SWORD 1: Stets geheim - Martin Kay - E-Book
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SWORD 1: Stets geheim E-Book

Martin Kay

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Beschreibung

Willkommen bei SWORD, den Strategic Worldwide Operations for Reconnaissance and Defense. Gegründet von der Präsidentin der Vereinigten Staaten, finanziert durch anonyme, private Geldgeber und verdeckt operierend, sollte SWORD ursprünglich den unkontrollierten Einsatz privater paramilitärischer Söldnergruppen durch die nationalen Nachrichtendienste eindämmen. Der Aufgabenbereich änderte sich, nachdem verschollen geglaubte fundamentalistische Organisationen wie Gaia's Dawn, deren neuer Ableger New Dawn und die ominöse Gruppe Acheron aus der Versenkung hervortraten. SWORDs Prioritätsziel liegt nun darin High-Tech von Übermorgen entweder zu sichern oder zu zerstören, damit sie nicht in die falschen Hände gerät. In seiner ersten Mission wird das SWORD-Team um Dan "Cycle" Keller nach Alaska entsandt, um einen rätselhaften Flugzeugabsturz zu untersuchen. Offenbar waren die Passagiere der entführten Air-Force-Maschine frühere Mitglieder von Gaia's Dawn und in ihren Händen befand sich ein nanotechnologischer Schatz: Ein rätselhafter Koffer, der mehr ist, als nur ein Packstück und vor dem die Welt sich fürchten muss. Hinweis: Die Romane der Serie "SWORD" erscheinen zunächst nur als eBook, die Option auf eine spätere Printausgabe behält sich der Verlag vor.

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Inhalt

Einleitung Missionsbriefing

Prolog Feldeinsatz

Kapitel 1 Ein Sturm zieht auf

Kapitel 2 Ausgerechnet Alaska

Kapitel 3 Der Koffer

Kapitel 4 Shoot to kill

Epilog Wunden lecken

Nachwort und Dank

Weitere Atlantis-Titel

Martin Kay

Stets geheim

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Juli 2021 Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Anna Spies Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-793-2 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

»Zunächst einmal müssen wir einen Schritt zurück gehen.«

Johannes Kückens, Teilchenphysiker

Einleitung Missionsbriefing

Guten Tag,

mein Name ist Dianne Eleanor Collier. Sie können mich Guide nennen, denn genau das bin ich für Sie. Sie erhalten heute ein kurzes Briefing über die aktuelle Situation. Zunächst einmal darf ich Sie bitten, die unter Ihren Sitzen befindlichen Ledereinbände zur Hand zu nehmen. Darin befindet sich ein Tablet-PC, der bereits auf Ihre biometrischen Daten abgestimmt ist und nur durch Sie entsperrt werden kann.

Willkommen in New Philadelphia, der Kleinstadt in New Brunswick, Kanada, die nicht bei Google Maps zu finden ist. Zumindest noch nicht. Städtestatus haben wir vor gut einem Jahr erlangt, nachdem wir einen Deal mit den kanadischen Behörden ausgehandelt haben. Aber im Grunde besteht unsere Gemeinde lediglich aus dem Hauptgebäude des Unternehmens NITronics und den Häusern dessen Angestellter und ihrer Familien. Dazu eine Schule, ein Supermarkt, ein Fitnessstudio, das Büro des Bürgermeisters und das des Sheriffs.

Doch Sie, Ladys und Gentlemen, arbeiten nicht für NITronics, sondern für die US-Regierung. Sie sind ab jetzt Teil einer Regierungseinrichtung, die gar nicht existiert.

Noch einmal willkommen!

Bei SWORD, den Strategic Worldwide Operations for Reconnaissance and Defense. Wir sind die Antwort des Weißen Hauses auf alle verdeckten Operationen, private Sicherheitsfirmen, paramilitärische Gruppen und Hitmen, die von den US-Nachrichtendiensten für die Schmutzarbeit rekrutiert werden. Wir sind das Schwert Amerikas. Das klingt sehr patriotisch, aber immerhin werden wir dafür auch bezahlt.

