STRIPTEASE IN SCHWARZ - Jonathan Ross - E-Book

STRIPTEASE IN SCHWARZ E-Book

Jonathan Ross

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Billy Toober, Ganove und Polizeispitzel, hat Angst. Sein Tipp brachte einen großen Gauner hinter Gitter. Jetzt verlangt er Polizeischutz. "Kommt nicht in Frage", meint Chefinspektor Rogers. Stunden später findet man einen Leichnam in den Überresten eines abgebrannten Schuppens... Schauplatz: eine Stadt in Nordengland.   Der Roman STRIPTEASE IN SCHWARZ des britischen Schriftstellers Jonathan Ross (eigtl. John Rossiter, * 02. März 1916; † 2005) erschien erstmals im Jahr 1974; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Ähnliche


 

 

 

 

JONATHAN ROSS

 

 

Striptease in Schwarz

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 246

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

STRIPTEASE IN SCHWARZ 

Erstes Kapite 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Billy Toober, Ganove und Polizeispitzel, hat Angst. Sein Tipp brachte einen großen Gauner hinter Gitter. Jetzt verlangt er Polizeischutz. »Kommt nicht in Frage«, meint Chefinspektor Rogers.

Stunden später findet man einen Leichnam in den Überresten eines abgebrannten Schuppens...

Schauplatz: eine Stadt in Nordengland.

 

Der Roman Striptease in Schwarz des britischen Schriftstellers Jonathan Ross (eigtl. John Rossiter, * 02. März 1916; † 2005) erschien erstmals im Jahr 1974; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  STRIPTEASE IN SCHWARZ

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Seine Mutter liebte ihn. Sein Bruder ebenfalls. Dass ihn noch jemand liebte, war äußerst unwahrscheinlich. Er stand jetzt im gelben Lichtkegel einer Straßenlaterne, der Schlagschatten über Augenhöhlen und Nase warf. Während er wartete, griff er nach einer Schnecke, die über den Laternenmast kroch, zerdrückte sie zwischen Daumen und Zeigefinger und warf sie in Richtung des Mannes, der eben die Bar auf der anderen Straßenseite verließ. Der Schneckentöter grinste spöttisch und hätte am liebsten ausgerufen: »Hallo, Billy! Connie lässt schön grüßen!« Aber er sagte es nur in Gedanken, weil sein angeborener Sprachfehler bewirkte, dass er kaum imstande war, ein verständliches Wort zu bilden.

Es war peinlich, ihm zuzuhören, und man musste sich konzentrieren, um die gurgelnden Laute zu verstehen, die er mit äußerster Anstrengung hervorstieß. Seine kindische Rachsucht hätte ihm Sicherheitsverwahrung in einer Anstalt für kriminelle Schwachsinnige einbringen müssen, und der Sprachfehler hatte dazu beigetragen, seine verbrecherischen Anlagen noch zu verstärken. Solange er schwieg und den Mund geschlossen hielt, wirkte er normal; er sah dann nicht einmal schlecht aus, kleidete sich aber wie der schäbige Gangster, der er war.

Sein Sprachfehler hatte ihm den Spitznamen Dummy eingetragen und sich in anderer Beziehung als vorteilhaft erwiesen, weil die Justiz ihn bisher jedes Mal als mildernden Umstand gewertet hatte. Wer ihn kannte, fürchtete ihn aus gutem Grund: nicht nur wegen seiner Brutalität und seiner unberechenbaren Wutanfälle, sondern weil er Connie Grattans Bruder war. Und Connie Grattan war der Gangsterboss, vor dem alle zitterten: Barbesitzer, Inhaber von Stripteaseclubs und Spielsalons, Zuhälter, Dealer und andere Randgestalten der Unterwelt.

Billy Toober erkannte Dummy Grattan unter der Straßenlaterne und sah sich instinktiv nach einem Fluchtweg um. Er hatte weiche Knie, als er sich abwandte und rasch weiterging. Ihm war plötzlich schlecht, aber er wusste, dass das nicht an dem Bier lag, das er getrunken hatte.

