Storys für Kinder, die die Welt retten wollen - Carola Benedetto - E-Book

Storys für Kinder, die die Welt retten wollen E-Book

Carola Benedetto

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Beschreibung

Jeder kann die Welt ein bisschen besser machen! Greta Thunberg, Leonardo DiCaprio, Björk oder der Fotograf Sebastião Salgado – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie wollen unserem Planeten helfen und die Welt zu einem besseren Ort für uns alle machen. Diese Anthologie erzählt 16 kurze Geschichten von jungen Menschen, die sich auf ganz unterschiedliche Weise für den Klimaschutz einsetzen. Ein inspirierendes Buch für Kinder - und für Erwachsene. Mit einem Vorwort von Dr. Eckart von Hirschhausen.

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Seitenzahl: 195

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Ähnliche


Carola Benedetto • Luciana Ciliento

Storys für Kinder, die die Welt retten wollen

Aus dem Italienischen von Ulrike Schimming

Illustriert von Roberta Maddalena Bireau

Mit einem Vorwort von Eckart von Hirschhausen

Über dieses Buch

Greta Thunberg, Leonardo DiCaprio, Björk oder auch der Fotograf Sebastião Salgado – sie alle haben etwas gemeinsam. Sie wollen die Welt besser machen. Zumindest dort, wo sie etwas bewirken können. Diese grüne Anthologie erzählt von sechzehn sehr unterschiedlichen Menschen, die auf ihre Weise versuchen, unserem Planeten zu helfen. Anschaulich verdeutlichen uns die Autorinnen, dass jeder etwas tun kann. Das Buch zur Stunde für Kinder, die sich für mehr Klimaschutz und Ökologie einsetzen wollen. Denn: Man ist nie zu klein, um die Welt zu retten.

Vita

Carola Benedetto ist Indologin, Autorin und Regisseurin.

Luciana Ciliento ist Übersetzerin und Dolmetscherin.

Roberta Maddalena Bireau ist bildende Künstlerin und Musikerin und lebt in Berlin.

Storys für Kinder, die die Welt retten wollen

Eckart von Hirschhausen Lasst uns gemeinsam eine Geschichte der Erde schreiben, die ein Happy End hat

Was unterscheidet uns eigentlich wirklich vom Tier? Dass wir Geschichten erzählen können. Und wir Menschen brauchen Geschichten, um zu leben. Außerdem brauchen wir noch: Wasser, etwas zu essen, Luft und erträgliche Temperaturen. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass wir auch Geschichten davon erzählen und Geschichten hören, wie unser Leben vom Miteinander auf der Erde abhängt. Und davon, dass wir diesen Planeten gut behandeln. Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten, so einfach ist das. Dieses Buch erzählt davon, was Einzelne dafür tun, dass dieses Paradies auf Erden nicht zur Hölle wird, wie es Leonardo DiCaprio in seinem Interview ab Seite 32 befürchtet – und wogegen er kämpft.

Jede Generation hat ihr Aha-Erlebnis, nach der sie die Welt mit anderen Augen sieht. In meinem Fall war das 1986. Ich war 18 Jahre alt, und in Tschernobyl gab es eine Katastrophe in einem Atomreaktor. Da hing von einer Sekunde auf die andere der Himmel nicht mehr voller Geigen, sondern voller Geigerzähler. Die bedrohliche, unberechenbare radioaktive Wolke über uns veränderte meine politische Haltung völlig. Es war das erste Mal, dass ich mich ausgeliefert fühlte. Und dieses Gefühl einer Unausweichlichkeit, einer körperlichen und psychischen Bedrohung empfinde ich heute wieder – angesichts von Temperaturen von über 40 Grad mitten in Deutschland, die die Tragweite unseres weltweiten Problems konkret spürbar machen.

