Tage wie Seeglas - Lurleen Kleinewig - E-Book
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Tage wie Seeglas E-Book

Lurleen Kleinewig

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Beschreibung

Ein neuer Anfang mit Meerblick  Als die 29-jährige Liv eine Stelle als Verkäuferin in einem kleinen Laden für Surfbedarf auf der Ostseeinsel Fährlangen ergattert, geht für sie ein Traum in Erfüllung. Den Neuanfang hat sie nach allem, was sie durchgemacht hat, auch dringend nötig. Gemeinsam mit ihrem Hund bezieht sie ein zauberhaftes kleines Loft direkt am Strand. Auch mit ihrem neuen Chef Dan, einem leidenschaftlichen Surfer, versteht sie sich sofort. Die beiden verbindet mehr als nur die Narben aus der Vergangenheit. Gegen Livs Willen entwickeln sich zwischen ihnen Gefühle. Doch kann Liv ihre Ängste überwinden und ihrem neuen Leben eine Chance geben? Von Lurleen Kleinewig sind bei Forever by Ullstein erschienen: Das kleine Haus am Deich Tage wie Seeglas

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Seitenzahl: 377

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Tage wie Seeglas

Die Autorin

Lurleen Kleinewig, geboren 1975 im niedersächsischen Langenhagen, ist seit ihrer Kindheit von Pferden fasziniert. Bereits als Teenagerin schrieb sie ihr erstes Manuskript für einen Roman, in dem sie ihre Leidenschaft für Irland zum Ausdruck brachte, die sie bis heute nicht losgelassen hat. Nach einem Studium der Germanistik und Anglistik wechselte sie zum Tourismus und bewarb jahrelang ihre Wahlheimat Ostfriesland als Feriengebiet. Sie blieb ihrer Liebe zum Lesen und Schreiben treu, betrieb einen Blog und veröffentlicht als Hobbyautorin regelmäßig Fachartikel in einem lokalen Tierschutzmagazin. Sie lebt heute mit sechs Katzen und einem Pferd in ihrem eigenen „Minihaus“ im Nordharz.

Das Buch

Ein neuer Anfang mit Meerblick

Als die 29-jährige Liv eine Stelle als Verkäuferin in einem kleinen Laden für Surfbedarf auf der Ostseeinsel Fährlangen ergattert, geht für sie ein Traum in Erfüllung. Den Neuanfang hat sie nach allem, was sie durchgemacht hat, auch dringend nötig. Gemeinsam mit ihrem Hund bezieht sie ein zauberhaftes kleines Loft direkt am Strand. Auch mit ihrem neuen Chef Dan, einem leidenschaftlichen Surfer, versteht sie sich sofort. Die beiden verbindet mehr als nur die Narben aus der Vergangenheit. Gegen Livs Willen entwickeln sich zwischen ihnen Gefühle. Doch kann Liv ihre Ängste überwinden und ihrem neuen Leben eine Chance geben?

Von Lurleen Kleinewig sind bei Forever by Ullstein erschienen:Das kleine Haus am DeichTage wie Seeglas

Lurleen Kleinewig

Tage wie Seeglas

Ein Inselroman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinSeptember 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-508-1

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Leseprobe: Das kleine Haus am Deich

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Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Widmung

Für meine Schwester,die das Meer so liebt wie ich.

Motto

Jedes Jetzt ein Fragment deines Lebens,die Tage wie Seeglas am Strand.Geformt von Gezeiten und niemals gleich,nichts ist sicher, aber alles kann sein.

Kapitel 1

Ein leuchtend blauer Himmel spannte sich über den menschenleeren Strand. Es war sechs Uhr morgens. Ihr Vorstellungsgespräch würde erst in drei Stunden beginnen. Sie hatte noch genug Zeit, um vorher das Meer zu sehen. Sie wollte einmal ihre Hände in die sich kräuselnden Wellen tauchen und den Sand unter ihren Fußsohlen spüren. Mit diesem Trost im Herzen konnte sie jederzeit nach Hause fahren, ganz egal, was der Termin später ergeben würde.