Grattan, dessen Grinsen unverändert blieb, stand noch immer unter der Laterne. Connie hatte gesagt, sie hätten massenhaft Zeit. Sie sollten dem Kerl richtig Angst einjagen, hatte er gesagt. Dummy fürchtete nur, Connie könnte Toober einem der anderen überlassen - vielleicht Frank oder Big Willy. Aber Connie hatte gesagt, sie sollten ihn beobachten, dem dreckigen kleinen Polizeispitzel Angst machen und vorerst noch abwarten.

 

Chefinspektor George Rogers, dessen trübselige Stimmung auch drei Drinks im Solomon and Sheba nicht gebessert hatten, stand auf dem schlecht beleuchteten Parkplatz und suchte in seinen Taschen nach den Autoschlüsseln. Leichter Regen hatte eingesetzt, und der böige Wind trieb abgefallenes Herbstlaub über den Asphalt. Rogers hatte private Sorgen. Vor etwa einer Woche hatte sich an seiner Zunge ein Papillom entwickelt; seitdem versuchte er, den Mut aufzubringen, zu seinem Arzt zu gehen und sich bestätigen zu lassen, dass das eine Krebsgeschwulst war. Als er jetzt anfuhr, fragte er sich mürrisch, warum diese Sache mit seiner Beförderung zum Chefinspektor hatte zusammenfallen müssen.

Rogers fuhr auf die Straße hinaus, hörte eine Bewegung hinter sich und sah verblüfft in den Rückspiegel. Er erkannte ein blasses Gesicht hinter sich und spürte im gleichen Augenblick eine Hand auf seiner Schulter. Der Wagen geriet ins Schleudern, als Rogers unwillkürlich auf die Bremse trat, und kam am Straßenrand zum Stehen. Rogers drehte sich wütend um, bekam Jacke, Krawatte und Hemd des blinden Passagiers mit seiner mächtigen Pranke zu fassen und zog ihn ruckartig zu sich heran.

»Mr. Rogers!«, keuchte eine heisere Stimme. »Ich bin’s! Billy Toober!«

»Das sehe ich, Idiot!« Rogers schüttelte ihn. »Das hätte einen Unfall geben können!« Er stieß Toober zurück. »Was haben Sie in meinem Wagen zu suchen? Wie sind Sie reingekommen?«

»Eine Tür war offen, Mr. Rogers.« Toober rückte die Krawatte zurecht und fuhr sich mit einer Hand übers Haar. Er hatte ein wenig Vertrauen erweckendes schmales Fuchsgesicht, und Rogers konnte sich nur darüber wundern, dass es immer wieder Leute gab, die seine Schecks annahmen oder ihm Kredit einräumten. Toobers besonderes Merkmal war seine elegante Kleidung, auf die er großen Wert legte.

»Das ist gelogen«, stellte Rogers etwas freundlicher fest. Er zündete sich seine bereits gestopfte Pfeife an. »Sie haben den Wagen geknackt. Der Teufel soll Sie holen, wenn Sie was beschädigt haben! Was wollen Sie von mir?«

»Ich brauche Hilfe, Mr. Rogers.« Toobers Stimme zitterte. »Fahren Sie bitte irgendwohin, wo wir ungesehen miteinander reden können?«

Rogers nickte zustimmend; er war sich darüber im Klaren, dass die hiesige Unterwelt seinen Wagen kannte. Er fuhr weiter und hielt erst in einer schlecht beleuchteten Seitenstraße am Güterbahnhof.