Damit uns niemand so einfach auf die Schliche kommt, sind wir hier untergetaucht. Bezahlt werden wir von Investoren, die zwar von unserer Existenz wissen, aber nicht den Inhalt unserer Operationen kennen. Sie würden uns übrigens ebenso verleugnen wie das Weiße Haus. Es gibt keine Dienstmarken, mit denen Sie wedeln können. Keine Legitimation, mit der Sie Recht und Ordnung durchsetzen können. Sie sind auf sich gestellt. Aber bewegen wir uns innerhalb der Grenzen einiger Einsatzparameter, können wir auf Unterstützung zählen. Wir haben Kontakte im Pentagon, die für uns Transporte organisieren, uns mit Nachschub ausrüsten und uns Rückendeckung geben können. Bewegen wir uns außerhalb des Rahmens, dann … na ja, Sie werden sich denken können, was dann ist.

Kommen wir zu unserem Einsatzzweck. In der Regel ruft man uns nicht, um einen Drogenbaron zu eliminieren, eine hochrangige Geisel zu befreien oder streng geheime Dokumente aus dem Kreml zu beschaffen. Dafür sind andere zuständig. Wir sind in erster Linie dafür da, um Technologien aufzuspüren, zu sichern oder zu vernichten, damit sie nicht in falsche Hände geraten. Und damit meine ich nicht, dass wir Technologieunternehmen oder Forschungsbehörden wie die DARPA ausrauben, sondern hier geht es um Hightech der richtig krassen Art, die von Organisationen entwickelt wurde, die es so nicht hätte geben dürfen.

Und jetzt machen Sie sich bitte auf die echt abgefahrenen Sachen gefasst. Unser Gegner ist eine geheime Organisation, die sich Acheron nennt. Mehr dazu finden Sie im Dossier auf Ihrem Tablet. Acheron verfolgt ein ähnliches Ziel wie wir, nämlich den ganzen Hightech-Kram, den andere entwickelt haben, zu bergen und für Zwecke zu nutzen, hinter die wir noch nicht gestiegen sind.

Erinnern Sie sich noch an den Mord an Präsident Brian Wallace? Schreckliche Sache, könnte man meinen, doch Wallace war korrupt und stand auf der Payroll Acherons. Er war eine Marionette und musste aus dem Weg geräumt werden. Und genau aus diesem Grund sitzen Sie heute hier, weil Präsidentin Emma Gainsborough SWORD ins Leben gerufen hat.

Nun, woher stammen diese Technologien, hinter denen wir her sind? Zunächst einmal haben wir einen Geheimbund, der danach trachtete, die gesamte Menschheit auszulöschen, um von vorne zu beginnen. Er nannte sich Gaia’s Dawn und wurde von einem größenwahnsinnigen Unternehmer namens James Edward Narwick geführt. Narwick und seine ausschließlich aus Frauen bestehende Gruppe von Gaia’s Angels konnten gestoppt werden. Soweit wir wissen, haben nur zwei seiner Agentinnen den finalen Kampf vor ein paar Jahren überlebt. Aber da draußen, rund um den Globus verstreut, gibt es zahlreiche Einrichtungen mit wertvoller Hightech, die niemals von anderen gefunden werden darf. Allerdings hat sich aus dem untergegangenen Gaia’s Dawn eine neue Gruppierung gebildet, die sich jetzt New Dawn nennt. Geleitet wird sie von den überlebenden Judith Ostermann und Irina Bocanová. Letztere hatte bereits für uns gearbeitet, hat das Team aber verlassen, vornehmlich um Judith im Auge zu behalten und New Dawn nicht zu einem zweiten G-Dawn mutieren zu lassen. Leider sind die beiden nicht allein. Sie haben ein geheimes Trainingslager entdeckt, in denen junge Mädchen zu neuen Rekrutinnen für G-Dawn ausgebildet wurden, ohne jedoch je zum Einsatz zu kommen. Judith und Irina schließen die Ausbildung der Mädchen ab.