Sie machte sich keine großen Hoffnungen. Jobs auf der Insel waren bestimmt begehrt, und obwohl sie über reichlich Verkaufserfahrung verfügte, hatte sie noch nie in einem auch nur ansatzweise trendigen Klamottenladen gearbeitet. In dem Shop wurde überwiegend Surf- und Sportswear verkauft, doch man konnte dort auch die einschlägige Markenbekleidung für Outdoor-Enthusiasten und Hipster bekommen, wie sie auf der Website gesehen hatte. Auf ihre Bewerbung hin – ausgeschrieben war eine Vollzeitstelle – hatte der Inhaber ihr eine E-Mail geschickt und sie völlig formlos zu einem persönlichen Treffen eingeladen. Sie hatte zugesagt, ohne lange zu überlegen. Selbst wenn es nur eine winzige Chance gab, das nervige Berlin gegen diese wunderschöne Insel einzutauschen, würde sie sie ergreifen. Vielleicht konnte sie damit punkten, dass sie durchtrainiert genug aussah, um sportwütige Kunden glaubwürdig beraten zu können. Dass sie ein bisschen Angst vor Wasser hatte und Surfen deshalb ganz oben auf ihrer Not-to-do-Liste stand, musste ja niemand erfahren.

Ihr Blick wanderte über den stillen Strand zu ihrem Hund, der ein paar Meter entfernt völlig selbstvergessen im Sand buddelte. Sie pfiff leise, doch er reagierte nicht. Warum sollte er auch? Er hatte gerade sein persönliches Paradies auf Erden entdeckt und würde sich für immer taub stellen, wenn es sein musste.

Sie seufzte. Wenn sie später ihr Bewerbungsgespräch hatte, konnte sie ihn nicht in Sandras Auto lassen, dafür war es bereits zu warm. Vielleicht gab es die Möglichkeit, ihn vor der Tür anzubinden, vorausgesetzt, sie fand einen schattigen Platz.

Apropos Platz – sie musste noch ein Café oder notfalls auch eine Tankstellentoilette auftreiben, wo sie sich frisch machen konnte. Sie war die halbe Nacht gefahren und fühlte sich klebrig und verschwitzt. Ihr wäre es lieber gewesen, sie hätte am vorherigen Abend anreisen und sich ein Zimmer nehmen können, anstatt übernächtigt direkt von der Autobahn kommend hier aufzuschlagen. Aber sie war so pleite, dass sie nicht mal dreißig Euro für die billige Absteige zusammenkratzen konnte, auf die sie im Internet gestoßen war. Schon das Benzingeld für die Fahrt hatte sie anderweitig einsparen müssen. Sandra, die gute Seele, hatte ihr den Wagen volltanken wollen, doch irgendwo musste Schluss sein. Sie war mehr als dankbar, dass ihre Freundin ihr das Auto geliehen hatte und sie sich für das Vorstellungsgespräch den kurzen sportlichen Jumpsuit in Olivgrün hatte borgen dürfen, der eigentlich Sandras ältester Tochter gehörte. Die Fünfzehnjährige und sie trugen die gleiche Größe.

Ihr eigener Kleiderschrank gab an Sommergarderobe nicht viel her außer ein paar T-Shirts, verblichenen Kleidchen, abgeschnittenen Jeans und natürlich ihren heißgeliebten Lauftights. Nichts davon war ihr tauglich erschienen für den heutigen Tag.

Sie pfiff noch einmal nach dem Hund, während sie durch den weichen Sand stapfte. Erst kurz vor der Wasserlinie blieb sie stehen. Die Wellen glitten murmelnd bis an ihre Zehen heran und zogen sich zurück; hin und zurück, in einem ewigen, gleichbleibenden Rhythmus. Wie gebannt starrte sie auf ihre nackten Füße, fasziniert wie ein Kind, das zum ersten Mal das Meer sieht. Dann beugte sie sich vor und berührte mit den Fingerspitzen das kristallklare Wasser, tauchte die Hände hinein und grub sie in den nachgiebigen Meeresboden. Die Wellen umspülten ihre Handgelenke. Es fühlte sich an, als würden kühle Finger ihre Haut streicheln.

