Substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland - Johannes Hempel - E-Book

Substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland E-Book

Johannes Hempel

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Beschreibung

Die evangelische Kirche zählt zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Aus dem Anwendungsbereich des staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrechts ist sie allerdings de lege lata herausgenommen. Das von ihr selbst gesetzte und durch eine eigene Arbeitsgerichtsbarkeit kontrollierte Mitarbeitervertretungsrecht sieht allerdings nur einen "unvollkommenen Rechtsschutz" vor; denn die zwangsweise Durchsetzung kirchengerichtlicher Entscheidungen, also ein substantieller Rechtsschutz, wird durch das MVG.EKD selbst, aber auch durch das staatliche Gewaltmonopol ausgeschlossen. Der kirchenrechtlich gewährte Rechtsschutz wird daher – insbesondere von der Mitarbeiterschaft – als Rechtsschutz "zweiter Klasse" empfunden. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob ein substantieller Rechtsschutz trotz des kirchlichen/christlichen Selbstverständnisses und des staatlichen Gewaltmonopols nicht nur möglich, sondern aus rechtsstaatlichen und europarechtlichen Gründen sogar geboten ist. Ausführlich wird erörtert auf welche Weise im Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche unter Einbeziehung der staatlichen Gerichte ein umfassender Rechtsschutz gewährleistet werden kann, ohne dass dabei in das der Kirche von der Verfassung eingeräumte Selbstbestimmungsrecht eingegriffen wird.

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Dekanin: Prof. Dr. Andrea LohseErstgutachter: Prof. Dr. Jacob JoussenZweitgutachter: Prof. Dr. Arno SchilbergTag der mündlichen Prüfung: 17.07.2020

Johannes Hempel

Substantieller Rechtsschutzim Mitarbeitervertretungsrechtder Evangelischen Kirche inDeutschland

Die Inanspruchnahme staatlicher Gerichtezur Durchsetzbarkeit kirchengerichtlicherBeschlüsse im mitarbeitervertretungsrechtlichenVerfahren

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2020Alle Rechte vorbehalten© 2020, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgauwww.lambertus.deUmschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, BollschweilDruck: Franz X. Stückle Druck und Verlag, EttenheimISBN 978-3-7841-3306-5ISBN eBook 978-3-7841-3307-2ISBN eBook 978-3-7841-3421-5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I

Einleitung, Problemaufriss und Gang der Untersuchung

A.  Einleitung und Problemaufriss

B.  Gang der Untersuchung

Teil II

Die historische Entwicklung der Rechtsschutzgewährung im Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche und der mitarbeitervertretungsrechtliche Rechtsschutz im System des Arbeitnehmervertretungsrechts

A.   Die historische Entwicklung der Rechtsschutzgewährung im Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche

I.     Das Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920 (BRG)

II.    Die Zeit des Nationalsozialismus

III.   Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum MVG.EKD

IV.   Der Rechtsschutz im „Ursprungs – MVG.EKD“ 1992 – (MVG.EKD 1992)

V.    Das erste Änderungsgesetz zum MVG.EKD vom 6.11.1996 – (MVG.EKD 1996)

VI.   Das Vierte Änderungsgesetz vom 6.11.2003 – (MVG.EKD 2003)

VII.  Das Zweite Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der EKD – MVG.EKD 2013

VIII. Zusammenfassung und Ausblick

B.   Die mitarbeitervertretungsrechtliche Rechtsschutzgewährung im System des Arbeitnehmervertretungsrechts

I.    Die Durchsetzbarkeit arbeitsgerichtlicher Beschlüsse im Betriebsverfassungsrecht

1.  Die Vollstreckung

a)  Vollstreckung gegen den Arbeitgeber

b)  Vollstreckung gegen den Betriebsrat

c)  Die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 85 I 2 ArbGG)

2.  Die Vollziehung einstweiliger Verfügungen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren

a)  Zum Begriff „Vollziehung“

b)  Die Vollziehung von gegen den Arbeitgeber gerichteten einstweiligen Verfügungen des Betriebsrats

c)  Vollziehung von gegen den Betriebsrat gerichteten einstweiligen Verfügungen des Arbeitgebers

d)  Vorläufige Vollstreckbarkeit und einstweiliger Rechtsschutz

II.   Die Durchsetzbarkeit gerichtlicher Entscheidungen im Personalvertretungsrecht

1. Die Vollstreckung

a)  Die Vollstreckung gegen den Personalrat

b)  Die Vollstreckung gegen die Dienststelle

2. Die Vollziehung

a)  Die Vollziehung von einstweiligen Verfügungen gegen den Personalrat

b)  Die Vollziehung von einstweiligen Verfügungen gegen die Dienststelle

c)  Die Dienstaufsichtsbeschwerde

III.  Die Durchsetzbarkeit kirchengerichtlicher Entscheidungen im Mitarbeitervertretungsrecht

1.  Die Rechtsschutzgewährung nach dem MVG.EKD

a)  Beschwerderecht und Ersatzvornahme

b)  Der Unterlassungsanspruch der Mitarbeitervertretung

c)  Die Durchsetzbarkeit kirchengerichtlicher Beschlüsse gegen die Mitarbeitervertretung

d)  Der Ordnungsgeldbeschluss (§ 63a MVG.EKD)

e)  Der einstweiliger Rechtsschutz

aa)  Optionen der Dienststellenleitung

bb)  Optionen der Mitarbeitervertretung

cc)  Das Ordnungsgeld (§ 63a MVG.EKD)

2.  Der Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht evangelischer Landeskirchen außerhalb des MVG.EKD

a)  Das Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche in Hessen und Nassau (MVG.HN)

b)  Das Mitarbeitervertretungsgesetz in der Konföderat on der Ev. Kirchen in Niedersachsen (MVG. Konf.)

C.  Die unterschiedliche Ausgangslage für die Rechtsschutzgewährung im privaten, öffentlichen und kirchlichen Arbeitnehmervertretungsrecht

I.   Das Betriebsverfassungsrecht

II.  Das Personalvertretungsrecht

III. Das Mitarbeitervertretungsrecht

Teil III

Christliches Selbstverständnis und substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht

A.  Einführung

B.  Dienstgemeinschaft und substantieller Rechtsschutz

I.   Die Herkunft des Begriffs der Dienstgemeinschaft und die Rechtsdurchsetzung im kirchlichen Arbeitsrecht

II.  Die „Theologisierung“ der Dienstgemeinschaft und ihre Bedeutung für eine zwangsweise Rechtsdurchsetzung

1.  Der neutestamentliche Befund

2.  Das allgemeine Priestertum

3.  Zusammenfassung und Ergebnis

III. Das Verhältnis der Dienstgemeinschaft als ambivalenter Begriff zur zwangsweisen Rechtsdurchsetzung

1.  Die Dienstgemeinschaft als objektives Strukturelement kirchlichen Dienstes

2.  Dienstgemeinschaft zwischen Glauben und empirischer Realität

3.  Dienstgemeinschaft und Rechtsdurchsetzung

a)  Dienstgemeinschaft und Rechtsschutzgewährung im kirchlichen Individualarbeitsrecht

b)  Dienstgemeinschaft und Rechtsschutzgewährung im Mitarbeitervertretungsrecht

4.  Eigene Ansicht

IV. Zusammenfassung und Ergebnis

C.  Kirchenrecht und zwangsweise Rechtsdurchsetzung

I.   Die Spaltung des Kirchenbegriffs und der Rechtszwang

1.  Territorialismus und Kollegialismus

2.  Die Spaltung des Kirchenbegriffs

3.  Günther Holstein

II.  Die Überwindung der Spaltung des Kirchenbegriffs und der Rechtszwang

1.  Die Barmer Theologische Erklärung von 1934

2.  Karl Barth

3.  Erik Wolf

4.  Johannes Heckel

5.  Zwischenergebnis

III. Die eine Kirche, das eine Recht und der Rechtszwang

1.  Sine vi humana, sed verbo

2.  Die Einheit des Kirchenrechts und der Zwang

a)  Die Struktur des Kirchenrechts

b)  Die Besonderheit des Kirchenrechts und der Rechtszwang

c)  Substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht und christliches Selbstverständnis

Teil IV

Die Erforderlichkeit eines substantiellen Rechtsschutzes im Mitarbeitervertretungsrecht

A.  Das Rechtsstaatsprinzip und substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht

I.   Rechtsstaatlichkeit und substantieller Rechtsschutz

II.  Kirchengerichte (Schiedsstellen, Schlichtungsstellen) und das Rechtstaatsprinzip

III. Rechtsstaatsprinzip und zwangsweise Rechtsdurchsetzung im Mitarbeitervertretungsrecht

B.  Die Richtlinie 2002/14/EG und substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht

I.   Das MVG.EKD und die Anforderungen der RL 2002/14/EG

1.  Grundsätze und Ziele der Richtlinie

2.  Die Umsetzung der RL 2002 /14/EG

3.  Das Effektivitätsgebot

II.  Ergebnis

Teil V

Substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht in kirchengerichtlicher Rechtsprechung und Literatur

A.  Die Vollstreckung kirchengerichtlicher Entscheidungen im Mitarbeitervertretungsrecht in der kirchlichen Rechtsprechung

I.   Anwendung staatlichen kollektiven Arbeitsrechts statt Vollstreckung

1.  Die Entscheidung der Schiedsstelle DW Hannover v. 3.12.1996 – 3 VR MVO 67/95

2.  Stellungnahme zu der Entscheidung

II.  Die Vollstreckung kirchengerichtlicher Entscheidungen im Mitarbeitervertretungsrecht in der kirchenrechtswissenschaftlichen Literatur.

1.  Die Lösungsansätze

a)  Der „mitarbeitervertretungsgesetzliche“ Lösungsansatz

b)  Der „vereinsrechtliche“ Lösungsansatz

c)  Der „zivilprozessuale“ Lösungsansatz

d)  Der „arbeitsgerichtliche“ Lösungsansatz

e)  Der Lösungsansatz „Rechts- und Amtshilfe“

f)  Der Lösungsansatz „materiell-rechtliches Erkenntnisverfahren“

2.  Zusammenfassung und Ausblick

B.  Die Vollziehung kirchengerichtlicher Entscheidungen in kirchenrechtswissenschaftlicher Literatur und Rechtsprechung

I.   Die Vollziehung in der kirchenrechtswissenschaftlichen Literatur

II.  Der einstweilige Rechtsschutz in der kirchengerichtlichen Rechtsprechung

III. Zusammenfassung und Ausblick

Teil VI

Staatliche Justizgewähr und substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht

A.  Die Bedeutung von Koordinations-, Bereichs- und Abwägungslehre für den Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht

I.   Die Koordinat onslehre

II.  Die Bereichslehre

1.  Bereichslehre und staatliche Justizgewähr

2.  Bereichslehre und Mitarbeitervertretungsrecht

III. Die Abwägungslehre

1.  Abwägungslehre und Justizgewähr

2.  Justizgewährungspflicht und Mitarbeitervertretungsrecht

B.  Substantieller Rechtsschutz und ordentliches mitarbeitervertretungsrechtliches Kirchengerichtsverfahren zwischen staatlicher Justizgewähr und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht

I.   Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ihre Bedeutung für das Mitarbeitervertretungsrecht

1.  Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.11.2015

2.  Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und das mitarbeitervertretungsrechtliche Verfahren