Ich bin Arzt. Ärzte haben die Aufgabe, Leben zu schützen, auf Gesundheitsgefahren hinzuweisen und ihre Diagnosen klar zu äußern, auch wenn sie manchmal nicht schön sind. Die Erde ist unsere «Mutter». Mutter Erde hat Fieber. Und das Fieber steigt weiter. Deshalb schlage ich Alarm. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für unsere Gesundheit im 21. Jahrhundert. Das ist jetzt unsere wichtigste Aufgabe – und zwar von allen Generationen gemeinsam. Ehrlicherweise bin ich sonst nicht so gut darin, klare Prioritäten zu verfolgen, aber wir haben wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit. Unsere eigene Gesundheit und die des Planeten sind sehr viel enger verknüpft, als wir das alle lange realisiert haben. Die Stimmen, die seit vielen Jahrzehnten auf die Grenzen und die Gefahren des Wachstums hingewiesen haben, die ganz konkret vor der globalen Erwärmung warnten – sie wurden von der Politik ignoriert und überhört. Eines meiner Lieblingsplakate von «Fridays for Future» lautet deshalb auch: «Why get education when nobody listens to the educated?» Das ist das große Problem: Was nützt Bildung, wenn niemand auf die Gebildeten hört, wenn sie unangenehme Wahrheiten sagen? Darum engagiere ich mich für die «Scientists for Future» – das sind über 26000 Wissenschaftler, die den demonstrierenden Jugendlichen von «Fridays for Future» den Rücken stärken und sagen: Ja, ihr habt recht, wir sind in einer bedrohlichen Lage und können nur dann etwas ändern, wenn wir alle zusammen anpacken. Die Klimakrise ist von Menschen verursacht. Zum Glück ist das so, könnte man beinahe sagen – sonst könnten wir Menschen ja nichts daran ändern! Ich wundere mich, wie meine Generation, die mit Antiatomkraft, Waldsterben und Friedensbewegung aufgewachsen ist, derartig versagen konnte, das Wissen um die Grenzen des Wachstums in Politik und eigenes Handeln umzusetzen.

In Deutschland geht es uns sehr gut. Wir können unsere Meinung frei äußern, können uns schlaumachen, den Mund aufmachen, wir können Initiativen starten, auf Demonstrationen gehen, Parteien gründen, wählen und abwählen – das alles, ohne wie in anderen Ländern zu riskieren, dafür ins Gefängnis zu kommen. Das ist unsere größte Chance. Wir leben in einem der reichsten, kreativsten und schönsten Länder der Welt – wenn wir es hier nicht hinbekommen, enkeltauglich zu leben, wer dann? Doch wir müssen alle realisieren, dass unsere Zeit endlich ist und ebenso die Zeit, den Klimawandel zu stoppen. «Endlich!», rufe ich deshalb – endlich sind die natürlichen Ressourcen der Erde, aber endlich erheben sich nun auf dem ganzen Planeten die Menschen, um gemeinsam das scheinbar Unausweichliche zu stoppen.

Wer meint, ein Einzelner kann nichts ändern, hat nie eine Nacht im Zelt mit einer Mücke verbracht … Auch Greta Thunberg hat ihren Schulstreik in Schweden alleine gestartet – und damit weltweit inzwischen Millionen Kinder und Jugendliche motiviert. Sie erzählt Geschichten. Und die Menschen hören ihr zu. Ich arbeite ja auch fürs Fernsehen. Da bekommen Leute oft viel Aufmerksamkeit, die gegen etwas sind, nur weil sie am lautesten schreien. Ich höre lieber denen zu, die FÜR etwas sind. Die nicht nur meckern, sondern etwas machen. Und damit andere mitreißen. Auch die Menschen, die in diesem Buch beschrieben werden, haben einfach irgendwann mal angefangen, etwas zu tun. Leonardo DiCaprio zum Beispiel produziert Dokumentarfilme, mit denen er auf die Gefahren des Klimawandels hinweist. Der Fotograf Sebastião Salgado hat in Brasilien auf einem kargen Boden 2,5 Millionen Bäume angepflanzt und damit viele Tierarten zurückgebracht … Jeder kann etwas tun, im Großen wie im Kleinen. Davon handeln diese Geschichten. Von Menschen, die nicht nur meckern, sondern etwas machen. Und damit andere mitreißen. Ich bin sicher, ihr werdet mitgerissen werden.

Das ist der Anfang. Mitgerissen zu sein, um andere mitzureißen. Geschichten zu hören wie in diesem Buch, um anderen davon zu berichten. Lasst uns gemeinsam versuchen, dass mit uns heute eine neue Geschichte der Menschheit beginnt – eine mit einem Happy End.