Schließlich setzte sie sich in den Sand, den erschöpften, aber glücklichen Hund an ihrer Seite, und blickte auf die See. Es war so ruhig hier. Kein Verkehrslärm, keine menschlichen Stimmen, keine Großstadtgeräusche. Sie hätte den Rest des Tages damit verbringen können, an ein und derselben Stelle zu sitzen und dem Meer zu lauschen. Ihr Bauchgefühl hatte sie nicht getrogen – sie war an den richtigen Ort gekommen. Rückblickend ein paar Jahre zu spät, aber man war immer erst im Nachhinein schlauer.

Anderthalb Stunden später machte sie sich auf den Weg in die kleine Stadt, die genauso hieß wie die Insel. Sie fand tatsächlich ein Café, das seit wenigen Minuten geöffnet hatte, und zog sich mit ihrer Umhängetasche erst mal auf die Toilette zurück. Nach ausgiebigem Händewaschen, Zähneputzen und dem Einsatz zahlreicher Feuchttücher fühlte sie sich wieder wohl in ihrer Haut. Sie schlüpfte in den Jumpsuit, band sich die Haare aus dem Gesicht und trug ein wenig Make-up und Mascara auf. Statt Lippenstift zu benutzen, begnügte sie sich mit einem Hauch Gloss, um nicht angemalt auszusehen. Obwohl es erst Mitte Juni war, hatte sie bereits leicht gebräunte Haut und war mit Sommersprossen übersät. Ihre Anzahl wuchs mit jedem Sonnenstrahl, vor allem wenn man wie sie jeden Tag mindestens eine Stunde lang durch die Stadt joggte.

Als sie den Waschraum verließ, beschloss sie in einem Anflug von Übermut, sich einen großen Cappuccino mit Pflanzenmilch zu gönnen, weil sie immer noch reichlich Zeit bis zu ihrem Treffen hatte. Durch Berlins gastronomische Vielfalt war sie so verwöhnt, dass ihr gar nicht einfiel, sich über das unerwartete vegane Angebot an diesem abgelegenen Ort zu wundern.

In dem Café war Selbstbedienung. Hinter dem Tresen stand ein großer, sportlicher Kerl, der sein Basecap falsch herum auf dem Kopf trug. Seine lässig-entspannte Art ließ darauf schließen, dass der Laden ihm gehörte.

»Darf dein Hund einen Keks haben?«, fragte er und musterte sie neugierig aus hellblauen Augen. »Ist auch keine Schokolade drauf.«

Sie lächelte freudig überrascht. »Klar, er steht auf Kekse.«

»Keine Angst vor Kalorien?«, witzelte er und kam mit einem gewaltigen Mürbeteigkeks hinter der Theke hervor. Der Hund ließ sich sofort auf den Boden fallen und verzehrte seine Beute in Lichtgeschwindigkeit.

Sie bedankte sich und ging mit ihrem Cappuccino nach draußen, um sich an einen der Tische in die Sonne zu setzen. Vielleicht hätte sie auch etwas zu essen bestellen sollen, doch sie hatte keinen Hunger. Der Cappu reichte ihr völlig. Im Auto lagen Bananen und eine angebrochene Tafel Schokolade, außerdem noch zwei Sandwiches in einer Brotdose, von Sandra liebevoll zurechtgemacht. Ihre Freundin konnte einfach nicht aus ihrer mütterlichen Haut.

Dann war es Zeit zu gehen. Der Surfshop befand sich laut Karte am südlichen Ende der Insel, nahe dem Badestrand, gleich hinter der Uferpromenade. Sie vermutete, dass das so ziemlich die beste Geschäftslage für diese Art Laden war, wenn man auf einer Insel lebte, die unter anderem als Surferparadies bekannt war.

