluss bestimmt das Insolvenzgericht gemäß § 29 Abs. 1 InsO Termine für die Gläubigerversammlung, in der, auf der Grundlage eines Berichts des Insolvenzverwalters, über den Fortgang des Insolvenzverfahrens beschlossen wird sowie eine Gläubigerversammlung, in der die angemeldeten Forderungen geprüft werden. In der Praxis werden Berichts- und Prüfungstermine verbunden.

e)Insolvenzmasse und Gläubigerbefriedigung

36

Das Insolvenzverfahren umfasst gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt. Im Gegensatz zur Konkursordnung, die den Neuerwerb des Schuldners nicht dem Konkursbeschlag unterwarf, umfasst die Insolvenzmasse nunmehr auch den sog. Neuerwerb, wobei der Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO die Möglichkeit hat, bei einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners eine Freigabe zu erklären. Nach § 35 Abs. 3 InsO ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, sich auf Anfrage des Schuldners innerhalb einer Woche zu erklären.

37

In den Fällen der Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO ist die neue selbstständige Erwerbstätigkeit i.S.d. §§ 13, 15, 18 EStG von der Steuererklärungspflicht des Insolvenzverwalters nicht umfasst.6

38

Die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO) dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Es handelt sich hierbei um die sog. „Insolvenzgläubiger“. Sofern die Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) vollständig befriedigt sind, kommen die nachrangigen Insolvenzgläubiger gemäß § 39 Abs. 1 InsO zum Zuge. Es handelt sich hierbei um seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufende Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO), Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldleistung verpflichten (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).

39

Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so ist dieser gemäß § 199 Satz 1 InsO an den Schuldner bzw. gemäß § 199 Satz 2 InsO an die Gesellschafter herauszugeben.

40

Vor der Befriedigung der Insolvenzgläubiger steht freilich die Finanzierung des Insolvenzverfahrens. Sofern es sich beim Schuldner nicht um eine natürliche Person handelt, der gemäß § 4a Abs. 1 InsO Stundung der Verfahrenskosten bewilligt worden ist, findet das Insolvenzverfahren nur statt, wenn die Kosten des Verfahrens aus der voraussichtlichen Insolvenzmasse gedeckt sind. Aus der Insolvenzmasse sind gemäß § 53 InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens, also die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren (§ 54 Nr. 1 InsO) und die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54 Nr. 2 InsO) zu berichtigen. Darüber hinaus sind vorrangig die Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO zu berichtigen. Hierbei handelt es sich um die durch die Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründeten Verbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO), und Verbindlichkeiten aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO).

41

Darüber hinaus sind gemäß § 55 Abs. 2 InsO die von einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten vorrangig zu befriedigen. Seit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 wurden – unter Missachtung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung – Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, unabhängig davon, ob ein sog. „starker“ oder „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist, zu Masseverbindlichkeiten heraufgestuft.7 Durch die Neufassung des § 55 Abs. 4 InsO durch das SanInsFoG wird der Anwendungsbereich auf die vorläufige Eigenverwaltung erweitert, aber zugleich auf bestimmte Steuerarten beschränkt.8

f)Beendigung des Insolvenzverfahrens

42

Im Regelfall endet das Insolvenzverfahren mit der Durchführung der Schlussverteilung. Sie erfolgt, sobald die Verwertung der Insolvenzmasse – bei natürlichen Personen mit Ausnahme eines laufenden Einkommens – beendet ist (§ 196 Abs. 1 InsO).

43

Im Insolvenzplanverfahren erfolgt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Insolvenzgerichts, sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist und der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht (§ 258 Abs. 1 InsO).

44

Die Einstellung – nicht Aufhebung – des Insolvenzverfahrens erfolgt, wenn sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken (§ 207 Abs. 1 InsO – Einstellung mangels Masse) oder wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, die Insolvenzmasse jedoch nicht ausreicht, um die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (§ 208 Abs. 1 i.V.m. § 211 Abs. 1 InsO – Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit).

45

Darüber hinaus sieht die Insolvenzordnung die Einstellung wegen Wegfall des Insolvenzgrundes (§ 212 InsO) und die Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) vor. Diese Varianten spielen in der Praxis lediglich eine untergeordnete Rolle.

g)Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und andere Wirkungen der Verfahrenseröffnung

46

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten die Wirkungen der Verfahrenseröffnung ein, sodass insbesondere die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO), sofern nicht gemäß § 270 Abs. 1 InsO angeordnet worden ist, dass der Schuldner berechtigt ist, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen.