II.  Prozessuale Probleme bei Klagen zur zwangsweisen Durchsetzung von Rechtspositionen aus dem Mitarbeitervertretungsrecht

1.  Der Rechtsweg

a)  Das Problem

b)  Der Lösungsansatz: §§ 10, 2a ArbGG analog und § 83 II BPersVG analog

2.  Das Rechtsschutzbedürfnis

a)  Das Rechtsschutzbedürfnis für Klagen nach dem „materiell-rechtlichen Lösungsansatz“ im Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts

b)  Unmittelbarer Zugang zu den staatlichen Gerichten

3.  Die eingeschränkte Überprüfung der kirchengerichtlichen Entscheidung durch das staatliche Gericht

C.  Einstweiliger Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im Mitarbeitervertretungsrecht

I.   Lösungsansatz „materiell-rechtliches Erkenntnisverfahren“ und einstweiliger Rechtsschutz

II.  Staatlicher einstweiliger Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht

1.  Das Verhältnis von kirchengerichtlichem zu staatlichem einstweiligen Rechtsschutzverfahren

2.  Die Anwendung des Mitarbeitervertretungsrechts durch staatliche Gerichte

a)  Die Inzidentkontrolle und der unmittelbare Zugang zu den staatlichen Gerichten im Mitarbeitervertretungsrecht

b)  Dienstgemeinschaft und säkulare Gerichtsbarkeit

III. Zusammenfassung und Ausblick

Teil VII

Zusammenfassung und Ausblick

A.  Zusammenfassung

B.  Ausblick

Literaturverzeichnis

Curriculum Vitae

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum im Sommersemester 2020 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind im Wesentlichen bis März 2020 berücksichtigt.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Pof. Dr. Jacob Joussen. Er hat die Erstellung dieser Arbeit als externer Dissertation ermöglicht, kritisch begleitet und vor allem für eine zügige Durchführung des Promotionsverfahrens gesorgt. Dankbar bin ich ihm auch für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe.

Darüber hinaus danke ich Herrn Prof. Dr. Arno Schilberg für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.

Darüber hinaus gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Stefan Huster und Herrn Prof. Dr. Fabian Klinck für ihre Mitwirkung in der Prüfungskommission.

Schließlich aber danke ich meiner Ehefrau für ihren Zuspruch und ihre uneingeschränkte Unterstützung, und meinen Kindern, die mir als „älterem Semester“, insbesondere in technischen Fragen, stets hilfsbereit zur Seite standen.

Meiner Familie ist daher diese Arbeit gewidmet.

Detmold, im Juli 2020Johannes Hempel

Teil IEinleitung, Problemaufrissund Gang der Untersuchung

A.  Einleitung und Problemaufriss

1. Der kirchengerichtliche Rechtsschutz in mitarbeitervertretungsrechtlichen Angelegenheiten wird in §§ 56 ff.MVG.EKD geregelt. Für die Durchführung des kirchengerichtlichen Verfahrens gelten eigene kirchengesetzliche Regelungen (§§ 61 – 63 MVG.EKD). Nur „im Übrigen“ finden die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren und der jeweils geltenden Fassung Anwendung (§ 62 S. 1 MVG.EKD). Allerdings sind dessen Vorschriften über Zwangsmaßnahmen nicht anwendbar (§ 62 S. 2 MVG.EKD). Dies bedeutet zumindest den Ausschluss von § 85 I ArbGG und damit – aufgrund der dortigen Verweisung – der Maßnahmen des 8. Buches der Zivilprozessordnung1. Damit ist der kirchliche Rechtsschutz auf das kirchengerichtliche Erkenntnisverfahren beschränkt, sieht man einmal von den „innerkirchlichen Durchsetzungsmitteln“ ab2.

Dies unterscheidet das mitarbeitervertretungsrechtliche Kirchengerichtsverfahren von den Verfahren vor den staatlichen Gerichten. Dort führt zwar nicht jedes Erkenntnisverfahren zur Zwangsvollstreckung, aber es besteht die Möglichkeit, die vom Gericht zuerkannte Rechtsposition zwangsweise durchzusetzen, sofern sie einen vollstreckbaren Inhalt hat3.

Vollstreckbar sind gerichtliche Entscheidungen, wenn sie den, der in Anspruch genommen wird, zu einer Leistung verpflichten, sei es, dass er eine Handlung vornehmen, unterlassen oder dulden, eine Sache herausgeben oder eine Zahlung leisten muss. Über Art und Umfang der Verpflichtung und den Verpflichteten darf dabei im Zwangsvollstreckungsverfahren kein Zweifel bestehen4.

Nicht vollstreckbar sind hingegen gerichtliche Feststellungen5 sowie Gestaltungsbeschlüsse, deren Wirkung ohne Vollstreckung unmittelbar mit Rechtskraft des Beschlusses eintritt6.

2. Der Ausschluss der Zwangsvollstreckung ist in § 62 S. 2 MVG.EKD spezialgesetzlich geregelt, gilt aber gem. § 24 KiGG.EKD, wonach Vorschriften über staatliche Zwangsmaßnahmen nicht anwendbar sind, allgemein für das kirchengerichtliche Verfahren7. Eine zwangsweise Durchsetzung kirchengerichtlicher Entscheidungen – so wird vertreten – sei auch meistens nicht erforderlich. Denn zumindest von den kirchenrechtlich verfassten Organen, die zu einer Leistung verurteilt würden, könne die selbstverständliche Befolgung der sie bindenden Gerichtsentscheidung erwartet werden8.

In den Fällen, in denen die Kirche Gläubigerin eines Leistungsanspruchs sei, sei eine Vollstreckung ebenfalls meistens nicht erforderlich. So könne z. B. die einem Pfarrer oder Kirchenbeamten auferlegte Geldbuße schlicht dadurch vollzogen werden, dass die Bezugsstelle den geschuldeten Betrag von den Bezügen einbehalte; in gleicher Weise ließen sich auch alle sonstigen auf eine Geldleistung aus dem Dienstverhältnis, etwa auf Rückzahlung überzahlter Bezüge oder auf Schadensersatz, gerichteten Leistungsurteile durchsetzen9.

Im Übrigen wird insbesondere für das Mitarbeitervertretungsrecht hinsichtlich von gegen die Dienststellen gerichteten Leistungsansprüchen der Mitarbeitervertretung auf die Mittel der kirchlichen Aufsicht verwiesen10.

3. Gerade für das Mitarbeitervertretungsrecht besteht allerdings eine besondere rechtliche Situation; denn in den Verfahren vor den Kirchengerichten sind nicht nur Stellen der öffentlich-rechtlich organisierten Kirche, sondern aufgrund des sachlichen Geltungsbereichs des MVG.EKD auch die Einrichtungen der Diakonie (vgl. § 1 II MVG.EKD) Beteiligte, d. h. Antragsteller oder Antragsgegner. Eine „selbstverständliche Befolgung“ kirchengerichtlicher Entscheidungen kann in diesen häufig privatrechtlich organisierten Einrichtungen nicht ohne weiteres erwartet werden, wie die Praxis zeigt11.

Das Problem der fehlenden Vollstreckbarkeit verliert nicht deshalb an Schärfe, weil alle Verstöße gegen Beteiligungsrechte oder Entscheidungen des Kirchengerichts, die sich in auf Angelegenheiten beziehen, in denen es um die Rechte einzelner Mitarbeiter geht (vgl. § 42 und § 43 MVG.EKD, § 46 lit. b), c), d) MVG.EKD), sich in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht nachteilig für den Dienstgeber auswirken12. Dies gilt nämlich nicht bei Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten (§ 40 MVG.EKD). Ferner stellt sich die Frage, wie die Mitarbeitervertretung ihr Recht auf Information (§ 34 MVG.EKD), etwaige Herausgabeansprüche oder Kostenübernahmepflichten des Dienstgebers nach § 30 MVG. EKD durchsetzen kann13, wenn dieser sich weigert, einer ihn diesbezüglich verpflichtenden Entscheidung des Kirchengerichts nachzukommen.

Umgekehrt kann aber auch die Dienststelle Gläubigerin eines Leistungsanspruchs gegenüber der Mitarbeitervertretung bzw. eines ihrer Mitglieder sein, z. B. auf Herausgabe von gem. § 30 MVG.EKD überlassenen Sachen oder Unterlassung von Handlungen, die im Widerspruch zu den gesetzlichen Verpflichtungen stehen.

4. Die Durchsetzbarkeit kirchengerichtlicher Entscheidungen im Mitarbeitervertretungsrecht war noch im ausgehenden 20. Jahrhundert kaum Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. So wird diese Thematik anlässlich der „Essener Gespräche“ im Jahr 1984, zu denen sich damals im Staatskirchenrecht und kirchlichen Arbeitsrecht führende Wissenschaftler, aber auch Theologen trafen, um über das „Arbeitsrecht in der Kirche“ zu diskutieren14, weder in dem zur Aussprache gestellten Fachvortrag „Aktuelle kollektivrechtliche Fragen des kirchlichen Dienstes“15 noch in der sich anschließenden Diskussion16 selbst angesprochen.

Anders verhält es sich gut zwanzig Jahre später bei der 8. Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Eichstätt 2005 zum Thema „Effektive Arbeitsgerichtsbarkeit im Mitarbeitervertretungsrecht und im Dritten Weg“17. Von einigen Referenten wird die Effektivität kirchlichen Rechtsschutzes wegen der mangelnden Durchsetzbarkeit kirchengerichtlicher Entscheidungen in Frage gestellt18. Seitdem ist die Forderung nach einem effektiven Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht, der auch die notfalls zwangsweise Durchsetzung der vom Kirchengericht dem Gegner verbindlich auferlegten Leistungspflicht umfassen soll, nicht verstummt19. Auch der KGH.EKD spricht von der „Unvollkommenheit“ des kirchlichen Rechtsschutzes aufgrund der fehlenden Vollstreckbarkeit20.

Von daher stellt sich die Frage, ob diese „Unvollkommenheit“ aus kirchenrechtlichen oder staatskirchenrechtlichen Gründen von den Betroffenen hingenommen und damit auf einen substantiellen Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht letztlich verzichtet werden muss21.

5. Ein substantiellen Rechtsschutz zählt zu den rechtsstaatlichen Erfordernissen. Er umfasst nicht nur ein gerichtliches Erkenntnisverfahren; vielmehr müssen ein Vollstreckungsverfahren und die Möglichkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes hinzukommen22, d. h. die Rechtsdurchsetzung muss in letzter Konsequenz unter Anwendung auch physischer Gewalt sichergestellt werden können23.

Damit ergeben sich im Hinblick auf einen substantiellen Rechtsschutz im Verfahren vor den für das Mitarbeitervertretungsrecht zuständigen Kirchengerichten zwei grundsätzliche Fragen:

Ist die Anwendung von in letzter Konsequenz physischem Zwang, um Rechtsdurchsetzung innerhalb der Kirche sicherzustellen, mit dem christlichen Selbstverständnis vereinbar24?

Und: Kann durch den Staat im Mitarbeitervertretungsrecht – sollte die Kirche Rechtspositionen in diesem Bereich weder zwangsweise durchsetzen wollen noch durchsetzen können – die notfalls zwangsweise Rechtsdurchsetzung sichergestellt werden, ohne dabei das verfassungsmäßig garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirche (§ 140 GG i. V. m § 137 III WRV) zu beeinträchtigen25?

