Stürmische Begegnung in Alaska - Catherine Mann - E-Book

Stürmische Begegnung in Alaska E-Book

Catherine Mann

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Beschreibung

Ein Blick in Ward Benallys eisblaue Augen und Breannas Knie werden weich. Wann immer sie dem neuen CEO der Alaskan Oil Barons begegnet, fühlt sie sich geradezu magisch von ihm angezogen. Dabei will sie eigentlich die Umstände des mysteriösen Flugzeugabsturzes aufklären, bei dem ihre Mutter vor Jahren ums Leben kam. Ist es da eine gute Idee, sich auf eine romantische Affäre einzulassen? Doch wenn Ward in ihrer Nähe ist, fällt es Brea schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie soll sie seiner sexy Ausstrahlung nur widerstehen?

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Seitenzahl: 206

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Catherine Mann Originaltitel: „The Secret Twin“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2124 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Maike Claußnitzer

Abbildungen: Dan Couto Photography Inc. / Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733726096

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Breanna Steele hatte nicht viel Zeit, das Büro des Geschäftsführers von Alaska Oil Barons zu durchsuchen. Wenn sie erwischt wurde, konnte das katastrophale Folgen haben.

Aber sie hatte keine Wahl.

Brea brauchte Antworten, und sie wusste nicht, wem sie vertrauen sollte. Was, wenn sie sich falsch entschied?

Es gab Schlimmeres als das Gefängnis.

Sie hatte schnell die Papiere durchgesehen. Jetzt ließ sie sich auf den modernen Ledersessel hinter dem gewaltigen Schreibtisch fallen. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie oft sie als Kind in diesem Büro gewesen war. Damals hatte es noch ihrem Vater gehört. Am Samstagmorgen war sie oft mit ihrem Dad und ihrer Zwillingsschwester hier gewesen, nachdem sie in Kit’s Kodiak Café gefrühstückt hatten. Sie hatten unter dem Schreibtisch Verstecken gespielt oder Zeichentrickfilme auf dem großen Bildschirm am anderen Ende des Büros angesehen, um dann gemeinsam unter einer Decke auf dem Ledersofa einzuschlafen.

Jetzt gehörte das Büro einem anderen Mann. Keinem Familienmitglied. Der Schreibtisch und die über Eck liegenden Fensterfronten, aus denen man die zugefrorene Bucht und die fernen Berge sah, waren noch so, wie Brea sie in Erinnerung hatte. Aber der Rest des Raums war mit neuen Möbeln eingerichtet – minimalistischen Stücken aus Holz und Leder. Das Büro ihres Vaters war voller Familienfotos gewesen. Ward Benally hatte nur ein einziges Bild auf dem Schreibtisch stehen. Es zeigte ihn selbst und ein Mädchen im Grundschulalter beim Schlittenfahren.

Brea wusste, dass Ward nicht verheiratet war. Aber dieses Kind bedeutete ihm offenbar etwas. Das machte ihn menschlicher – und zu mehr als nur dem arroganten Leiter eines Unternehmens, das jetzt genauso der ehemaligen Konkurrenz gehörte wie ihrer Familie. Das Ölimperium ihres Vaters hatte mit dem der Mikkelsons fusioniert, nachdem er deren Matriarchin geheiratet hatte.

Natürlich hatte Brea das nicht direkt miterlebt. Damals hatten noch alle geglaubt, sie sei als Teenager gestorben.

Brea bekam ein schlechtes Gewissen. Aber ihr Überlebensinstinkt zwang sie, weiter nach den verdammten Informationen zu suchen.

Sie zog einen USB-Stick aus der Handtasche und schloss ihn an den Computer an. Jahrelang hatte sie in einer Aussteigerfamilie gelebt, und manche Leute glaubten, das hieße, es gäbe keine Kommunikation mit der Außenwelt. In Wirklichkeit hatte sie gelernt, das Internet zu benutzen, ohne Spuren zu hinterlassen. Sie hatte auf dem aufgebaut, was sie von Jack Steele gelernt hatte.