47

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen darüber hinaus auch die Rückschlagsperre gemäß § 88 InsO, die Vollstreckungsverbote gemäß § 89ff. InsO sowie die Sonderregelungen zur Aufrechnung, §§ 194ff. InsO, in Betracht.

48

Weiterhin werden mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch Sonderregelungen zur Erfüllung der Rechtsgeschäfte wirksam. Der Insolvenzverwalter hat insbesondere ein Wahlrecht gemäß § 103 InsO, was ihn in den Stand versetzt, bei einem gegenseitigen Vertrag, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, diesen anstelle des Schuldners zu erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil zu verlangen. Für Dauerschuldverhältnisse, insbesondere Miet-, Pacht- und Arbeitsverhältnisse, tritt eine Vielzahl von Sonderregelungen in Kraft. Dabei sind insbesondere die Sonderregelungen hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeiten von Bedeutung.

h)Insolvenzanfechtung

49

Einen wesentlichen Beitrag zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger leistet das Insolvenzanfechtungsrecht, §§ 129ff. InsO. Der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit, bestimmte Rechtshandlungen, die innerhalb bestimmter Fristen vor Insolvenzantragstellung liegen, anzufechten und damit den insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch gemäß § 143 InsO auszulösen. Die längstmögliche Anfechtungsfrist beträgt zehn Jahre und ist bei einzelnen Varianten der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO sowie der Anfechtung gegenüber Gesellschaftern bei Bestellung von Sicherheiten für Darlehensrückgewähransprüche gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anwendbar. Die kürzesten Anfechtungsfristen betragen einen bis drei Monate und gelten für die Anfechtung von kongruenten und inkongruenten Deckungen, also Sicherungen und Befriedigungen gemäß §§ 130, 131 InsO.9

i)Aufgaben des Insolvenzverwalters

50

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen gemäß § 148 Abs. 1 InsO sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Nach dem Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter gemäß § 159 InsO unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten, soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen.

51

Der Insolvenzverwalter stellt darüber hinaus nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verzeichnis der Massegegenstände (§ 151 InsO), das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) sowie die Vermögensübersicht (§ 153 InsO) auf. Die Zuständigkeit für die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung geht gemäß § 155 InsO auf den Insolvenzverwalter über.

52

Die Gläubigerversammlung nimmt den Bericht des Insolvenzverwalters über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen entgegen (§ 156 Abs. 1 InsO) und beschließt über den Fortgang des Verfahrens (§ 157 InsO). Ihr steht insbesondere die Entscheidung über besonders bedeutsame Rechtshandlungen, § 160 Abs. 1 InsO, zu.

53

Der Insolvenzverwalter ist gemäß §§ 165ff. InsO auch zur Verwertung von Gegenständen mit Absonderungsrechten befugt. Absonderungsberechtigte Gläubiger werden für die Kosten der Feststellung des Absonderungsrechts sowie mit den Kosten der Verwertung gemäß § 171 InsO mit vier vom Hundert bzw. fünf vom Hundert des Verwertungserlöses belastet.

j)Anmeldung der Forderungen

54

Die Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen gemäß § 174 InsO bei dem Insolvenzverwalter schriftlich anzumelden, der auch die Insolvenztabelle (§ 175 InsO) führt. Ausgangspunkt für die Verteilung der Insolvenzmasse ist das Verteilungsverzeichnis gemäß § 188 InsO. Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis können von den Gläubigern gemäß § 194 InsO geltend gemacht werden.

k)Restschuldbefreiung

55

Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger gemäß § 201 InsO ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen, sofern diesem nicht Restschuldbefreiung erteilt worden ist. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, auch wenn sie ihre Forderungen nicht angemeldet haben, § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO.

56

Die Insolvenzordnung ermöglicht natürlichen Personen, in den Genuss der Restschuldbefreiung zu kommen. Dazu hat der Schuldner zunächst das Insolvenzverfahren (Hauptverfahren) sowie danach die Wohlverhaltensphase zu durchlaufen. Das Hauptverfahren endet mit der Aufhebung nach Durchführung des Schlusstermins. Im Schlusstermin kann bereits die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt werden, wenn einer der Versagungsgründe gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 7 InsO vorliegt. In der Wohlverhaltensphase, also in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist, hat der Schuldner die Obliegenheiten gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 InsO zu erfüllen. Erfüllt er diese nicht, versagt das Insolvenzgericht gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung, wenn der Schuldner eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt.