Neben G-Dawn gab es noch eine andere Gruppierung, die sich der Verbund der Generäle nannte. Diese aus Klonen bestehende Gruppe hat seit Jahrtausenden die Fäden der Weltgeschichte gezogen. Sie waren potenziell unsterblich und verfügten über das Wissen und die Technologie einer vor langer Zeit untergegangenen Hochkultur, der Antaradim. Abgefahren, ich weiß. Auch hier sind kreuz und quer über den Globus noch geheime Standorte auszuheben und zu sichern, bevor Gruppen wie Acheron oder New Dawn sie uns vor der Nase wegschnappen.

Fragen?

Mitschnitt des Briefings neuer SWORD

Prolog Feldeinsatz

25. Januar, 09:54 Uhr Denali, vormals Mount McKinley, Alaska, USA

Die Morgensonne begrüßte den Tod mit einem eisigen Lächeln. Als sie hinter dem Gipfel des Denali aufging und die weißen Schneefelder vor dem höchsten Berg Nordamerikas in ein stechendes Gleißen verwandelte, ahnte die Besatzung des HH-60 Pave Hawk Hubschraubers nicht, welchem schrecklichen Fund sie auf der Spur waren. Die Schönheit des Anblicks der Landschaft trübte die extreme Kälte, die sich auch im Inneren des Cockpits und Passagierraums des Helikopters breitmachte. Die Heizung kämpfte gegen −23 Grad Celsius an. Über Nacht war die Temperatur stark gefallen, doch auch für den Tag kündigte der Wetterbericht eine Höchsttemperatur von −17 Grad an. Es würde nicht sehr viel muckeliger werden, wenn die Sonne erst einmal hoch am Horizont stand. Entsprechend waren die Insassen in dicke Winterkleidung gehüllt, trugen Parka, Handschuhe und jeder von ihnen wärmende Thermounterwäsche. Dennoch fror man sich im Inneren »den Arsch ab«, wie Captain Ignatius Fowler noch vor wenigen Augenblicken mürrisch bemerkte. Er saß auf dem Kopilotensitz, trug unter der Kapuze eine Winterfellmütze und darüber das Headset mit der Bordkommunikation, was den Sitz der Kopfhörer unangenehm machte. Bei jeder Kopfdrehung verrutschen sie und drohten ihm von den Ohren zu gleiten. Links neben ihm an Steuer saß First Lieutenant Dawn C. McCough, die ihre Parkakapuze zurückgeschlagen hatte und statt der Fellmütze einen Helm mit integriertem Kopfhörer trug. Sie war nicht auf seine Bemerkung eingegangen, sondern starrte stur geradeaus, ihrem Ziel am Fuß des Denali entgegen. Der Berg hatte eine bewegte Vergangenheit, was seinen Namen anbelangte. Zunächst unter russischer Herrschaft, nannte man ihn Bolschaja Gora, was sich etwa mit großer Berg übersetzen ließ. Ende des 19. Jahrhunderts benannte man ihn nach einem örtlichen Goldgräber. Danach hieß er Mount McKinley und wurde erst im Jahr 2015 aus Respekt vor den amerikanischen Ureinwohnern in Denali umbenannt, was in der Sprache des Indianerstamms Koyukon ungefähr das Gleiche bedeutete wie das russische Pendant. Somit schloss sich ein Kreis.

Fowler hatte für nachträgliche Namensänderungen nichts übrig. Er vertrat den Standpunkt, dass Dinge, die einmal benannt worden waren, auch weiterhin so heißen sollten. Ein Grund, warum er auch nie seinen Vornamen korrigiert hatte, als er alt genug war. Es gab Zeiten, da hatte er seine Eltern dafür verflucht, ihm nicht einmal einen zweiten Vornamen zu geben, wie es in den Vereinigten Staaten üblich war. Der Spott in der Schule, auf dem College und auch später beim Militär war ihm stets nachgetragen worden. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, wenn Neubekanntschaften mit einem Schmunzeln oder fragendem Blick reagierten. Statt eines verdienten Rufnamens bei der Air Force wie Ace, Iceman oder Maverick nannten ihn seine Kameraden schlicht Iggy.