1Bohnenkamp, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, § 62 Rn. 4; Fey/Rehren, MVG.EKD, § 62 Rn. 7.

2Baumann-Czichon/Gathmann, Kirchliche Mitbestimmung im Vergleich, S. 51.

3So werden arbeitsgerichtliche Urteile und Beschlüsse nach den Vorschriften des 8. Buchs der ZPO vollstreckt (§§ 46a I, 62 II, 85 ArbGG mit Besonderheiten); dieses gilt sinngemäß auch für die Vollstreckungstitel der Sozialgerichte zugunsten einer Privatperson (§§ 198, 199 ff.SGG mit Einzelheiten), die Entscheidungen der Finanzgerichte gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts (§ 151 FGO) und die Titel der Verwaltungsgerichte zugunsten einer Privatperson (§§ 167, 168 ff.VwGO mit Besonderheiten). Nach den Vorschriften der AO bzw. der Verwaltungsvollstreckungsgesetze richtet sich die Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand von Entscheidungen der Sozialgerichte (§ 200 SGG), Finanzgerichte (§ 150 FGG) und Verwaltungsgerichte (§ 169 VwGO).

4Kroppenberg, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 704 Rn. 4; Zöller/Seibel, ZPO, § 4 Rn. 3.

5ErfKom/Koch, § 85 ArbGG Rn. 1 für Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.

6ErfKom/Koch, § 85 ArbGG Rn. 1 für Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren; Kroppenberg, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 704 Rn. 3; Zöller/Seibel, § 704 Rn. 2.

7Kirchengerichtsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (KiGG.EKD) v. 6. November 2003 (ABl. EKD 2003 S. 408, 409), zuletzt geändert durch Kirchengesetz v. 12.11.2014 (ABl.EKD 2014 S. 366).

8Maurer, ZevKR 17 (1972), 48, 86; Schilberg, Rechtsschutz und Arbeitsrecht, S. 167; Germann, Die Gerichtsbarkeit, S. 430.

9Germann, Die Gerichtsbarkeit, S. 431.

10Germann, Die Gerichtsbarkeit, S. 431.

11Andelewski, ZMV 2009, 10 ff.; Baumann-Czichon, ZMV-Sonderheft 2005, 63, 66; Bauman-Czichon/Gathmann, Mitbestimmung im Vergleich, S. 51 f.; Baumann-Czichon/Gathmann/Germer MVG.EKD, § 60 Rn. 18; Leser, ZMV 1996, 121, 121; Warnecke, ZMV 2009, 71-74. Der KGH.EKD sah sich veranlasst, dem in einer Publikation eines „Organs der Rechtspflege“ von diesem „in Kenntnis der fehlenden Zwangsvollstreckung im kirchlichen Arbeitsrecht“ den Dienstgebern erteilten Rat, einer zur Leistung verpflichtenden Entscheidung (Vorlage der Bruttolohnlisten aufgrund von § 34 III S. 1 MVG.EKD) des Gerichts nicht zu folgen, entgegenzutreten (KGH.EKD, Beschluss v. 19.6.2018 – II-0124/6-2018, ZMV 2018, 320). Es handelt sich dabei um den Aufsatz von U. Andelewski/Chr.Wienke, beide Rechtsanwälte in Berlin, „Haben Kirchengerichte die Kompetenz zur Rechtsfortbildung“ (ZAT 2018, 2-7), in dem den Kirchengerichten unter Hinweis darauf, dass es sich bei ihnen nicht um verfassungsmäßige Organe i. S. d. Art. 32 GO.EKD handele, das Recht, kirchliches Recht (rechtsfortbildend) auszulegen oder gesetzesersetzendes Richterrecht zu schaffen, abgesprochen wird. Dort heißt es: „Eine solche Kompetenzüberschreitung muss dazu führen, dass ein unter Verstoß gegen die Grundordnung aufgestellter Rechtssatz nicht befolgt werden muss bzw. auch nicht durch andere Normunterworfene befolgt werden darf“ (ebda., 7).

12Achenbach, ZMV-Sonderheft 2005, 34, 40; Leser, ZMV 1996, 121, 121.

13Andelewski weist darauf hin, dass dann, wenn der Dienstgeber sich weigert einer kirchengerichtlichen Entscheidung nachzukommen, in der seine Kostentragungspflicht für die von der Mitarbeitervertretung beigezogene sachkundige Person festgestellt wurde, ein weiterer Antrag der Mitarbeitervertretung auf Erfüllung dieser Verpflichtung mangels Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen werden müsste; denn auch eine Entscheidung in diesem neuen Verfahren wäre nicht vollstreckbar und brächte damit der Mitarbeitervertretung keinen Nutzen (ZMV 2009, 10, 11).

14Veröffentlicht in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 18 (1984).

15Dütz, in: Essener Gespräche 18 (1984), S. 67-115. Zwar seien die Schlichtungsstellen nach damaligem Recht als besondere kirchliche Gerichte anzusehen, weil sie den Anforderungen genügten, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen an Gerichte zu stellen seien (S. 105). Das Schlichtungsverfahren selbst wird aber nur kurz abgehandelt; die Bindungswirkung des Schiedsspruchs wird angesprochen, auf seine Durchsetzbarkeit jedoch nicht weiter eingegangen (S. 110/111).

16Im Vordergrund der Diskussion stand u.a. die Frage nach einem Sonderarbeitsrecht für die Kirche; vgl. Essener Gespräche zu Staat und Kirche 18 (1984), S. 116-155.

17Die Referate sind veröffentlicht im ZMV-Sonderheft 2005.

18Achenbach, ZMV-Sonderheft 2005, 34, 40; Baumann-Czichon, ZMV-Sonderheft 2005, 63, 66; Frank, ZMV-Sonderheft 2005, 13, 18; Jüngst, ZMV-Sonderheft 2005, 46, 54; Weiß, ZMV-Sonderheft 2005, 20, 26-27.

19Z.B. Baumann-Czichon/Gathmann/Germer, MVG.EKD, § 62 Rn. 4; Bohnenkamp, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, § 62 Rn. 5; Fey/Rehren, MVG.EKD, § 62 Rn. 7; Guntau, ZevKR 51 (2006), 327, 343; Hartmeyer, Präjudizialität, S. 86; Reichold, „Wie weltlich darf und kann das Mitarbeitervertretungsrecht sein?“, S. 18; Schliemann, ZMV-Sonderheft 2012, 36, 42.

20KGH.EKD, Beschluss v. 29.8.2016, II-0124/7-2016, ZMV 2017, 44.

21In diesem Sinne Maurer hinsichtlich der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit: „Die kirchlichen Gerichte haben über zweifelhaftes oder umstrittenes kirchliches Recht zu entscheiden. Eine Vollstreckung kommt nicht in Betracht. Es kann erwartet werden, daß die Beteiligten die Urteile des kirchlichen Gerichts beachten“ (ZevKR 17 (1972), 48, 86);

22BVerfG, Beschluss v. 16.5.1995 – 1 BvR 1087/91, NJW 1989, 2285; Beschluss v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, NJW 2016, 930.

23Urteile oder Beschlüsse, die eine Leistungsverpflichtung beinhalten, können unter Anwendung physischer Gewalt als ultima ratio durchgesetzt werden (vgl. hierzu ausführlich unten Teil II B 1 a).

24Verneinend für das katholische Mitarbeitervertretungsrecht: Frank, in: MAVO-Freiburger Kommentar, Einf. in die KAGO Rn. 10; Frank, ZMV-Sonderheft 2005, 13, 18; Eichstätter Kommentar/Hartmeyer, § 53 KAGO Rn. 1; Hartmeyer, Präjudizialität, S. 195; für das evangelische Mitarbeitervertretungsrecht äußern im Hinblick auf die „Dienstgemeinschaft“ Bedenken: Kienitz, NZA 1996, 963, 969; Schielke, Das Mitarbeitervertretungsrecht, S. 270.

25Die Kirche begründet den Ausschluss staatlicher Zwangsmaßnahmen in § 24 KiGG.EKD mit verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben (Nichtamtliche Begründung zum Kirchengerichtsgesetz – Begründung zum Kirchengerichtsgesetz v. 6.11.2003 (ABl.EKD 2003, S. 408), S. 9, abrufbar: www.kirchenrecht-ekd.de unter der Nummer 1001.9, zuletzt abgerufen am 31.3.2020)) und legt damit der Vorschrift rein deklaratorischen Charakter bei. Dies gilt entsprechend für § 62 S. 2 MVG.EKD. Hartmeyer verweist auf das staatliche Gewaltmonopol als weitere Ursache neben dem christlichen Selbstverständnis dafür, dass die „Vollstreckungsfähigkeit kirchengerichtlicher Entscheidungen“ für das katholische Mitarbeitervertretungsrecht auf „andere Weise“ habe geregelt werden müssen (Eichstätter Kommentar/Hartmeyer, § 53 KAGO, Rn. 1; ebenso Frank, in: MAVO-Freiburger Kommentar, Einf. in die KAGO Rn. 10).

B.  Gang der Untersuchung

Die Beantwortung dieser Fragen entscheidet darüber, ob ein substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht möglich ist. Dabei soll zunächst die historische Entwicklung des Rechtsschutzes dargestellt werden. Besonderes Interesse gilt der Frage, inwieweit politische, kirchenpolitische und gesellschaftliche Verhältnisse diese Entwicklung beeinflusst haben, weil sich auf diese Weise Folgerungen für einen künftigen Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht ergeben können (Teil II).

Sodann soll der Rechtsschutz in den staatlichen Arbeitnehmervertretungsgesetzen mit dem kirchlichen Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsgesetz verglichen werden, wobei die Frage nach der Durchsetzbarkeit gerichtlich zugesprochener Rechtspositionen (Vollstreckung/Vollziehung) im Vordergrund steht. Nur so kann zu der Kritik insbesondere von Seiten der Mitarbeitenden, bei dem kirchlichen Rechtsschutz handele es sich um einen Rechtsschutz „zweiter Klasse“, Stellung bezogen werden26. Dabei sind auch die unterschiedlichen Ausgangslagen im Betriebsverfassungsrecht, Personalvertretungsrecht und Mitarbeitervertretungsrecht zu erörtern; denn es stellt sich die Frage, ob aus einer besonderen Ausgangslage im Mitarbeitervertretungsrecht der Ausschluss von zwangsweiser Rechtsdurchsetzung notwendig folgt. Hierbei geht es um die das Kirchenrecht betreffende Grundsatzfrage27 nach der Vereinbarkeit von mit dem substantiellen Rechtsschutz in letzter Konsequenz verbundenem physischen Zwang und christlichem Selbstverständnis. Deshalb bedarf es einer Auseinandersetzung mit der These von der Unvereinbarkeit physischen Zwanges und dem das kirchliche Arbeitsrecht bestimmenden Dienstgemeinschaftsgedanken28 einerseits29 und der Auffassung, dass Kirchenrecht kenne keinen Zwang, andererseits30; denn träfe dies zu, würde auch ein substantieller Rechtsschutz, bei dem im Mitarbeitervertretungsrecht als ultima ratio zwar nicht unmittelbar, jedoch mittelbar Zwang von kirchlichen Stellen ausgeübt werden könnte, zu einem unauflösbaren Widerspruch führen (Teil III).

