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Lord Alistair, Sohn des schottischen Herzogs von Strathnairn, den man auch den 'König von Schottland' nennt, verliebt sich in eine Engländerin. Da sein Vater einen glühenden Hass auf die Engländer hatte, verstößt er seinen Sohn aus seinem Clan, obwohl diesem die Stellung als Familienoberhaupt zusteht. Lord Alistair lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern glücklich in einfachen Umständen. Die Schwester seiner Frau, Pepita Linsford, zieht nach dem Tod ihres Vaters zu ihnen und hilft bei der Erziehung der Kinder. Lord Alistair und seine Frau kommen jedoch bei einem Bootsunfall ums Leben und Pepita, die noch sehr jung und sehr hübsch ist, muss sich nun um Rory und Jeanie kümmern. Der Lord hatte jedoch beträchtliche Schulden hinterlassen und der ganze Besitz der Familie muss verkauft werden. Die einzige Möglichkeit, die Pepita sieht, um den Kindern eine Zukunft zu gewähren, ist sie zu ihrem Großvater nach Schottland zu bringen und ihn zu bitten sie aufzunehmen. Die Fahrt nach Schottland und dem Schloss des Herzogs ist sehr lange und anstrengend; auf dem Schloss selbst werden sie nicht sonderlich herzlich aufgenommen; vor allem die neue Frau des Herzogs ist ihnen nicht gut gesinnt. Nur der gut aussehende Torquil, ein Mitglied des McNairn Clans, versucht Pepita und den Kindern zu helfen.
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Seitenzahl: 188
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Als ich im Jahr 1927 zum ersten Mal das schottische Hochland besuchte, ging ich am Sonntag in die Kirche. Es war ein düsteres, kahles Gebäude, und der Geistliche trug kein Chorhemd, sondern nur eine schwarze Soutane. Seine Predigt dauerte über eine Stunde, und darin ließ er sich leidenschaftlich über die erbarmungslose Grausamkeit der Engländer den Schotten gegenüber aus.
Er sprach so vehement und erregt über das, was geschehen war, dass man meinen konnte, die schrecklichen Gräuel hätten eben erst stattgefunden. Als ich dann feststellte, dass er über die Strafaktionen der Engländer gegen die Schotten nach der Schlacht bei Culloden im Jahr 1746 sprach, in der der Herzog von Cumberland über Prinz Charles Edward Stuart siegte, der Anspruch auf den englischen Thron erhoben hatte, erkannte ich, dass die Schotten niemals vergessen oder verzeihen.
Die Heraldik entstand im feudalen Westeuropa des 14. Jahrhunderts, als Wappen es möglich machten, Edelleute auf dem Schlachtfeld zu erkennen.
Das College of Arms wurde im Jahr 1555 gegründet. In Schottland ist der Lord Lyon ein hoher Staatsbeamter und Berater des Königs in allen Angelegenheiten, die Wappen, Genealogie und das Zeremoniell betreffen. Er ist für alles zuständig, was mit Familiennamen, Wappen und Stammbäumen zu tun hat.
Pepita Linford trat in den Salon und betrachtete die Kisten in dessen Mitte, den aufgerollten Teppich und die Bilder, die von der Wand genommen und aufgestapelt worden waren.
Dieser Anblick wirkte auf sie so deprimierend, dass sie zum Fenster ging und auf den Garten hinaussah, als ängstige sie sich vor dem, was nun zu tun war.
Obwohl es schon Anfang September war, blühten noch die Rosen, Dahlien und Gladiolen.
Hinter dem Garten lag Brachland, und jenseits davon war das Meer.
Sie konnte das Blau des Atlantiks sehen, fast so leuchtend wie das des Mittelmeers, und sie wusste, dass unten die Wellen an die Klippen brandeten, als wollten sie diese zerstören.
Bei dem Gedanken an das Meer musste sie an die beiden Menschen denken, die es ihr genommen hatte, und sie kämpfte mit einer ungeheuren Selbstbeherrschung gegen die Tränen an.
Als es an die Haustür klopfte, ging sie durch die kleine Halle und öffnete die Tür.
Draußen stand ein grauhaariger, kleiner, ordentlich gekleideter Herr, der bei ihrem Anblick lächelte.
