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Herzlich willkommen bei Suicide Productions. Alle Menschen sterben, früher oder später. Im Idealfall den sogenannten natürlichen Tod, altersbedingt. Eventuell aber auch durch einen Unfall oder an einer Krankheit. Unfälle und Krankheiten enden nicht immer tödlich. Viele Betroffene genesen und können ihr Leben weiterführen, aber eben nicht alle. Manche Menschen finden sich in einer derartig unangenehmen Situation wieder, daß sie die Toten beneiden und sterben wollen. Und nicht wenige der vom Schicksal Gebeutelten stellen sich die Frage, ob sie ihren Tod nicht in die eigenen Hände nehmen sollten. Die Diskussionen darüber, ob ein Mensch dies tun darf oder nicht, füllen ganze Bibliotheken. Philosophen, Priester, deren Götter, immer wieder auch Politiker, sie alle erheben Anspruch, hierbei das Sagen zu haben. Ob es auch legal ist, aus freiem Willen aus dieser Welt scheiden zu wollen und diesen Willen auch ausführen zu dürfen, darüber entscheiden die Juristen. Und deren Entscheidungen wiederum hängen vom Längen- und Breitengrad der jeweiligen Gesetzgeber ab. Wir führen solche Diskussionen nicht mehr. Suicide Productions sagt ja. Wir sagen, wer will, der soll auch dürfen können. Dummerweise und situationsbedingt ist jeder Mensch,der sich für sein eigenbestimmtes Ableben entscheidet, erstmalig ein Amateur. Wir reichen dem Amateur unsere hilfreiche Hand und tragen Sorge dafür, daß auf dem letzten Wege keine Steine auf selbigem liegen. Konsequent kundenorientiert. Darin sind wir so gut, daß wir die Reklamationsabteilung auflösen konnten. Ihre irdische Hülle formen wir zu einem funkelnden Edelstein, der Ihrer Familie zur Zierde der Aussteuer gereichen wird. Auf diese Weise werden Sie noch posthum zu einem kostbaren Familienerbstück. Müller-Büddelbrock, Direktor, Suicide Productions
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Seitenzahl: 172
Veröffentlichungsjahr: 2014
Suicide Productions
fragmentierte Geschichten um eine Selbstmordfirma, mitunter munter abschweifend
Erstausgabe
© 2014 Donald C. Doppelthaler
Layout und Lektorat: D.C.D.
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN: 978-3-8495-7490-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne die Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung,
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der Vorhang
… geht auf
Suicide Productions
Fragmentichcerte Gceschicht
m ve Firma,
beim Selbstmorden hilft
u nter abschweifend
ld C. Doppelthaler
inspiriert durch:
Burgers Tractatus logico-suicidalis
Monty Python’s Flying Circus
Riemanns Vermutung un Schnitte im Raum
Schrödingers Katze
Traxlers Wahrheit über Hänsel und Gretel
the cat’s cradle by Vonnegut jr.
Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus
Zukav’s Dancing Wu Li Masters
digredi humanum est.
Tractatus logico-digressionalis
er geht weiter auf
Suicide Productions
gmentierte Geschichten
ine fiktive Firma,
ie beim Se tmorden hilt
mitunter munter absc hweifend;
mit diver sen Fußnoten.
Donald C. Doppelthaler
inspiriert durch:
Burgers Tractatus logico-suicidalis
Heisenbergs Unschärferelation
Jandls Röcheln der Mona Lisa
Monty Python’s Flying Circus
Riemanns Vermutung und Schnitte im Raum
Schrödingers Katze
Traxlers Wahrheit über Hänsel und Gretel
the cat’s cradle by Vonnegut jr.
Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus
Zukav’s Dancing Wu Li Masters
digredi humanum est.
Tractatus logico-digressionalis
er geht noch weiter auf
Suicide Productions
FragmenxxxGeschichten
um eine fiktive Firma,
die beim Selbstmorden hilft,
mitunter munter abschweifend;
mit diversen Fußnoten.
Donald C. Doppelthaler
inspiriert durch:
Burgers Tractatus logico-suicidalis
Heisenbergs Unschärferelation
Jandls Röcheln der Mona Lisa
Monty Python’s Flying Circus
Riemanns Vrmutung und Schnitte im Raum
Schrödingers Katze
Traxlers Wahrheit über Hänsel und Gretel
the cat’s cradle by Vonnegut jr.
Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus
Zukav’s Dancing Wu Li Masters
digredi humanum est.
Tractatus logico-digre
Suicide Productions
Fragmentierte Geschichten
um eine fiktive Firma,
die beim Selbstmorden hilft,
mitunter munter abschweifend;
mit diversen Fußnoten.
Donald C. Doppelthaler
inspiriert durch:
Burgers Tractatus logico-suicidalis
Heisenbergs Unschärferelation
Jandls Röcheln der Mona Lisa
Monty Python’s Flying Circus
Riemanns Vermutung und Schnitte im Raum
Schrödingers Katze
Traxlers Wahrheit über Hänsel und Gretel the cat’s cradle by Vonnegut jr.
Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus
Zukav’s Dancing Wu Li Masters
digredi humanum est.
Tractatus logico-digressionalis
Sind Sie des Lebens überdrüssig?
In einer ausweglosen Lebenssituation?
Verzweifelt, ohne Hoffnung?
Wir sind für Sie da.
Sie wollen dieses irdische Jammertal verlassen,
wissen aber nicht wie?
Ihr Arzt verweigert Ihnen
seine Unterstützung?
Wir können helfen.
Suicide Productions bietet ebenso
liebevolle wie professionelle Unterstützung.
Unsere Berater stehen Ihnen
rund um die Uhr zur Verfügung.
Wir betreuen und begleiten Sie
auf Ihrer letzten Reise.
Kommen Sie zu uns.
Herzlich willkommen bei Suicide Productions.
Alle Menschen sterben, früher oder später.
Auch Sie werden sterben. Im Idealfall altersbedingt, den sogenannten natürlichen Tod. Eventuell aber auch durch einen Unfall oder an einer Krankheit.
Unfälle und Krankheiten enden nicht immer tödlich. Viele Betroffene genesen und können ihr Leben weiterführen, aber eben nicht alle.
Manche Menschen finden sich in einer derartig unangenehmen Situation wieder, daß sie die Toten beneiden und sterben wollen.
Und nicht wenige der vom Schicksal Gebeutelten stellen sich die Frage, ob sie ihren Tod nicht in die eigenen Hände nehmen sollten.
Die Diskussionen darüber, ob ein Mensch dies tun darf oder nicht, füllen ganze Bibliotheken. Philosophen, Priester, deren Götter, immer wieder auch Politiker, sie alle erheben den Anspruch, hierbei das Sagen zu haben. Ob es auch legal ist, aus freiem Willen aus dieser Welt scheiden zu wollen und diesen Willen auch ausführen zu dürfen, darüber entscheiden die Juristen. Und deren Entscheidungen wiederum hängen vom Längen- und Breitengrad der jeweiligen Gesetzgeber ab. Wir führen solche Diskussionen nicht mehr.
Suicide Productions sagt ja.
Wir sagen: wer will, der soll auch dürfen können.
Dummerweise und situationsbedingt ist jeder Mensch, der sich für sein eigenbestimmtes Ableben entscheidet, erstmalig ein Amateur. Wir reichen dem Amateur unsere hilfreiche Hand* und tragen Sorge dafür, daß auf dem letzten Wege keine Steine auf selbigem liegen.
Konsequent kundenorientiert.
Darin sind wir so gut, daß wir die Reklamationsabteilung auflösen konnten.
Ihre irdische Hülle formen wir zu einem funkelnden** Edelstein, der Ihrer Familie zur Zierde der Aussteuer gereichen wird. Auf diese Weise werden Sie noch posthum zu einem kostbaren Familienerbstück.
Müller-Büddelbrock, Direktor, Suicide Productions
* teilnahmeberechtigt sind nur Personen, deren Lebensalter 30 Jahre überschreitet. Zurechnungsfähigkeitsunbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich.
** Preise auf Anfrage
„Cogito ergo sum.“ R. Descartes
„Ich sterbe, also bin ich.“ H. Burger
„Digressus ergo sumsum.“ R. M. Moebius
Hals- und Beinbruch
Unsterblichkeit. Ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Endlich die Chance auf den Ruhm der Leinwand. Nicht Hollywood, sondern Suicide Productions machen es ihm möglich. Ihm, einem schon seit Jahren in der Bedeutungsund Arbeitslosigkeit versunkenen Niemand. All die Jahre auf der Schauspielschule waren vergebens gewesen. Einige kleine, unbedeutende Werbespots und dann … Parkplatzwächter und Tankwart in San José. Die hämischen Blicke seiner Vermieterin, vor allem am Monatsende. Bei dem Gedanken, wie oft er die Miete mit einer männlichen Dienstleistung hatte begleichen müssen, durchfährt ihn ein Schauder. Sein Leben … eine endlose Kette von Absagen und geplatzten Träumen. Jetzt erhält er diese Chance, seine letzte Chance. Und in dieser, seiner einzigen großen und letzten Rolle wird er alles geben, wirklich alles.