57

Auch im Falle der Erteilung der Restschuldbefreiung werden gemäß § 301 Abs. 2 InsO die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, nicht berührt.

58

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden weiterhin gemäß § 302 Nr. 1 InsO nicht berührt Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist10 und der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hat. Der Restschuldbefreiung unterliegen weiterhin nicht Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners (§ 302 Nr. 2 InsO) sowie Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden (§ 302 Nr. 3 InsO).

l)Insolvenzplanverfahren

59

In § 1 Satz 1 InsO ist bereits angelegt, dass anstatt der Liquidation auch in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, getroffen werden kann. Der Insolvenzplan, §§ 217ff. InsO, besteht aus einem darstellenden (§ 220 InsO) und einem gestaltenden (§ 221 InsO) Teil. Kern der Aufstellung eines Insolvenzplans ist die Bildung von Gruppen (§ 222 InsO).

60

Das Insolvenzplanverfahren ist, insbesondere durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7.12.2011 (BGBl. I 2011, S. 2582ff.), modifiziert worden. Zu diesen Modifikationen gehört insbesondere auch die Möglichkeit, im gestaltenden Teil des Plans vorzusehen, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden (§ 225a Abs. 2 InsO). Damit wird die Möglichkeit eines Debt-Equity-Swaps eröffnet. Planvorlageberechtigt sind sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Schuldner (§ 218 Abs. 1 InsO).

61

Die Entscheidung über den Insolvenzplan obliegt den Gläubigern im Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 InsO). Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist gemäß § 244 Abs. 1 InsO erforderlich, dass in jeder Gruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten, also die doppelte Mehrheit nach Köpfen und Beträgen, nicht erreicht worden sind, gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt, wenn die Angehörigen dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die Angehörigen dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Inhalten zugestimmt hat (§ 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO).

62

Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein. Der Insolvenzplan stellt gemäß § 257 Abs. 1 InsO einen vollstreckbaren Titel dar.

63

Der gestaltende Teil des Insolvenzplans kann gemäß § 260 Abs. 1 InsO eine Planüberwachung vorsehen.

m)Eigenverwaltung

64

Zunächst wurden durch das ESUG die Regelungen über die Eigenverwaltung modifiziert, §§ 270ff. InsO. Eine Neuregelung der Eigenverwaltung erfolgte durch das SanInsFoG mit Wirkung zum 1.1.2021 (siehe oben Rn. 16).

n)Schutzschirmverfahren

65

Das durch das ESUG eingeführte sog. „Schutzschirmverfahren“ gemäß § 270b InsO a.F. wurde durch das SanInsFoG umgestaltet und ist nun in § 270d InsO geregelt. Das Schutzschirmverfahren greift ein, wenn der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt, die Eigenverwaltung beantragt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, § 270d Abs. 1 Satz 1 InsO. Auf Antrag des Schuldners bestimmt das Insolvenzgericht eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans, die höchstens drei Monate betragen darf, § 270d Abs. 1 Satz 2 InsO. Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist, § 270d Abs. 1 Satz 1 InsO.

66

Bei dem Schutzschirmverfahren handelt es sich um eine Modifikation der vorläufigen Eigenverwaltung, sodass auch hier kein vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern ein vorläufiger Sachwalter (§ 270d Abs. 2 InsO) bestellt wird. Die Begründung von Masseverbindlichkeiten ergibt sich aus § 270c Abs. 4 InsO i.V.m. § 55 Abs. 2 InsO.

67

Tritt im Schutzschirmverfahren Zahlungsunfähigkeit ein, haben der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter dies dem Insolvenzgericht gemäß § 270d Abs. 4 Satz 1 InsO unverzüglich anzuzeigen. Der Sachwalter hat gemäß § 285 InsO die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen.

68

Die Geltendmachung von Haftungsansprüchen nach §§ 92 und 93 InsO für die Insolvenzmasse und Insolvenzanfechtungsansprüchen nach §§ 129ff. InsO obliegt gemäß § 280 InsO dem Sachwalter.

o)Verbraucherinsolvenzverfahren und andere besondere Verfahrensarten sowie europäisches und internationales Insolvenzrecht

69

Gegenstand der §§ 304ff. InsO sind Verbraucherinsolvenzverfahren, die dann Anwendung finden, wenn der Schuldner keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat. Hat der Schuldner eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, so fällt er unter das Verbraucherinsolvenzverfahren, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar i.S. des § 304 Abs. 2 InsO sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen, § 304 Abs. 1 InsO.