 

Viel Freude beim Lesen – und danach handeln,

 

Euer Eckart von Hirschhausen

© Dominik Butzmann

Die Geschichte von Vandana Shiva

Wir alle sind Samen

Vandana zieht sich ihre blauen Schuhe aus und schleudert sie weit weg vom Schaukelstuhl, auf dem sie gerade sitzt. Dann springt sie auf und läuft zu ihrer älteren Schwester Mira. Sie soll mit ihr in den Garten gehen. Mira lässt sich lächelnd von Vandana mitziehen. Vandana ist glücklich. Leichtfüßig läuft sie zwischen den Tomatenstauden und Wassermelonen hindurch. Unter ihren nackten Füßen spürt sie den feuchten Boden: Sie weiß, wo etwas gesät wurde und wo sie sicher mit den Füßen hintreten kann. Sie drückt Miras Hand, in der anderen hält sie einen rosa Stoffbeutel. Den hat der Vater ihr mit der neuen Maschine genäht, und sie selbst hat ihn mit Karottensamen gefüllt.

«Zuerst müssen wir uns bei den Regenwürmern bedanken. Sie lockern die Erde auf und bringen so den Sauerstoff zu den Karotten»,

erklärt Vandana. Sie legt die Hände zusammen, und ihre Stimme vermischt sich mit der von Mira. Gemeinsam sprechen sie ein Mantra, ein hinduistisches Gebet.

Vandana und Mira neigen die Köpfe zur Erde und bitten um Erlaubnis, eine Furche graben zu dürfen. In Indien ist die Erde nämlich eine Göttin. Sie ist heilig, und bevor man sie betritt oder aufreißt, auch wenn man nur einen Samen aussäen möchte, muss man sie um Erlaubnis fragen und ihren Segen einholen.

Vandana schließt die Augen. Sie drückt die Fußsohlen auf die weiche Erde. Als sie die Wärme des Bodens spürt, weiß sie, dass die Göttin ihr geantwortet hat. Also öffnet sie die Augen wieder und bohrt die Finger in den Boden. Vorsichtig gräbt sie ein kleines rundes Loch.

«Riech mal, wie das duftet», sagt sie zu Mira und hebt eine Handvoll Erde auf. Dann zieht sie eine kreisrunde Furche um das Loch. «Die speichert das Wasser, wenn die Erde trocken ist, und macht, dass es sich in der Regenzeit nicht staut.»

Nun öffnet sie den Stoffbeutel und holt die Samen heraus.

«Wir tun neun hinein, denn das ist eine magische Zahl.»

 

Vandana lebt in dem kleinen indischen Dorf Dehradun, am Fuß des Himalaya, zusammen mit ihrer Schwester Mira, ihrem Bruder Kuldip, ihren Eltern und ihrer wunderbaren Großmutter, die die leckersten Gerichte kocht.

Ihr Vater ist Forstbeamter, und oft bringt er Tigerjungen mit nach Hause, die aufgepäppelt werden müssen. Seit ein paar Jahren stellt er außerdem mit der Nähmaschine die Kleidung für die ganze Familie her. Nähen macht ihm Spaß, aber diese Maschine bedeutet ihm noch viel mehr. Sie ist für ihn ein Werkzeug der Freiheit, so wie der berühmte Gandhi es gelehrt hat, der wegen seiner Weisheit «Mahatma», große Seele, genannt wurde.

Gandhi hat Indien in dem Unabhängigkeitskampf gegen das britische Königreich angeführt – ganz ohne Waffen. Er hat die Inder aufgefordert, ihre Baumwolle selbst zu spinnen, Stoffe zu weben und ihre Kleidung selbst herzustellen, damit die Inder sie nicht mehr von den englischen Kolonialherren kaufen mussten.

«Jedes Mal, wenn wir ein Kleidungsstück tragen, das von einem Inder gewebt wurde, kann sich dessen Familie das Notwendige zum Leben kaufen, und alle sind glücklich», wiederholte Babaji oft («Babaji» bedeutet auf Hindi «Vater»).

Vandanas Mutter ist Bäuerin und kümmert sich um die Kühe. Vandana ist ganz verrückt nach ihnen. Sie liebt alle Tiere, doch die Kühe sind für sie etwas Besonderes. Sie sind weiß, haben große, schwarz umrandete Augen, als hätten sie sich mit Kajal geschminkt. Die Kühe sehen aus wie elegante und eindrucksvolle Damen. Während Vandana sie in den Stall treibt, fragt sie ihre Mutter: «Warum sind die Kühe eigentlich heilig?» Sie will einfach alles wissen.