»Guten Tag, Miss Linford.«
»Ich hatte Sie erwartet, Mr. Clarence«, antwortete sie. »Treten Sie doch bitte ein. Leider stehen die einzigen Stühle, auf die wir uns setzen können, im Speisezimmer.«
Er folgte ihr in den kleinen, quadratischen Raum, der zur Straße hinauslag und den Lord Alistair McNairn und seine Frau als Speisezimmer benutzt hatten.
Das Zimmer war ebenso ausgeräumt wie der Salon, und nur ein paar lederbezogene Stühle mit hohen Lehnen waren noch nicht eingepackt.
Pepita setzte sich auf einen davon, und als Mr. Clarence auf einem anderen Platz nahm, sah sie ihn ängstlich an, als wisse sie, was er ihr zu sagen hatte.
Er zog noch einen anderen Stuhl heran, legte eine lederne Aktentasche darauf, die er unter dem Arm getragen hatte, und öffnete sie.
»Leider bringe ich Ihnen keine gute Nachricht, Miss Linford«, sagte er.
»Das habe ich befürchtet, Mr. Clarence.«
Mr. Clarence zog ein Blatt Kanzleipapier aus seiner Aktentasche.
Er betrachtete es einige Zeit, als überrasche ihn das, was er las, oder als überlege er, wie er es dem wartenden Mädchen erklären sollte.
Dann räusperte er sich und sagte langsam, als müsse er sich dazu zwingen:
»Ich habe von den Käufern der Pferde und der Möbel dreihundertzweiundzwanzig Pfund erhalten.«
Pepita seufzte leise.
»Ist das alles?«
»Mehr konnte ich nicht bekommen, Miss Linford, und ich versichere Ihnen, ich habe mein Möglichstes getan.«
»Sie waren sehr freundlich, Mr. Clarence. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Aber wie Sie wissen, kann ich mit dreihundertzweiundzwanzig Pfund die Schulden meines Schwagers nicht bezahlen.«
»Das ist mir klar, Miss Linford«, antwortete Mr. Clarence. »Ich hoffe, wir werden aus dem Verkauf der drei Gemälde, die ich zu Christie's in London geschickt habe, ein wenig mehr erlösen.«
Pepita schwieg und dachte, dass die Bilder trotz Mr. Clarences Optimismus bei einer Auktion kaum einen hohen Preis erzielen würden, denn ihr Schwager hatte sie eher wegen der Motive als wegen der Künstler gekauft.
Trotzdem sagte sie sich, dass jeder kleine Betrag eine Hilfe war.
Sie musste jedoch an die Kinder denken, und im Augenblick war ihr so, als schwimme sie in rauer See, so dass sie kaum den Kopf über Wasser halten konnte.
Als wisse er, wie ihr zumute war, sagte Mr. Clarence freundlich:
»Ich habe mit Mr. Healey, dem Käufer der Möbel, ausgemacht, dass er die Betten frühestens am Freitag abholen lässt. Bis dahin werden Sie sich entschieden haben, wohin Sie mit den Kindern gehen.«
Pepita holte tief Luft.
»Ich kann nach Schottland gehen, Mr. Clarence.«
Einen Augenblick schien es so, als wäre Mr. Clarence sprachlos.
Er sah sie überrascht an, ehe er nach einer langen Pause sagte:
»Nach Schottland? Ich hätte nicht gedacht, dass...«
»Da Sie sich um die Angelegenheiten meines Schwagers gekümmert haben, seit er hierherkam, wissen Sie vermutlich, dass sein Vater, der Herzog, ihm nicht nur den sprichwörtlichen letzten Shilling entzog, sondern ihn auch aus seinem Clan ausstieß, als er meine Schwester heiratete.«
»Lord Alistair selbst hat es mir erzählt«, murmelte Mr. Clarence.
»Der Herzog war grausam und ungerecht, und obwohl ich selbst keine Schottin bin, weiß ich, wieviel der Clan für meinen Schwager bedeutet hat und wie sehr die Haltung seines Vaters ihn verletzte.«
Pepitas Stimme starb ab. Sie dachte daran, dass nur ein hartherziger, grausamer, unbeugsamer Mann sich seinem eigenen Sohn gegenüber so verhalten konnte, wie der Herzog es getan hatte.
