Suche Liebe. Biete mich. - Sascha Weber - E-Book

Suche Liebe. Biete mich. E-Book

Sascha Weber

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Beschreibung

Kann man die Liebe seines Lebens in nur 30 Tagen finden? Weil Melanie zu viel will, beendet der 39-jährige Jonas die Beziehung - und ist jetzt auf der Suche nach der richtigen Frau. Und das sollte auch nicht allzu schwer sein, immerhin ist er nicht nur klug und schön sondern auch noch erfolgreich. Er gibt sich 30 Tage, um die Frau fürs Leben zu finden, was er nicht für unrealistisch hält. Also sucht er im Internet nach einer Frau, die er an Silvester küssen wird. Ein amüsantes Lesevergnügen!

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Suche Liebe. Biete mich.

Saga

Suche Liebe. Biete mich.Copyright © 2007, 2019 Sascha Weber und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726325294

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Wer alles vorkommt:

Jonas Hellwege, genannt elian, Oberregierungsrat

Melanie, Jonas’ Exfreundin, Textilspezialistin

Karla, Jonas’ Schwester

Mutter, seine Mutter

Ilona, Managerin

J.,genannt adelie, Pferdenärrin

Wolfgang Hormann, Europaabgeordneter

Hilde Hormann, seine Frau

Katy, genannt ephigenie, Studentin

Hartmut, Jonas’ Jugendfreund

Vera Höffner, Karlas ehemalige Lehrerin

Katrin, eine Liebende

fienum, Studentin in Emden

lara.b, Investmentbankerin

Paul, Jonas’ Freund, erscheint nur im Traum

Margo oder Margot, Jonas’ Sekretärin

Suse, genannt zauberlehrling, Theaterautorin

Bäcker, Huren, Dermatologinnen und Personen des öffentlichen Lebens.

Erster Tag.

Zum hundertsten Mal habe ich mir einen neuen Namen zugelegt, gestern. Ich habe mich wieder einmal getauft in einem kurzen Akt, dem niemand beigewohnt hat. Noch ein Name, noch eine Maske. Ich habe ein ganzes Notizbuch, das voll geschrieben ist mit Log-ins, Passwörtern, PIN-Nummern. Mit verwaisten Kontodaten, Chiffren, Kennungen, die nicht mehr gültig sind. Diesmal aber war es wichtig. Diesmal kam es drauf an. Also habe ich eine Flasche Cava aufgemacht. Ich habe mir eingeschenkt, habe das Glas an meine glühende Stirn geführt und auf den Bildschirm gestarrt. Ich bin jetzt Nutzer einer Partnervermittlung, online. www.neu.de. Mein Name ist elian. Prost elian, habe ich gesagt, auf ein gutes Gelingen. Im selben Augenblick ist die Heizung auf Nachtschaltung umgesprungen.

ruben wäre eine Möglichkeit gewesen. Aber ich habe mich für den Namen des kubanischen Flüchtlingsjungen Elian Gonzalez entschieden. Dessen Schicksal einige Wochen lang die Welt in Atem hielt. Seine Mutter wollte mit ihm fliehen, versuchte, Florida zu erreichen in einer kleinen, notdürftig geflickten Schaluppe. Aber sie kenterten, und die Mutter ertrank. Elian wurde von der amerikanischen Küstenwache aufgefischt und Verwandten, Exilkubanern, in Miami anvertraut. Die wollten ihn nicht mehr zurückreisen lassen – dabei war der Vater am Leben: in Kuba, wo der Feind regiert. Castro hielt stundenlange Reden, wetterte bis zur totalen Erschöpfung, sprach von Entführung und schürte den Volkszorn (E-li-aan! E-li-aan!), und die Zeitungen und Nachrichtensender auf der ganzen Welt berichteten tagelang über nichts anderes als über diesen Jungen, die Umstände seiner Rettung und die internationale Krise, die er ausgelöst hatte. Selbst noch seine Cousine wurde vor die Kameras gezerrt und erlitt einen Schwächeanfall.