Programmieren und Hacken, also in fremde Computersysteme einzudringen, waren Fähigkeiten, die sie schon vor dem Flugzeugabsturz beherrscht hatte, der sie ihrer Familie entrissen hatte. Eines hatte Brea mit ihrem Vater gemein: Wenn sie zu etwas entschlossen war, konnte sie alles erreichen, was sie wollte. Sie besaß ein eisernes Durchhaltevermögen. Wie Jack Steele. Ihr Daddy.

Sie blinzelte Tränen fort und tippte etwas in die Tastatur ein. Ihre Finger waren rutschig, weil sie dünne Latexhandschuhe trug, um im Büro keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Paranoid? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Sie konnte nicht vorsichtig genug sein.

Jemand, der mit dieser Firma verbunden war, hatte bei dem Flugzeugabsturz die Hand im Spiel gehabt, der ihre Mutter das Leben gekostet hatte. Dem Flugzeugabsturz, der für Brea alles verändert hatte, und das auf eine Art, die sie selbst auch heute noch kaum verstand.

Sie musste Antworten finden, bevor sie die Vergangenheit hinter sich lassen und sich sicher fühlen konnte. Sie wollte glauben, dass ihre Verwandten keinen so schrecklichen Verrat begangen hatten. Doch alles, was sie herausgefunden hatte, deutete darauf hin, dass jemand aus der Familie Mikkelson etwas mit dem Absturz zu tun hatte.

Jetzt war ihr Vater mit der Matriarchin der Mikkelsons verheiratet. Ihre einst rivalisierenden Ölimperien waren zu Alaska Oil Barons verschmolzen. Und das nach all den Jahren bitterer Konkurrenz und offener Feindseligkeit!

Es war fast surreal. Als wäre alles ein abgekartetes Spiel.

Hoffentlich konnte sie hier einen Hinweis finden. Und wenn nicht? Sie hatte trotzdem nicht vor, aufzugeben. Sie musste mit der Vergangenheit abschließen. Aber vor allem brauchte sie Sicherheit.

Sie wollte ihr Verhältnis zu ihren Geschwistern kitten, aber sie wusste nicht, auf wessen Seite sie standen. Das Risiko, sich in die Karten schauen zu lassen, war zu hoch. Sie würde hartnäckig bleiben. Und geduldig.

Rasch warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Vorhin hatte sie Wards Assistenten die Information entlockt, dass er einen Großteil des Nachmittags in einer Telefonkonferenz sein würde. Aber sie wollte den Zeitrahmen nicht komplett ausreizen.

Ein Dateiname erregte ihre Aufmerksamkeit: Es handelte sich um das Datum des Flugzeugabsturzes. Sie unterdrückte ein Schaudern, als sie sich daran erinnerte, wie das Flugzeug vom Himmel gefallen war. Die Angst. Den festen Griff, mit dem ihre Mutter ihre Hand umklammert hatte.

Es verschlug ihr den Atem. Damals wie heute. Sie fühlte sich zurückversetzt, spürte wieder die Angst, hörte das Jaulen der versagenden Motoren. Die Erde kam rasch näher …

Brea durchlebte diesen Moment öfter, als sie sich eingestehen wollte. Eine Zeitreise an den Tag, der einen Schlussstrich unter ihr altes Leben gezogen hatte. Ein ewiges Vorher und Nachher.

Eine Ablenkung, die sie sich jetzt nicht leisten konnte. Sie kopierte die Datei auf ihren USB-Stick. Der Drang, sie sofort zu lesen, war überwältigend. Ihr Herz raste. Ihr Puls hämmerte ihr in den Ohren.

„Was machen Sie in meinem Büro?“

Die Männerstimme ließ ihr fast das Herz stehen bleiben. Brea setzte sich ruckartig auf.