Er hatte Alistair alles, was ihm teuer gewesen war, weggenommen, weil dieser sich in ihre Schwester verliebt und sie geheiratet hatte.
Alistair war grausam und erbarmungslos dafür bestraft worden, dass er sich aus Liebe statt aus Vernunftgründen vermählt hatte.
Sein Vater, der Herzog von Strathnairn, den man manchmal den ‚König von Schottland‘ nannte und der sich gewiss so benahm, als wäre er es, empfand einen glühenden Hass auf die Engländer.
Diese hatten nach der Schlacht bei Culloden den Zorn vieler Schotten erregt, und Lord Alistair hatte oft gesagt, dass die Schotten, wie die Elefanten, niemals vergaßen.
Euan, der älteste Sohn des Herzogs, sollte die Tochter des Oberhaupts des McDonavan-Clans heiraten, dessen Besitztum an das seine grenzte. Sie lagen seit Jahrhunderten miteinander in Fehde.
Vereint in ihrem beiderseitigen Hass auf die Engländer, hatte der Herzog zugestimmt, dass Euan, der Marquis, Jeanet McDonavan heiraten sollte. Die Clans wollten die Hochzeit mit einem Treffen der McNairns und McDonavans, die aus ganz Schottland anreisen wollten, feiern.
Aber bald nach der Verlobung war der Marquis bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen.
Der Herzog wartete kaum die konventionelle kurze Trauerzeit ab und befahl seinem jüngeren Sohn, die Stelle des Bruders einzunehmen.
»Wenn ich sterbe, bist du das Oberhaupt des Clans«, sagte der Herzog. »Jetzt musst du die Verpflichtungen deiner Stellung übernehmen, wie es dein Bruder schon getan hat, und Jeanet McDonavan heiraten.«
Lord Alistair war über diese Idee entsetzt gewesen.
Er hatte keinen Augenblick daran gedacht, die Nachfolge seines Vaters als Oberhaupt der Familie anzutreten und hatte einen großen Teil seiner Zeit im Süden verbracht.
Lord Alistair war der Meinung, dass der Hass seines Vaters auf die Engländer in einer modernen Welt, in der es eine Königin von Großbritannien gab, die traditionellen Fehden und Feindseligkeiten zwischen Engländern und Schotten ebenso wie zwischen den Clans überholt und altmodisch wären.
Aber der Herzog beharrte auf seinem Willen und bedrängte seinen Sohn hart.
Alistair war hin und her gerissen zwischen seinen eigenen Wünschen und der Loyalität gegenüber seinem Vater.
Dann verliebte er sich ganz plötzlich in Denise.
Als Pepita jetzt zurückdachte, sah sie es genau vor sich, wie die beiden einander zum ersten Mal begegnet waren. Als sich ihre Blicke trafen, schienen sie wie durch einen magischen Zauber untrennbar miteinander verbunden zu sein.
Pepita und ihre Schwester Denise lebten damals bei ihrem Vater, der sich von seiner Stellung im Auswärtigen Amt zurückgezogen hatte, um ein Buch über die Länder zu schreiben, in die er während seiner Jahre als Diplomat gereist war.
Sie hatten in einem kleinen Dorf nördlich von London, in Hertfordshire, gewohnt.
An einem sonnigen Tag hatten die beiden Mädchen im Garten gesessen, als sich draußen auf der Straße ein Unfall ereignete.
Die Mädchen waren aufgesprungen und zum Tor gelaufen, um zu sehen, was geschehen war.
Ein eleganter Zweispänner, der von zwei Pferden gezogen wurde, war mit einem Dorfkarren zusammengestoßen. Er war ohne Vorwarnung aus einem Seitenweg herausgefahren.
Nur der hervorragenden Fahrkunst Lord Alistairs war es zu verdanken gewesen, dass die Pferde nicht schwer verletzt wurden, obwohl sie durch die Wucht des Zusammenstoßes zwischen den Deichseln eingeklemmt waren.
Eines der Räder des Zweispänners lag auf der Straße, und das Fahrzeug selbst versank halb im Morast.
Der Dorfkarren war durch seine kräftige Bauweise kaum beschädigt, aber der Junge, der ihn gelenkt hatte, schrie fürchterlich.