»Wir sind gleich da«, sagte McCough. Sie nickte mit dem Kinn nach vorn Richtung Berg. »Zehn Minuten.«

»Verstanden.« Fowler wandte den Kopf nach hinten in den Passagierraum, in dem weitere vier Mitglieder seines Rettungsteams warteten, alle in dicke Air-Force-Winterklamotten gehüllt mit geröteten Wangen und Nasenspitzen.

»Die gute Nachricht«, sagte er und machte sich keine Mühe, gegen das beständige Brummen der Rotoren anzutönen, da seine Stimme über den Bordfunk verstärkt wurde. »Ihr werdet es schon bemerkt haben: Die Sonne scheint.«

Zwei der Kameraden stöhnten. Der dritte schüttelte den Kopf, während der vierte applaudierte.

»Wir sind in zehn Minuten da.«

»Wird’s dann besser oder kälter?«, fragte Airman Hugh Garland, dessen Gesicht so tief in die Kapuze vergraben war, dass Fowler ihn nur anhand des Namensschildes auf dem Parka erkannte.

»Wie war das?«

»Sir«, beeilte sich Garland nachzusetzen. »Wird es kälter, Sir?«

»Ich kann Ihnen die Hölle heißmachen, Airman, wenn es Ihnen dann wohler ist. Gehen wir noch einmal die Mission durch. Flugzeugabsturz am Fuß des Mount McKinley …«

»Heißt der nicht jetzt Denali?«, fragte Staff Sergeant Javier Smith neben Garland. Als er Fowlers gereiztem Blick begegnete, fügte er kleinlaut hinzu: »Mein ja nur.«

»Unser Auftrag ist es, Überlebende zu suchen und sicher zu bergen.«

»Keine CSAR?«, fragte Smith mit einem Stirnrunzeln, womit er eine Combat Search And Rescue-Operation meinte, einen Rettungseinsatz unter Gefechtsbedingungen.

»In Alaska, Alter?« Garland stieß ihm seitlich in die Rippen. »Wir sind hier in der Heimat, schon vergessen?«

»Was ist das für eine Maschine, Sir?« Neben Garland und Smith saßen Second Lieutenant Everett Sharp und Airman Edward David. Beide schnatterten vor Kälte und rieben sich die behandschuhten Hände. Der Airman hatte die Frage gestellt.

»Eine Gulfstream.«

»Warum wir?«, fragte Sharp.

»Ist eine Maschine der Air Force.«

»So weit draußen?«

Fowler zuckte die Achseln. »Mehr haben die mir auch nicht gesagt. Wir sichern die Absturzstelle, bergen die Passagiere und den Flugschreiber und dann nichts wie nach Hause.«

»Verstanden, Sir.« Sharp nickte. »Können Sie der Lady im Cockpit ausrichten, sie möchte die Heizung doch noch etwas höher stellen?«

»Die Lady kann Sie hören, Lieutenant«, kam McCoughs Stimme über die Kopfhörer. »Ist schon bis zum Anschlag. Die Kälte nimmt dem Motor die Wärme, aus den Lüftungsdüsen kommt nur ein lauwarmer Hauch.«

Acht Minuten später erreichte der Sikorsky HH-60 Pave Hawk den Fuß des Denali. Der Hubschrauber glich in seiner Form dem allgemein bekannten Black Hawk. Für die Anwendungszwecke der verschiedenen Teilstreitkräfte war das Modell modifiziert und umbenannt worden. Während die Army den Black Hawk flog, nannte Sikorsky die Variante für die Air Force Pave Hawk, die für die Küstenwache Jayhawk. Ein wesentlicher Unterschied bestand in dem integrierten PAVE-System, einem elektronischen Militärprogramm, mit dem zahlreiche Fluggeräte ausgestattet waren und denen das Wort Pave bei ihrer Typenbezeichnung vorangestellt war. PAVE stand für Precision Avionics Vectoring Equipment. Der Pave Hawk war speziell für Rettungsoperationen unter Gefechtsbedingungen im feindlichen Hinterland konzipiert worden und für einen Einsatz im winterlich verschneiten Alaska nicht die erste Wahl für eine SAR-Mission gewesen. Da die abgestürzte Maschine der Air Force gehörte, schickte man das hauseigene und spezialisierte Rettungsteam des 24th Special Tactics Squadron der U.S. Air Force. Die Besten der Besten, wenn es um Bergungseinsätze im Feld ging.