Sie war nicht nur beim Spionieren ertappt worden, sondern auch noch von Ward Benally höchstpersönlich. Dem neuen Geschäftsführer von Alaska Oil Barons. Einem sexy dunkelhaarigen Mann, der Cowboystiefel zum Armani-Anzug trug …

… und der jetzt gerade sehr finster dreinschaute.

Ward Benally hatte damit gerechnet, dass die ersten Monate als CEO von Alaska Oil Barons eine Herausforderung sein würden. Das war ihm nur recht. Er lebte für seinen Beruf.

Der Job war sein Leben.

Der Job war alles, was er noch hatte.

Er hatte gerade eine brutale Vorstandssitzung hinter sich, in der es wegen einer Meinungsverschiedenheit über Umbauten an der Ölpipeline fast zu Tätlichkeiten gekommen war. Also war er in sein Büro gegangen, um Dokumente zu holen, die hoffentlich beide Seiten überzeugen würden. Er freute sich darauf, ein paar Momente allein zu sein, um seinen Frust in den Griff zu bekommen.

Stattdessen war der letzte Mensch in sein Büro eingedrungen, dem er heikle Firmeninterna anvertraut hätte.

Brea Steele, Jack Steeles lang verlorene Tochter. Vor Kurzem hatte sie sich unter falschem Namen als Angestellte bei Alaska Oil Barons eingeschlichen, um Zugriff auf wer weiß welche Informationen zu erhalten. Sie war nicht vertrauenswürdig, und das hätte allen klar sein sollen. Aber Jack war so froh, seine Tochter wiederzuhaben, die er für tot gehalten hatte, dass sich alle anderen nun mit ihr abfinden mussten. Dabei hätte sie eigentlich von Rechts wegen vor Gericht stehen sollen.

Ward musterte Brea misstrauisch. Er konnte ihre Hände nicht sehen. Ihre braunen Augen verrieten nichts, aber sie saß an seinem Schreibtisch.

„Nun?“, hakte er nach. „Was machen Sie in meinem Büro?“

Langsam erhob sie sich von dem Ledersessel. Sie hatte die Hände in die hinteren Taschen ihrer schwarzen Jeans geschoben. Einer Jeans, die an ihren langen Beinen eng wie eine zweite Haut anlag. „Ich warte auf Sie.“

Ihre Stimme klang kühl und beherrscht. Ihr eleganter Pferdeschwanz schwang hin und her, als sie um den Tisch herumging. Das seidige schwarze Haar zog seinen Blick an wie ein hypnotisierendes Pendel.

Sie war strahlend schön.

Und sein Körper reagierte jedes Mal auf sie, egal, wie oft sein Gehirn ihm ins Gedächtnis rief, dass sie nur Ärger bedeutete. „Für mich sieht es eher so aus, als hätten Sie herumgeschnüffelt.“

„Ich bin eben neugierig.“ Sie zuckte mit den Schultern und musterte ihn durch ihre langen Wimpern.

„Neugierig nennen Sie das?“ Er ging auf sie zu und riskierte es, so nahe an sie heranzukommen, dass ihm ihr Duft in die Nase stieg. Minze. „Ich nenne es einen Einbruch.“

„Ihr Assistent hat mich hereingelassen“, konterte sie geschmeidig.

Das machte ihn stutzig. Er nahm sich vor, ihre Geschichte zu überprüfen. Selbst wenn sie stimmte, hätte sie auf dem Sofa oder auf einem der Besucherstühle sitzen sollen. „Hat mein Assistent Ihnen auch erlaubt, meinen Computer zu benutzen?“

Ihr Schulterzucken lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihre Kurven. Er konzentrierte sich auf die Fakten. Die Frau vor ihm hatte gelogen. Sich als jemand anders ausgegeben. Ihre Handlungsweise war geradezu kriminell. Man konnte Brea nicht vertrauen, ganz gleich, wie unglaublich sexy sie in ihrem Rollkragenpullover aussah.