«Weil der mächtige Gott Shiva auf einem Stier reitet und weil wir von den Kühen alles bekommen, was wir zum Leben brauchen», erklärt ihre Mutter.

«Und was brauchen wir zum Leben?»

«Milch. Die schlagen wir auf und machen Ghee daraus, die Butter, die du so gern magst. Mit ihrem getrockneten Dung machen wir Feuer, mit dem wir kochen und das uns wärmt. Und mit dem feuchten Dung düngen wir unsere Felder, sodass sie noch fruchtbarer werden, damit Zwiebeln, Reis und Linsen wachsen.»

Vandana hört aufmerksam zu.

Alle Dinge sind miteinander verbunden.

Das sagt ihre Großmutter immer wieder. An diesem Abend denkt Vandana vor dem Schlafengehen über all die Dinge nach, die sie gelernt hat.

«Schlaf, Vandana», flüstert die Großmutter, als sie ihr gute Nacht wünscht.

«Ich bin nicht müde, Naniji» – das bedeutet so viel wie «liebe, weise Oma». «Erzählst du mir die Geschichte von den Bäumen und den Frauen?»

«Die habe ich dir doch gestern schon erzählt und vorgestern auch.»

«Ich weiß, Naniji, aber die Geschichte ist wie deine frittierten laddu. Genau wie von dieser Süßspeise bekomme ich nie genug.»

Und weil die Großmutter den großen schwarzen Augen Vandanas nie etwas abschlagen kann, beginnt sie zu erzählen:

«Vor langer Zeit lebte im Norden Indiens ein Maharadscha, ein sehr böser und mächtiger König.

In einem schwülen Sommer bekam er Lust, zwischen erfrischenden Brunnen spazieren zu gehen. Sofort befahl er seinen Dienern, den Wald rund um den Palast abzuholzen und einen Garten voller plätschernder Wasserspiele anzulegen. Die Nachricht erreichte Amrita Devi, ein Mädchen aus dem nahegelegenen Dorf, die sofort aufbrach, um die Bäume zu verteidigen.

‹Die Bäume sind kostbar. Sie schützen die Tiere, und mit ihren Wurzeln halten sie das Wasser, das wir für die Felder brauchen!›, sagte sie den Dienern des Maharadschas, die gerade mit der Arbeit beginnen wollten.

Die Diener lachten sie aus und fällten den ersten Baum.

‹Die Bäume sind heilig. Wenn die Dürre kommt und wir keine Nahrung haben, kommen wir Frauen her und sammeln Kräuter und ernähren damit unsere Familien!›, beharrte Amrita.

‹Na, dann geht ihr eben woandershin, denn hier bauen wir die Springbrunnen für den Maharadscha. Jetzt geh, lauf zurück in dein Dorf, und zwar schnell!›, schrien die Diener.

Doch Amrita hörte nicht auf sie, sondern trat vor.»

 

Jetzt kommt der Teil, auf den Vandana schon gewartet hat. Denn vor so viel Ungerechtigkeit wäre auch sie keinen Schritt zurückgewichen.

 

«Amrita ging zum größten Baum und umarmte ihn fest, als wäre er ein Bruder oder ihre Mutter.

‹Tötet sie!›, befahl der grausame Maharadscha. Und als er sah, dass die Diener es sich nicht trauten, tat er es selbst. Doch bald darauf kamen andere Frauen, und jede umarmte einen Baum. Zehn, fünfzig, hundert Frauen kamen. Der schreckliche Maharadscha brachte viele von ihnen um, doch es kamen immer mehr Frauen aus allen Teilen des Reiches. Und als es mehr als dreihundert waren, ließ der böse Maharadscha das Schwert sinken und kehrte besiegt in seinen Palast zurück.»

«Der Wald wurde durch den Mut von Amrita Devi und den anderen Frauen gerettet, nicht wahr, Naniji?»

«Ja. Der Mut der Frauen kennt keine Hindernisse.

Frauen sind mächtig, denn sie sind die shakti, die weibliche Urkraft des Universums, die die Welten erschafft. Und du bist auch eine Frau, vergiss das nie.»

Vandana nickt und drückt sich an die Großmutter. Sie fühlt sich bei ihr sicher wie die Bäume in der Geschichte, und endlich schläft sie ein.