Der Name elian steht nicht nur für kindliche Unschuld, er steht für Fernweh, Exotik, vage Sehnsüchte: warmer Wind am Strand, kühle Getränke, das strahlende Lächeln eines jungen Mannes. Deutsche Frauen haben ein Faible für kubanische Männer, heißt es ja. Und da ich eine Mutter habe, die venezolanischer Abstammung ist, eine noch heute sehr schöne, überaus elegante Frau, und da ich tatsächlich dunkelhäutiger bin als die meisten Menschen hier, Städter, mit denen ich fast ausschließlich zu tun habe, lässt sich der Name, meine ich, rechtfertigen. Ich habe sogar kurz mit dem Gedanken gespielt, mich latinlover zu nennen oder zumindest e.iglesias, aber das führt ja zu nichts. Es steckt die falsche Botschaft drin. Die Frauen, die ich damit ansprechen würde – ich zweifle nicht, dass sich auch solche bei neu.de tummeln ‒, suchen jemand ganz anderen als mich. Die wollen die Chippendale-Nummer oder den gutsituierten Wochenendliebhaber. Als wenn es das gäbe: den Geschäftsmann mit dem Wochenendhaus auf Sylt, der auch noch aussieht wie Enrique Iglesias. Oder zumindest wie sein Vater. Manch einer behauptet übrigens, ich hätte Ähnlichkeit mit Felix Magath, dem Bayerntrainer. Dessen Vater soll ja aus Puerto Rico stammen. Aber ich bin jünger, größer. Ich bin, auch das sei gleich gesagt, kein Fußballtrainer und kein Schriftsteller und kein Rennfahrer. Also niemand, der schon von Berufs wegen Sexappeal hätte. Ich arbeite als Referatsleiter in einem Landesministerium. Habe ein abgeschlossenes Jurastudium, Staatsexamen mit eins, politische Ambitionen . . .

Obwohl ich schon seit Jahren verbeamtet bin, oder gerade deswegen, halte ich mich für einen guten, um nicht zu sagen idealen Partner. Ich bin voll beziehungsfähig, keineswegs vereinsamt oder, wie das bei Langzeitsingles häufig der Fall ist, verlottert. Ich bin kein Langzeitsingle. Ich bin ein so genannter transitorisch Alleinstehender – between relationships. Ich kann mich in Gesellschaft bewegen, tanze sogar, wenn es sein muss. Rauche nicht. In meiner Wohnung und in meinem Leben herrschen Ordnung und Sauberkeit. Ich habe, das ist mir immer wieder versichert worden, Geschmack, trage elegante, manchmal, eher an den Wochenenden, auch sportliche Kleidung. So großen Wert lege ich auf mein Äußeres, dass gelegentlich sogar meine strikt heterosexuelle Neigung angezweifelt wird. Was man ja immer irgendwie mitbekommt. Ich freue mich darüber, nehme es als Kompliment.

Auch mental bin ich auf der Höhe. Dass ich unter ein paar obskuren Phobien leide, weiß kaum jemand. Und wen sollte es auch stören? Dafür bin ich ein hervorragender Liebhaber. Als ich zum ersten Mal übers Wochenende weggefahren bin, mit sechzehn, hat mein Vater gesagt: Wenn du essen gehst mit deiner Freundin, dann stopfst du ja wohl auch nicht alles in dich hinein und verschwindest, sobald du satt bist. Du isst langsam, schaust, wartest. Bis auch sie aufgegessen hat. Dann kommt der Nachtisch. Den Nachtisch immer zusammen essen, hat mein Vater gesagt, das ist das Wichtigste! Bis zum letzten Sahnetüpfelchen auf dem letzten Minzeblättchen auf der Deko. Das Essen ist erst vorbei, wenn ihr beide beim Sahnetüpfelchen angelangt seid.

Das war die Regel, die mir mein Vater mit auf den Weg gegeben hat. Die Sahnetüpfelchenregel. Ich habe mich immer an sie gehalten. Darum bin ich ein ausgezeichneter Liebhaber.

Zweiter Tag.