Erst als ein elegant gekleideter und äußerst attraktiver junger Mann aus dem Wrack des Zweispänners kletterte, war die Ordnung einigermaßen wiederhergestellt.
Die Pferde wurden in die Stallungen von Sir Robert Linford gebracht, und Pepita und ihre Schwester Denise führten den Herrn ins Haus, wo ihr Vater ihm ein Glas Wein anbot und sich vorstellte.
»Mein Name ist Alistair McNairn, und wie Sie sich vorstellen können, bin ich sehr zerknirscht, weil ich nicht daran dachte, dass die Leute auf dem Land glauben, jede Straße sei nur für sie allein reserviert.«
»Das ist wahr. Darf ich fragen, ob Sie mit dem Herzog von Strathnairn verwandt sind?«
»Ich bin sein Sohn«, erwiderte Lord Alistair. »Ich sollte morgen nach Hause aufbrechen. Dies ist für lange Zeit das letzte Mal, dass ich im Süden war.«
Er sprach so, als bedauere er dies, und als er Denise ansah, war Pepita sofort klar: Was immer auch vorher seine Gründe gewesen sein mochten, weshalb er den Süden ungern verließ, nun hatte ihre Schwester einen weiteren, sehr triftigen Grund hinzugefugt.
Es war kein Wunder, dass Lord Alistair sich in Denise verliebte, denn sie war außergewöhnlich schön, und obwohl die Schwestern einander in vieler Hinsicht ähnelten, war Denise die Auffallendere von beiden.
Ihr Haar war so golden wie reifes Korn, aber ihre Augen waren dabei überraschend dunkel, weil ihre Mutter französisches Blut gehabt hatte.
Später sagte Lord Alistair einmal zu Denise:
»Als ich dich gesehen hatte, mein Liebling, konnte ich nie wieder das Gesicht einer anderen Frau ansehen. Du bist die einzige Frau, die ich jemals geheiratet hätte.«
Da er im Süden als Lord Alistair McNairn bekannt gewesen war, hatte er nach dem Tod seines Bruders nicht sofort den Titel des Marquis angenommen.
Als er sich dann weigerte, Jeanet McDonavan zu heiraten und aus seinem Elternhaus und dem Clan ausgestoßen wurde, weil er nach den Worten seines Vaters ‚den Namen seiner Vorfahren entehrt hatte‘, trug Lord Alistair weiterhin den Titel ‚Lord‘ wie zuvor.
In dem Moment, in dem er seinem Vater getrotzt und Denise Linford zur Frau genommen hatte, veränderten sich seine Verhältnisse dramatisch.
Der Herzog, ein sehr reicher Mann, hatte seinem jüngeren Sohn ein großzügiges Einkommen zugestanden, das nun plötzlich gestrichen wurde. Lord Alistair blieb nichts als ein Legat, das er von seiner Mutter geerbt hatte. Wie sich herausstellte, war es ihm unglücklicherweise erlaubt, das Kapital anzugreifen.
Deshalb war es über die Jahre hin immer weiter geschrumpft, und während der letzten paar Monate war es ihnen schwergefallen, davon zu leben, wie Pepita nur allzu gut wusste.
Sie war froh, dass es ihrem Schwager keine so großen Sorgen bereitet hatte wie ihr selbst.
Da Lord Alistair und seine Frau so glücklich miteinander waren, lachten sie sich durch das Leben und fanden sogar ihre Armut amüsant. Sie waren vollkommen sicher, dass sich früher oder später etwas ergeben würde.
Manchmal kam ein Pferd, auf das sie bei den lokalen Rennen gesetzt hatten, als erstes ans Ziel. Oder es gelang ihnen, irgendetwas für mehr Geld zu verkaufen als sie dafür bezahlt hatten.
Sie lachten, wenn sie mit dem letzten Schmuckstuck, das Denise von ihrer Mutter geerbt hatte, die Pfandleiher aufsuchen mussten.
Sir Robert Linford war nie ein reicher Mann gewesen, und als er alles, was er besaß, zu gleichen Teilen zwischen seinen beiden Töchtern aufteilte, stellten sie fest, dass es sehr wenig war.
Nachdem Denise ihren Anteil ausgegeben hatte, borgte sie sich etwas verlegen Pepitas Geld.