»Koordinaten eingeloggt«, sagte McCough und sah in Fowlers Richtung. Ihre haselnussbraunen Augen verrieten einen leicht asiatischen Einschlag. Tatsächlich war ihr Vater Japaner gewesen, soweit Fowler ihrer Dienstakte entnahm. Die Mutter stammte aus Mittelamerika. McCough trug ihr hellbraunes Haar lang, hatte es im Dienst aber stets korrekt zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Air Force war gegenüber ihren weiblichen Soldaten deutlich toleranter als die Marines, die einen Kurzhaarschnitt voraussetzten.

»Was sagen die Scanner?« Fowler sah auf die Displays auf dem Armaturenbrett.

Als McCough nicht antwortete und er sie ansah, bemerkte er, wie sie in die Ferne zu dem Bergmassiv vor ihnen starrte. Der Denali – oder Mount McKinley, wie Fowler ihn noch immer bezeichnete – war ein beeindruckendes Gesteinsmassiv und der höchste Berg auf dem nordamerikanischen Kontinent. Mit seinen fast 6.200 Metern Höhe überragte er jeden Gipfel in den Rocky Mountains. Er gehörte zu den sogenannten Seven Summits, den jeweils höchsten Gebirgen auf den sieben Kontinenten.

»Hey, träumen können Sie, wenn wir zurück sind.«

»Entschuldigung, Sir. Er erinnerte mich an …«

»Später, Lieutenant«, unterbrach Fowler sie. Er arbeitete seit zwei Jahren mit Dawn McCough zusammen. Sie war eine ausgezeichnete Pilotin, wenn sie auch für stellenweise waghalsige Flugmanöver in außergewöhnlichen Situationen bekannt war. Eine Eigenschaft, die ihr den Rufnamen Razor eingebracht hatte. Aber geistig abwesend hatte er sie in all der Zeit nicht bemerkt. Er würde mit ihr reden. Nach dem Einsatz.

»Bestätigter Kontakt«, sagte McCough, als sie wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt war und auf ihre Instrumente blickte. »Radarsignatur passt zu Einsatzparametern. Empfange ein schwaches Notsignal.«

»Kontakt zur Basis?«

McCough schüttelte den Kopf. »Sind außer Reichweite. Keine Satellitenkommunikation.«

»Dann bringen Sie uns runter.«

An Bord des Pave Hawk befand sich Platz für vier bis sechs Crewmitglieder und acht bis zwölf Passagiere. Sie waren bei diesem Einsatz nur zu sechst, hatten also genug Stauraum für zwölf weitere Personen. Eine Gulfstream konnte maximal 18 Passagiere befördern, zuzüglich zwei Piloten. In der Regel reisten bis zu acht Personen mit der Maschine. Fowler konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass ein Flug der Air Force ausgebucht war. Da sie keine weiteren Angaben über die Passagierliste bekommen hatten, rechnete er mit vier bis sechs Passagieren und den beiden Piloten. Es sollte passen.

McCough begann mit dem Sinkflug. Der Hubschrauber geriet in leichte Turbulenzen, die die Pilotin jedoch rasch in den Griff bekam. Sie wurden nur ein- oder zweimal kurz durchgeschüttelt, ehe sich der Flug wieder stabilisierte. Auf einem Schneefeld in einem Tal war eine Schneise im Schnee zu erkennen. Da es zu kalt war für Neuschnee, sah sie noch frisch aus und war durch Windböen nur an wenigen Stellen verweht und überdeckt worden. Am Ende der Schneise, die wie von einem Schneepflug geräumt wirkte, erkannte Fowler die Silhouette der Gulfstream, die durch ihren hellen Rumpf nur an den Rändern vom Schneefeld sichtbar abhob.