70

Besondere Arten des Insolvenzverfahrens sind das Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315ff. InsO), Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 332 InsO) und Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (§ 333f. InsO).

71

Das internationale Insolvenzrecht findet seinen Niederschlag in §§ 335ff. InsO. Diese Regelungen finden jedoch nur Anwendung, wenn es sich nicht um Verfahren handelt, die unter die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) VO (EU) Nr. 848/2015, ABl. EU L 141/19, fallen.11 Die Neuregelung gilt für Insolvenzverfahren, die ab dem 26.6.2017 eröffnet worden sind (Art. 84 Abs. 1 EuInsVO). Bis dahin galt die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EU Nr. L 160/1).

p)Besonderheiten durch die Corona-Steuerhilfegesetze I, II und III

72

Unmittelbar nach Einsetzen der staatlichen Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie hat das BMF versucht, die wirtschaftlichen Folgen der Regelungen durch Verwaltungsanweisungen abzumildern.12 Es folgten das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19.6.202013 und das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29.6.2020.14

73

Durch das Corona-Steuerhilfegesetz I wurde im Umsatzsteuerrecht zunächst eine befristete Senkung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 7 % für die nach dem 30.6.2020 und vor dem 31.7.2021 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken, eingeführt. Zudem wurden die Regelungen für juristische Personen des öffentlichen Rechts verlängert.

74

Die Änderungen durch das Corona-Steuerhilfegesetz I im Bereich der Einkommensteuer betreffen im Wesentlichen zusätzliche Steuerbefreiungen in § 3 Nr. 11a und § 3 Nr. 28a EStG sowie die daraus folgenden Änderungen beim Lohnsteuerabzug.

75

Zudem wurde das Umwandlungssteuergesetz dahin geregelt, dass eine steuerlich wirksame Umwandlung auf einen Zeitpunkt möglich ist, der zwölf Monate (bisher acht Monate) zurückliegt. Damit wird die gesellschaftsrechtliche Regelung aus dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27.3.2020 (BGBl. I 2020, S. 569ff.) nachvollzogen. Schließlich wurde das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, zur zeitnahen Umsetzung unionsrechtlicher Bestimmungen hinsichtlich der Fristen zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen durch ein im Bundessteuerblatt zu veröffentlichenden Schreiben abweichende Bestimmungen zu treffen.15

76

Das Corona-Steuerhilfegesetz II ist im Verhältnis dazu deutlich umfangreicher und umfasst Änderungen im Einkommensteuerrecht, Umsatzsteuerrecht, Tabaksteuerrecht, Gewerbesteuerrecht sowie der Abgabenordnung, des Forschungszulagengesetzes, des Bundeskindergeldgesetzes, des Finanzausgleichsgesetzes sowie des Gesetzes zur Nichtanrechnung des Kinderbonus.

77

Die Regelungen im Einkommensteuergesetz betreffen im Wesentlichen die Abschreibung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2021 angeschafft oder hergestellt worden sind (§ 7 Abs. 2 EStG) sowie die Regelungen über einen erhöhten Verlustabzug (§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG). Zudem wird die Gewerbesteueranrechnung vom 3,8-Fachen des Gewerbesteuermessbetrages auf das Vierfache des Gewerbesteuermessbetrages erhöht (§ 35 Abs. 1 EStG). Sonderregelungen für die Anpassung von Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 finden sich in § 110 EStG und Regelungen zum vorläufigen Verlustrücktrag für 2020 in § 111 EStG.

78

Der Kern der Änderung im Umsatzsteuergesetz liegt darin, dass der Regelsteuersatz für die Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 auf 16 % der Bemessungsgrundlage herabgesetzt wurde (§ 28 Abs. 1 UStG). Für die Umsätze, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wurde für den gleichen Zeitraum eine Herabsetzung auf 5 % geregelt (§ 28 Abs. 2 UStG).16

79

Für die Vergütung des Insolvenzverwalters gilt:

„Leistungszeitpunkt bei Leistungen eines Insolvenzverwalters: Die Leistung eines Insolvenzverwalters ist dann ausgeführt, wenn der seiner Leistung zugrunde liegende Auftrag (letzte Vollzugshandlung) erledigt ist. Die Leistung eines Insolvenzverwalters ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 2.12.2015, V R 15/15, BStBl. 2016 II, S. 486) erst mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 200 Abs. 1 InsO erbracht, soweit keine anderen Beendigungsgründe vorliegen. Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn für die Bestimmung des Leistungszeitpunkts auf den Vollzug der Schlussverteilung abgestellt wird. Im Restschuldbefreiungsverfahren bestimmt sich der Leistungszeitpunkt nach dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 300 InsO.“17

80

Die Tabaksteuer ist davon unberührt. Für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 gilt für die Zwecke der Berechnung des Mindeststeuersatzes weiterhin der zum 1.1.2020 gültige Umsatzsteuersatz nach § 12 UStG (§ 2 Abs. 3a TabStG).