Anschließend wird die Frage behandelt, ob ein Mitarbeitervertretungsrecht ohne substantiellen Rechtsschutz rechtsstaatlichen und europarechtlichen Anforderungen genügt (Teil IV).

Es folgt eine Darstellung und kritische Betrachtung der Versuche in der Literatur, für die als unbefriedigend empfundene Rechtslage31, eine Lösung zu finden; ferner wird untersucht, wie die kirchengerichtliche Rechtsprechung die Frage der Vollstreckung im einstweiligen Rechtsschutz (Vollziehung) behandelt (Teil V).

Da eine zwangsweise Durchsetzung im innerkirchlichen Bereich verfassungsrechtlich – wenn überhaupt – nur unter Einbeziehung des Staates möglich ist (Art. 20 GG), stellt sich die Frage, wie weit die von der Verfassung garantierte staatliche Justizgewähr (Art. 19 IV GG und Art. 2 I GG i. V. m. Art. 20 GG, Art. 92 GG) soweit reichen kann und darf, ohne dabei das ebenfalls von der Verfassung garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirche (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III WRV) in unzulässiger Weise einzuschränken (Teil VI).

In Teil VII werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammengefasst. Ein Ausblick aufgrund der gewonnenen Ergebnisse schließt die Arbeit ab.

26So beklagte die Bundeskonferenz der Mitarbeitervertretungen und der Gesamtausschüsse der Diakonie in einem Brief an die Bundestagsfraktionen noch im Jahr 1995, dass von der Partei, die im Verfahren obsiege, die getroffenen Schlichtungsbeschlüsse nicht durchgesetzt werden könnten, da es keine Sanktionsmöglichkeit gebe. Ignoriere ein kirchlicher oder diakonischer Arbeitgeber die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses, so passiere nichts. Das Schlichtungsverfahren laufe ins Leere (ZMV 1995, 124/125).

27Germann bezeichnet den Zwang als „notorisches Problem kirchlicher Ordnung“ (Kirchliche Gerichtsbarkeit, S. 432).

28„Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ist Ausgangspunkt der Überlegungen der Gedanke der Dienstgemeinschaft“ (Schilberg, Rechtsschutz und Arbeitsrecht, S. 70). Schon hier sei allerdings darauf hingewiesen, dass der Dienstgemeinschaftsgedanke sehr kontrovers diskutiert wird. Den ehemaligen Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Nikolaus Schneider veranlasste sie zu dem persönlichen Bekenntnis: „Ich halte die Wahrung der Dienstgemeinschaft für unverzichtbar bei der Erfüllung unseres kirchlichen Auftrags“ (ZMV-Sonderheft 2012, 8 ff., 8). Nach völlig entgegengesetzter Auffassung sollte an der Dienstgemeinschaft als dominierendem Leitbegriff der konfessionellen Arbeitsbeziehungen nicht festgehalten werden, weil sie einen deutlichen Relevanzverlust unter den kirchlichen Mitarbeitern zu verzeichnen habe (Dürr, „Dienstgemeinschaft sagt mir nichts“, S. 240). Im Mitarbeitervertretungsrecht nimmt sie durch die Aufnahme in die Präambel des MVG.EKD jedenfalls eine zentrale Stellung ein (Joussen, in: Anke/de Wall/Heinig, HevKR, § 7 Rn.23).

29Frank, ZMV-Sonderheft 2005, 13, 18; Eichstätter Kommentar/Hartmeyer, § 53 KAGO Rn. 1; Kienitz, NZA 1996, 963, 969; Schielke, Mitarbeitervertretungsrecht, S. 270.

30So hat nach A.Stein das Kirchenrecht gemäß biblischer Weisung ohne Rechtszwang, „sine vi, sed verbo“ zu wirken (Evangelisches Kirchenrecht. S. 186). Nach Traulsen kann die Kirche schon wegen des staatlichen Gewaltmonopols, erst recht aber nach ihrem eigenen Selbstverständnis keine physische Gewalt gegen ihre Mitglieder üben; es sei aber nicht ausgeschlossen, dass sie sich diesbezüglich des weltlichen Schwertes bediene (Rechtsstaatlichkeit und Kirchenordnung, S. 221). Robbers vertritt die Ansicht, dass Kirchenrecht seine Legitimität allein in der Übereinstimmung mit den Glaubenssätzen seiner Kirche finde. In seiner Durchsetzbarkeit sei es angewiesen auf die eigenen Mittel der Implementation, insbesondere auf die eigene Überzeugungskraft, in der die Akzeptanz des Kirchenrechts durch die Kirchenmitglieder ihren Grund finde „Mit dem Rückgriff auf außerhalb seiner selbst liegende Machtmittel zur Durchsetzung seines Geltungsanspruchs würde es den Kern seiner Geltung verfehlen (ZevKR 49 (2004), 215, 216). In diesen Zusammenhang gehört auch die Feststellung Grundmanns: „Vor allem kann die Erkenntnis, daß das Kirchenrecht in der Liebe Gottes zu den Menschen und dem daraus fließenden Gebot der Nächstenliebe seinen Lebensnerv hat, als gesichert angesehen werden: Kirchenrecht ist Liebesrecht. Daran wird sich nichts mehr ändern“ (Das evangelische Kirchenrecht von Rudolf Sohm bis zur Gegenwart, S. 50).

31Baumann-Czichon/Gathmann, Kirchliche Mitbestimmung im Vergleich, S. 51; Bohnenkamp, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, § 62 Rn. 4; Duhnenkamp, Mitarbeitervertretungsrecht, S. 904; Schliemann, ZMV-Sonderheft, 2012, 36, 42.

Teil IIDie historische Entwicklung der Rechtsschutzgewährung im Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche und der mitarbeitervertretungsrechtliche Rechtsschutz im System des Arbeitnehmervertretungsrechts

A.  Die historische Entwicklung der Rechtsschutzgewährung im Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche

Die Geschichte eines eigenständigen Mitarbeitervertretungsrechts in der evangelischen Kirche beginnt mit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges, dem Bestreben der Landeskirchen, ein eigenständiges, d. h. vom staatlichen Recht getrenntes Recht für die Vertretungen der im kirchlichen Dienst Beschäftigten zu schaffen und schließlich der Freistellung der Religionsgemeinschaften vom Geltungsbereich der staatlichen Gesetze, also des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsgesetzes. Vor dieser Zeit, d. h. seit Ende des Ersten Weltkrieges, wurden die Kirchen wie selbstverständlich in die staatliche Gesetzgebung miteinbezogen32, obwohl aufgrund der Weimarer Reichsverfassung eine andere Entwicklung zu erwarten gewesen wäre. Der thematischen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit entsprechend soll in der nachfolgenden Darstellung der Schwerpunkt auf die Entwicklung des Rechtsschutzes im Mitarbeitervertretungsrecht, insbesondere der Rechtsdurchsetzung, gelegt werden33.

I.    Das Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920 (BRG)34

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges partizipierte die Kirche trotz Art. 137 III WRV, wonach die Religionsgemeinschaften „ihre eigenen Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ ordnen und verwalten durften, an der Institutionalisierung der Mitbestimmung im Betriebsrätegesetz v. 4.2.1920 (BRG)35; denn gem. § 9 BRG wurden alle Betriebe, Geschäfte und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechts erfasst, also auch die Religionsgemeinschaften, die als „konfessionelle Betriebe“ in § 67 BRG den Status von Tendenzbetrieben erhielten, auf die die Vorschriften über die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 66 Nr. 1 und 2 BRG) keine Anwendung fanden. Das Verhältnis zwischen der gesetzlichen Betriebsverfassung und der Kirchenautonomie wurde damals nicht aktuell, weil das BRG im kirchlichen Bereich keine Beachtung fand36. Ob dies darauf zurückzuführen war, dass das Gesetz nur eine Repräsentation für Arbeitnehmer vorsah, deren Beschäftigung im kirchlichen Bereich damals eine untergeordnete Rolle spielte, weil die maßgeblichen Funktionen in der kirchlichen Verwaltung den Priestern, Geistlichen oder Kirchenbeamten anvertraut waren37, erscheint allerdings fraglich; denn nach §§1, 2 BRG bestand – anders als im heutigen Betriebsverfassungsrecht – eine gesetzliche Verpflichtung, Betriebsräte zu errichten und Betriebsobmänner zu wählen, falls die Mindestanzahl von 20 Arbeitnehmern nicht erreicht wurde38. Wenn dies dennoch in den kirchlichen Verwaltungen unterblieb, kann hierfür die Furcht vor den potentiellen Arbeitnehmervertretungen nicht Grund gewesen sein; denn dem Betriebsrat oblagen nach dem BRG im Wesentlichen befriedende, den Unternehmer unterstützende und weniger an der Führung des Betriebes partizipierende Funktionen39. Während einerseits der Unternehmer die Auflösung des Betriebsrats bei „gröblicher Verletzung“ der gesetzlichen Pflichten beim Bezirkswirtschaftsrat bzw. beim Schlichtungsausschuss40 beantragen konnte (§41 BRG), waren andererseits Eingriffe in die Betriebsleitung nicht erlaubt (§ 69 BRG), d. h. die Ausführungskompetenz lag allein beim Arbeitgeber, sodass deshalb auch der Betriebsrat von ihm nicht die Vornahme, Duldung oder Unterlassung von Maßnahmen im Hinblick auf bestehende Mitbestimmungsrechte verlangen konnte. In personellen Angelegenheiten blieb dem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber das Letztentscheidungsrecht erhalten41.

Das eigentliche Problem bestand darin, dass das Gesetz die Kirchen nicht in ihrer Besonderheit als Kirche, sondern wie ein weltliches Unternehmen mit geistig-ideeller Bestimmung bewertete42. Damit aber waren auch die kirchlichen Arbeitgeber einem Regime von Sanktionen unterworfen, das die weltlichen Arbeitgeber anhalten sollte, ihren Verpflichtungen aus dem Gesetz nachzukommen (vgl. §§ 95 ff.BRG). Auch das heutige Betriebsverfassungsgesetz enthält Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften (vgl. §§ 119 ff. BetrVG), von denen aber die kirchlichen Arbeitgeber aufgrund der Exemtion nicht betroffen sind. Für die Nichtanwendung des BRG in den kirchlichen Verwaltungen war neben der geringen Anzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes oder deren Passivität hinsichtlich einer Betriebsratswahl43, auch das mangelnde Interesse der kirchlichen Arbeitgeber an der Errichtung von Arbeitnehmervertretungen verantwortlich44. Dies wurde vom Staat trotz der Vorschriften der §§ 23 II und III, 99 BRG45 toleriert.

Im Ergebnis lässt sich demnach feststellen, dass durch das BRG die verfahrensrechtlichen und prozessualen Durchsetzungsmittel der Mitbestimmungsrechte zwar nur schwach ausgebildet waren, jedoch auch im Bereich kirchlicher Einrichtungen Geltung beanspruchen konnten.