 

Die Jahre vergehen. Vandana wächst heran und schließt die Oberschule ab. Nun muss sie entscheiden, was sie aus ihrem Leben machen will. Sie will studieren.

Ihre Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Es interessiert sie nicht, ob Vandana einen Ehemann findet oder einer traditionellen Arbeit nachgeht, so wie es viele andere Eltern von ihren Töchtern verlangen.

«Vandana, ich wünsche mir nur eines, jetzt und für immer», sagt Babaji ihr beim Abschied, wobei er ihr fest in die Augen sieht, «du sollst immer frei und mutig sein wie Mahatma Gandhi. Denk dran, es gibt kein Unrecht, das man nicht mit Beharrlichkeit aufhalten kann. Wirst du immer daran denken?»

«Ja, das verspreche ich dir. Ich werde alles lernen, was man wissen kann, aber ich komme auf jeden Fall nach Hause zurück.

Ich will, dass alle indischen Kinder lernen können, aber noch mehr will ich, dass alle genug zu essen und gute Luft zum Atmen haben. Es gibt sehr viel zu tun!»,

antwortet Vandana aufgeregt, während Mataji den großen Koffer mit Kleidung, Gewürzen, Süßigkeiten der Großmutter und Familienfotos vollpackt.

«Tu, was du tun musst», sagt Babaji. Und Vandana, die immer allen Dingen auf den Grund geht, lernt an einer indischen Universität Physik und Naturwissenschaft und besucht später eine der besten Universitäten der Welt, die University of Guelph in Ontario, Kanada.

 

Als sie zurück nach Hause kommt, merkt sie, dass sich in Indien etwas verändert hat, und zwar zum Schlechteren: In vielen Gebieten sind die Wälder viel kleiner geworden. Die Bäume wurden gefällt, um das Holz zu verkaufen und Mineralien aus dem Boden abzubauen. Ohne die Wälder aber wird das Leben für die Menschen in den Dörfern schwierig. Immer mehr Familien müssen ihre Heimat verlassen, um sich neues Land zu suchen, und immer mehr Kinder betteln auf der Straße. So schließt sich Vandana den Frauen der Chipko-Bewegung an, die in Erinnerung an Amrita Devi ebenfalls die Bäume umarmen, um sie zu schützen. Am Ende gibt die indische Regierung tatsächlich nach: Die Wälder dürfen nicht mehr abgeholzt werden, damit die Dörfer erhalten bleiben und deren Bewohner ein gutes Leben führen können.

 

Nachdem Vandana an der Universität von Guelph ihren Abschluss gemacht hat, geht sie an ein Forschungszentrum der Universität in Western Ontario und spezialisiert sich auf die Quantenmechanik, die die kleinsten Teile der Materie, die Atome, und ihre Verhaltensweisen erforscht.

Als sie 1978 endgültig in ihr Dorf Dehradun zurückkehrt, gibt es ein großes Fest: Verwandte und Freunde kommen zur Begrüßung aus den umliegenden Dörfern, trinken mit ihr Chai, einen Schwarztee, der mit Kräutern, Milch und Zucker zubereitet wird, und essen laddu und Pfannkuchen.

Am nächsten Morgen macht Vandana zusammen mit Mira einen Spaziergang in die Berge. Sie nehmen den Weg entlang des Waldes wie damals als Kinder, als sie Schatten und frische Kräuter suchten. Und hier sieht Vandana mit eigenen Augen Tausende gefällte riesige Eichen. Es ist das Werk der Bergbaugesellschaften, die einen Weg für ihre Lastwagen voller Steine bahnen wollen. Einen Augenblick lang bekommt Vandana keine Luft mehr und bricht fast in Tränen aus.

«Es ist Zeit, dass wir so stark und so mutig wie Amrita Devis werden und versuchen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen»,

sagt sie entschlossen.

Vandana arbeitet jetzt im indischen Management-Institut in Bangalore und untersucht, was für Schäden in der Region entstanden sind, als man die Bauernhöfe in Eukalyptusplantagen umgewandelt hat. Die Weltbank hat diesem Projekt Geld gegeben und behauptet, die Plantagen wären eine gute Sache, weil so die Bäume in die gerodeten Gebiete zurückgebracht werden. Vandana aber erkennt, dass die Wissenschaft und die Technologie oftmals für schlechte Ziele eingesetzt werden. Denn der Anbau von Tausenden von gleichen Bäumen schadet der Umwelt und macht die Plantage anfälliger für Brände. Außerdem wurden die Eukalyptusbäume nicht angepflanzt, weil sie in diesem Gebiet gut wachsen, sondern weil man aus ihnen mehr Papier herstellen kann. Mit ihnen soll also nur Geld verdient werden.