Seine Hände umklammern das Lenkrad, erwartungsvoll spielt sein Fuß mit dem Gaspedal. Der Motor heult auf … und ab … und auf … und auf …
„Kommunikationstest“, erklingt plötzlich die kühle Stimme des Produktionsleiters in seinem Ohr.
„Verständigung ist gut, ich bin bereit.“ Er klingt heiser. ,Habe ich etwa Lampenfieber? Ich, als Profi?’
„Dann Hals- und Beinbruch!”, tönt es zurück.
Diese Minuten. Seine letzten Minuten.
Im Kontrollraum nickt der berühmte Produzent dem Produktionsleiter zu. Hier haben sie alles im Blick. Die Monitore der Kameras entlang der Strecke zeigen die kurvenreiche Küstenstraße im sich auflösenden Morgennebel. Eine Kamera überträgt aus dem Cockpit das Gesicht des Fahrers, der die nervös zitternde Nadel des Drehzahlmessers beobachtet. Eine weitere Kamera zeigt aus der Perspektive eines Helikopters den wartenden Sportwagen. Alle Kameraleute sind auf ihren Positionen und geben grünes Licht.
Der Produktionsleiter ist’s zufrieden. „Noch eine Minute. Frontalcrash die Erste!“, er grinst. „Kleiner Betriebsgag.“
Der berühmte Produzent lächelt zurück, denn bei dieser Produktion wird es keine zweite Klappe geben. ‚Eingespieltes Team’, denkt er. ‚Zuverlässige Profis. Aber der Fahrer, wird er seinen Part bis zum bitteren Ende spielen?’ „Was ist, wenn der Fahrer abbricht?“
Der Produktionsleiter legt den Zeigefinger auf den Mund, schüttelt den Kopf, dann, ins Mikrophon: „Achtung, los geht’s. Kameras ab! Action!“
Der Fahrer tritt das Gaspedal durch und der Sportwagen macht einen Satz nach vorn, nimmt die erste Kurve auf der Straße zum Ruhm. Sein Name, James Woodlethorp, wird im Abspann genannt werden, des Schauspielers großer Traum. Ein weiterer, eine Dialogszene mit Julia Capriziosa ist schon im Kasten. Dazu noch diese irrsinnige Slalomfahrt. Für die
Ewigkeit auf Film gebannt. Er konzentriert sich.
Der Helikopter steigt höher um die kommenden Kurven ins Blickfeld zu bekommen.
Der Sportwagen schleudert über die Küstenstraße.
Der Helikopter zieht darüber hinweg und nimmt eine Position über der nächsten Kurve ein.
„Noch etwas höher!“, ruft der Produktionsleiter ins Mikrophon. Über die Helikopter-Kamera hat er jetzt einen Tanklaster im Blickfeld, der hinter der Kurve, nicht sichtbar für den Heranrasenden, die Fahrbahn blockiert. „Highspeed-Kameras ab!“
Der berühmte Produzent hält den Atem an.
Der Fahrer ist voll konzentriert. Er nimmt die Kurve, rast in den Tanklaster.
Eine grelle Stichflamme, gefolgt von einem Feuerball.
Trümmer fliegen durch die Luft. Die schwarze Rauchwolke, die alles verhüllt, gibt nur zögernd den Blick frei auf einen Haufen aus Metall und geschmolzenem Plastik, dazwischen verkohlte Gliedmaßen.