II.   Die Zeit des Nationalsozialismus

Das durch das BRG auch den Arbeitnehmern in den kirchlichen Verwaltungen eingeräumte, aber von diesen kaum wahrgenommene Recht der Mitbestimmung wurde unter dem Nationalsozialismus aufgehoben (vgl. § 65 Nr. 1 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG)46). Der Arbeitgeber, nunmehr „Führer des Betriebes“ (§ 2 AOG), entschied in allen betrieblichen Angelegenheiten, die Belegschaft wurde zur „Gefolgschaft“ (§ 2 AOG). Statt eines Betriebsrats wurde ein „Vertrauensrat“ berufen (nicht gewählt), vom Arbeitgeber geleitet (§ 5 AOG), mit marginalen Beratungsfunktionen versehen (§ 6 II AOG) und vom „Treuhänder der Arbeit“, einem Staatsbeamten, kontrolliert (§ 19 Nr. 1 AOG). Diese jegliche Mitbestimmung eliminierende Gesetzgebung galt auch für die kirchlichen Verwaltungen47, musste dort aber deshalb nicht angewandt werden, weil erst die dort in der Regel nicht erreichte Mindestzahl von 20 Arbeitnehmern zur Berufung eines Vertrauensrates verpflichtete48 und die Berufung eines „Vertrauensobmanns“ in zahlenmäßig darunter liegenden „Gefolgschaften“ gesetzlich nicht vorgesehen war. Verstöße gegen betriebliche Pflichten durch den Führer des Betriebes oder den Vertrauensrat konnten vor das „Soziale Ehrengericht“ (§§ 35 ff.AOG) gebracht werden.

Die Zeit des Nationalsozialismus blieb aber nicht ohne Bedeutung für die Entwicklung des Mitarbeitervertretungsrechts nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Denn die theologische Reaktion auf die Herrschaftsideologie des Staates wirkte fort49.

Die Barmer Theologische Erklärung stellt ein situatives Bekenntnis gegen die Fremdbestimmung der Kirche dar. Sie ist eine Reaktion auf die Pläne Hitlers, der die Evangelische Kirche als Deutsche Evangelische Reichskirche unter die Führung des ihm treu ergebenden Reichsbischofs (Ludwig Müller) gestellt hatte50. Sie bringt zum Ausdruck, dass die nationalsozialistische Herrschaftsbzw. Führerideologie mit dem Selbstverständnis der Kirche unvereinbar ist51. Was aber mit dem kirchlichen Selbstverständnis nicht vereinbar ist, dem kann in der Kirche kein Raum gewährt werden, d. h. eine Betriebsverfassung, die von nationalsozialistischer Herrschaftsideologie geprägt ist, kann und darf in der Kirche keine Anwendung finden. Für die Entwicklung des Mitarbeitervertretungsrechts ist diese situative historische Erfahrung von grundsätzlicher Bedeutung. Sie besteht nicht nur in der kirchenpolitischen, sondern vor allem auch theologischen Erkenntnis, dass dieser Bereich eine innere Angelegenheit der Kirche darstellt, der zwar den Einflüssen staatlichen Rechts gegenüber durchaus offen sein, ihnen aber nicht ausgeliefert werden darf52.

Der Staat hat sich dieser Erkenntnis nicht verschlossen53 und der Kirche unter Rückbesinnung auf die Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung durch Herausnahme aus dem Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht die Möglichkeit eröffnet, ein eigenes Mitarbeitervertretungsgesetz zu schaffen54. Dass von der Kirche für diese Herausnahme angeführte Argument der Andersartigkeit der kirchlichen Dienstleistungen gegenüber den Dienstleistungen eines wirtschaftlichen Betriebes manifestierte sich in der „Dienstgemeinschaft“55.

Als in theologischer Perspektive hierfür grundlegend wird bis heute These 4 der Barmer Theologischen Erklärung angesehen56.

III.  Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum MVG.EKD

Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde die nationalsozialistische Gesetzgebung durch das Kontrollratsgesetz (KRG) aufgehoben. Dies ermöglichte den Ländern, eigene Betriebsrätegesetze zu erlassen, die sich inhaltlich z.T. an das BRG von 1920 anlehnten, daneben aber dem Betriebsrat durchaus mehr Partizipation an der Betriebsführung gewährten57. Auch der aus dem Jahr 1950 stammende Regierungsentwurf zum neuen Betriebsverfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland stufte – wie das BRG – die privatrechtlichen Betriebe der Religionsgesellschaften als Tendenzunternehmen ein58. Zu einer völligen Freistellung der Kirchen vom staatlichen Betriebsverfassungsrecht sah man sich zunächst nicht veranlasst, weil die Kirche auch in der Weimarer Zeit trotz Art. 137 WRV widerspruchslos hingenommen hatte, als Arbeitgeber mit geistig-ideeller Ausrichtung und nicht in ihrer Besonderheit als Kirche in das staatliche Mitbestimmungsrecht einbezogen zu werden59.

Für die Entwicklung des Mitarbeitervertretungsrechts ist erheblich, dass die Landeskirchen nunmehr begannen, Mitarbeitervertretungsgesetze zu erlassen, um damit auch der Entwicklung, dass immer mehr Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Bereich begründet wurden60, Rechnung zu tragen. Geschah dies zunächst noch vereinzelt in Anlehnung an die Betriebsrätegesetze der Länder, so wurden in der Zeit nach der Freistellung der Religionsgesellschaften von den staatlichen Mitbestimmungsgesetzen61 eigenständige Regelwerke erlassen, die den Mitarbeitervertretungen bereits durchaus auch Mitbestimmungsrechte einräumten, von deren Beachtung die Durchführbarkeit der von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme abhing62.

Diese landeskirchlichen Mitarbeitervertretungsgesetze waren hinsichtlich des Rechtsschutzes unterschiedlich ausgestaltet, stimmten aber darin überein, dass bei Meinungsverschiedenheiten aus dem Gesetz eine Schlichtungsstelle oder ein Schlichtungsausschuss zum Zwecke der Schlichtung angerufen werden konnte. Dabei wurden Zusammensetzung, Zuständigkeit und Befugnisse dieser Einrichtungen allerdings wieder unterschiedlich geregelt63. Nach einigen Mitarbeitervertretungsordnungen ist es ihre Aufgabe, die Streitigkeiten zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung zu schlichten und endgültig zu entscheiden64, nach anderen hat der Schlichtungsausschuss nicht in der Sache selbst zu entscheiden, sondern nur zu prüfen und abschließend festzustellen, ob und in welchem Umfang die angefochtene Maßnahme gegen die zum Schutz und zur Förderung der Mitarbeiter erlassenen Gesetze, Verordnungen, sonstigen zwingenden Vorschriften, Verträge oder Dienstvereinbarungen verstößt oder ob bei Ermessensentscheidungen die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder das Ermessen in einer der Ermächtigung widersprechenden Weise offenbar missbraucht worden ist65.

Der Rat der EKD empfahl durch Bekanntmachung v. 26.5.1972 den Gliedkirchen aufgrund von Art. 9 b der Grundordnung der EKD, das Mitarbeitervertretungsrecht nach dem „Muster für ein Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in kirchlichen und diakonischen Dienststellen und Einrichtungen“66zu regeln. In § 39 dieser Musterordnung (MO) wird das Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss behandelt. § 39 I MO enthält einen Zuständigkeitskatalog. Nach § 39 IV 2 MO ist der Beschluss des Schlichtungsausschusses im Verhältnis zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung verbindlich. Weder ein einstweiliger Rechtsschutz noch ein Rechtsmittelverfahren sind vorgesehen.

Insbesondere die den Rechtsschutz betreffenden Regelungen lassen erkennen, wie sehr der kirchliche Gesetzgeber darauf bedacht war, Streitigkeiten als „Meinungsverschiedenheiten“ oder „Unstimmigkeiten“ aufzufassen, die in erster Linie durch eine Schlichtung und nicht durch eine streitige Entscheidung beizulegen sind67. Eine – wie auch immer geartete – Durchsetzung von Entscheidungen der Schlichtungsausschüsse war anscheinend vom kirchlichen Gesetzgeber nicht vorgesehen68. Dieses insbesondere die Mitarbeitervertretung betreffende Problem wurde in der Literatur durchaus gesehen69. Ein einstweiliger Rechtsschutz zur Sicherung und Regelung von sich aufgrund der Gesetze ergebenden Ansprüche fehlt70. Eine zweite Instanz, die gegen die Entscheidungen hätte angerufen werden können, ist nur in wenigen Landeskirchen vorgesehen71. Insofern kann von einem effektiven Rechtsschutz in den Mitarbeitervertretungsgesetzen der Landeskirchen bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg keine Rede sein.

IV.  Der Rechtsschutz im „Ursprungs – MVG.EKD“ 1992 – (MVG.EKD 1992)72

Nicht zuletzt dieser ineffektive Rechtsschutz führte zur Entstehung des MVG. EKD 199273, wenn auch das Bedürfnis im Vordergrund gestanden hatte, ein einheitliches Mitarbeitervertretungsrecht in der evangelischen Kirche zu schaffen, und zwar in zweifacher Hinsicht: zum einen sollte eine Vereinheitlichung des in den Landeskirchen jeweils geltenden Mitarbeitervertretungsrechts erreicht werden; zum andern sollte die Diakonie, in der bisher Mitarbeitervertretungsregelungen nur auf der Grundlage von Satzungsrecht beschlossen worden waren74, in den Bereich des staatskirchenrechtlichen Selbstverwaltungsrechts geholt werden75, wozu es erforderlich war, über einen kirchenrechtlichen Anknüpfungspunkt – ein synodales Kirchengesetz – zu verfügen76.

Zur Verbesserung des Rechtsschutzes wurde insbesondere das Erfordernis einer zweiten Instanz im Schlichtungsverfahren bei Zuständigkeit für den gesamten Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Wunsch der Diakonie begründet, in deren Bereich Schlichtungsausschüsse auch unterschiedliche Entscheidungen getroffen hätten, die dann nicht mehr anfechtbar seien; denn staatliche Gerichte hätten sich für unzuständig erklärt, aber auch darauf hingewiesen, dass das Fehlen einer zweiten Instanz nicht den üblichen Standards entspräche77.

Das Verfahren vor den Schlichtungsstellen wurde als eigenständiges Verfahren ausgestaltet, d. h. ohne eine Verweisung „im Übrigen“ auf eine staatliche Verfahrensordnung. Allerdings wurde für die Mitarbeitervertretung zur Verbesserung des Rechtsschutzes78 ein Beschwerderecht (§ 48 MVG.EKD 1992) eingeführt; auch wurde die Ersatzvornahme (§ 60 VII MVG.EKD 1992) in das Gesetz mit der Einschränkung aufgenommen, dass es den Gliedkirchen freigestellt wird, hiervon Gebrauch zu machen, während eine Selbstbindung der EKD nicht vorgesehen war.

Staatliche Zwangsmaßnahmen wurden für das erstinstanzliche Schlichtungsverfahren nicht gesetzlich ausgeschlossen, weil man davon ausging, dass sich die Beteiligten eines Schlichtungsverfahrens an die Entscheidungen der Schlichtungsstelle halten werden79.

Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des MVG.EKD 1992 war das Gesetz über das Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland (VVG.EKD)80 noch nicht erlassen worden (vgl. die Übergangsvorschrift des § 63 II MVG.EKD 1992). Nach § 63 I MVG.EKD 1992 war in bestimmten Fällen gegen Beschlüsse der Schlichtungsstelle der „kirchliche Verwaltungsrechtsweg“ gegeben, womit offenblieb, ob als Rechtsmittel Beschwerde, Berufung oder Revision in Betracht kam81. Diese Frage beantwortete das VerwG.EKD dahin, dass das Rechtsmittel als „Beschwerde“ bezeichnet wurde, obwohl davon weder im MVG. EKD 1992 noch im VVG.EKD die Rede war82. Gem. § 15 VVG.EKD waren die Entscheidungen des VerwG.EKD endgültig. Auf das Verfahren fanden gem. § 16 VVG.EKD die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung Anwendung. Allerdings wurden die Vorschriften über Zwangsmaßnahmen (§§ 167 ff. VwGO) für nicht anwendbar erklärt. Dies führte zu der Forderung, eine Vollstreckungsregelung direkt in das MVG.EKD aufzunehmen und eine Zwangsgeldfestsetzung durch die Schlichtungsstelle zu ermöglichen83.