Je mehr Vandana solche Zusammenhänge erkennt, umso dringender spürt sie, dass sie sich ganz dem Schutz der Erde widmen muss. Doch dafür muss sie frei sein, «so wie Gandhi es war, der niemandem irgendetwas schuldete», hätte Babaji gesagt. Also kündigt sie ihre Arbeitsstelle und wird unabhängige Wissenschaftlerin, die kein Geld von der Regierung nimmt. Denn die Regierung veröffentlicht möglicherweise Berichte, die nur zur Hälfte der Wahrheit entsprechen.

Im Stall ihrer Eltern gründet sie die Research Foundation for Science, Technology and Ecology, ein Forschungszentrum, das sich mit der Biodiversität – also den verschiedenen lebenden Organismen auf unserem Planeten – beschäftigt. Außerdem erforscht sie, welchen Einfluss die Staudämme und die Wasserkraftwerke auf die Umwelt haben.

Als Erstes setzt Vandana sich für den Fluss Narmada in Zentralindien ein. Es ist einer der heiligen Flüsse des Landes. Der Flusslauf wurde mit Hilfe von Staudämmen und Deichen umgeleitet, damit aus Wasserkraft Strom produziert werden und die Industrie gleichzeitig Metalle aus dem Boden abbauen kann. Vandana und ihre neuen Mitarbeiter sammeln Informationen, Zeugenaussagen und Dokumente. Sie entdecken, dass die Lage nicht nur hier dramatisch ist, sondern vor allem in den Kalkwerken im Doon Valley: Weil das Wasser fehlt, haben Menschen und Tiere dort nicht genug zu essen. Es gibt nicht einmal mehr genügend Holz, um Häuser zu bauen, denn der Wald wurde abgeholzt. Außerdem werden beim starken Monsunregen die Abfälle, die an den Rändern der Kalkgrube liegen, ins Flussbett gespült. So steigt der Wasserpegel und überflutet die Dörfer.

«Die Unternehmen, gegen die du kämpfst, sind sehr mächtig. Das schaffst du nicht!»,

hört Vandana oft, doch sie gibt nicht auf. An ihrer Seite protestieren auch die Bewohner der Dörfer entlang des Narmada und die Frauen der Chipko-Bewegung.

Nach hundert Tagen Kampf wird Vandana vor das höchste Gericht Indiens gerufen. Und am Ende gewinnt die Wahrheit und … «Die Kalkwerke im Doon Valley werden geschlossen!», verkündet der älteste Richter und schlägt mit seinem Hammer auf den Tisch.

Am Abend ist Vandana müde, aber glücklich und erzählt Babaji von dem Urteil.

«Natürlich kann man den Fortschritt nicht aufhalten», schließt sie und sucht nach Trost in seinen dunklen und weisen Augen, «aber man kann auch nicht alles zerstören! Verstehst du, Babaji? Das ist nur eine der Schlachten gewesen, die uns noch bevorstehen!»

 

Vandana weiß, dass es internationale Unternehmen in Indien gibt, die verändertes Saatgut verkaufen. Diese unnatürlich erzeugten Samen zerstören den Boden und laugen ihn aus: Diese gentechnisch veränderten Organismen (GVO) werden im Labor hergestellt. Die Firmen versprechen den Bauern wundersame Ernten. Doch in Wirklichkeit überleben die Pflanzen aus diesen Samen die erste Dürre nicht, und so müssen die Bauern wieder von vorn anfangen: Im nächsten Jahr müssen sie neue, immer teurere Samen kaufen. Es ist eine endlose Spirale.

«Sie haben sogar versucht, den Basmatireis zu verändern, der seit Jahrhunderten in unseren Tälern wächst, und behauptet, sie hätten ihn erfunden. Wer bitte kann einen Samen erfinden?! Niemand erfindet ihn, und er gehört niemandem», erzählt Vandana wütend.