„Ich habe mir nur den bequemsten Platz zum Warten ausgesucht.“ Sie hob den silbernen Bilderrahmen hoch. „Wer ist das süße kleine Mädchen?“

„Stellen Sie das wieder hin.“ Seine Stimme war leise, duldete aber keinen Widerspruch. So hätte er schon darauf reagieren sollen, dass sie an seinem Schreibtisch gesessen hatte. Als sie den Rahmen nicht abstellte, nahm er ihn ihr aus der Hand.

Ward hatte alles verloren, als seine Ex-Frau ihn verlassen hatte. Sie hatte seine Stieftochter mitgenommen. Da er nicht Paisleys leiblicher Vater war, hatte er nach der Scheidung von Melanie jedes Anrecht auf sie verloren. Er hatte gehofft, seine Ex würde bereit sein, ihm Besuche oder wenigstens Telefonate zu gestatten, aber das war nicht der Fall. Seine ehemalige Frau wollte ein ganz neues Leben mit ihrem neuen Mann führen.

Ward war in jeder Hinsicht Paisleys Dad gewesen, seit er begonnen hatte, mit Melanie auszugehen. Damals war ihre Tochter acht Monate alt gewesen. Er und Melanie hatten ein Jahr später geheiratet. Die Ehe hatte sechs Jahre gehalten – länger, als sie es getan hätte, wenn es kein Kind gegeben hätte.

Ward war sich nicht sicher, ob er sich je von Melanie getrennt hätte. Um Paisleys willen wäre er wohl geblieben. Aber Melanie hatte ihn betrogen, hatte die Scheidung eingereicht und dann einen Kerl geheiratet, der fünfundzwanzig Jahre älter war als sie – reich, im Ruhestand und nur zu bereit, sie mit seinem Geld und seiner Zeit zu verwöhnen.

Der Metallrahmen bohrte sich in seine Handfläche.

„Tut mir leid.“ Brea hob die Hände. Ihre Fingernägel waren kurz, abgekaut. „Er stand offen sichtbar auf dem Tisch.“

„Nur von hinter meinem Tisch aus. Von meinem Stuhl aus.“ Er legte den Rahmen mit der Vorderseite nach unten hin, damit das Foto seiner Stieftochter ihn nicht ablenkte. Als er wieder aufschaute, verriet Breas Gesicht Verletzlichkeit.

Echt oder nur aus Berechnung? Wahrscheinlich Letzteres, das hatten ihn seine Erfahrungen mit Frauen gelehrt.

Ihre Kehle bewegte sich, als sie schluckte. „Ich wollte einfach sehen, ob sich das Büro meines Vaters noch so anfühlt wie in meiner Kindheit. Damals habe ich mich immer gern auf dem Chefsessel im Kreis gedreht.“

Er verdrängte die Bilder, wie sein Kind dasselbe getan hatte. Und, ja, es überraschte ihn, dass Brea an seine Gefühle zu appellieren versuchte. „Kluger Schachzug.“

„Wie meinen Sie das?“

„Sie versuchen, mit dieser Kindheitserinnerung mein Mitgefühl zu erregen und mich davon abzulenken, wo Sie gesessen haben.“

Er würde sie nicht damit durchkommen lassen, dass sie einfach in seine Sphäre eingedrungen war. Es würden Köpfe rollen, weil man sie hereingelassen hatte. Aber vor allem konnte er es sich nicht leisten, sie entkommen zu lassen, bevor er wusste, was hier gespielt wurde.

„Ich habe mich auf den Sessel meines Vaters gesetzt, weil ich früher einmal dachte, dass ich immer ein Recht haben würde, hier zu sein – dass ich die Firma leiten würde.“ Sie knabberte an ihrer Unterlippe, die vor Lipgloss glänzte. „Einen Moment lang wollte ich so tun, alles sei mein Leben so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte.“

War das noch ein Versuch, an seine Emotionen zu appellieren? Er war sich nicht sicher. Trotz allem zog ihr Mund seinen Blick magisch an.