»Da ist sie«, sagte Fowler.

»Schon gesehen. Ich gehe runter.«

Der Pave Hawk steuerte das havarierte Flugzeug an und hielt etwa zehn Meter von der Absturzstelle entfernt in der Luft an. Bodenradar und andere Messgeräte an Bord sondierten den Boden unter dem Gletscher.

»Sieht fest aus«, sagte McCough. »Kein Eis. Keine Spalten. Alles massiv.«

»Landen.«

»Verstanden, Sir.«

Der Pave Hawk setzte wenige Augenblick später auf dem Schneefeld auf und versank mit seinen Landekufen darin. McCough senkte den Hubschrauber präzise ab, Zentimeter um Zentimeter, darauf bedacht, ihn sofort wieder hochzuziehen, sollte der Boden unter ihnen nachgeben oder sie zu tief im Schnee versinken. Nach fast einem halben Meter bekamen sie festen Boden zu spüren. Viel weiter hätte sich McCough auch nicht gewagt. Die Rotorblätter hatten bereits Schnee beiseitegefegt, dennoch versank auch Fowler bis fast zu den Knien in der weißen Pracht, als er aus dem Cockpit sprang. Schneeschuhe wären jetzt optimal gewesen, standen aber in ihrer Ausrüstung nicht zur Verfügung.

»In Ordnung. Sind nur zehn Meter, das kriegt ihr ja wohl alle hin. Smith, David, sichern Sie die Landestelle! Garland, Sharp, Erste-Hilfe-Sets mitnehmen und mir folgen!«

Die anderen sahen, wie er seine MP5 schulterte und sahen ihn fragend an.

»Waffen, Sir?«, fragte Smith.

»Sind Sie Soldat oder arbeiten Sie beim Roten Kreuz, Sarge?«

Die Frage war damit beantwortet. Fowler schwor auf seine Prinzipien. Auch wenn sie nicht im Kampfeinsatz waren, gehörte die Maschinenpistole zur Ausrüstung des Rettungsteams, genauso wie die veraltete Beretta M9, die alle im Pistolenholster am Gürtel ihres Parkas trugen. Ihr Team war keine Angriffseinheit, daher verzichtete man darauf, sie mit Sturmgewehren oder Karabinern auszustatten, sondern setzte vornehmlich auf Waffen zur Verteidigung. Allerdings hätte auch die 24ste längst mit den neuen modularen M18-Pistolen von SIG Sauer ausgestattet sein sollen. Fowler hatte sich vorgenommen, die vorgesetzten Nachschuboffiziere nicht länger mit diesbezüglichen Fragen zu belästigen. Die Beretta tat immer noch ausgezeichnet Dienst und gerade bei diesem Einsatz rechnete er nicht mit einem Schusswechsel.

Solltest du aber!, riet ihm eine innere Stimme, die er beim Stapfen durch den tiefen Schnee jedoch sofort wieder verdrängte.

Fowler blieb auf halber Strecke zwischen dem gelandeten Pave Hawk und der abgestürzten Gulfstream stehen, während ihn David und Smith murrend ob der Schneetiefe überholten. Er sah sich um. Das Flugzeug war direkt in einer Senke bruchgelandet. Von drei Seiten wurde die Absturzstelle von riesigen Bergmassiven eingerahmt, während sich das Tal in die vierte Richtung noch einige Kilometer erstreckte.

Garland und Sharp kamen mit den Medikits an ihm vorbei.

»Alles in Ordnung, Sir?«, fragte der Lieutenant. Seine Stimme klang dumpf durch den dicken Schal, den er sich vor den Mund gebunden hatte. Keine Stelle seines Gesichts war frei. Mund und Nase von Stoff bedeckt, der Kopf von der Fellmütze und der darüber geschlagenen Kapuze des Parkas eingerahmt und seine Augen wurden von einer Schneebrille geschützt.