Dort drehte er sich nach Toober um. »Schießen Sie los, Billy«, forderte er ihn auf. »Kurz und knapp. Und halten Sie sich nicht mit Lügen auf.«

Toober zündete sich eine Zigarette an und verdeckte dabei die Flamme mit der Hand, als fürchte er, gesehen zu

werden. Er schluckte nervös. »Ich bin geliefert, Mr. Rogers. Ich soll umgelegt werden.«

»Oh?« Rogers schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. »Von wem denn?«

»Connie Grattan.«

»Und Grattan sitzt, wie Sie genau wissen.«

»Aber seine Jungs sitzen nicht, Mr. Rogers.«

»Sie gehören alle hinter Gitter. Und Sie auch.«

»Dummy macht mir die meisten Sorgen...«

»Das kann ich mir vorstellen«, stimmte Rogers zu. »Grattans Leute haben lange gebraucht, um auf Sie zu kommen, Billy.« Er warf Toober einen prüfenden Blick zu. Der andere war nie tapfer gewesen, aber er hatte sich einmal dazu überwunden, gegen den mächtigen Grattan auszusagen, der daraufhin im Gefängnis gelandet war. Toober hatte nicht aus menschenfreundlichen Motiven gehandelt; er hatte das Geld gebraucht, um dringende Spielschulden begleichen zu können. Rogers fühlte sich nicht dazu verpflichtet, Toober zu bedauern, aber der kleine Mann tat ihm leid, falls ihm Grattans Leute wirklich auf den Fersen waren.

»Woher wissen Sie, dass die Bande hinter Ihnen her ist?«, erkundigte er sich.

»Ich hab’ einen Freund in der Firma. Er hat mir den Tip gegeben. Connie hat seinen Leuten einen Kassiber geschickt.«

Das blasse Gesicht war nur undeutlich zu erkennen, aber Rogers hörte schon an Toobers Stimme, wie nervös und ängstlich der andere war.

»An Ihrer Stelle würde ich abhauen«, stellte Rogers trocken fest. »Besonders Dummy Grattan ist ein verdammt gefährlicher Mann - falls er Ihnen auf den Fersen sein sollte.«

»Das ist er, Mr. Rogers! Er verfolgt mich!«

»Bei allem schuldigen Respekt, Billy!«, wehrte Rogers ab,

»hätte ich doch gedacht, dass Grattan einen seiner weniger wichtigen Leute auf Sie ansetzen würde. Vielleicht einen Mann wie Schroder oder McQuat.«

»Nein!« wiedersprach Toober energisch. »Dummy beschattet mich selbst. Ich hab’ ihn deutlich gesehen!«

»Und? Warum verschwinden Sie dann nicht?«

»Wohin, Mr. Rogers? Ich muss schließlich auch an Brenda denken.«

»Nehmen Sie sie mit«, schlug Rogers ihm vor.

»Sie will aber nicht fort...«

»Dann tauchen Sie eben allein unter, verdammt noch mal!«, sagte Rogers ungeduldig.

»Ich habe kein Geld.«

»Von mir bekommen Sie jedenfalls keines.«

Toober zog an seiner Zigarette. Die rote Glut spiegelte sich in seinen Augen, so dass er an ein erschrecktes Tier erinnerte. »Ich verlange Polizeischutz, Mr. Rogers.«

»Auch den können Sie nicht bekommen, Billy«, antwortete Rogers nüchtern. »Und das wissen Sie recht gut.«

»Ich muss ihn aber bekommen!«

»Nein, das müssen Sie nicht. Denken Sie doch selbst darüber nach, Billy. Um Sie Tag und Nacht beobachten zu lassen, brauchen wir drei Kriminalbeamte, die jeweils acht Stunden lang Dienst haben - und das vielleicht wochen- oder monatelang.« Er schüttelte den Kopf. »Dafür haben wir einfach nicht genug Leute, Billy. Außerdem könnten Sie dann niemand mehr Ihre ungedeckten Schecks andrehen und müssten sich vielleicht sogar eine Arbeit suchen. Und sobald die Kriminalbeamten abgezogen würden, hätten Grattans Leute wieder freie Bahn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Connie es sehr eilig hat, denn sonst wären Sie längst im Krankenhaus oder unter der Erde.«