Er unterdrückte einen Anflug von Begehren. „Sie waren jedenfalls auf meinem Stuhl. An meinem Computer.“

Alle Verletzlichkeit schwand aus ihrem Gesicht. Sie verschränkte trotzig die Arme. „Gut. Sie haben recht. Ich hätte mich nicht dorthin setzen sollen. Was wollen Sie nun dagegen unternehmen?“

„Ich könnte den Sicherheitsdienst rufen.“ Ward presste den Mund zu einer schmalen Linie zusammen und sah Brea unverwandt in die braunen Augen. Diesen starren Blick hatte er in langen Pokerspielen nach seiner Scheidung perfektioniert. Am Spieltisch hatte er die Kontrolle zurückgewonnen – und dabei indirekt auch an seinen Führungsqualitäten gearbeitet.

„Das könnten Sie tun“, entgegnete Brea. „Und wenn die Sicherheitsleute nichts bei mir finden und nur Ihr Wort gegen meines steht?“ Ihre Stimme klang so sinnlich. Sie zog die dunklen Augenbrauen hoch – fand sie die Situation amüsant?

„Wenn sie nichts bei Ihnen finden.“ Er beobachtete sie, um festzustellen, ob er ins Schwarze getroffen hatte.

Bildete er es sich nur ein, oder weiteten sich ihre Augen vor Schreck? So schnell der Ausdruck gekommen war, verschwand er auch wieder.

„Und mein Vater? Was soll der denken?“

Jack Steele würde alles tun, um sie hier zu halten – in der Stadt, in der Firma, in der Familie. Das wussten sie beide. Trotzdem bluffte Ward. Darin war er gut. Deshalb hatte er so schnell Karriere gemacht. „Er sitzt im Vorstand, aber das heißt noch lange nicht, dass er mich feuern kann.“

Sie strich über die Tischkante. Die Bewegung war langsam und zielstrebig. Dabei schaute sie zu ihm hoch. Feuer blitzte in ihren Augen. „Er wird sich aufregen. Seine Meinung hat im Vorstand und bei den Investoren immer noch viel Gewicht.“

Es kam selten vor, dass jemand ihn beim Bluffen ertappte. Sein Instinkt verriet ihm, dass sie eine würdige Gegnerin war.

Das machte sie umso attraktiver.

Verdammt.

„Sie haben recht. Warum waren Sie in meinem Büro, wenn Sie wissen, dass es die Versöhnung zwischen Ihnen und ihm erschweren könnte?“

„Ich schätze, das beweist, dass ich nichts Böses getan habe.“ Sie drehte sich das lockige Ende ihres Pferdeschwanzes um die Finger.

Er lachte leise. Davon, wie sie mit ihrem Haar spielte, ließ er sich nicht ablenken. „Sind Sie sicher, dass Sie nicht wie Ihre Zwillingsschwester Anwältin sind? Denn mit Worten können Sie umgehen.“

„Das liegt in der Familie.“ Sie warf sich die Haare zurück über die Schulter und lenkte seine Aufmerksamkeit so auf ihre Brüste, die der eng anliegende schwarze Pullover betonte.

Er räusperte sich und wich einen Schritt zurück. Er brauchte Luft, die nicht nach Minze duftete. „Das reicht jetzt mit dem Flirten.“

„Flirten?“ Sie lächelte. „Haben Sie etwa gehofft, dass ich mit Ihnen flirte?“

Ja, eigentlich schon.

Und das war gefährlich.

Aber nicht so gefährlich wie die Tatsache, dass sie unbeobachtet hier herumstreunte und sich einen Einblick ins Tagesgeschäft von Alaska Oil Barons verschaffte. Es war schlimm genug, dass sie es schon einmal geschafft hatte. Damals hatte sie sich gut getarnt, und niemand hatte geahnt, wer sie wirklich war. Jetzt war die Familie Steele emotional verletzlich, weil Brea zurückgekehrt war, nachdem alle sie für tot gehalten hatten. Es war unvorhersehbar, wie viel sie ihr durchgehen lassen würden.

Er musste sich einen Plan einfallen lassen, um sie im Auge zu behalten, und das so schnell wie möglich.