Ich war eigentlich auf dem Weg zum Badezimmer, gestern Nachmittag, weil ich eine Pinzette suchte, mit der ich ein Haar entfernen wollte, das sich in die Tastatur meines Laptops gelegt hatte. Und zwar zwischen die Buchstaben j, k, l, ö in der mittleren Reihe und die darunterliegenden n, m sowie die Satzzeichen Komma und Punkt. Dort lag das Haar, dort hatte es sich festgesetzt, war mit den Fingerspitzen nicht herauszubekommen, auch nicht mit Pusten. Es war ein gerades schwarzes Haar mittlerer Länge und also mein eigenes, und ich dachte, vorbei die Zeiten, in denen ich längere Haare gefunden habe in meiner Wohnung, blonde. Oder auch leicht gewellte. Die fallen nicht auf eine Weise in die Tastatur, dass man sie mit einer Pinzette herausholen muss.

An der Wohnungstür klingelte es, und ich öffnete, ohne durch den Spion zu schauen. Das war unvorsichtig von mir. Auf dem Treppenabsatz stand eine etwa sechzigjährige Frau mit hennaroten, asymmetrisch geschnittenen Haaren, die ich erst einmal für die GEZ gehalten habe. Weil ich immer befürchte, bald kommt die GEZ vorbei und hält die Hand auf, womöglich noch rückwirkend, auf Jahre. Also halte ich immer gewisse Erklärungen bereit, bestimmte Sätze, die ich in dieser Situation zu sagen gedenke. Ich bin gewappnet, habe mir zum Beispiel zurechtgelegt, dass ich, seit ich einmal eine Aufführung des MDR-Balletts gesehen habe bei einer landespolitischen Veranstaltung im Osten, beschlossen habe, nie wieder in irgendeiner Weise mit den Öffentlich-Rechtlichen in Berührung zu kommen.

So furchtbar war das, würde ich der GEZ-Frau sagen, dass ich richtiggehend traumatisiert war. Können Sie das verstehen? Können Sie sich vorstellen, was mit der Psyche eines gesunden Erwachsenen geschieht, wenn er gezwungen ist, vierzig Ostdeutschen mit Tirolerhüten dabei zuzuschauen, wie sie versuchen, den Wilhelm-Tell-Stoff »tänzerisch zu interpretieren«? Als politische Kunst? Auf Kosten der Gebührenzahler?

Wie ich auch, seit ich bei einem Empfang in München einmal dem Friedrich Kardinal Wetter den nicht mehr ganz sauberen Ring küssen musste, beschlossen habe, mich radikal von der katholischen Kirche abzuwenden. Wobei ich das meiner politischen Ambitionen wegen nicht an die große Glocke hänge. Ist eine Privatangelegenheit. Außerdem finde ich Krippenspiele, Martinsumzüge, Kindermetten und so weiter eigentlich ganz nett, auf jeden Fall unterhaltsam.

Es war aber weder die GEZ an meiner Tür – die Eintreiber sind sonntags sicher nicht unterwegs – noch der Kardinal Wetter, der mir auch in Alpträumen schon seinen fetten Ring hingehalten hat, sondern eine Frau, an die ich mich jetzt vage zu erinnern begann. Es war die alte Grundschullehrerin meiner Schwester.

Hey, sagte sie.

Hey, sagte ich.

Kann ich reinkommen?

Aber klar.

Sie gab mir ihre Jacke. Sie duzte mich. Aha, dachte ich, wir duzen uns also. Karla war in der Stadt gewesen letztes Jahr, sie hatte sich mit der Lehrerin in einem Café verabredet. Sie haben Kontakt gehalten in all den Jahren, Karla ist in solchen Dingen sehr gut, sehr gewissenhaft. Ich bin dazugestoßen, wie man so sagt, und habe nach dem dritten Glas Riesling vorgeschlagen, sie solle sich doch mal melden. Einfach so. Und habe ihr meine Karte in die Hand gedrückt. Ich fand sie interessant. Sie hat die ganze Zeit von Mengenlehre geredet, und ich habe auch immer gemeint, dass Mengenlehre ein absoluter Glücksfall gewesen ist in meiner Kindheit. Ich habe das meiste, was ich später gelernt habe, bis tief ins Jurastudium hinein, mit Hilfe der Mengenlehre verstanden. Ich habe jede Aufgabe gelöst, jede Prüfung bestanden mit Hilfe ein paar einfacher Regeln, die ich in der Grundschule gelernt habe. Alles andere war ableitbar, alles andere musste man nicht wirklich lernen, man konnte es sich denken.