Toober seufzte schwer. »Was soll ich nur tun? Wer kann mir helfen, wenn Sie’s nicht können?«

»Sie müssen sich selbst helfen. Sie müssen untertauchen oder kämpfen.«

»Kämpfen?« murmelte Toober zweifelnd. »Wie soll ich das können?«

Rogers grinste sarkastisch. »Sie haben einen Punkt erreicht, Billy, wo Sie fliehen oder sich wehren müssen.«

»Tut mir leid, aber dann muss ich fliehen. Dummy...« Seine Lippen zuckten, als er an Connies Bruder dachte. »Mein Gott, wie soll ich mich denn wehren können?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Rogers brüsk. »Jedenfalls ist Ihre eigene Angst Ihr schlimmster Feind. Tut mir leid, aber von mir haben Sie weder Geld noch Schutz zu erwarten.« Er warf Toober einen prüfenden Blick zu. »Diese Geschichte nehme ich Ihnen ohnehin nicht ganz ab. Sie haben schon immer viel gelogen. Sie verdienen sich sogar Ihren Lebensunterhalt durch Lügen.«

»Ich sage die Wahrheit, Mr. Rogers!« beteuerte der andere. »Beim Grab meiner Mutter!« Das klang ernsthaft, aber Rogers wusste, was er von Toobers Beteuerungen zu halten hatte.

»Schon gut, schon gut.« Rogers öffnete sein Fenster einen Spalt breit, um den Rauch abziehen zu lassen. »Damit wären wir wieder bei Ihrem Problem, Billy. An Ihrer Stelle würde ich verschwinden. Wandern Sie nach Australien oder auf die Falklandinseln aus. Wer sich mit Hyänen einlässt, muss damit rechnen, dass sie ihn totbeißen.« Sein Tonfall wurde schärfer. »Woher weiß Grattan, dass Sie ihn verpfiffen haben?«

Toober fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, bevor er zögernd antwortete: »Mein Freund... der Mann, der mich vor Connie gewarnt hat, hat gesagt, der Tip wär’ von der Polizei gekommen... aus Ihrer Dienststelle, Mr. Rogers.«

Rogers packte ihn wieder an der Jacke. »Hören Sie, das ist durchaus nicht witzig!«, knurrte er. »Bringen Sie mir einen Beweis dafür, sonst schlag’ ich Ihnen die Zähne ein!«

Er war wütend. Dieser schäbige kleine Ganove behauptete, einer seiner Beamten sei fahrlässig geschwätzig oder gar korrupt.

»Ich... ich...« Toober machte keinen Versuch, sich zu befreien. »Tut mir leid, Mr. Rogers«, stieß er dann hervor, »aber das hat er gesagt.«

Rogers ließ ihn los. »Wer hat das gesagt? Ich will wissen, wie der Kerl heißt.«

Toober schüttelte stumm den Kopf. »Bitte, Mr. Rogers«, sagte er schließlich. »Ich kann nicht... ich traue mich nicht!«

Der Kriminalbeamte starrte ihn an. »Wieviel?«, fragte er drohend.

»Nein, nein, das kann ich nicht! Er würde mich umbringen, wenn ich...«

»Haben Sie sich schon überlegt, dass Connie seinen Tip von Ihrem geschwätzigen Freund haben könnte?«

Toober brachte den Mund nicht mehr zu.

»Haben Sie ihm gegenüber zugegeben, dass Sie für uns arbeiten?«

»Nein, natürlich nicht!«

»Aber Sie haben es auch nicht geleugnet?«

Toober schwieg bedrückt.