Brea musste Wards Büro verlassen, und das so schnell wie möglich.

Wie hatte sie sich nur darauf einlassen können, mit ihm zu flirten? Mit jeder Sekunde wurde es wahrscheinlicher, dass er den USB-Stick in ihrer Handtasche entdeckte. Sie hatte kaum Zeit gehabt, die Latexhandschuhe abzustreifen und einzustecken. Wenn er das gesehen hätte, wäre ihm endgültig klar geworden, dass sie etwas Verdächtiges getan hatte.

Aber wenn man ihre Fingerabdrücke auf der Tastatur, den Aktenschränken oder dem Schreibtisch gefunden hätte, wäre sie in Teufels Küche gekommen.

„Ich muss jetzt los.“ Gehörte diese heisere Stimme ihr? Sie räusperte sich und ging zur Tür. Nur, dass Wards breite Brust ihr im Weg war. Sie hätte hohe Absätze tragen sollen. Doch sie hatte nur daran gedacht, schnell flüchten zu können, nicht daran, dass sie Ward so nicht würde in die Augen sehen können, wenn sie ertappt wurde. Leuchtend blaue Augen in der Farbe eines zugefrorenen Alaska-Sees im Frühling, kurz vor dem Auftauen.

„Natürlich.“ Er nickte ihr zu und winkte sie zur Tür. „Nach Ihnen.“ Als sie zögerte, wiederholte er: „Wirklich, nach Ihnen.“

Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie wie angewurzelt stehen geblieben war und wie eine verliebte, sexhungrige Idiotin zu ihm aufgeschaut hatte.

Sie zwang sich zu einem verführerischen Lächeln. „Ich verspreche, nicht bei Ihrem Assistenten meine weiblichen Reize spielen zu lassen, um durch Ihre Tür zu gelangen.“

„Wieder.“

Sie blinzelte. „Was?“

„Um wieder durch meine Tür zu gelangen.“ Sein Lächeln konnte mit ihrem mithalten. Ihr wurde klar, dass er sie durchschaut hatte.

Hatte ihr Lächeln auf ihn genauso eine Wirkung wie seines auf sie? Denn wenn ja, dann steckten sie beide in Schwierigkeiten. Ihr Körper prickelte vom Kopf bis in die Zehenspitzen. Zwischen ihnen knisterte es schon, seit sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Das Timing hätte nicht schlechter sein können.

Sie konnte es sich nicht leisten, sich von diesem Mann ablenken zu lassen. Es war Pech, dass er durch seinen Job ihrem Ziel im Weg stand, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Sie musste wissen, wer ihre Familie zerstört hatte. Wer für den Tod ihrer Mutter verantwortlich war.

Und solange sie nicht wusste, wem sie vertrauen konnte, musste sie hochkonzentriert bleiben. Ihn weiter aus der Fassung zu bringen, würde dabei helfen. „Wer ist das Kind auf dem Foto?“

Sie nickte zu dem Metallrahmen hinüber, den er mit der Bildseite nach unten auf den Tisch gelegt hatte, aber sie hatte das Foto noch vor Augen. Der Ward Benally auf dem Bild wirkte so anders als der, der vor ihr stand. Vor dem Hintergrund einer schneebedeckten Bergkette beugten er und ein etwa vierjähriges Kind sich auf einem Schlitten nach vorn. Schnee stob auf. Wards blaue Augen blickten sanft und fröhlich. Er hatte den Arm schützend um das Kind gelegt, das eine dicke rosafarbene Jacke und eine Thermohose trug. Ihr kleines Gesicht lachte.

„Das ist meine Stieftochter.“ Sein Lächeln verschwand.

Geschafft, ich habe ihn aus der Fassung gebracht. „Sie sind doch gar nicht verheiratet.“

„Nicht mehr.“ Gepresste Stimme. Knappe Antwort.