Die Kameraleute geben ihre Meldungen an den Produktionsleiter durch und der, zum berühmten Produzenten: „Na also, Szene und Stuntman gestorben.“
Der berühmte Produzent: „Wundervoll, genau so habe ich mir Filmemachen immer vorgestellt. Keine faulen Tricks aus dem Computer, sondern purer Realismus. Eine Frage noch:
Was, wenn Ihr Mann doch noch gebremst hätte?“
Der Produktionsleiter gibt letzte Anweisungen an seine Crew, dann zum Produzenten: „Woodlethorp? Der, und bremsen? Keine Chance. Er hätte sein Leben auf jeden Fall so oder so beendet. So aber hat er nach der Bedenkzeit den Vertrag mit uns bestätigt und statt mit aufgeschnittenen Pulsadern ein weiterer namenloser Punkt in der Statistik arbeitsloser Schauspieler zu werden, wird nun sein Name und sein Bild zusammen mit seinen erfolgreicheren Vorbildern auf der Leinwand verewigt. Der und Bremsen? Nein. Er wußte, daß wir irgend wann den finalen Stunt drehen, aber wir verraten selbstverständlich vorher nicht im Detail, wie der aussehen wird. Das bewahrt die Natürlichkeit der Szene. Sollten wir aber merken, daß irgend etwas schiefzulaufen droht, schalten wir den Wagen auf Computersteuerung und dann hätte sein erschrockenes Gesicht nur umso echter gewirkt.“
,Profis eben’, denkt sich der berühmte Produzent.
Die Bewerbung
LaPaloma, das Gesicht wie auch die Bluse reichlich verknittert, schaut dem jungen Mann fest in dessen bebrillte Augen. „Diplom in Soziologie und Abschluß mit sehr gut, mhm, ist nicht so gut, reine Zeitverschwendung sowas, wenn Sie mich fragen, anschließend ein fünfjähriges Praktikum in der Elektronikbranche, das ist doch was Handfestes.
Sie sind also vertraut mit elektronischen Steuersystemen?“ Der Bewerber nickt. „Wir bieten Ihnen hier ein ausgezeichnetes Betriebsklima in einer, offen gesagt, erstmal gewöhnungsbedürftigen Betriebssituation.“
„Mir ist durchaus bewußt, daß die Tätigkeit bei Ihnen aus dem Rahmen des Üblichen fällt, aber gerade das reizt mich“, erwidert der junge Mann.
LaPaloma zieht eine Augenbraue hoch. „Ich kann Ihnen versprechen, daß kein Tag wie der andere sein wird. Abwechslungsreich, wie schon unsere Anzeige sagt. Der Job verlangt vor allem Flexibilität, starke Nerven, und eine Prise Galgenhumor ist sicher von Vorteil. Sie machen einen guten Eindruck und Ihre Unterlagen sehen recht vielversprechend aus, ich werde Ihnen also eine Chance geben. Wenn Sie sich in den kommenden Wochen bewähren … Sie beginnen Ihr Praktikum erstmal bei unserer Putzkolonne.“
Der Soziologe zuckt zusammen.
„Keine Bange, junger Mann, Sie müssen nicht mit Lappen und Besen hantieren, Sie bekommen großes Gerät. Den Gabelstaplerschein haben Sie ja, wie so viele Soziologen. Unsere Filmproduktion hat heute eine Unfallszene abgedreht, da gibt es einiges aufzuräumen. Demnächst stehen auch noch die Dreharbeiten zum neuen Remake des Texas-Kettensägen-Massakers an, ein sehr aufwendiges Projekt, über Langeweile werden Sie also nicht klagen können.“
Der Soziologe wird hellhörig: „Sie drehen hier auch Horrorfilme? Ich stehe auf Horrorfilmen, meinen rechten Arm würde ich dafür hergeben mal in einem mitspielen zu dürfen.“
LaPaloma zaubert ein Lächeln auf ihr hageres Gesicht. „Da läßt sich vielleicht was machen. Mit Wünschen sollte man aber vorsichtig sein, junger Mann, manchmal gehen sie in Erfüllung. Melden Sie sich jetzt unten an der Rezeption, ich werde dort Bescheid geben. Petra ist gerade mit dem Jeep unterwegs, sie wird Sie dann zum Außengelände bringen. Herzlich willkommen im Team, einen schönen Tag noch und danke.“ Mit einem kurzen Nicken ist er entlassen.
Staphylokokkenfrohlocken in einem Städtischen Krankenhaus
Nebel. Grauer Nebel, greifbar wie Watte. Ein Scheinwerfer durchsticht das wirbelnde Wabern. Der Lichtstrahl schmerzt. Dann wieder nur graues Nichts. Geräusche. Ein tiefes Brummen. Wieder der Scheinwerfer. Eine Hand, viele Hände, die an ihm zerren. Er will sich fortdrehen, kann sich aber nicht bewegen. Bugs Bunny taucht aus dem Nebel auf: „Wie sieht’s aus, Doc?“
Und wieder der Scheinwerfer, der ihn blendet. ,Ein Leuchtturm?’