Im Wagen schaltete sie das Navi ein. Der Hund saß neben ihr auf dem Beifahrersitz und schaute blinzelnd aus dem Fenster. Sein herzhaftes Gähnen erinnerte sie daran, dass es noch früh am Morgen war. Er verabscheute die Klimaanlage ebenso sehr wie sie, schien es ihr, also ließ sie vorn beide Scheiben herunter, um die stickige Luft zu vertreiben.

Sie fuhren gut zehn Minuten und sahen dabei einiges von der Insel. Im diesigen Sonnenlicht des frühen Tages wirkte die Landschaft wie mit dem Weichzeichner bearbeitet.

Sie parkte am unteren Ende der Straße, weil sie das letzte Stück zu Fuß gehen wollte. Der Hund trabte wie immer betont unbeteiligt neben ihr her, dabei entging ihm nicht das Geringste. Sie hatte seine Leine und die frisch gefüllte Wasserflasche mitgenommen und hoffte inständig, dass er sich benehmen würde, wenn sie ihn draußen irgendwo anband.

Sie erkannte den Laden bereits aus einiger Entfernung an dem Surfboard, das über dem Eingang hing. Dan surft stand in fetten Lettern darauf. Die Fassade des Hauses war komplett mit Holz verschalt, das durch Wind und Wetter grau geworden war. Jemand hatte die beiden großen Schaufenster aufwendig dekoriert. Sie sah sofort, dass dies ein professionell geführtes Geschäft war, in dem kein Ramsch verkauft wurde, und ihr Herz sank. Ihr Hippieleben in Berlin und die ständig wechselnden Jobs, mit denen sie sich in den letzten drei Jahren mehr schlecht als recht über Wasser gehalten hatte, kamen ihr plötzlich unbedeutend und armselig vor.

Nun gut. Sie straffte die Schultern. Mit etwas Glück würde sich das alles vielleicht bald ändern.

Zum Eingang gelangte man über eine hölzerne Veranda, zu der zwei Stufen hinaufführten. Erleichtert registrierte sie, dass dort ein Wassernapf für Hunde stand und das stabile Geländer sich hervorragend zum Anbinden eignete. Außerdem lag die Vorderseite des Hauses zu dieser Tageszeit noch im Schatten.

»Brav sein!«, schärfte sie dem Hund ein, ehe sie mit wild klopfendem Herzen den Shop betrat.

Der Verkaufsraum war riesig, mit hohen Fensterfronten und freigelegten Balken unter der Decke. Alles war mit viel naturbelassenem Holz rustikal und liebevoll eingerichtet. Im Hintergrund lief leise Rockmusik. Ihr Blick glitt über die offenen Regale und gut bestückten Kleiderständer, dann zum Kassentresen links vom Eingang, über dem zwei gekreuzte Paddel hingen. Dort stand ein großer Mann ungefähr in ihrem Alter und grinste ihr freundlich zu. »Hi, bist du mein Termin für neun Uhr?«

Sie nickte.

»Super. Ich bin Daniel. Oder Dan. Kannst du dir aussuchen.« Er kam lässig auf sie zugeschlendert. Amüsiert stellte sie fest, dass er barfuß lief. Aber schließlich war es sein Laden, wie ihr der witzige Name Dan surft verraten hatte, und er konnte machen, was er wollte.

»Dann musst du Liv sein.« Er sprach es lang gezogen aus, sodass es sich wie Lief anhörte. Der weiche Klang gefiel ihr besser als das übliche, schroffer anmutende Liff.

»Die bin ich.«

Sie gaben sich die Hand.

Typischer Surfer, dachte Liv, unkompliziert und tiefenentspannt. Er hatte ein offenes, sympathisches Gesicht, Dreitagebart, volle rötlich braune Haare mit sandfarbenen Strähnen, die er halblang trug. Seine tief liegenden Augen waren von ungewöhnlich goldbrauner Farbe. Er wirkte sehr sportlich, war mindestens einen Kopf größer als sie und sonnenverbrannt. Wahrscheinlich verbrachte er viel Zeit im Freien, genau wie sie selbst. Mit seinem dichten Haarschopf und den goldenen Augen erinnerte er sie an einen großen, majestätischen Löwen. Seine Freundlichkeit war ungekünstelt, und dennoch erschien er ihr irgendwie … traurig. Oder vielleicht war deprimiert das passendere Wort.