81

Die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften wurden gelockert.

82

Eine Regelung zum Verhältnis zur strafrechtlichen Einziehung (§ 375a AO) soll helfen, die drohende Verjährung bei der Verfolgung von Cum/Ex-Fällen zu vermeiden. Die Erlangung von Forschungszulagen wird erleichtert. Zudem wird im Kindergeldgesetz für jedes Kind, für das für den Monat September 2020 ein Anspruch auf Kindergeld besteht, ein Einmalbetrag von 200,00 € (für September 2020) und 100,00 € (für Oktober 2020) eingeführt. Die Änderung des Finanzausgleichgesetzes betrifft die Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

83

Durch das Dritte Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 10. März 202118 (Corona-Steuerhilfegesetz III) wurde die Gewährung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes i.H.v. 7 % für erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken über den 30.6.2021 hinaus bis zum 31.12.2022 verlängert (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG). Darüber hinaus wird für jedes im Jahre 2021 kindergeldberechtigte Kind ein Kindergeldbonus von 150,00 € gewährt (§ 6 Abs. 3 BKGG).

84

Der steuerliche Verlustrücktrag wird für die Jahre 2020 und 2021 nochmals erweitert und auf 10 Mio. € (bei Einzelveranlagung) bzw. 20 Mio. € (bei Zusammenveranlagung) angehoben (§ 10d Abs. 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 18b EStG).

85

Ein Blick auf diese Regelungen zeigt, dass für Steuerpflichtige und ihre Berater die Änderungen nicht nur schwer nachvollziehbar sind, sondern auch ein erhebliches Haftungsrisiko mit sich bringen. Allein die Differenzierung in gastronomischen Betrieben zwischen Speisen und Getränken ist komplex und birgt Haftungsrisiko, z.B. bei der Aufteilung der Bemessungsgrundlage bei einem gemischten Umsatz, z.B. bei einem Tiramisu mit Espresso für 5,00 €.

86

Gerade bei Unternehmen in der Krise werden häufig ohnehin schon buchhalterische Defizite vorliegen. Diese werden durch die komplexe und teilweise nicht mehr durchschaubare Rechtslage noch deutlich erschwert. Damit einher geht das Risiko, Steuerstraftatbestände zu verwirklichen.

2.Wirtschaftliche Bedeutung

87

Die Zahl der Insolvenzverfahren ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Gleichwohl ist die wirtschaftliche Bedeutung nach wie vor hoch.

88

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes insgesamt rückläufig. Nachdem im Jahre 2003 mit 36.320 Unternehmensinsolvenzverfahren der Höchstwert der Unternehmensinsolvenzverfahren seit Einführung der Insolvenzordnung erreicht war, sind die Insolvenzverfahren insgesamt deutlich zurückgegangen. Im Jahre 2013 wurden insgesamt 129.269 Insolvenzverfahren eröffnet, worunter allerdings lediglich 25.995 Unternehmensinsolvenzverfahren zu finden waren. Die Zahlen gingen massiv zurück, sodass in den Jahren 2015, 2016 und 2017 lediglich noch 23.101, 21.518 und 20.093 Unternehmensinsolvenzverfahren eröffnet wurden. In den Jahren 2018 und 2019 ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzverfahren auf 19.302 und 18.749 Verfahren zurück.19 Im Jahre 2020 verzeichnete das Statistische Bundesamt lediglich 15.841 Unternehmensinsolvenzverfahren.20 Die Gesamtzahl der Insolvenzverfahren ging in den Jahren 2015, 2016 und 2017 auf 115.847, 111.197 und 104.287 Verfahren zurück. In den Jahren 2018, 2019 und 2020 lag sie bei 98.409, 93.558 und 65.795 Verfahren.21

89

Aufgrund der weitreichenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das COVInsAG sowie staatlichen Beihilfen sind die Insolvenzzahlen im Jahre deutlich zurückgegangen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Dezember 2020 nur 875 Insolvenzverfahren eröffnet; im Dezember 2019 waren es noch 1363.22