Jetzt wieder die Stimme: „Er kommt zu sich.“
,Wer kommt wohin? Was ist hier los?’
„Da, seine Augenlider zucken und … wir haben eine Pupillenreaktion.“
,Augenlieder? Was für eine Hitparade wird hier gespielt?’ Wieder diese Stimme, sie ist jetzt deutlich zu hören: „Da, er blinzelt wieder.“
Eine zweite Stimme: „Herr Woiber? Willy Woiber?“
,Sein Name, die Stimme sagt seinen Namen! Hier, hier bin ich’, will er sagen, doch seine pelzige Zunge kann sich in diesem trockenen Mund nicht bewegen. Er reißt die Augen auf. Und geblendet schließt er sie sofort wieder.
„Herr Woiber, können Sie mich hören …?“
Tage später, operationsvernarbt und linksseitig gelähmt. Er klingelt nach dem Pfleger. Nicht einmal zur Toilette schafft er es allein. Er klingelt wieder. Das zumindest schafft er noch.
Viele Tage später und mittlerweile auch noch mit künstlichem Darmausgang. ,Schlimmer geht’s wohl kaum’, denkt er.
„Dumme Geschichte, Herr Woiber”, reißt ihn die Stimme des Arztes aus seinen trüben Gedanken. „Tut uns wirklich leid, die Sache mit dem Anus Praeter, war aber unumgänglich. Ich halte nichts davon, meinen Patienten etwas vorzumachen, deshalb ohne Umschweife: diese Infektion an Ihrem Bein, ungeschickterweise das nicht von der Lähmung betroffene, wird verursacht von einer neuen Variante des Staphylococcus Aureus. Nicht nur multipel resistent, sondern auch besonders hartnäckig und hinterhältig. Wir haben ihn Staphylococcus Platineus getauft.“
„Und was heißt das bitte auf deutsch, Herr Doktor?“
„Gegen das, was Sie da erwischt hat, ist kein Kraut gewachsen, zumindest keines von denen, die wir heute zur Verfügung haben.“
„Sie sind also mit Ihrem Latein am Ende?“
„So negativ würde ich das nicht sehen Herr Woiber, es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Wir verfügen auch in einem solchen Fall über eine große Palette unausgegorener … ich meine neuer Therapieansätze, nur …“, der Arzt wirkt etwas verlegen. „.. der Erfolg der Therapie wird von Ihrer Mitarbeit oder genauer gesagt … nun ja, Opferbereitschaft abhängen. Aber ich sehe da durchaus gute Chancen …“
Herrn Woiber, der mittlerweile bereit gewesen war, seine Situation zu akzeptieren, beschleicht eine unangenehme Ahnung und mit einem Male fühlt er sich hilfloser als je zuvor. Er schließt die Augen. Beim Versuch, allein die Toilette zu erreichen, war er gestürzt. Nur eine kleine Schürfwunde. Doch dann wollte sie nicht heilen, entzündete sich. Und die Infektion breitete sich aus.
„… wenn wir das rechte Bein abnehmen.“
An der Rezeption
Modern, mit japanischem Touch und jedem First-Class-Hotel ebenbürtig. An der mit leichtem Schwung gebogenen Theke aus schwarzem Marmor ist ein älterer Herr im Gespräch mit einer jungen Dame.
„Fräulein Miriam, wie schön Sie wiederzusehen.“ Er nimmt sie wie einen alten Freund in die Arme.
„Ich freue mich auch. Wie fühlen Sie sich?“
„Reisefertig, meine Liebe. Nochmals Danke für die liebevolle Betreuung meiner Else. Ich war und bin immer noch tief berührt. Sie waren uns ein guter Begleiter, als Else ihre Reise antrat und nun werden Sie, Fräulein Miriam, mir die Ehre erweisen. Sie wissen ja, meine Verwandtschaft will seitdem nichts mehr mit mir zu tun haben. Die haben Else ja sogar bei der Beisetzung den letzten Gruß verweigert. Mein Testament habe ich daraufhin freilich zugunsten Ihrer Stiftung geändert. Geschieht denen ganz recht.“
Die beiden verschwinden im Fahrstuhl.