Sieh an, dachte Dan, eine Meerjungfrau, und das aus dem dreckigen Berlin. Laut den Bewerbungsunterlagen war sie neunundzwanzig Jahre alt. Augen so hell wie Seeglas, nicht blau, nicht grün; blonde Korkenzieherlocken, die nicht mal das Haargummi zu bändigen vermochte, und das eckige Gesicht mit dem kühlen Ausdruck voller Sommersprossen. Sie war sehr dünn, nahezu mager, nur Muskeln und Knochen, und schien vor mühsam unterdrückter Energie zu vibrieren. In Gedanken hatte er sie quasi schon eingestellt. Sie war perfekt für den Job, obwohl er keine Ahnung hatte, wie er sich da nach gerade mal zehn Sekunden so sicher sein konnte.

»Ich hoffe, es ist okay, dass ich meinen Hund draußen am Geländer angebunden habe«, sagte sie jetzt vorsichtig.

Dan hob erstaunt die Augenbrauen. »Hol ihn doch rein.«

»Im Ernst? Er darf hier ins Geschäft?«

»Klar, warum nicht? Hunde sind klasse.«

»Oh, wow … Danke schön!« Er sah ihr die Erleichterung förmlich an. »Er ist auch echt artig und macht nichts kaputt.«

Dan ging in die Hocke, als der kleine braune Terriermischling wie selbstverständlich in den Laden getrabt kam und ihn schwanzwedelnd begrüßte.

»Hi, Hund«, sagte er lächelnd. Das schnauzbärtige Gesichtchen mit den dunklen Knopfaugen und dem prägnanten Unterbiss hatte es ihm sofort angetan. »Wie heißt er?«

»Bradley Cooper.«

»Was? Bradley Cooper?« Dan lachte los. »Wie der Schauspieler?«

»Jaaa …« Liv wand sich ein bisschen, was er drollig fand.

»An dem Tag, als ich ihn aus dem Tierheim geholt habe, haben wir Hangover auf DVD gesehen, meine Mitbewohnerin und ich. Ihre beiden Töchter fanden Bradley Cooper toll, also musste der Hund auch so heißen.«

Dan lächelte noch immer. »Ich finde, er sieht viel besser aus als Bradley Cooper. Wie rufst du ihn? Brad?«

»Eigentlich hört er am besten auf BC«, erwiderte sie schüchtern. »Aber Bradley funktioniert auch.«

»Okay, ihr zwei, dann lasst uns mal ein bisschen über das Geschäftliche reden. Wir öffnen erst in einer halben Stunde, also haben wir genug Zeit.« Dan stand auf und wies hinter sich, wo vor einer bodentiefen Glasfront tatsächlich ein gemütliches, leicht zerknautschtes Ecksofa stand. »Setz dich. Möchtest du was trinken? Wasser, Kaffee, Tee?«

»Kaffee wäre toll, wenn es keine Umstände macht.«

»Macht es nicht. Ich trinke auch noch einen. Was ist mit Bradley?«

»Der trinkt keinen.«

Sie sahen sich an und lachten. Dan, der eigentlich dazu neigte, sich Fremden gegenüber erst mal in sein Schneckenhaus zurückzuziehen, wunderte sich ein bisschen über sich selbst.

Als er mit zwei vollen Kaffeebechern in der Hand aus der kleinen Küche hinter dem Kassenbereich zurückkam, blickte Liv gerade wie gebannt aus dem Fenster. Er konnte ihre offensichtliche Faszination nachvollziehen. Das Meer war keine zweihundertfünfzig Meter entfernt. Nur die gepflasterte Fußgängerpromenade trennte das Haus vom Strand, der zum Wasser hin sanft abfiel. Es war schon etwas Besonderes, an einem Ort mit einer solchen Aussicht zu arbeiten.