Eine Aufwertung des Rechtsschutzes bedeutete die Einführung von „einstweiligen Anordnungen“ (§ 62 MVG.EKD). Jedoch verzichtete der Gesetzgeber auch hier darauf, auf die staatlichen Gesetze zu verweisen. Stattdessen heißt es dort: „Kann in Eilfällen die Kammer nicht rechtzeitig zusammentreten, trifft der oder die Vorsitzende einstweilige Anordnungen.“ Diese Regelung wurde als „unklar“ kritisiert84.

Die kirchengerichtliche Rechtsprechung versuchte im Wege der Auslegung den Rechtsschutz zu effektuieren. So vertrat das VerwG.EKD die Auffassung, dass gegen eine Entscheidung nach § 62 MVG.EKD 1992 die Beschwerde nach § 63 MVG.EKD 1992 gegeben sei, weil es sich auch bei ihr um einen „Beschluss der Schlichtungsstelle“ handle, auch wenn sie der Vorsitzende allein getroffen habe. Im Übrigen habe durch die Schaffung des Verwaltungsgerichts im Mitarbeitervertretungsrecht eine zweite Instanz eingerichtet werden sollen Dadurch habe man zugleich der Kritik an den bisherigen Rechtsschutzmöglichkeiten Rechnung tragen wollen. Das Gericht hielt daher die Beschwerde für zulässig und unterzog sie einer Überprüfung nach § 123 VwGO. Dabei ging es davon aus, dass für die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dieselben Grundsätze gelten wie für die Entscheidung erster Instanz. Damit wurde unterstellt, dass bei Verfahren nach § 62 MVG.EKD 1992 die Prüfung nach §§ 935, 940 ZPO, § 123 VwGO zu erfolgen habe85.

Diese Auslegung des § 62 MVG.EKD erscheint aber schon deshalb zweifelhaft, weil das erstinstanzliche Schlichtungsverfahren (Hauptverfahren) keinen Verweis auf staatliche Verfahrensvorschriften vorsah. Wenn dem Gesetzgeber aber daran lag, das erstinstanzliche Hauptverfahren eigenständig zu regeln, so fragt sich, warum dann im Eilverfahren Rückgriff auf die Vorschriften der VwGO und der ZPO genommen werden sollte. Anscheinend wurde mithin aus der Verwendung des Begriffs „einstweilige Anordnung“ geschlossen, dass es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren i.S.d. § 123 VwGO handeln muss. Demgegenüber wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass zu den inhaltlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung keine Angaben gemacht werden. „Aus der Formulierung kann lediglich geschlossen werden, daß es noch ein späteres Hauptsacheverfahren geben kann. Ob hier ein echter vorläufiger Rechtsschutz im Sinne des § 123 VwGO gemeint ist, muß zumindest bezweifelt werden. Der Wortlaut der Bestimmung mutet eher wie ein Übergang zur Einzelrichterentscheidung auf Antrag an, wenn die Kammer verhindert ist. Ein gut geregeltes einstweiliges Anordnungsverfahren könnte u. U. bestehende Rechtsschutzlücken schließen …“86.

Die ersten Jahre praktischer Rechtsanwendung des MVG.EKD 1992 erwiesen sich durchaus als positiv87. Allerdings waren auch die Defizite insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes nicht zu übersehen. Es fehlte an klaren Regelungen für das erstinstanzliche Verfahren, insbesondere auch für den einstweiligen Rechtsschutz. Auch das zweitinstanzliche Verfahren war durch den Hinweis in § 63 MVG.EKD 1992 auf den Verwaltungsrechtsweg und durch den Zuständigkeitskatalog nicht zufriedenstellend gelöst.

V.   Das erste Änderungsgesetz zum MVG.EKD vom 6.11.1996 – (MVG.EKD 1996)88

Bereits vier Jahre nach Erlass des MVG.EKD 1992 trat mit Wirkung zum 1.1.1997 das erste Änderungsgesetz (MVG.EKD 1996) in Kraft mit zahlreichen Detailänderungen, jedoch mit dem Ausbau des Rechtsschutzes als Schwerpunkt.

In § 56 MVG.EKD wurde das erstinstanzliche Verfahren als „gerichtliches Verfahren“ bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den „Schlichtungsstellen“ um Kirchengerichte handelt89. Bislang entschied die Schlichtungsstelle in nicht-öffentlicher Verhandlung (§ 61 V 2 MVG. EKD 1992). Der kirchengerichtliche Charakter der Schlichtungsstelle wird nunmehr dadurch unterstrichen, dass ihre Kammern öffentlich tagen, es sei denn, besondere Gründe erforderten den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 61 V 3 MVG.EKD 1996)90.

Ferner wurde die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle neu geregelt. An die Stelle des Zuständigkeitskatalogs und der „kleinen Generalklausel“ in § 60 I MVG.EKD 1992 trat nunmehr eine umfassende Generalklausel, wodurch Auslegungsschwierigkeiten behoben wurden91.

Eine erhebliche Änderung brachte jedoch die Klarstellung in § 62 MVG.EKD 1996, wonach für das Verfahren vor der Schlichtungsstelle die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden sind. Dies bedeutete die Angleichung des Verfahrensrechts in erster und zweiter Instanz. Wie bereits in § 16 VVG.EKD wurde auch in § 62 S. 2 MVG.EKD 1996 die Vorschriften über Zwangsmaßnahmen für nicht anwendbar erklärt. Den bereits zum MVG. EKD 1992 geäußerten Bedenken, dass eine Vollstreckung der kirchengerichtlichen Entscheidungen, etwa eine Zwangsgeldfestsetzung, möglich sein müsse, weil die bisherigen innerkirchlichen Durchsetzungsmittel nicht ausreichend seien92, wurde nicht entsprochen.

Für den einstweiligen Rechtsschutz bedeutete die Regelung in § 62 MVG.EKD 1996 eine weitere Klarstellung; denn dadurch, dass die frühere Regelung des § 62 MVG.EKD 1992 (nunmehr § 61 X MVG.EKD 1996) zum Bestandteil des Verfahrens nach der Verwaltungsgerichtsordnung wurde93, waren zumindest die Bedenken, ob es sich um einen „echten vorläufigen Rechtsschutz“ handle94, ausgeräumt. Allerdings stellte sich damit aufgrund des Ausschlusses der Zwangsregelungen bereits das Problem der Vollziehung der einstweiligen Anordnungen.

Schließlich wurde klargestellt, dass es sich bei dem Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Schlichtungsstelle um „Beschwerden“ handelt (vgl. § 63 I MVG.EKD 1996). Diese Klarstellung war schon deshalb erforderlich, weil ansonsten wegen § 62 S. 1 MVG.EKD 1996 auf das Beschwerdeverfahren nach §§ 146 ff. VwGO hätte zurückgegriffen werden müssen Die Beschlüsse der Schlichtungsstelle haben jedoch die Qualität von Urteilen im Sinne des § 124 VwGO; denn § 63 I MVG.EKD stellte klar, dass es sich bei der „Beschwerde“ um ein der Berufung i.S.d. § 124 VwGO entsprechendes Rechtsmittel handelt, das den Weg zu einer vollwertigen zweiten Instanz in Mitarbeitervertretungssachen eröffnet95.

Der Zuständigkeitskatalog des § 63 MVG.EKD 1992 wurde erweitert: das Verwaltungsgericht ist nunmehr zuständig für alle Streitigkeiten von „grundsätzlicher Bedeutung von Rechtsfragen“ (§ 63 I lit. h) MVG.EKD 1996).

Mit der ergänzenden Heranziehung der VwGO für das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ergab sich allerdings die Frage, ob die nunmehr über § 62 MVG.EKD 1996 im Mitarbeitervertretungsverfahren anzuwendende Offizialmaxime (§ 86 VwGO) angemessen ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Bereich der Verwaltungsgerichtsordnung eine solche Verfahrensgestaltung zwar sinnvoll sei, weil es sich um Verwaltungsvorgänge handele. Bei diesen seien in der Regel staatliche Behörden tätig, aus deren Akten sich dann der vom Verwaltungsgericht zugrunde zulegende Sachverhalt entweder ergebe oder zumindest ergebe, inwieweit rein tatsächlich Streit bestehe; eine solche aktenmäßige Vorbereitung in mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten sei jedoch weder geboten noch zu erwarten96.

VI.  Das Vierte Änderungsgesetz vom 6.11.2003 – (MVG.EKD 2003)97

Das MVG.EKD 2003 ist als Artikel 5 (Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes) Bestandteil des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der EKD (KiGOrG.EKD)98. Schwerpunkt der Gesetzesänderung bilden daher auch hier die Fragen des Rechtsschutzes.

Durch die Aufgabe des Begriffs „Schlichtungsstelle“ zugunsten der Bezeichnung „Kirchengericht“ (§ 56 S. 1 MVG.EKD 2003) sollte betont werden, dass es sich bei dem ersten mitarbeitervertretungsrechtlichen Verfahrenszug um eine vollwertige kirchengerichtliche Instanz handelt. Allerdings wird den Gliedkirchen durch § 56 S. 2 MVG.EKD 2003 eine abweichende Bezeichnung für die Kirchengerichte ermöglicht. „Kirchengericht“ bedeutet allerdings mehr als nur eine „Änderung im förmlichen Bereich“99: so wurden die Schlichtungsstellen in verfahrensrechtlicher Hinsicht und auch im Hinblick auf ihre Besetzung immer mehr der staatlichen Gerichtsbarkeit angenähert, was zu einer entsprechenden Akzeptanz ihrer Entscheidungen im staatlichen Bereich führte100. Die Bezeichnung „Kirchengericht“ erscheint daher nur als folgerichtig.

Entscheidender waren allerdings die Änderungen, die den prozessualen Bereich betreffen. Hier wurde der Kritik hinsichtlich der Einbeziehung der Verwaltungsgerichtsordnung in das mitarbeitervertretungsrechtliche Verfahren101 Rechnung getragen: § 62 S. 1 MVG.EKD 2003 erklärt die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren (§§ 80 ff. ArbGG) „im Übrigen“ für entsprechend anwendbar. Die Vorschriften über Zwangsmaßnahmen wurden für nicht anwendbar erklärt (§ 62 S. 2 MVG. EKD 2003). Auch § 24 KiGG.EKD schließt staatliche Zwangsmaßnahmen aus. Die nichtamtliche Begründung zu dieser Vorschrift, die hinsichtlich dieses Ausschlusses im Wesentlichen auf verfassungsrechtliche Grundsätze verweist102, kann auch für die Regelung im Mitarbeitervertretungsgesetz herangezogen werden. Die Versuche, hinsichtlich der Vollstreckbarkeit eine Gleichstellung mit den Entscheidungen der Schiedsgerichte zu erreichen, scheiterten103.