»Ja …«, sagte Fowler. Sein Blick wanderte über die Bergkette. Er fragte sich, was die Jungs von der Air Force hier draußen zu suchen hatten. Und was den Absturz ihrer Maschine verursacht hatte. Der Flugschreiber würde ihnen darüber Auskunft geben.

»Sir, das sollten sie sich ansehen!« Smiths Stimme kam über Funk. Er war mittlerweile gemeinsam mit David am Wrack angekommen. Als Fowler aufschloss, ahnte er schon, was ihm der Sergeant zeigen wollte. Die Umrisse der Maschine zeigten sie in einem gut erhaltenen Stück. Ein Anzeichen dafür, dass der Pilot eine saubere Bruchlandung hingelegt hatte. Doch als Fowler die feine Rauchfahne sah, die auf der anderen Seite der Gulfstream aufstieg, wusste er, dass etwas faul war. Er umrundete den Flieger und gesellte sich zu Smith und David.

Die Gulfstream der U.S. Air Force besaß auf dieser Seite einen Riss in der Seite. Die Fenster waren zerplatzt, das Backbordtriebwerk fort und im Rumpf klaffte eine Öffnung, durch die ein Mensch gepasst hätte.

»Ach du Scheiße!«

»Was ist da los bei euch?«, meldete sich McCough über Funk vom Hubschrauber her.

»Wartet!« Die scharfe Warnung war an Sharp und Garland gerichtet, die sich auf der anderen Seite des Flugzeugs an der Eingangsluke zu schaffen machten, um das Innere zu betreten.

»Wir kennen jetzt die Absturzursache«, sagte Fowler gepresst. »Der Flieger ist abgeschossen worden.«

»Hier draußen?«, rief Sharp von der anderen Seite. »Aber wer sollte mitten im Nirgendwo ein Flugzeug vom Himmel holen, dazu noch auf amerikanischem Grund und Boden? Die Russen, Sir?«

Fowler wusste es nicht. Möglicherweise würden sie es aber im nächsten Moment erfahren. Genau in dem Moment, in dem McCough ihnen von Aktivitäten östlich ihrer Position berichtete, registrierte Fowler aus den Augenwinkeln einen Lichtreflex.

»Runter!«, schrie er und warf sich im Schutz des Flugzeugrumpfs in Deckung. Smith folgte ihm sofort. David zögerte eine Sekunde zu lange. Ehe er reagieren konnte, platzte sein Parka im Brustbereich auf. Stoff flog davon, gefolgt von Haut, Blut und Knochensplittern. Im selben Augenblick detonierte auch sein Rücken, als das Geschoss eines Präzisionsgewehrs seinen Körper durchschlug. Die Wucht des Aufpralls schleuderte David zwei, drei Meter durch den Schnee.

»Verdammte Scheiße!«, rief Smith.

»Kontakt!«

Das Echo eines Schusses hallte von den Bergmassiven wider. Fowler biss die Zähne zusammen. War es das der ersten Kugel, die David erwischt hatte, oder hatte der Schütze bereits ein zweites Mal gefeuert? Im nächsten Moment wusste er es.

Ein Aufschrei. Dann erneut der Hall von den Bergen.

»Mann am Boden!«, brüllte Sharp durch den Funk. »Garland … es hat Garland erwischt. Er ist …«

»Bringen Sie sich in Deckung, Lieutenant!«, rief Fowler zurück. Er nahm die MP5 von der Schulter und wagte sich am Rumpf entlang zur Flosse des Wracks vor.

»Ich hol euch da raus, Leute.« McCough.

Über das Echo eines dritten Schusses hinweg waren die hochfahrenden Turbinen des Helikopters zu hören.

»Sharp?«

»Bin in Ordnung, Sir. Der Letzte ist danebengegangen. Bin in der Maschine. Oh … mein … Gott!«

Fowler spähte über die Heckflosse in die Richtung, aus der die Schüsse kamen und aus der McCough Bewegung geortet hatte. Er sah die Silhouetten von drei Gegnern.