«Es ist wirklich erschreckend», sagt Babaji. «Das sind Samen, die im ersten Jahr eine große Ernte bringen und dann den Boden unfruchtbar machen. Damit er wieder fruchtbar wird, muss man Chemikalien einsetzen, die von denselben Firmen hergestellt werden und die den Boden vergiften. Viele Bauern haben alles verloren und sich vor Verzweiflung umgebracht.»

«Ich muss etwas tun!», sagt Vandana. «Ich bin Wissenschaftlerin und fühle mich für diese Katastrophe verantwortlich, die andere Wissenschaftler verursacht haben. Ich muss ein Mittel dagegen finden!»

Tatsächlich liegt die Lösung gleich vor ihrer Haustür: im alten Garten ihres Hauses. Man muss den Boden achtsam behandeln, ihn um die Erlaubnis bitten, Samen einpflanzen zu dürfen, und ihm für die Nahrung danken, die er den Menschen schenkt.

Das ist es! Zusammen mit Bija Devi, einer befreundeten Bäuerin, deren Name zudem auch noch «Same» bedeutet, gründet Vandana die Samenbank «Navdanya», was so viel heißt wie «neun Samen», aber auch «neues Geschenk». In der indischen Astrologie stehen die neun Samen für die neun Planeten, weil die Erde nicht allein im Universum schwebt und alles – auch wir Menschen – mit dem ganzen Kosmos verbunden ist.

«Den Raum der Samen muss man barfuß betreten, denn sie sind heilig. Von ihnen hängt das Leben ab», sagt Bija Devi immer. Gemeinsam sammeln die beiden Frauen von ihren Feldern altes natürliches Saatgut und schenken es den Bauern der Region, damit sie keine künstlich erzeugten Samen kaufen müssen.

Fünf Jahre später wird die Saatgutbank Navdanya ein landwirtschaftlicher Betrieb, in dem viele hundert Pflanzen- und Heilkräuterarten sowie mehrere tausend Reissorten aufbewahrt werden. Nach weiteren fünf Jahren entsteht «Bija Vidyapeeth», die Universität der Erde, an der Konferenzen zu biologischer Landwirtschaft und natürlicher Schädlingsbekämpfung abgehalten werden. Hier erinnert man vor allem daran, dass die Nahrung heilig ist und Leben schenkt.

Heute ist Navdanya ein internationales Netzwerk von Saatgutwächtern und ökologischen Herstellern in 22 indischen Provinzen. 122 weitere Saatgutbanken sind aus ihr entstanden, also Orte, an denen natürliche Samen gesammelt werden. Diese werden in kleinen Töpfen aufbewahrt, auf denen der Name der Samen steht.

Durch Vandanas Mut ist eine Gemeinschaft von Menschen entstanden, die die Erde respektieren und die bereits Tausende von Pflanzen gerettet und geschützt haben.

«Denn die Samen zu retten bedeutet, die Vielfalt, das Wissen und die Kultur der gesamten Menschheit zu bewahren», wiederholt Vandana immer wieder, bei Navdanya und in der ganzen Welt.

Die Geschichte von Leonardo DiCaprio

Ich werde dieses Paradies retten!

Schon als Kind hat Leonardo ganz genaue Vorstellungen.

An seinem elften Geburtstag darf er sich einen von den Kunstdrucken berühmter Gemälde aussuchen, die überall in seinem Zuhause hängen. «Such dir ein Bild für dein Zimmer aus», sagt seine Mutter Irmeline zu ihm.

Leonardo zögert keine Sekunde und wählt Der Garten der Lüste.

Es ist ein unheimliches Bild. Der holländische Maler Hieronymus Bosch hat es Ende des 15. Jahrhunderts gemalt, um damit die Geschichte der Menschheit zu erzählen. Eine Geschichte, die nach Hieronymus Bosch kein gutes Ende nimmt.

«Ist das nicht ein bisschen zu düster, Leonardo?», fragt seine Mutter besorgt. «Du wirst es jeden Tag sehen – abends vor dem Einschlafen und morgens nach dem Aufwachen.»

«Kann sein», erwidert Leonardo und zwirbelt sich die langen blonden Haare, so wie er es immer macht, wenn er an etwas Wichtiges denkt. «Aber es erinnert mich an die Comics von Papa. Es ist nicht nur ein Bild, es ist eine Geschichte, die mir etwas sagen will …»