Im Hinblick auf den einstweiligen Rechtsschutz verblieb es bei der Vorschrift des § 61 X, in der nunmehr – wegen § 62 S. 1 MVG.EKD 2003 folgerichtig – „einstweilige Anordnungen“ durch „einstweilige Verfügungen“ ersetzt wurde. Über den Regelungszweck und Regelungsbereich besteht jedoch Unklarheit104. Im Übrigen fragt sich, ob und gegebenenfalls wie diese einstweiligen Verfügungen vollzogen werden können.

Eine Änderung ergab sich auch insofern, als nunmehr gegen Entscheidungen, mit denen die Kammer oder der/die Vorsitzende des Kirchengerichts den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung stattgegeben hat, nicht mehr wie noch nach dem MVG.EKD 1996 die Beschwerde zum (damals) VerwG.EKD stattfindet, sondern der Widerspruch zum Kirchengericht. Gegen dessen Beschluss im Widerspruchsverfahren ist die Beschwerde (§ 63 VII MVG.EKD) zum KGH.EKD gegeben105. Dieses gilt auch bei Entscheidungen des Kirchengerichts nach mündlicher Verhandlung106.

§ 63 V MVG.EKD 2003 regelt einen eigenen Zugang im Wege der einstweiligen Verfügung zur zweiten Instanz. Voraussetzung ist allerdings, dass dort das Hauptsacheverfahren aufgrund einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Kirchengerichts anhängig ist. Diese Regelung wird damit begründet, dass sich aus der Verfahrensdauer die Notwendigkeit ergeben könne, lange nach Einleitung des Verfahrens einstweilige Regelungen zu treffen107.

Die Entscheidungen der zweiten Instanz sind endgültig (§ 63 VI MVG.EKD). Ob diese Vorschrift nur deklaratorischen Charakter hat, weil eine weitere Zuständigkeit etwa des Verfassungsgerichtshofs der EKD nicht normiert ist108 oder ob der kirchliche Gesetzgeber damit auch für sich in Anspruch nimmt, dass andere staatliche Stellen nicht mehr zur Entscheidung berufen sind109, ist umstritten. Der kirchliche Gesetzgeber wird aber kaum über die Reichweite des staatlichen Justizgewähranspruchs verfügen und ihn damit ausschließen können und wollen110.

VII. Das Zweite Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der EKD – MVG.EKD 2013111

Auch durch das MVG.EKD 2003 wurde das Bestreben, einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren offenbar noch nicht befriedigt. Bereits kurz nach dem Inkrafttreten gab es Überlegungen, wie die Sanktionsmöglichkeiten für die Rechte der Mitarbeitervertretungen verbessert werden könnten112. Insbesondere wurde auch darauf verwiesen, dass bei groben Pflichtverletzungen zwar die Auflösung der Mitarbeitervertretung und der Ausschluss von Mitgliedern vorgesehen sei (§ 17 MVG.EKD 2003), bei vergleichbaren Verstößen der für den Dienstgeber handelnden Personen aufgrund der bestehenden Rechtslage aber allenfalls die gerichtliche Feststellung erwirkt werden könne, dass ein Handeln oder Unterlassen grob den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 33 MVG.EKD verletze. Die fehlenden Sanktionen für Dienstgebervertreter bestätigten damit die Notwendigkeit von Vollstreckungsmöglichkeiten113. Der Rechtsschutz wurde trotz seiner ständigen Fortentwicklung weiterhin als ineffektiv kritisiert. So resümiert Schliemann als Präsident des KGH.EKD noch im Jahre 2012: „Störend ist indessen, dass es in beiden Kirchen keine hinreichenden Mittel der zwangsweisen Durchsetzung kirchengerichtlicher Entscheidungen gibt. Die zur Verfügung stehenden Durchsetzungsmittel sind schlicht nur solche der Rechtsaufsicht, zuweilen angereichert mit einem Zwangsgeld in sehr überschaubarer Höhe“114. Damit nimmt er Bezug auf die mit „Vollstreckungsmaßnahmen“ überschriebene Vorschrift des § 53 III KAGO, nach der bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Geldbuße bis zu 2500,00 Euro verhängt werden kann. Obwohl auch diese Regelung bereits durchaus kritisch gesehen wurde115, entschloss sich der kirchliche Gesetzgeber, den Rechtsschutz im MVG.EKD 2013 nach dem katholischen Vorbild zu „ergänzen“, weil sich diese Regelung nach Bewertung der Katholischen Kirche und der Caritas bewährt habe116. Nach § 63 a I MVG. EKD 2013 kann das Kirchengericht angerufen werden, wenn ein Beteiligter, der zu einer Leistung oder Unterlassung verpflichtet wurde, nicht innerhalb eines Monats nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses die Verpflichtungen erfüllt hat. Stellt das Kirchengericht auf Antrag eines Beteiligten fest, dass die Verpflichtungen nach Absatz 1 nicht erfüllt sind, kann es ein Ordnungsgeld bis zu 5000 Euro verhängen (63 a II MVG.EKD 2013).

VIII.  Zusammenfassung und Ausblick

In der Weimarer Republik waren die Kirchen trotz der ihnen durch Art. 137 III WRV eingeräumten weitgehenden Autonomie in Angelegenheiten der Selbstverwaltung ohne Einschränkung an das staatliche Betriebsverfassungsrecht gebunden. Damit standen im kirchlichen Bereich für etwaige Streitigkeiten zwischen kirchlichem Arbeitgeber und kirchlichem „Betriebsrat“ dieselben rechtlichen Instrumentarien zur Verfügung wie den Betriebsparteien in den säkularen Betrieben.

Der Nationalsozialismus beseitigte durch Aufhebung der Weimarer Reichsverfassung den Sonderstatus der Kirchen und eliminierte mit dem geltenden Betriebsrätegesetz jegliche Mitbestimmungsrechte. Diese Zeit führte in der Kirche zu der Erkenntnis, dass sie auf dem uneingeschränkten Recht bestehen müsse, den kirchlichen Dienst in freier, ihren Wesensgesetzen entsprechenden Selbstverantwortung zu regeln.

Diese Erkenntnis führte nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, das den Kirchen wieder den verfassungsrechtlichen Sonderstatus einräumte (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV), und ihrer Freistellung von der staatlichen Gesetzgebung im Bereich des Betriebsverfassungsrechts (vgl. § 118 BetrVG, § 112 BPersVG), zu einer wegen der föderalen Strukturen der evangelischen Kirche nur allmählichen Ausbildung eines autonomen Mitarbeitervertretungsrechts. Stand zunächst vor allem das Bestreben nach Vereinheitlichung im Vordergrund, so bildete ab Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts der Ausbau des gerichtlichen Rechtsschutzes immer mehr den Schwerpunkt. Der kirchliche Gesetzgeber suchte damit nicht nur einem Anliegen der eigenen Mitarbeiterschaft117, sondern auch Kritik von außen118 zu entsprechen. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass im Mitarbeitervertretungsrecht ein Rechtsschutz gewährleistet sein muss, bei dem die Rechtsdurchsetzung keine „Nebensache“ sein darf119.

Es kann davon ausgegangen werden, dass hierzu die Einbeziehung der Einrichtungen der Diakonie in den Geltungsbereich des MVG.EKD wesentlich beigetragen hat120.

32So Joussen, ZMV-Sonderheft 2011, 20, 21; Richter, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, Einl. Rn. 1.

33Allgemein zur Historie des Mitarbeitervertretungsrechts und insbesondere zur Entstehung des MVG. EKD: Fey/Rehren, MVG.EKD, Einl. Rn. 22-28.; Joussen, ZMV-Sonderheft 2011, 20, 21-23; Rech, Die Arbeitsgerichtsbarkeit der evangelischen Kirche, S. 73-105; Richardi, Atbeitsrecht in der Kirche, § 19 Rn. 1-9; Richter, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, Einl. Rn. 1-31.

34RGBl 1920, S. 147.

35Ob das geltende Betriebsverfassungsrecht damals als „Schranke des für alle geltenden Gesetzes“ angesehen wurde, wird in der ausführlichen Untersuchung von Bauersachs offengelassen (Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter, S. 13).

36Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter, S. 14; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 16 Rn. 4. Nach Schielke wurde in kirchlichen Einrichtungen niemals ein Betriebsrat errichtet (Das Mitarbeitervertretungsgesetz, S. 62).

37So Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 16 Rn.4. Nach § 10 II Nr.2 BRG zählten nicht zu Arbeitnehmern i.S.d. Gesetzes „Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern mehr durch Rücksichten der körperlichen Heilung, der Wiedereingewöhnung, der sittlichen Besserung und Erziehung oder durch Beweggründe charitativer, religiöser, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art bestimmt wird.“

38Nach §1 und § 2 BRG „sind“ Betriebsräte bzw. „ist“ ein Betriebsobmann zu wählen. Deshalb durften nicht nur (so Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung, S. 42), sondern mussten nach dem BRG Betriebsräte gewählt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorlagen.

39Vgl. hierzu Schatz, Arbeitswelt Kirche, S. 34. Nach §§ 66 BRG hat der Betriebsrat die Betriebsleitung durch seinen Rat zu unterstützen, an der Einführung neuer Arbeitsmethoden fördernd mitzuarbeiten, den Betrieb vor Erschütterung zu bewahren, für die Arbeitnehmer gemeinsame Dienstvorschriften im Rahmen der geltenden Tarifverträge zu vereinbaren, das Einvernehmen innerhalb der Arbeitnehmerschaft sowie zwischen ihr und dem Arbeitgeber zu fördern, für die Wahrung der Vereinigungsfreiheit einzutreten, Beschwerden entgegenzunehmen und auf ihre Abstellung hinzuwirken. Nach § 78 BRG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die im Betrieb geltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorschriften durchgeführt werden.

40Zur Gründung eines Bezirkswirtschaftsrates ist es im Geltungszeitraum des BRG nicht gekommen. „Der SchlA. ist ein unter Mitwirkung der sozialen Selbstverwaltungskörper, (vgl. Art. 165 letzter Absatz der Reichsverfassung) gebildetes (§§ 15 der VO über Tarifverträge usw. vom 23. Dezember 1918) Verwaltungsorgan [ …]. Die Entscheidungen des SchlA. sind demnach reine Verwaltungsakte“ (RG, Urteil v. 16.2.1923 – III 182/22, RGZ 106, 242 ff., 243). Das Schlichtungsverfahren wurde in der VO über das Schlichtungswesen v. 30.10.1923 (RGBl 1923 I, 1043, nachfolgend: VO) neu geregelt. Danach wurde zunächst ein paritätisch besetzter Schlichtungsausschuss unter einem unabhängigen Vorsitzenden auf Anrufung hin oder von Amts wegen tätig, um beim Abschluss von Gesamtvereinbarungen (Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen) Hilfe zu leisten (§ 3 VO). Gelang dies nicht, war unter einer mit einem unabhängigen Vorsitzenden und im Übrigen paritätisch mit Beisitzern besetzten Schlichtungskammer zu verhandeln. Wurde auch hier keine Einigung erzielt, unterbreitete die Schlichtungskammer einen Vorschlag (Schiedsspruch), wenn ihn beide Teile annahmen (§ 5 VO). Wurde er nicht angenommen, konnte er für verbindlich erklärt werden, wenn die in ihm getroffene Regelung bei gerechter Abwägung der Interessen beider Teile der Billigkeit entsprach und die Durchführung aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen erforderlich war. Für die Verbindlichkeitserklärung war der Schlichter zuständig, in dessen Bezirk der Geltungsbereich der vorgeschlagenen Gesamtvereinbarung lag (vgl. § 6 VO).