Er ist wirklich betroffen. Sie bekam ein schlechtes Gewissen. Der Schmerz, der in seinen Worten mitschwang, berührte sie. Es hätte ihr nicht wichtig sein sollen, aber angesichts des Knisterns zwischen ihnen war es das doch. „Das tut mir leid.“

Er nickte zur Tür, ohne sich zu rühren. Offenbar wollte er sichergehen, dass sie das Zimmer als Erste verließ. „Ich muss an die Arbeit gehen. Sobald ich Sie aus dem Gebäude begleitet habe, kann ich das tun.“

Sie musste sich jetzt wirklich in Bewegung setzen und mit den Informationen flüchten, die sie sich gesichert hatte. Sie riskierte zu viel, wenn sie länger blieb und sich von Ward Benallys Charme in Versuchung führen ließ.

Sie ging durch die Tür und versuchte, zu ignorieren, dass sie seinen Blick auf sich spürte. Im Flur atmete sie tief durch, um ihren Herzschlag zu verlangsamen. Durch die Fenster sah sie auf die Landschaft von Alaska hinunter: eisiges Wasser, Schnee und Berge. Alles so vertraut. Sie fragte sich, wie ihre Erinnerungen an diesen Staat in den Jahren hatten verblassen können, die sie bei ihren Pflegeeltern in einem abgelegenen kanadischen Dorf verbracht hatte. Die eingeschworene Gemeinschaft war nach dem Flugzeugabsturz ihre Welt geworden.

„Benally“, ertönte eine tiefe Stimme weiter vorn im Flur.

Die Stimme ihres Vaters.

Brea erstarrte.

Ihre Spionagemission war ohnehin nicht gelaufen wie geplant, aber dieser neue Rückschlag erschütterte sie bis ins Mark.

Sie hätte damit rechnen sollen, ihren Vater zu treffen. Hätte vorbereitet sein sollen. Sie arbeitete daran, mit ihrer Familie zu reden, nicht vorschnell Brücken abzubrechen, solange sie nicht wusste, wem sie vertrauen konnte. Aber sie brauchte mehr Zeit, um sich auf solche Gespräche vorzubereiten.

Ist das Wards Hand auf meinem Rücken? Ihr Gehirn musste gerade zu viel auf einmal verarbeiten. Als sie wieder klar sah, erkannte sie, dass der Konferenzraum ziemlich voll war: Dort saßen ihr Vater, seine neue Frau und ein Haufen Mikkelsons und Steeles, außerdem noch der Investor Birch Montoya und der Wissenschaftler Royce Miller, der Mann ihrer Zwillingsschwester Naomi.

Brea stolperte. Ihr stockte schon wieder der Atem.

Obwohl sie schon im letzten Herbst inkognito nach Alaska zurückgekehrt war, traf es sie immer noch wie ein Schlag in die Magengrube, Naomi gegenüberzustehen. Sie sahen sich nicht nur ähnlich, sondern hatten auch eine ganz besondere Verbindung.

Zumindest hatte sie das früher geglaubt.

Als Brea unter dem Namen Milla Jones hier gewesen war, hatte sie damit gerechnet, dass Naomi sie erkennen würde. Sie hatte sich unter der falschen Identität hier eingeschlichen, um herauszufinden, was vor all den Jahren passiert war. Aber als ihre Schnüffelei aufgeflogen war, hatte alles sich sehr kompliziert entwickelt. Brea hatte wissen wollen, wem sie vertrauen konnte. Sie hatte das Rätsel ihrer Vergangenheit lösen wollen.

Und, ja, vielleicht hatte sie auch die klitzekleine Hoffnung gehegt, dass sie ihre Familie zurückbekommen würde.

Aber Naomi hatte sie nicht einmal erkannt. Auch wenn Brea wusste, dass es irrational gewesen war, von Naomi zu erwarten, die Verkleidung zu durchschauen, hatte der völlige Verlust dieser Bindung wehgetan.

Ihr Vater trat durch die Tür auf den Korridor. Die anderen warteten im Konferenzraum hinter der Glaswand.