90

Auch die volkswirtschaftliche Bedeutung von Insolvenzverfahren hat sich gewandelt. Während im Jahre 2013 von den eröffneten Insolvenzverfahren noch 173.541 Arbeitnehmer betroffen waren, ging die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer im Gesamtjahr 2014 auf 126.861 zurück. Das voraussichtliche Forderungsvolumen (Gläubigerforderungen) ging vom Jahr 2013 zum Jahr 2014 von 37,8 Mrd. € auf 35,2 Mrd. € zurück. Im Jahre 2019 waren von den eröffneten Insolvenzverfahren 143.666 Arbeitnehmer betroffen und das Forderungsvolumen (Gläubigerforderungen) belief sich auf 37,1 Mrd. €. Im Jahre 2020 wurden 65.795 Insolvenzverfahren eröffnet, von den 187.895 Arbeitnehmer betroffen waren. Das voraussichtliche Forderungsvolumen (Gläubigerforderungen) beträgt 50,1 Mrd. €.23

1

Vgl.

Bitter

, ZIP 2020, 685ff.;

Fritz

, ZRI 2020, 217ff.;

Schmittmann

, ZRI 2020, 234ff.;

Thole

, ZIP 2020, 650ff.

2

Vgl. zur Freigabe in der Gesellschaftsinsolvenz:

Ganter

, ZRI 2021, 113ff.

3

Vgl. zur historischen Entwicklung des Konkurs- und Insolvenzrechts in Deutschland:

Schmittmann

, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 3.

5

Vgl.

Bork,

ZIP 2006, 58ff.;

Frind

, DRiZ 2006, 199ff.;

ders.

, NZI 2010, 705ff.;

Gaier

, ZInsO 2006, 1177ff.;

Graeber

, NZI 2002, 345ff.;

Henssler

, ZIP 2002, 1053ff.;

Höfling

, ZIP 2015, 1568ff.;

Lambrecht

, DZWIR 2010, 22ff.;

Lüke,

ZIP 2000, 1574ff.;

Pape,

ZInsO 2015, 1650ff.;

Paulus,

NZI 2008, 705ff.;

Preuß

, KTS 2005, 155ff.;

Rein,

NJW-Spezial 2015, 213f.;

Seagon

, NZI 10/2015, S. V (Editorial);

Siemon

, ZInsO 2010, 401ff.;

ders.

, INDat-Report 2/2015, 26ff.;

Wieland

, ZIP 2005, 233ff.

6

Vgl.

Waza/Uhländer/Schmittmann

, Insolvenzen und Steuern, Rn. 497.

7

Vgl. dazu BMF, Schreiben v. 20.5.2015 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05, BStBl. I 2015, S. 476ff.;

Busch/Büker

, Teil 1, InsbürO 2015, 124ff. und Teil 2, InsbürO 2015, 333ff.;

Nowak

, ZInsO 2015, 1189ff.;

Schmittmann,

StuB 2015, 748ff.;

Schmittmann

, ZRI 2020, 649ff.

8

Vgl.

Schmittmann

, ZInsO 2021, 211ff.

9

Vgl.

Bork/Gehrlein

, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung;

Haarmeyer/Huber/Schmittmann

, Praxis der Insolvenzanfechtung;

Waza/Uhländer/Schmittmann

, Insolvenzen und Steuern, Rn. 165/1ff. und 314ff.

10

Vgl.

Schmittmann

, DZWIR 2021, 86ff.

11

Vgl.

Vallender

, ZIP 2015, 1513ff.

12

Vgl.

Schmittmann

, in: Fritz, COVInsAG, Anhang Steuerrecht.

13

BGBl. I 2020, S. 1385.

14

BGBl. I 2020, S. 1512.

15

Vgl.

Stadler/Sotta

, BB 2020, 860ff.

16

Vgl. dazu BMF, Schreiben vom 30.6.2020 – III C 2 – S 7030/20/10009:004 DOK 2020/0610691, BStBl. I 2020, S. 584; BMF, Schreiben vom 4.11.2020 – III C 2 – S 7030/20/10009:016 DOK 2020/1074476, BStBl. I 2020, S. 1129;

Waza

, BB 2020, 2007ff.

17

BMF, Schreiben vom 4.11.2020 – III C 2 – S 7030/20/10009:016 DOK 2020/1074476, BStBl. I 2020, S. 1129, Rn. 19.

18

BGBl. I 2021, S. 330f.