Wieder im Städtischen Krankenhaus
„Nun mein lieber Woiber, schon wach? Wie geht’s uns denn heute? Tut mir leid, daß wir das Bein abnehmen mußten, aber ich sage immer: besser Bein ab, als arm dran. Hahaha, nun ja, äh … ja ….“
„Was wollen Sie denn mit dieser Nadel, Herr Doktor?“
„Nur Ihr bestes, Herr Woiber, nur etwas von Ihrem Blut. Dummerweise mußten wir feststellen, daß die jetzige Medikamentenkombination, die wir bei Ihnen anwenden, einige kleine, aber unschöne Nebenwirkungen zeitigt.“
Woiber ist verstört: „Ich bin zwar noch etwas benebelt, aber nicht dumm. Was ist los mit mir?“
„Nur eine geringfügige Niereninsuffizienz, nichts, worüber Sie sich aufregen sollten. Machen Sie sich da mal keine Gedanken, Herr Woiber, das werden wir bald in den Griff bekommen. Sie wissen doch: wir sind hier um Ihnen zu helfen. Bald werden Sie wieder auf den … äh … auf dem Bein sein.“
Undercover
„Schwester Claudia, seine Eminenz erwartet Sie schon.“
Claudia nickt dem Vorzimmer-Monsignore kurz zu: „Ein neuer Einsatz?“
Statt einer Antwort weist der Monsignore auf eine holzgetäfelte Tür. Claudia streicht sich die langen, rotblonden Haare aus dem Gesicht, klopft und tritt ein. Schmachtend schaut der Monsignore der schlanken Gestalt hinterher.
Hinter der klobigen Tür behäbigen sich schwere Ledersessel um einen massiven Arbeitstisch. Claudia knickst. „Eure Eminenz.“
Der Kardinal reicht ihr die beringte Hand zum Kuß.
„Nimm Platz mein Kind.“ Er setzt sich ebenfalls. „Wiedermal geht es um eine delikate und heikle Aufgabe. Eine Aufgabe, die Diskretion und Umsicht erfordert.“ Er starrt eine Weile in ihre grünen Augen, dann: „Sie haben schon von Suicide Productions gehört?“
Claudia nickt. „Eine Firma, die den Selbstmord propagiert, im Gegenzug die Leichen ausplündert und die Organe zu Geld macht. Die überdies ihr gottloses Treiben auch noch über TV verbreitet. Ja, ich bin im Bilde.“
„Gottlos, Sie sagen es. Der Schöpfer hat uns das Leben geschenkt und nur Er bestimmt über dessen Ende. Wer seinem Leben selbst ein Ende setzt, versündigt sich gegen Gott. In ihrer Scheinheiligkeit bieten diese Dämonen sogar moralischen Beistand an für ihre Opfer oder, wie sie es nennen, Klienten. Beistand, von wegen! Nichts anderes als eine pseudotheologisch angehauchte, esoterisch verbrämte Philosophie, und mit den Ketzerschriften von Jens und Küngsorten* versucht diese Firma ihre Unmoral noch zu untermauern.“ Angewidert verzieht er das Gesicht. „Die Opfer ihrer Machenschaften, verzweifelte, irregeleitete und bedauernswerte Seelen, fallen darauf herein.
Nur wenige haben nach einer solchen Gehirnwäsche noch die Kraft und den Willen von ihrem Vorhaben, sich zu töten, Abstand zu nehmen.“
„Und meine Aufgabe?“
„Suicide Productions sucht immer qualifiziertes Personal für eben diesen moralischen Beistand, sogenannte Berater, und Sie werden sich als ein solcher bewerben. Eine sehr belastende Aufgabe für Sie, doch wenn Sie all die armen Seelen aus den Klauen dieser Monster retten wollten, würden Sie sich verraten. Deshalb müssen wir zum Wohle des Ganzen ein paar unschuldige Schäfchen opfern. Der Herr möge uns verzeihen.“ Er bekreuzigt sich, Claudia tut es ihm gleich. „Wir werden Sie also dort einschleusen und Sie werden Augen und Ohren offen und uns auf dem Laufenden halten. Und wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt, etwas Sand ins Getriebe zu werfen, dann tun Sie das.“
„Sabotage?“
„Im Namen der Dreifaltigkeit, ja. Monsignore Q wird Sie mit den notwendigen Papieren versorgen.“ Mit einer huldvollen Handbewegung erteilt er ihr seinen Segen. „Und sollten Sie, mein Kind, was unser Herr verhüten möge, enttarnt werden, müssen wir selbstverständlich jegliche Verbindung zu Ihnen leugnen.“
* Menschenwürdig sterben, W. Jens und H. Küng, Piper Verlag, München 1995
Männlich
Vor einem großen Gebäude im Blockhausstil.