Rogers schnaubte. »Das ist doch ein uralter Trick! Haben Sie zu einem von Grattans Leuten wirklich so viel Vertrauen? Wahrscheinlich soll er Ihnen nur Angst einjagen, Billy. Und das ist ihm auch prima gelungen. Denken Sie doch darüber nach!«, drängte er. »Glauben Sie im Ernst, dass er sein Leben riskiert, nur um Sie zu warnen?«

Toober kaute an seinem Daumennagel und dachte nach. »Vielleicht nicht«, gab er dann zu. »Aber Connies Leute haben’s trotzdem auf mich abgesehen.«

»Möglich. Oder Grattan will Ihnen nur Angst machen. Wer ist also dieser Freund?«

Toober schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Mr. Rogers, das kann ich Ihnen nicht sagen.«

»Sie sind dümmer, als ich gedacht hätte. Wer soll Connie Grattan von Ihnen erzählt haben?«

»Das hat er mir nicht gesagt, Mr. Rogers. Ich weiß nur, dass es ein Kriminalbeamter gewesen sein soll.«

»Er hat gelogen«, stellte Rogers fest. »Davon haben nur Sie, ich und ein weiterer vertrauenswürdiger Beamter gewusst. Folglich bleiben Sie als einziger übrig. Wem haben Sie’s also erzählt?«

»Niemand, Mr. Rogers.«

Er wartete, bis ein Güterzug an ihnen vorbeigeklirrt war. »Nicht einmal Ihrer Frau?«

»Nein!« Das klang bestimmt. »Das... muss einer von Ihrer Bande gewesen sein.«

»Sie sollen meine Leute nicht als Bande bezeichnen!«, knurrte Rogers. Aber er hatte dabei ein flaues Gefühl im Magen. Er war sich darüber im Klaren, dass einer seiner Männer sich diese Information verschafft haben konnte. Bestechliche Polizeibeamte waren selten, aber es gab welche. »Ich zahle gut, wenn Sie mir seinen Namen beschaffen, Billy«, bot er Toober an. Das Geld würde er notfalls aus eigener Tasche aufbringen. »Fünfzig Pfund. Ich muss wissen, wer das war.«

»Tut mir leid, aber...« Toober schüttelte besorgt den Kopf. »Mein Freund wär’ selbst dran, wenn Connie wüsste, dass er mit mir gesprochen hat.«

Rogers war weit entfernt davon, jedes Wort für bare Münze zu nehmen. Aber was Toober gesagt hatte, machte ihm doch Sorgen. Verrat in den eigenen Reihen förderte Schnüffelei und Misstrauen, erzwang erhöhte Geheimhaltung und hinderte Rogers daran, vertrauensvoll mit seinen Männern zusammenzuarbeiten.

»Der Tip ist nicht aus meiner Dienststelle gekommen«, erklärte er Toober nachdrücklich. Alles andere ging ihn nichts an.

»Gut, Mr. Rogers«, sagte Toober, der offenbar keineswegs überzeugt war. »Entscheidend ist jedenfalls, dass Connie Bescheid weiß...«

»Oder etwas vermutet«, warf Rogers ein.

»Das Ergebnis ist das gleiche. Er geht davon aus, dass ich ihn verpfiffen habe.«

»Und Sie wollen, dass ich etwas dagegen unternehme? Nachdem Sie sich geweigert haben, mit mir zusammenzuarbeiten?«

»Ja«, antwortete Toober einfach.

»Gut, ich rede mit ihm.«

»Großer Gott! Nein!«

»Keine Angst, ich erwähne Ihren Namen nicht einmal. Ich warne ihn nur, dass er auf Dummy aufpassen soll, weil ich ihn im Auge behalte. Aber das nützt wahrscheinlich nicht viel.« Rogers schwieg nachdenklich. »Vielleicht wär’s besser, wenn ich doch von Ihnen reden würde. Damit er weiß, dass ich auf dem laufenden bin.«

Toober schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Bitte nicht, Mr. Rogers! Sie kennen doch Dummy. Der lässt sich durch keine Strafandrohung beeinflussen. Mir wär’s lieber, wenn Sie überhaupt nicht mit Connie reden würden.«

»Was Sie mir erzählt haben, muss ich dienstlich zur Kenntnis nehmen. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich muss mit ihm sprechen.« Als Toober keine Antwort gab, fragte Rogers: »Wo soll ich Sie absetzen?« Er hatte Toober plötzlich satt; er wollte nach Hause, wo seine Frau ihn nach dem Streit am Frühstückstisch unfreundlich empfangen würde, und ins Bett.