Durch seine eigene Geschichte hatte er eine Art siebten Sinn entwickelt und erkannte Menschen mit einer schwierigen Vergangenheit, wenn er sie traf. Er fragte sich, wie Livs wohl aussehen mochte. Aber eigentlich spielte es keine Rolle, solange sie kein Ex-Junkie war wie er. Sie wirkte nicht wie einer – wenn sie süchtig war, dann höchstens nach Sport, ihrer drahtigen Figur nach zu urteilen. Das konnte in dem Job, für den sie sich bewarb, sogar von Vorteil sein.

Während des Gesprächs, das er mit ihr führte, schien sie sehr konzentriert. Ihre Antworten waren präzise und nicht zu ausschweifend. Sie erweckte den Eindruck, als könnte sie hart und diszipliniert arbeiten, und das genügte ihm. Dass sie Verkaufserfahrung hatte, war natürlich ein Pluspunkt, aber er hätte sie auch als Anfängerin eingestellt. Anders als bei den drei Bewerbern, die er vor ihr eingeladen hatte, stimmte die Chemie zwischen ihnen, ohne dass er exakt hätte benennen können, woran das lag. Vielleicht hatte es mit ihrem Hund zu tun, der es sich mittlerweile auf seinem Schoß bequem gemacht hatte, oder mit dem trockenen Humor, der ab und an aufblitzte, wenn sie eine Bemerkung fallen ließ.

Er beschloss, es einfach zu wagen. Er wollte nicht mit jemandem zusammenarbeiten müssen, in dessen Gegenwart er sich unbehaglich oder gestresst fühlte. Liv hatte eine angenehm zurückhaltende und dabei unkomplizierte Art, mit der er gut umgehen konnte. Introvertierte Frauen hatten ihm schon immer mehr gelegen als aufgekratzte Partyhühner, auch wenn er eine Weile gebraucht hatte, um das zu begreifen.

»In Ordnung.« Er fuhr sich verlegen durch die Haare und fragte sich, ob sie sein Angebot annehmen würde. »Ich kann dir einen Festvertrag anbieten, vorausgesetzt, unsere Umsätze bleiben so stabil. Drei Monate Probezeit. Du bekommst dreißig Tage Urlaub und musst dich nur mit mir abstimmen. Keine weiteren Angestellten. Du kannst völlig selbstständig arbeiten. Das Gehalt ist vielleicht nicht gerade der Renner, aber es gibt noch Luft nach oben.« Er nannte ihr eine Summe, die sie positiv zu überraschen schien.

»Heißt das, ich … ich habe den Job?«, vergewisserte sie sich ungläubig, als könnte sie es gar nicht fassen, dass er sie tatsächlich einstellen wollte.

»Wenn du ihn willst, dann hast du ihn. Oder brauchst du noch Bedenkzeit?«

»Ich, nein, überhaupt nicht. Ich dachte nur, du vielleicht, weil …« Sie brach ab. Dass er ihr eine unbefristete Vollzeitstelle anbot, brachte sie offenbar komplett aus der Fassung.

Dan schüttelte den Kopf. »Ich verlasse mich jetzt einfach mal auf mein Bauchgefühl. Ich brauche jemanden, der Verantwortung übernehmen und mich zu hundert Prozent vertreten kann, wenn es sein muss. Traust du dir das zu? Natürlich erst, wenn du dich ausreichend eingearbeitet hast.«

Liv nickte. »Klar, das schaffe ich. Ich kann rund um die Uhr arbeiten, wenn es sein muss. Außer dem Hund habe ich keine Verpflichtungen.«

Dan war erleichtert. »Super. Also, das ist, äh, perfekt. Kannst du am ersten Juli anfangen?«

»Wow, das ist ja schon in zwei Wochen. Wenn ich bis dahin den Umzug organisiert kriege und eine Wohnung finde, dann ja.«