Ihre Schwester schenkte ihr bereitwillig alles, was Denise haben wollte.
Dies schien Pepita nicht nur gerecht zu sein, denn nach dem Tod ihres Vaters lebte sie bei Denise und ihrem Schwager, und sie war bereit, für ihren Unterhalt zu arbeiten, indem sie sich um deren Kinder kümmerte.
Dies ermöglichte es Denise, mehr Zeit mit ihrem Gatten zu verbringen. Sie nahm die Hilfe ihrer Schwester dankbar an.
Zwischen beiden bestand ein großer Altersunterschied, denn Denise war sieben Jahre älter als die erst neunzehnjährige Pepita.
Pepita war kurz nach ihrem siebzehnten Geburtstag zu ihnen nach Cornwall gekommen, und in dem abgelegenen Dorf, wo sie wohnten, gab es keine heiratsfähigen Männer, die ihr hätten den Hof machen können.
Pepita war jedoch glücklich damit, die halb ausgebildeten Pferde ihres Schwagers reiten zu dürfen und mit den Kindern auf den Feldern oder am Strand zu spielen.
Gelegentlich machte sich Denise Sorgen um ihre Schwester und sagte:
»Wir können nicht erwarten, dass ein weiterer Unfall vor unserer Haustür dir einen so stattlichen Fremden wie Alistair verschafft. Wie also willst du jemals einen Mann finden, Liebste?«
»Ich bin vollkommen zufrieden mit meinem Leben«, antwortete dann Pepita. »Und es hat keine Eile!«
Dann waren Denise und Alistair in einem Sturm auf dem Meer ums Leben gekommen. Ihr Boot war gegen die tückischen Felsen geworfen worden, und Pepita war allein mit den Kindern zurückgeblieben.
Sie hatte nie daran gedacht, dass es einmal ihre Sache sein wurde, Entscheidungen zu treffen und die Zukunft nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Kinder ihrer Schwester zu planen.
Als ihr zum ersten Mal bewusst wurde, dass sie Denise und ihren bewundernswerten Schwager verloren hatte, konnte sie nur verzweifelt und hilflos weinen, denn sie hatte das Gefühl, dass ihre ganze Welt untergegangen war.
Dann hatte sie sich gezwungen, vernünftig zu sein, weil die Kinder sie brauchten.
Es kostete sie vierundzwanzig Stunden intensiven Nachdenkens, bis sie erkannte, dass es keine andere Möglichkeit für sie gab, als nach Schottland zu fahren, wie sie zu Mr. Clarence gesagt hatte.
Da sie nun sah, wie überrascht er darüber war, sagte sie:
»Man erzählte mir, dass der Herzog von Strathnairn ein sehr reicher Mann ist. Ich kann nicht glauben, dass er seine Enkelkinder verhungern lässt, wie grausam er sich auch gegenüber seinem Sohn verhalten hat. Es bleibt mir gar nichts anderes übrig als nach Schottland zu fahren, Mr. Clarence.«
»Haben Sie selbst keine Verwandten?«
»Ich wollte, ich hatte welche. Mein Vater lebte während seiner Diplomatenjahre ständig im Ausland. Seine Freunde sind deshalb fast alle in fremden Ländern, sogar in Amerika.«
Mr. Clarence lachte.
»Das ist zu weit weg.«
»Das dachte ich auch. Selbst eine Reise nach Frankreich, Italien oder Spanien wäre zu teuer für mich. Niemand weiß besser als Sie, dass wir ohne Ihre Hilfe nicht einmal bis nach Schottland kommen.«
»Ich habe für diesen Zweck fünfzig Pfund beiseitegelegt, Miss Linford«, sagte Mr. Clarence leise.
»Brauchen wir wirklich so viel?«
»Es ist wichtig, dass Sie ein wenig Geld in der Hand haben«, erwiderte Mr. Clarence.
Offensichtlich dachte er daran, dass sie ihre Rückreise in den Süden würden bezahlen müssen, wenn der Herzog von Strathnairn sie nicht bei sich auf nahm.
Wohin auch immer sie mit den Kindern fahren würde, es gab kein gesichertes Heim, das auf sie wartete. Sie musste dem Herzog verständlich machen, dass er und nicht sie für die Kinder verantwortlich war.