Jetzt stand diese Frau in meiner Wohnung, und ich hatte wirklich anderes zu tun. Mein Bildschirm war hellrosa und orange überflutet, das neu.de-Logo prangte in achtundvierziger Schriftgröße darauf, bewegte sich, kleine, anthropomorphe Herzchen schaukelten und blinkten, es war wirklich nicht zu übersehen, was ich da trieb. Ich hatte mich ja gerade hingesetzt, um mein Profil festzulegen und war nur unterbrochen worden wegen des Haars in der Tastatur, und nun stand diese Frau da mit ihrer Mengenlehre, und ich wusste einfach nicht mehr, wie sie hieß.

Ich habe also meinen Laptop zugeklappt, im Vorbeigehen, bin in die Küche, um Teewasser aufzusetzen und habe eine SMS geschrieben, Karla, dringend!, schnell!, wie heißt deine Grundschullehrerin???

Und, was machst du in der Stadt?, habe ich gefragt.

Ich wohne doch hier.

Ach ja, habe ich gesagt. Stimmt, hast du ja erzählt.

Das Handy piepste. Tschuldigung, sagte ich, eine Freundin in Not . . .

Karla schrieb Höffner, nichts als Höffner, ich musste also zurück in die Küche, sagte,

Der Tee,

ging in die Küche und tippte wie wild,

Der Vorname! Schnell!,

und dann war ich wieder bei der Grundschullehrerin.

Bist du eigentlich mit dem Kardinal verwandt?, wollte ich wissen.

Mit welchem Kardinal?

Gab es nicht mal einen Kardinal Höffner? In Köln?

Ja, kann sein.

Mit dem bist du nicht verwandt?

Nicht dass ich wüsste, Jonas.

Jonas! Sie kannte meinen Namen. Natürlich kannte sie meinen Namen, sie hatte mich ja aufgesucht, hatte mein Kärtchen in die Hand genommen und bestimmt mit Karla über mich geredet, sie wusste wahrscheinlich alles über mich, wusste, wo ich arbeite und wie alt ich bin und was ich mache, wusste jetzt sogar, dass ich im Internet mit Frauen verkehre, sozusagen, im Internet!, der Einserjurist, der Politiker, der semiprominente Bruder.

VERA –

Sie hieß Vera, was für eine Erlösung, ich goss den Tee auf und rief,

Hoffentlich magst du Earl Grey, Vera!

Klar!, rief Vera.

Was für ein Glück, dass Karla immer ihr Handy eingeschaltet hat. Weil sie in ihrem leeren, schlecht beheizten Laden sitzt und auf Kunden wartet, vergeblich. Aber nein, es war ja Sonntag. Jetzt, endlich, hatte ich diese Situation im Griff, jetzt war es gut, und ich freute mich richtig, denn Vera war interessant, aufgeschlossen, lustig, genau der richtige Gast für einen langen, zäh dahinfließenden Sonntagnachmittag. Und das Adrenalin, das mir wegen der GEZ ins Blut geschossen war, war längst abgebaut. Die Dame, die da an meinem Esstisch saß, schien einfach sehr nett. Ich war mir sicher, dass ich mich stundenlang mit ihr würde unterhalten können. Ich goss den Tee ein und sagte, bitte, erklär das noch einmal mit den Merkmalen. Wenn sich zwei Mengen überschneiden, dann gibt es ‒

Eine Schnittmenge.

Genau . . .

Und in dieser Schnittmenge tummeln sich die A-Elemente und die B-Elemente,

Nein, nein, es sind die A-B-Elemente,

Die beide Eigenschaften in sich vereinen . . .

Genau.

Also vollkommen homogen, diese Schnittmenge,

Ja, zumindest was diese beiden Merkmale angeht.

Wenn also, sagen wir mal, die eine Menge aus Männern besteht und die andere aus Frauen?

Dann findest du in der Schnittmenge die Zwitter.