„Hallo, Brea“, sagte Jack Steele. Seine Stimme klang, als würde er seit Jahren mit Felsbrocken gurgeln. „Ich wusste gar nicht, dass du hier bist.“

Irgendwie gelang es ihm, noch genauso auszusehen, wie sie ihn aus ihrer Kindheit in Erinnerung hatte. Breitschultrig. Augen so blau wie der Ozean. Sein Haar war noch immer dicht und dunkel, aber inzwischen grau meliert. Als er sie jetzt ansah, huschte Hoffnung über sein kantiges Gesicht, und er lächelte fast unmerklich.

„Ich bin vorbeigekommen, um mit Ward zu sprechen“, behauptete Brea.

Ihr Vater runzelte die Stirn. „Worüber?“

Ihr Herz hämmerte schon wieder. Panisch sah sie Ward an. Würde er sie verraten? Sie hätte es ihm nicht verdenken können. Sie hasste es, wie mühelos sie gerade gelogen hatte. Und das auch noch schlecht. Hatte ihre Unfähigkeit, klar zu denken, etwas damit zu tun, dass Wards Hand auf ihrem Rücken sie ablenkte?

Als sie den Mund öffnete, um sich eine bessere Version ihrer Ausrede einfallen zu lassen, kam eine rothaarige Frau den Flur entlang auf sie zu. Sie schob einen Kinderwagen. Brea brauchte einen Moment, um Isabeau Mikkelson zu erkennen, Trystans Frau und die Mutter des kleinen Everett.

Isabeau war PR-Beraterin und hielt Jack jetzt einen Ordner hin. „Hier sind die Gästelisten für die Verlobungsparty von Delaney und Birch. Dann kannst du mit ihnen und Jeannie die Sitzordnung planen. Und ich habe einen Vintage-Roulettetisch für die Casinoparty organisiert.“

Isabeau strich sich ihr schulterlanges Haar glatt und lächelte. Sie hatte etwas Beruhigendes an sich. Brea spürte instinktiv, dass sie aufrichtig war. Außerdem war Isabeau keine Blutsverwandte der Mikkelsons. Das machte sie interessant als potenzielle Informationsquelle. Schließlich sah man vom Rand aus die Mitte sprichwörtlich am besten. Und, verdammt, ich brauche bessere Informationen! Informationen, denen ich vertrauen kann.

Jack nickte. „Sitzordnung. Casino. Verstanden.“

Seine Worte verklangen, während Brea ihre Familie durch die Glaswand betrachtete. Ihr Blick huschte zu ihrer jüngeren Schwester Delaney, einer schlanken Frau mit dunklem, welligem Haar, die gerade aufstand. Sie trug ein rotes Strickkleid und kniehohe cognacfarbene Stiefel. Delaney lebte sichtlich auf, als sie sich die Papiere ansah, die Isabeau Jack Steele gereicht hatte.

Brea schluckte schwer. Sie erinnerte sich daran, wie sie vor Jahren mit ihren Schwestern Hochzeit gespielt hatte. Sie hatten sich Brautschleier aus Handtüchern gebastelt und davon geträumt, diese Familienfeiern später einmal gemeinsam zu planen.

Breas Leben heute war ein vollkommenes Chaos.

Sie erinnerte sich an ihre Familie, an ihre Kindheit. Aber seit dem Flugzeugabsturz wusste sie nicht mehr, ob sie ihrem Gedächtnis trauen konnte. Aufgrund der Lügen ihrer Pflegeeltern war sie unsicher, was stimmte und was reines Wunschdenken war.

Nur wenige Dinge wusste sie mit Gewissheit, zum Beispiel, dass ihre Mutter ein besonderes Inuit-Jagdmesser gehabt hatte, das man Ulu nannte. Sie hatte es zum Pizzaschneiden verwendet. Sie wusste auch noch, wie ihre Mutter unglaublich stark und tröstend „Ich hab dich lieb“ gesagt hatte in dem Moment, als das Flugzeug abgestürzt war.

Bei allem anderen war sie sich unsicher.