»Ich steige gleich hier aus.«

»Sie wollen zu Fuß gehen? Das ist aber ein weiter Marsch.«

Toober drückte die Tür hinter sich ins Schloss und blieb  an Rogers’ Fenster stehen. Er sah auf seine Uhr. »Lassen Sie mir fünf Minuten Vorsprung, bevor Sie losfahren.«

»Rufen Sie mich an, falls Sie Schwierigkeiten mit Dummy bekommen.«

Als Rogers auf die Hauptstraße hinausfuhr, war Toober verschwunden. Der Kriminalbeamte rauchte seine Pfeife, dachte kaum noch an Geschwür und Toober und überlegte stattdessen, welche Argumente sich seine Frau tagsüber zurecht gelegt haben konnte.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

James Huggett, der Polizeipräsident, empfing seine Beamten zu Audienzen statt zu Besprechungen. Rogers hielt ihn für einen autoritären alten Schwachkopf und hatte damit die meisten Kollegen auf seiner Seite. Huggett und Rogers verabscheuten einander und beschränkten sich auf ein Minimum an dienstlich erforderlicher Höflichkeit.

Rogers hatte den Verdacht, er sei Huggett zu selbstbewusst, nicht dankbar genug, wenn er zu Dank verpflichtet gewesen wäre, und nicht ergeben genug, um die Kluft zwischen ihm und dem Polizeipräsidenten zu erkennen. Er verdankte seine kürzliche Beförderung keineswegs Huggett - sie war das Ergebnis einer allgemeinen Umstrukturierung -, aber der Polizeipräsident hatte sie in einen persönlich erteilten Ritterschlag umgewandelt, der Rogers den Eindruck vermitteln sollte, er sei damit Huggetts überragender Stellung einen kleinen Schritt nähergekommen.

Huggett bot Untergebenen selten einen Sessel an. Durften sie jedoch sitzen, saßen sie buchstäblich in strammer Haltung: ohne übergeschlagene Beine, hängende Schultern oder allzu offensichtliches Interesse für Huggetts Schreibtisch.

Rogers stand jetzt vor diesem Schreibtisch und hatte eben über sein Gespräch mit Toober berichtet.

Huggett schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich finde seine Behauptungen wenig überzeugend, Mr. Rogers«, stellte er fest. »Er scheint, äh, etwas hysterisch zu sein.«

»Falls er die Wahrheit sagt, Sir, hat er allen Grund, hysterisch zu sein. Von Grattans Bande sind noch fünf Leute da, die darauf warten, dass ihr Boss aus dem Gefängnis kommt.« Er zählte sie an den Fingern ab. »Frank Hulett, Big Willy Schroder, Slab McQuat, Pretty Sid Duggan und Charlie Bunger. Jeder von ihnen stellt eine potentielle Gefahr für Toober dar. Aber er hat vor allem Angst vor Dummy Grattan - und der ist besonders gefährlich. Toober behauptet, er werde von ihm verfolgt.«

»Ich kenne ihn nicht... natürlich nicht.« Das klang fast wie ein Tadel für Rogers. »Hat er eine Hasenscharte?«

»Nein. Er hat einen Sprachfehler und bringt kaum ein verständliches Wort heraus. Er könnte einem leidtun, wenn er nicht so gemein und rachsüchtig wäre.«

Huggett runzelte die Stirn, als er diese Beschreibung hörte. »Ist er vorbestraft?«