Die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses konnten hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit gerichtlich überprüft werden, wie das zitierte Reichsgerichtsurteil zeigt.

41So war der Einspruch des Betriebsrats bei Kündigungen an die in § 84 BRG abschließend aufgeführten Gründe gebunden; bei Einstellungen beschränkte sich die Mitwirkung des Betriebsrats auf die Erstellung von Einstellungsrichtlinien und die Überwachung ihrer Einhaltung, §§ 78 Nr. 8, 82 BRG.

42Beyer/Nutzinger, Erwerbsarbeit und Dienstgemeinschaft, S. 80; Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung, S. 42; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 16 Rn. 4.

43So Beyer/Nutzinger, Erwerbsarbeit und Dienstgemeinschaft, S. 80; zweifelnd hingegen Schatz, Arbeitswelt Kirche, S. 25: „Die Behauptung fehlenden Engagements der kirchlichen Beschäftigten in Fragen betrieblicher oder überbetrieblicher Mitbestimmung ist zumindest fraglich.“

44So wurde das BRG von kirchlichen Arbeitgebern abgelehnt (vgl. hierzu Schatz, Arbeitswelt Kirche, S. 40 f.). Nach Richter war hierfür die mehrheitliche Zugehörigkeit der Mitglieder der Kirchenleitungen zu konservativen Parteien verantwortlich (in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, Einl. Rn. 1).

45§23 BRG regelt die Wahl eines Wahlvorstandes durch den Betriebsrat vor Ablauf seiner Wahlzeit, den der Arbeitgeber nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 bestellen muss, wenn der Betriebsrat seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Kommt der Arbeitgeber seinerseits der ihm obliegenden Verpflichtung nicht nach, drohen 2000 Mark Geldstrafe oder Haft (§ 99 II BRG).

46RGBl. I, 1934, S. 45.

47Die Verwaltungen der Religionsgemeinschaften privatrechtlicher Art fielen unter das AOG, für die kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts galt das Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben vom 23.3.1934 (RGBl. I, 1934, S. 220), dessen Regelungen weitgehend denen des AOG entsprachen und nur auf den öffentlichen Dienst abgestimmt waren.

48Vgl. hierzu Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Arbeitnehmer, S. 16; Beyer/Nutzinger, Erwerbsarbeit und Dienstgemeinschaft, S. 81.

49So erklärte der Vorsitzende des Rates der EKD Otto Dibelius in seinem Schreiben an den Bundeskanzler und den Bundesarbeitsminister v. 12.6.1951, dass die Kirche auf dem uneingeschränkten Recht, den kirchlichen Dienst in freier, ihren Wesensgesetzen entsprechender Selbstverantwortung regeln zu können, unbedingt bestehen müsse, und begründete dies u.a. mit den Erfahrungen der Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus und den Gefahren, die den Religionsgemeinschaften von totalitären Staaten drohen können (dokumentiert bei Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 529 f.); vgl. hierzu Jähnichen, „ Dass die Kirche …“, S. 65.

50Schielke, Das Mitarbeitervertretungsgesetz, S. 90.

51In der Dritten These der Barmer Theologischen Erklärung lautet: „Lasset uns aber rechtschaffen sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist“ (Eph. 4, 15. 16).

Die christliche Kirche ist die Gemeinde von Brüdern, in der Jesus Christus in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist als der Herr gegenwärtig handelt. Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen, daß sie allein sein Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen“ (Text abgedruckt in: Niemöller, Die erste Bekenntnissynode, S. 159-202, These 3).

52Vgl. hierzu auch Richter, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, Einl. Rn. 2.

53Vgl. hierzu Rech, Die Arbeitsgerichtsbarkeit der evangelischen Kirche, S. 135 f.

54Vgl. hierzu unten Teil IV A.

55Vgl. hierzu ausführlich Rech, Die Arbeitsgerichtsbarkeit der evangelischen Kirche, S. 136 ff.Zur „Dienstgemeinschaft“ vgl. unten Teil III B.

56Eurich, epd-Dokumentation 22/15, 4, 7. In These 4 heißt es u.a.: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und empfohlenen Dienstes. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und dürfe sich die Kirche abseits von diesem Dienst besondere, mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer geben oder geben lassen“ (Text bei Niemöller, Die erste Bekenntnissynode, S. 196-202, These 4). Hieraus wird hinsichtlich der „Dienstgemeinschaft“ etwa der Gedanke der gleichberechtigten Partnerschaft von Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung abgeleitet (Scheer, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, § 33 Rn. 8). Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass sich der Begriff der Dienstgemeinschaft in der Barmer Theologischen Erklärung nicht finde und sich Rückschlüsse auf die Ausgestaltung der Mitbestimmung im betrieblichen Bereich nicht ziehen ließen (vgl. etwa Kreß, Die Sonderstellung der Kirchen im Arbeitsrecht, S. 52; auch Schielke, Das Mitarbeitervertretungsrecht, S. 86).

57Vgl. hierzu Jähnichen, „Dass die Kirche …,“ S. 58 f.

58Vgl. Regierungsentwurf von 1950, abgedruckt in RdA 1950, 343, 349.

59Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung, S. 42.

60„Vom neuen Betriebsverfassungsgesetz befürchteten die Kirchen erhebliche Einwirkungen auf das Leben in den privat-rechtlich organisierten Einrichtungen und Betrieben, deren Zahl nach Beendigung des 2. Weltkrieges vor allem in karitativen und diakonischen Bereich rasch zunahm. Mit dem Anwachsen karitativer Einrichtungen stieg die Zahl der Arbeitnehmer“ (Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung, S. 42). Vgl. hierzu auch Jähnichen, „Dass die Kirche …“, S. 60 ff.

61Vgl. z. B. hierzu: Joussen, ZMV-Sonderheft 2011, 20, 21 f.; Rech, Die Arbeitsgerichtsbarkeit der evangelischen Kirche, S. 73-76; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 16 Rn. 6-11.

62Vgl. etwa unter V Nr. 4 der Verwaltungsordnung über die Bildung einer Mitarbeitervertretung im Landeskirchenrat der Vereinigten Protestantisch-Evangelischen-Christlichen Kirche der Pfalz v. 16.6.1964: „ … In den Fällen, in denen eine Maßnahme der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung bedarf, kann sie nur mit ihrer Zustimmung getroffen werden“ (abgedruckt bei Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter, S. 182); vgl. auch § 20 III des Kirchengesetzes über die Mitarbeitervertretung in kirchlichen Dienststellen der evangelischen Landeskirche von Kurhessen – Waldeck v. 2.12.1965: „Maßnahmen der Dienststellenleitung, für die die Mitentscheidung der Mitarbeitervertretung vorgesehen ist, können nur mit ihrer Zustimmung getroffen werden …“ (abgedruckt bei Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter, S. 175).

63Vgl. hierzu Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter, S. 99 ff.

64Vgl. hierzu Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter, S. 100/101.

65So § 30 II des Kirchengesetzes über die Mitarbeitervertretung in kirchlichen Dienststellen der evangelischen Landeskirche von Kurhessen – Waldeck vom 2.12.1965 (abgedruckt bei Bauersachs, Die Beteiligung der kirchlichen Mitarbeiter, S. 178); vgl. auch § 37 III des Kirchengesetzes über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen (Mitarbeitervertretungsgesetz – MVG) i.d.F. vom 1.4.1982, abgedruckt bei Bioly/Hintz/Wolf, MVG, S. 27-51, 50.

66ABl.EKD 1972, S. 285.

67Vgl. z. B. § 37 Mitarbeitervertretungsgesetz – Kirchengesetz für die Evangelische Kirche von Westfalen, die Evangelisch – Lippische Landeskirche und die Diakonischen Einrichtungen i.d.F. der Bekanntmachung v.1.4.1982 (KABl. 1982, S. 58-70) und die Ordnung für das Verfahren des Schlichtungsausschusses nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz (Schlichtungsausschussordnung) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.4.1982.

68„Man ging davon aus, daß sich beide Beteiligte nach der Entscheidung des Schlichtungsausschusses richten werden“ (Schilberg, Rechtsschutz und Arbeitsrecht, S. 167).

69„Da in den Dienststellen und Einrichtungen der evangelischen Kirche die Ausführungskompetenz bei den jeweiligen Dienststellenleitungen liegt, besteht für die Mitarbeitervertretung das Problem, inwieweit ein verbindlicher Schiedsspruch, der die Dienststellenleitung verpflichtet, etwas zu tun oder zu unterlassen, auch zwangsweise durchgesetzt werden kann. Weder das Mitarbeitervertretungsgesetz noch die Ordnung für das Verfahren des Schlichtungsausschusses nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz beinhalten hierzu eine Regelung, das Mitarbeitervertretungsgesetz sieht keine Form von Straf– und Ordnungswidrigkeitsbestimmungen vor. Vollstreckungsmöglichkeiten zur zwangsweisen Durchsetzung von Schlichtungsausschuß-Entscheidungen sind damit nicht gegeben“ (Bioly/Hintz/Wolf, MVG, S. 347/348). Vgl. auch Duhnenkamp, Mitarbeitervertretungsrecht, S. 904.

70„Die Schlichtungsstelle sollte dann, wenn nicht rechtzeitig entschieden werden kann …in entsprechender Anwendung der ZPO eine einstweilige Verfügung treffen, wenn es sich um eine wichtige, unaufschiebbare Angelegenheit handelt. Besonders dringliche Entscheidungen können allein durch Beschluß des Vorsitzenden ergehen, wenn z. B. die Beisitzer nicht verfügbar sind“ (Schilberg, Rechtsschutz und Arbeitsrecht, S. 162).

71Nach Schilberg nur in Berlin-Brandenburg und der Konföderation Niedersachsen (Rechtsschutz und Arbeitsrecht, S. 172/173).

72ABl.EKD 1992, S. 445.

73Vgl. hierzu Fey, ZMV 1993, 3 f.

74Das Mitarbeitervertretungsrecht im Bereich der Diakonie wurde bis zu diesem Zeitpunkt geregelt durch die „Ordnung für die Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen vom 24. September 1973 in der Fassung vom 10. Juni 1988 (MVO)“ (abgedruckt bei Scheffer/Leser, Das Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie). § 40 (Verfahren vor der Schlichtungsstelle) IV lautet: „Der Beschluß ist zu begründen und den Beteiligten zuzustellen. Er ist im Verhältnis zwischen Mitarbeitervertretung und Leitung der Einrichtung verbindlich …“.

Das Diakonische Werk der EKD hat 1993 die Ersetzung der MVO durch das MVG.EKD vollzogen (vgl. hierzu Fey/Rehren, MVG.EKD, Einl. Rn. 31).

75Begründung zum Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Mitarbeitervertretungsgesetz – MVG), Stand: 1.Oktober 1991, in Bad Wildungen, 1991, Bericht über die zweite Tagung der achten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 3.-8. November 1991, Band 47, Hannover 1992 (nachfolgend: Begründung), S. 894-896.

76Richter, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, Einl. Rn. 24.

77Vgl. hierzu Begründung, S. 894 f.

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