»Da sind noch mehr«, meldete McCough. »Bewegung auf sechs und zwölf Uhr. Die haben uns eingekreist.«

Wieder ein Schuss.

Dann eine Mischung aus Aufschrei und Fluch, die durch den Funkäther tönte.

»McCough!«

»Die nehmen jetzt mich unter Beschuss.«

»Verdammter Mist!« Fowler hob die MP5 an die Schulter und spähte durch das Reflexvisier, das jedoch nur minimale Vergrößerung bot. Die Maschinenpistole war für den Nahkampf entwickelt worden, für einen ordentlichen Beschuss waren die Gegner noch zu weit entfernt. Er sah über die Schulter nach rechts und erkannte dort ebenfalls Gestalten, die sich ihnen näherten.

»Auch drei«, sagte Smith.

Wieder ein Schuss.

»Birnenscheiße und Apfelkacke!«

Fowler presste die Lippen aufeinander. Wenn McCough sich zu dem Fluch aus ihrer Kindheit hinreißen ließ, war die Kacke so richtig am Dampfen.

»Kugel hat Kanzelfenster durchschlagen und mich knapp verfehlt. Hab ein paar Glassplitter abgekommen. Scheiße, was für eine Schweinerei!«

»Abheben!«, befahl Fowler.

»Schon dabei.«

Nur eine Sekunde darauf gesellte sich zu dem Heulen der Turbinen auch das Flattern der Rotorblätter. Ein tiefes, anschwellendes Brummen zeugte davon, dass sich der Hubschrauber in der Luft befand und auf dem Weg zu ihnen war.

»Sharp, raus aus dem Flieger! Nehmen Sie den Backbordausstieg. Unser Taxi kommt.«

»Aye, Captain.«

Dann geschah alles gleichzeitig.

Die Silhouette des Pave Hawk kroch im Licht der Morgensonne über die abgestürzte Gulfstream und warf einen flackernden Schatten, verursacht durch die wirbelnden Rotoren, auf Schnee und Wrack. Die Tür hinter dem Cockpit wurde über die Notautomatik vom Rumpf gesprengt und flog mehr als zehn Meter durch die Luft, ehe sie im Schnee landete. Sharp sprang aus dem Flugzeug, bepackt mit mehreren Sachen, die er zuvor nicht bei sich getragen hatte. Dafür hatte er die medizinische Ausrüstung geopfert.

Wieder fauchte ein Schuss aus dem Scharfschützengewehr. Das schwere Kaliber schlug in den Rumpf der Maschine ein und stanzte ein zweifingerdickes Loch in die Hülle. Parallel dazu eröffneten die drei Gegner, die sich von Süden näherten, das Feuer. Kugeln flogen ihnen um die Ohren, peitschten den Schnee auf und schlugen in den Rumpf des Wracks.

McCough dachte nicht daran zu landen. Sie ließ die Seile über die Windenautomatik aus dem Pave Hawk ab. Smith griff danach, klinkte sich mit einem Karabiner am Gürtel ein und ruckte einmal an dem Tau, ein Zeichen für die Winde, das Seil wieder einzuholen.

Fowler winkte Sharp zu und bedeutete ihm, ebenfalls zum Hubschrauber hochzuseilen. Er selbst ging in die Hocke und versank dabei bis zu Hüfte im Schnee. Die MP5 an der Schulter, lugte er durch das Visier und gab zwei, drei kurze Feuerstöße in Richtung der nahenden Gegner ab.

Das zwang diese kurz in Deckung, was Sharp Gelegenheit gab, sich ebenfalls von der Winde hochziehen zu lassen.

Ein Schussecho übertönte das tiefe Brummen der Rotorblätter, gefolgt von einem metallischen Klang, der McCough zu einem neuen Fluch nötigte.

»Dieser miese Kerl hat etwas erwischt. Beeilung, Leute, Beeilung!«