Als Mr. Clarence sie nun betrachtete, fand er, dass sie viel zu jung und zu zerbrechlich war, als dass man ihr eine so schwere Verantwortung aufbürden konnte.
Aber da er Pepita kannte, seitdem sie nach Cornwall gekommen war, wusste er auch, dass sich hinter ihrem zarten Äußeren ein starker Charakter verbarg.
Sie war selbständiger als ihre Schwester, die sich bei allem, was sie tat, vollständig auf ihren Gatten verlassen hatte.
Pepita dagegen konnte entschlossen sein, dachte Mr. Clarence, und dies war ihrer Intelligenz zu verdanken, die sie von ihrem Vater geerbt hatte.
Mr. Clarence hatte Sir Robert nur ein paarmal getroffen, aber er hatte ihn immer bewundert.
Von seinem Buch waren zwar nicht viele Exemplare verkauft worden, die Rezensenten hatten die Autobiographie gelobt, und Mr. Clarence selbst hatte sie außerordentlich interessant gefunden.
»Wenn nur Ihr Vater noch am Leben wäre«, sagte er.
Pepita schenkte ihm ein Lächeln, das ihr Gesicht zu erhellen schien wie die Sonne.
»Er meisterte jede schwierige Situation«, sagte Mr. Clarence. »Er wusste immer, was zu tun war. Ich nehme an, das lag an seiner diplomatischen Ausbildung. Und da er so charmant war, stimmten alle dem zu, was er vorschlug.«
Mr. Clarence lachte.
»Ich glaube, Sie haben diese Gabe von ihm geerbt, Miss Linford.«
»Ich wollte, es wäre so«, sagte Pepita. »Ich muss gestehen, Mr. Clarence, ich habe große Angst davor, den Löwen in seiner Höhle aufzusuchen und ihn auf seine Pflichten hinzuweisen.«
»Ich bin überzeugt, Sie tun das mit dem gleichen unwiderstehlichen Charme, den ich immer an Ihrem Vater bewundert habe«, sagte Mr. Clarence. »Und die Kinder besitzen wie Lord Alistair die gleiche magnetische Ausstrahlung.«
»Hoffentlich haben Sie recht«, antwortete Pepita. »Ich dachte, dass wir übermorgen, am Mittwoch, aufbrechen sollten. Ich möchte die Freundlichkeit des Herrn, der die Möbel gekauft hat, nicht länger als notwendig strapazieren.«
»Er ist damit einverstanden, dass Sie bis Freitag bleiben«, sagte Mr. Clarence.
Pepita schüttelte den Kopf.
»Mittwoch, Donnerstag oder Freitag was spielt das für eine Rolle? Die unbekannte Zukunft hängt wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf. Und je eher wir nach Norden aufbrechen, umso besser.«
»Wenn das Ihr Entschluss ist, Miss Linford, müssen Sie mir gestatten, dass ich die Eisenbahnfahrkarten für Sie besorge und einen Wagen bestelle, der Sie und die Kinder nach Falmouth bringt, wo Sie den ersten Teil Ihrer Reise an treten werden.«
Er steckte seine Unterlagen wieder in die Aktentasche und sagte:
»Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass es angebracht wäre, reichlich Nahrungsmittel mitzunehmen und natürlich auch Decken, da es in der Nacht kühl sein wird.«
»Ich habe auch schon daran gedacht«, erwiderte Pepita.
Sie versuchte, normal zu sprechen, aber ein kleines Zittern lag in ihrer Stimme, als sie sich vergegenwärtigte, wie weit es nach Schottland war.
Sicher würden sie unterwegs oft umsteigen müssen, und zweifellos würde die Reise sehr lange dauern.
Sie war bis jetzt nur einmal mit der Eisenbahn gefahren, als sie von London nach Cornwall reiste. Damals hatte sie es für ein großes Abenteuer gehalten.
Aber solch eine lange Fahrt mit zwei Kindern war etwas völlig anderes.
Rory war fast neun Jahre alt und Jeanie sechs. Obwohl sie im großen Ganzen sehr brav waren, wusste Pepita, dass die Kinder es lästig finden würden, in ein Eisenbahnabteil oder eine geschlossene Kutsche eingesperrt zu sein.