19

Vgl. Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Gewerbemeldungen-Insolvenzen/Tabellen/lrins01.html.

20

Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren, Dezember 2020, S. 3.

21

Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren, Dezember 2020, S. 3;

Schmittmann,

Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 34.

22

Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren, Dezember 2020, S. 5.

23

Siehe Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1: Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren, Dezember 2019, S. 11, und Dezember 2020, S. 11.

II. Akteure

91

Krisen und Insolvenzen betreffen nicht lediglich den Schuldner selbst, sondern auch eine Vielzahl weiterer Beteiligter. Dabei handelt es sich zum einen um die vom Insolvenzgericht im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren bestellten Personen, die nachstehend im Einzelnen unter Berücksichtigung ihrer verfahrensrechtlichen Stellung erörtert werden, und zum anderen um die sonstigen Beteiligten, also insbesondere die Gläubiger, die anderen Marktteilnehmer, die Presse sowie ggf. sonstige Interessengruppen, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen wird.

1.Gutachter

92

Das Insolvenzgericht bestellt nach Eingang eines zulässigen Insolvenzantrags gem. § 5 Abs. 1 InsO regelmäßig einen Gutachter, der beauftragt wird, die nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Insolvenzgründe zu prüfen, Stellung zur Fortführungsfähigkeit des Unternehmens zu nehmen sowie festzustellen, ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist. Bei dem vom Gericht bestellten Gutachter handelt es sich verfahrensrechtlich um einen Sachverständigen.

93

Der Gutachter wird lediglich im Innenverhältnis zum Gericht tätig und ist daher nicht Vertreter des Schuldners.

2.Vorläufiger Sachwalter

94

Durch das ESUG ist u.a. die vorläufige Eigenverwaltung eingeführt und das Eigenverwaltungsverfahren modifizert worden, um Schuldner zu einer früheren Insolvenzantragstellung zu bewegen.24

95

Durch das SanInsFoG erfolgten weitere Änderungen, z.B. ist eine Eigenverwaltungsplanung vorzulegen. Ist die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners (§ 270a InsO) vollständig und schlüssig und sind keine Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Punkten beruht, ordnet das Gericht die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellt gemäß § 270b InsO einen vorläufigen Sachwalter. Dies bedeutet zugleich, dass regelmäßig ein vorläufiger Insolvenzverwalter nicht bestellt wird. Bestellt das Gericht gleichwohl einen vorläufigen Insolvenzverwalter, sind die Gründe hierfür nach § 270b Abs. 4 InsO schriftlich niederzulegen.

96

Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben (§ 270b Abs. 3 InsO), wenn die Kosten der Eigenverwaltung und die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes nicht gedeckt sind oder Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern oder erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber Pensionszusagen, dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten bestehen oder in den letzten drei Jahren Vollstreckungs- oder Verwertungssperren angeordnet worden sind sowie der Schuldner gegen Offenlegungsverpflichtungen nach dem HGB verstoßen hat. In diesen Fällen erfolgt gem. § 270b Abs. 2 InsO die Bestellung des vorläufigen Sachwalters nur, wenn zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten.

97

Ein vorläufiger Sachwalter ist nicht Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO.25 Der vorläufige Sachwalter hat somit nicht die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen.26

98

Die Regelung des § 55 Abs. 4 InsO ist im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung gem. Art. 8 SanInsFoG erst in Insolvenzverfahren anwendbar, die nach dem 31.12.2020 beantragt worden sind. Auch im Rahmen der Übergangsregelung des § 5 COVInsAG zur Eigenverwaltung und des § 6 COVInsAG zum Schutzschirmverfahren ist bereits die Neufassung des § 55 Abs. 4 InsO anzuwenden.

3.Vorläufiger Insolvenzverwalter

99

Das Insolvenzgericht hat gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Zu den Sicherungsmaßnahmen gehört insbesondere die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO) und die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder eines Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO).