Rogers verzog das Gesicht. »Wegen schwerer Körperverletzung. Ein paarmal ist er freigesprochen worden, weil die Richter angenommen haben, er sei wegen seines Sprachfehlers provoziert worden. Aber das stimmt nicht - das würde niemand wagen. Er ist der verlängerte Arm seines Bruders Connie, und die Leute, die er zur Vernunft bringt, können ihn nicht anzeigen, weil sie aus dem gleichen Milieu kommen. Und wer sich mit ihm persönlich anlegt, kann sein Testament machen. Ich denke dabei an Darky Drabble, der in Bars verbreitet hat, Dummy Grattan sei ein Schwuler. Seitdem ist er verschwunden, und wir werden ihn wohl nie Wiedersehen. Ich glaube, dass er irgendwo im Tadpole Canal liegt.«

»Aber das wissen Sie nicht, Mr. Rogers.«

»Ich weiß, dass ich keinen Zweifel an dieser Erklärung habe. Es gibt nur keine Beweise.«

»Und das genügt eben nicht«, stellte Huggett fest. »Dieser Mr. Grattan ist unschuldig, bis wir ihm das Gegenteil nachweisen können.« Er warf dem Chefinspektor einen prüfenden Blick zu. »Sie scheinen Ihre Mitmenschen recht pessimistisch zu beurteilen, Mr. Rogers.«

»Ja, Sir.«

»Ich gestatte mir, zu bezweifeln, dass Mr. Grattan auch nur halb so kriminell ist, wie Sie ihn hinstellen.« Er nannte jeden Straftäter Mr., weil die Times es auch tat. Huggett und die Times standen hoch genug über gewöhnlicher Kriminalität, um sich das erlauben zu dürfen.

»Ich mache Grattan keineswegs schlecht, Sir«, versicherte Rogers ihm. »Er ist ein brutaler Gewalttäter, der hinter Gitter gehört. Falls er wirklich hinter Toober her ist, hat dieser allen Grund, sich Sorgen zu machen, und er tut mir leid.«

»Das wird sich ja heraussteilen, Mr. Rogers«, wehrte Huggett ab. »Und wie steht’s mit seinem Bruder? Im Gefängnis kann er wohl nicht sehr gefährlich sein.«

Großer Gott, als ob er wirklich so ahnungslos wäre! dachte Rogers. »Grattan ist auch im Gefängnis noch immer Boss seiner Bande«, berichtete er. »Er organisiert und manipuliert sogar von der Zelle aus. Wir wären naiv, wenn wir nicht damit rechnen würden. Wenn er Toober umlegen lassen will, wird Toober umgelegt. Und Connie ist sogar noch gefährlicher als Dummy, weil er eine gewisse Intelligenz besitzt. Das einzig Positive an ihm ist seine Liebe zu seinem Bruder. Die beiden halten wie Pech und Schwefel zusammen.«

Der Polizeichef nickte langsam. »Ich bin davon überzeugt, dass Sie alles Notwendige tun werden, Mr. Rogers«, sagte er, um die Verantwortung notfalls ablehnen zu können. Er kratzte seine Pfeife aus, legte sie genau parallel zu seiner Schreibunterlage und fragte: »Was ist mit dieser angeblich undichten Stelle in Ihrem Bereich?«

Rogers verzog das Gesicht. »Die macht mir wirklich Kummer. Ich weiß nicht, ob ich das glauben soll...«

»Ich glaub’s nicht«, unterbrach Huggett ihn. »Sie haben die V-Mann-Liste überprüft?«

»Sie liegt wie immer unter Verschluss. Und sie ist nur von Befugten eingesehen worden.«

»Ich habe nichts anderes erwartet. Für mich steht fest, dass nur Sie und Mr. Jackman Zugang zu der Liste gehabt haben.« Oberinspektor Jackman hatte als Verwaltungsbeamter kaum Kontakt mit der Unterwelt und war außergewöhnlich schweigsam. »Sogar ich habe nicht gewusst, dass Mr. Toober für uns gearbeitet hat.« Huggett hatte selbst Anweisung gegeben, ihn aus Geheimhaltungsgründen nicht über die V-Männer zu informieren. Trotzdem brachte er es jetzt fertig, die unterlassene Information als Majestätsbeleidigung hinzustellen.