Lord Alistair hatte sich nicht nur deshalb in Cornwall niedergelassen, weil dort das Leben billig war, sondern er hatte dort auch von einem Freund ein Haus und mehrere Acker Land für einen sehr geringen Betrag pachten können.
Pepita vermutete, dass er aber auch so weit wie möglich von seinem Vater und dem Clan entfernt sein wollte, für den er nur das schwarze Schaf war.
Er hatte den Staub seiner Heimat von den Schuhen abschütteln und alles vergessen wollen außer dem Leben, das er mit der Frau begann, die er liebte.
Und doch lag in seinen Augen manchmal ein träumerischer Ausdruck, besonders zu dieser Jahreszeit, dachte Pepita.
Da sie sehr einfühlsam war, wusste sie, dass er dann in Gedanken das Moor vor sich sah, violett vom Heidekraut, dass er die Moorhühner glucken hörte, wenn sie die engen Täler hinabflogen oder er den Lachs an seiner Angelschnur ziehen spurte.
Sie war auch sicher, dass er an das große Schloss dachte, das er ihr oft beschrieben hatte, mit seinen Türmen und Türmchen, die als Silhouette vor dem Himmel standen, und an das Land seines Vaters, das Tausende von Ackern umfasste und über das der Herzog herrschte.
Vom Schloss aus konnte man das Meer überblicken, über das vor Hunderten von Jahren die plündernden Wikinger gekommen waren.
Als sie nach Hause zurückkehrten, ließen sie unter den kleinen, dunkelhaarigen Menschen von Schottland blondes Haar und blaue Augen zurück.
Pepita dachte oft, dass Alistair wie ein Wikinger ausgesehen hatte, und die Kinder ähnelten ihrem Vater und ihrer Mutter sehr. Sie hatten blondes Haar und blaue Augen. Und dies, zusammen mit der rosaroten Haut, ließ Jeanie wie einen kleinen Engel aussehen.
Pepita war sicher, dass es unmöglich wäre, zwei hübschere Kinder zu finden. Sie wollte nicht glauben, dass der Herzog sie nicht lieben würde, wie hartherzig er auch sein mochte.
Jedenfalls gehörten die Kinder nach Schottland, und nach Schottland wollte sie sie bringen.
Als Mr. Clarence sich verabschiedet hatte, ging Pepita die Treppe hinauf und betrachtete ziemlich hilflos die Kleiderberge, die noch eingepackt werden mussten.
Es wäre unklug von ihr, wenn sie eines der Kleider ihrer Schwester zurücklassen würde, da sie kein Geld hatte, sich neue Garderobe zu kaufen. Sie war auch sicher, dass die Kinder alles brauchen würden, was sie besaßen.
Viele Kleidungsstücke waren ihnen zu klein geworden, aber da Pepita gut nähen konnte, wollte sie die Sachen abändern und an den Säumen herauslassen.
Der Gedanke, dass es zwischen alledem und dem Verhungern nur fünfzig Pfund gab, ängstigte sie.
Wenn sie nun zurückblickte, konnte sie kaum begreifen, weshalb ihr Schwager nicht der Wahrheit ins Gesicht gesehen hatte, dass er früher oder später an ihrer finanziellen Situation etwas ändern musste.
Sie hatte nicht erwartet, dass er so große Schulden gemacht hatte. Aber da er niemals über Geld gesprochen hatte, hatte auch sie niemals ernstlich darüber nachgedacht.
Weshalb sollte sie auch?
Sie war bei ihrem Vater in dem Glauben aufgewachsen, dass die Frauen sich immer auf den Mann verlassen konnten.
Er sorgte nicht nur für alles, was notwendig war, sondern bestimmte auch ihr Leben. Er plante es so, wie er es für richtig hielt.
Dies hatte sich offensichtlich als verhängnisvoll erwiesen, was ihren charmanten, unbeschwerten Schwager anging.
Wenn sie daran dachte, wie wichtig es war, dem Herzog von Strathnairn verständlich zu machen, dass er die Kinder in seine Obhut nehmen musste, weil es buchstäblich keinen anderen Ort gab, wo sie hingehen konnten, spürte sie, wie ihr Herz härter schlug.