100

Ordnet das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot an, wird ein sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter hat die gleichen Rechte und Pflichten wie ein Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren.27

101

Wird kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet, sondern lediglich ein Zustimmungsvorbehalt, so handelt es sich um einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter.28

102

Die Vermögensverwaltung steht einem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zu, sodass kein Fall von § 34 Abs. 3 und Abs. 1 AO vorliegt. Der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter ist daher weder berechtigt noch verpflichtet, die steuerlichen Angelegenheiten des Schuldners zu regeln.29

103

Auch wenn § 55 Abs. 4 InsO regelt, dass Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten, wird der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter dadurch nicht zum Vertreter i.S.v. § 34 Abs. 3 und Abs. 1 AO.30

104

Nur soweit der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht ausdrücklich ermächtigt wurde, Masseverbindlichkeiten einzugehen, obliegt ihm insoweit eine Steuererklärungspflicht.31

105

Ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt wird selbst dann nicht zum Vermögensverwalter i.S.v. 34 Abs. 3 AO oder zum Verfügungsberechtigten i.S.v. § 35 AO, wenn er die ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Verfügungsbefugnisse überschreitet und tatsächlich über Gelder des noch verfügungsberechtigten Schuldners verfügt.32

4.Insolvenzverwalter

106

Der vom Insolvenzgericht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ernannte Insolvenzverwalter ist verfahrensrechtlich Vermögensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO und hat daher gemäß § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen.33

107

Der Insolvenzverwalter ist kein Vertreter des Schuldners, sondern sog. „Partei kraft Amtes“.34

108

Der Insolvenzschuldner bleibt selbst steuerrechtsfähig, sodass die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters den Schuldner persönlich berechtigen und verpflichten.35

109

Der Schuldner bleibt verfahrensrechtlich Beteiligter i.S.v. § 78 AO. Der Schuldner verliert allerdings mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die nach § 79 AO erforderliche Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Insolvenzmasse, sodass der Insolvenzverwalter die sich aus den §§ 90, 93ff., 137ff., 140ff. und 149ff. AO ergebenden Pflichten zu erfüllen hat.36

110

Die weiteren Aufgaben des Insolvenzverwalters ergeben sich insbesondere aus §§ 103ff. und §§ 148ff. InsO (vgl. Rn. 48).

5.Sachwalter

111

Gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Schuldner im Falle der Eigenverwaltung berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird gemäß § 270f Abs. 2 Satz 1 InsO anstelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt.

112

Für die Bestellung des Sachwalters, für die Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie für die Haftung und die Vergütung des Sachwalters gelten §§ 27 Abs. 2 Nr. 4, 54 Nr. 2 und 56 bis 60, 62 bis 65 InsO und 274 Abs. 1 InsO entsprechend.

113

Ein Sachwalter ist nicht Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO.37 Der Sachwalter hat nicht die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen.38

6.Treuhänder

114

Sofern es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt, kann er gemäß §§ 287 bis 303 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit werden (Restschuldbefreiung, vgl. § 1 Satz 2 InsO).

115

In diesen Fällen wird ein Treuhänder bestellt. Sofern noch keine Entscheidung über die Restschuldbefreiung ergangen ist, bestellt das Insolvenzgericht durch den Rechtspfleger gemäß § 288 Satz 2 InsO den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO übergehen.39

116

Die Aufgabe des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren beschränkt sich auf den Einzug der pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung, § 292 InsO. Der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase ist daher nicht Verwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO.40

117

Nach früherem Recht (bis zum 30.6.2014) wurden im vereinfachten Insolvenzverfahren die Aufgaben des Insolvenzverwalters vom Treuhänder wahrgenommen (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO). Durch Gesetz vom 15.7.2013 (BGBl. I 2013, S. 2379) wurden u.a. §§ 312ff. InsO aufgehoben.

118

Der Treuhänder gemäß § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F. war Vermögensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO, da die §§ 56 bis 66 InsO gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO entsprechend galten.41

7.Restrukturierungsbeauftragter

119

Gem. § 73 Abs. 1 StaRUG bestellt das Restrukturierungsgericht von Amts wegen einen Restrukturierungsbeauftragten, wenn

– im Rahmen der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden sollen (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG);

– der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, welche sich mit Ausnahme der nach § 4 StaRUG ausgenommenen Forderung gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richtet (§ 73 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG);

– der Restrukturierungsplan eine Überwachung der Erfüllung der den Gläubigern zustehenden Ansprüche vorsieht (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG).

120

Gem. § 73 Abs. 2 StaRUG erfolgt eine Bestellung auch, wenn absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhabern von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften erreichbar ist, ohne deren Zustimmung zum Restrukturierungsplan eine Planbestätigung allein unter den Voraussetzungen des § 26 StaRUG möglich ist.

121

Bei der amtswegigen Bestellung ist zum Restrukturierungsbeauftragten gem. § 74 StaRUG ein für den Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bestellen, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist und die aus dem Kreis aller zur Übernahme des Amtes bereiten Personen auszuwählen ist.

122