Nicht Männer und Frauen, die sich am selben Ort tummeln? Wie bei einem großen Abschlussball?

Nein, leider nicht, nur die Zwitter und die Transen.

Puuuh.

Wir haben so viel Earl Grey getrunken, dass ich ganz zittrig war. Aber es machte Spaß. Wirklich. Ich wusste irgendwann nach der vierten Tasse wieder, warum ich sie so großherzig eingeladen hatte, obwohl ich mir unter melden (Meld dich mal . . . ) eigentlich eher eine Mail oder eine SMS vorgestellt hatte. Aber so sind sie, die alten Leute. Auf jeden Fall haben wir uns ausgezeichnet unterhalten. Über Gott und die Welt und über Politik. Eine richtige Lehrerin halt.

Ich brachte Vera noch zur Haltestelle. Ich könnte deine Mutter sein, sagte sie. Ich antwortete nicht darauf. Aber auf dem Rückweg ging mir der Satz eine Weile durch den Kopf. Natürlich könnte sie meine Mutter sein. Ist sie aber nicht. Warum also sagt sie so etwas?

Im Nachtkauf besorgte ich mir ein Schlemmerfilet à la Bordelaise und den Bahlsen-Marmorkuchen fürs Frühstück.

Wenn sie wüsste, dass ich mich für Frauen interessiere, deren Großmutter sie sein könnte, dachte ich.

Ich legte das Fischfilet ins Tiefkühlfach, ging ins Bad und zog die Pinzette aus dem kleinen Lederetui.

Dritter Tag.

Die Mitgliedschaft in der Vermittlung ist erst einmal auf einen Monat begrenzt, natürlich verlängerbar, und kostet neunzehn Euro neunzig. Ich werde mich bemühen, die Partnersuche beziehungsweise das, was ich mir vorgenommen habe, innerhalb eines Monats umzusetzen. Heute ist der 27. November. Vor Weihnachten muss ich es geschafft haben. Allein schon, weil ich bereits nach achtundvierzig Stunden merke, dass mich das wirklich sehr ablenkt, sehr in Beschlag nimmt.

Ich, elian . . . ich möchte jemanden küssen in der Silvesternacht. Das ist meine Zielsetzung. Das ist doch kein unrealistisches Ziel. Eine Frau, eine junge Frau mit Witz, Intelligenz. Sie sollte schlank sein, habe ich angekreuzt, schlank und sportlich, nicht größer als eins achtzig, sie sollte aufgeräumt wirken, selbstbewusst. Ist das zu schaffen? Ja. Auch wenn ich Silvester zu einer sehr schwulen Party eingeladen bin. Bei Hartmut in Essen.

Mein Vater hat seine jetzige Frau auch per Annonce, damals noch in der Zeitung, kennen gelernt. Nachdem meine Mutter ihn verlassen hatte. Das erzählt er natürlich nicht jedem. Die offizielle Version lautet, dass sie sich in einem Auktionshaus begegnet sind, was sich, wie ich finde, nach Kleinbürgerfantasie anhört, ein bisschen nach Kleinbürgerporno. Aber verstehen kann ich es, dass sie diese Geschichte, eine Geschichte, erfunden haben.

Ich habe begonnen, meine VK, meine so genannte Visitenkarte, zu gestalten. Ich stelle mich vor, und ich stelle mich aus, beschreibe meinen Wunschpartner und umreiße meine Träume. Die Frage nach den Hobbys. Die habe ich noch nie verstanden, die fand ich immer sehr rätselhaft. Die setzt ja voraus, dass man trennt zwischen Frei- und Arbeitszeit, dass man bestimmte Dinge tut, gerade weil sie nichts mit der Arbeit zu tun haben. Ich bin sehr aktiv, wenn ich nicht im Büro bin, ich treibe auch Sport. Gehe ins Kino und ins Theater. Aber Hobbys? Das ist, glaube ich, nochmal etwas ganz anderes. Unter den Begriff Hobby fällt Puzzlespielen, Modellbauen, Bierdeckelsammeln. So etwas mache ich nicht. Ich schreibe: Laufen, Kino, essen gehen.