Walker wuchtet sein Gepäck aus dem metallic-schwarzen Jeep. Mit „Sie werden schon erwartet, Herr Walker”, wirft Petra ihm lächelnd eine Kußhand zu, dann braust sie davon.
„Herr Walker?“, empfängt ihn ein Grinsen im Tarnanzug, die Rechte zum militärischen Gruß an den Kopf gelegt, blitzblanke Stiefel: „Jean-Paul Gruber, vormals Colonel der Fremdenlegion, dann dreizehn Jahre bei den Marines, herzlich willkommen.“
Walker salutiert zurück. „Colonel!“
Jean-Paul lacht amüsiert. „Sie wollen also wissen, was in Ihnen steckt? Dann folgen Sie mir zum briefing.“
Die beiden sitzen an der Bar, vor sich zwei Mai Tais.
Jean-Paul: „Also, was führt Sie hierher?“
„Nun, ich habe Alles erreicht, was ein Mann vom Leben erwarten kann. Hatte meine eigene Internet-Firma. Die habe ich vor dem Crash verkauft und mir Alles geleistet, was man für Geld kaufen kann. Frauen, Autos, Abenteuer. Auf Großwildjagd bin ich gegangen. Je mehr Zähne und Klauen, desto lieber. Ich muß gestehen, ich gehörte zeitweise zu denen, die ohne einen Gedanken an eine Geschwindigkeitsbegrenzung illegale Autorennen veranstaltet haben. Bis einer in die Zuschauer raste. Es gab Tote. Dann … danach … die große Leere. Bis ich von Ihrer Insel hörte … und weil das Leben mir keine interessante Aufregung mehr bieten konnte, fand ich den Gedanken immer faszinierender: der Kampf auf Leben und Tod als letzte Herausforderung und damit die Möglichkeit zu tun, was ein Mann tun muß und zwar, sich im Kampf Mann gegen Mann zu beweisen.“
„Tja, schätze sie ist schon etwas einmaliges, unsere Insel. Neunundzwanzig Quadratkilometer Berge, Dschungel und Wüste. Das einzige Gesetz dort ist das Gesetz des Stärkeren. Die einzige Waffe, die Sie dorthin mitnehmen dürfen, ist ein Messer. Der bisherige Überlebensrekord steht bei fünfzehn Tagen. War ein wirklich harter Bursche … wenn ich könnte wie ich wollte … wir werden Sie mit dem Fallschirm absetzen. Die drop-zone übrigens ist für die Teilnehmer absolut tabu. Sie haben anschließend noch vierundzwanzig Stunden um sich mit dem Gelände vertraut zu machen. Danach beginnt der Ernst des Lebens und Sterbens.“
Jean-Paul’s Piepser wird aktiv, er schaut kurz drauf. „Sorry, aber die Pflicht ruft. Sie melden sich morgen früh um nullneunhundert beim Doc. Kurzer check-up und dann noch die restlichen Formalitäten. Ich für meinen Teil halte diesen red-tape-bullshit für überflüssig, aber die Firmenpolitik verlangt es. Morgen abend sehen wir uns hier wieder. Ihre letzten Tage und Nächte stehen Ihnen selbstverständlich unsere Trainingsanlagen und gewisse Damen oder Herren zur Verfügung.“
Er zwinkert Walker zu. „Ich rate Ihnen aber, sich lieber für Ihre Mission fit machen.“
„Bei allem Respekt, Sir, erlauben Sie mir eine letzte Frage. Sie machen den Eindruck eines harten Kämpfers. Die Insel. Reizt Sie diese Herausforderung denn gar nicht?“
„Scheiße. Wäre ich noch komplett, hätte ich mich schon längst dorthin abgemeldet und den Fünfzehn-Tage-Rekord mit Leichtigkeit überboten. Aber soll wohl nicht sein …“ Er grüßt zackig. Als er sich entfernt, bemerkt Walker ein leichtes Hinken.
Nochmal im Städtischen Krankenhaus