Weil ich von mehr Menschen erkannt werde, als ich umgekehrt Menschen kenne und erkenne, weil ich also vermeiden möchte, dass auf irgendwelchen Partys wildfremde Leute über meine Vorlieben sprechen oder im Ministerium Gerüchte verbreitet werden, Gerüchte zum Beispiel, dass ich auf wesentlich jüngere Frauen fixiert bin, habe ich meiner VK kein Foto angehängt. Ich bin einfach elian, achtunddreißig. Unter meinem Namen steht der Satz: Ich suche eine Frau. Ich finde das etwas krude, etwas hart. Es hört sich an wie: Ich suche irgendeine Frau. Aber der Satz wird von der Site generiert, die

machen das automatisch. Weil ich kein Foto eingestellt habe, habe ich mir besondere Mühe gegeben mit dem Text. Der überschrieben ist mit: Was mir wichtig ist.

›Ich möchte erst einmal einfach jemanden kennen lernen, ein bisschen reden, das Fremdsein überwinden. Dann sieht man ja, was weiter passiert. Am liebsten bewege ich mich in einem Umkreis von, sagen wir, zwei Kilometer von der Studiobühne (u. geh auch gern da rein). Es sollte ein interessantes Gespräch zustande kommen. Foto schicke ich auf Anfrage (ich weiß, alle behaupten es, aber bei mir stimmt es: Ich wirke jünger, bin ein sportlicher Typ), freue mich natürlich auch über das eine oder andere Bild.‹ Die Tatsache, dass ich kein Foto habe auf meiner VK, ist erst einmal ein riesiges Handicap. Weil die Frauen natürlich meinen, ich hätte etwas zu verbergen. Das zumindest wäre mein erster Gedanke.

Gestern Abend hat Melanie angerufen, ich habe sie vor sechs Wochen verlassen, sechs Wochen ist das nun schon her . . . Ich habe sie verlassen, weil sie alles wollte und alles zu schnell und Kinder kriegen, und ich sollte sagen, wenn ich irgendwelche Reisepläne hätte, quasi um Erlaubnis bitten bei ihr. Dabei gehört das einfach zu meiner Arbeit, das Reisen, seit der Staatssekretär in mein Büro gekommen ist, mir die Hand aufgelegt und gesagt hat: Du bist unser Mann für Brüssel. Und für den Rest der Welt?, habe ich gefragt. Gut, und für den Rest der Welt, hat er gesagt. Ich habe immer so gelebt, spontan und direkt und ohne jemandem etwas zu schulden. Ich bin ja auch in eigenen Angelegenheiten ständig unterwegs. Es war also erdrückend, und ein Grund für die Misere war ihr Alter. Melanie ist fünfunddreißig, und sie leidet unter der klassischen Anuptophobie: Torschlusspanik. Es ist natürlich vollkommen unkorrekt, politisch unkorrekt, das so zu sagen, aber eine andere Analyse lässt die Situation nicht zu. Ich hatte mich wohl auch schon ein wenig entliebt.

Gestern Abend hat sie angerufen, nach einigen Wochen, in denen wir überhaupt nicht miteinander geredet haben, und ich habe natürlich gemerkt, wie verletzt sie ist, dass sie andererseits bemüht ist, eine neue Basis zu finden, vielleicht kann man das in Freundschaft umwandeln, wird sie gedacht haben, wir waren eigentlich schon vorher eher befreundet als verliebt, denke ich manchmal, obwohl sie das natürlich anders sieht. Während sie also angerufen hat gestern Abend und wirklich sehr geweint und mir Vorwürfe gemacht hat, immer wieder, wegen meiner Gefühlskälte, habe ich gleichzeitig bei der Partnervermittlung rumgeklickt, habe tatsächlich, während sie mir am Telefon all diese Dinge an den Kopf geworfen hat, während sie mir sozusagen verbal mit den kleinen Fäusten auf die Brust getrommelt hat (Jonas, was bist du für ein Mensch? Was bist du nur für ein Mensch?), die Angebote angeschaut und an meiner VK gebastelt und schließlich auch den ersten Kontakt aufgenommen. Mit zoe28.