»Auf ein paar Tage kommt es nicht an.« Er dachte nach. »Würde dir für den Anfang auch eine Einraumwohnung reichen?«

Sie lachte fröhlich. »In Berlin leben BC und ich in einem zwölf Quadratmeter großen Zimmer, Küche und Bad zur gemeinsamen Benutzung. Noch Fragen?«

»Dann kommt mal mit.« Dan stand vom Sofa auf, hängte ein Bin in 5 Minuten zurück-Schild an die Ladentür, obwohl sie noch gar nicht geöffnet hatten, und bedeutete Liv, ihm nach draußen zu folgen. Sie liefen ein paar Schritte bis zum Nachbarhaus links neben dem Surfshop. Dan erklomm die wenigen Stufen zur Eingangstür mit einem lässigen Satz und schloss auf. »Das Haus gehört meiner Familie, also meinen Geschwistern und mir«, erklärte er der erstaunten Liv. »Wir benutzen die unteren Räume als Lager für den Shop und das Café meines Bruders. Die große Wohnung im Obergeschoss ist schon länger fest vermietet an einen Messebauer, der quasi nie zu Hause ist. Aber es gibt noch ein Loft …, wenn man es so nennen kann. Ein großer Raum mit Küchenzeile, dazu ein Bad und eine Dachterrasse. Isa, meine Schwester, hat darin gewohnt, ehe sie vor einem halben Jahr mit ihrem Freund zusammengezogen ist. Seitdem steht es leer.«

Liv folgte Dan die ausgetretenen Holzstufen hinauf in die erste Etage. Die Wohnung, die sie betraten, bestand aus einem rechteckigen Zimmer, das etwa vierzig Quadratmeter groß sein mochte und sich annähernd über die gesamte Rückseite des Hauses erstreckte. Weiß gestrichene Wände, abgenutzte Fußbodendielen, die bei jedem Schritt knarrten. Links befand sich eine bunt zusammengewürfelte Küchenzeile, komplett mit Kühlschrank, Spüle, Herd und Wandregalen. Es gab sogar eine Geschirrspülmaschine. Gleich daneben führte eine Tür in ein kleines, fast neues Badezimmer, das ganz in Weiß und Grau gehalten war. Das Loft selbst war leer bis auf einen alten Holztisch mit ein paar Stühlen, einen bunten Baumwollteppich auf dem Boden sowie einige Kartons, die wahrscheinlich noch Habseligkeiten der Vormieterin enthielten.

Die Decke war nicht besonders hoch, dafür wurde nahezu die komplette Rückwand des Zimmers von alten Sprossenfenstern eingenommen. Eine altmodische gläserne Balkontür führte auf die von Dan angekündigte Dachterrasse, die sie nacheinander betraten.

Liv wurde ganz still. Von hier oben hatte man eine unglaubliche Aussicht auf das nahe Meer. Nicht mal ein Baum versperrte den Blick. Die Terrasse befand sich auf einem lang gezogenen Anbau, der wahrscheinlich nachträglich an das ursprüngliche Gebäude angefügt worden war. Eine einsame Bank mit einem kleinen Tisch stand windgeschützt an der Hauswand. Liv stellte sich vor, wie sie hier stundenlang sitzen und aufs Wasser schauen würde. Wenn nicht in diesem Moment BC angefangen hätte, eine Katze anzubellen, die ein Stockwerk tiefer durch den Garten schlich, hätte sie sich gefragt, ob das alles nicht vielleicht nur ein schöner Traum war.

Sie wandte sich an Dan, plötzlich entschlossen, mit offenen Karten zu spielen, um sich selbst eine Enttäuschung zu ersparen. »Ich hoffe, du verstehst mich nicht falsch – das Loft ist der Hammer, und ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir anbietest, hier zu wohnen. Aber ehrlich gesagt bin ich vollkommen pleite. Ich glaube nicht, dass ich mir die Miete in dieser Wahnsinnslage leisten kann. Ich meine, ich würde allein für den Blick aufs Meer einen Mord begehen, aber danach wüsste ich immer noch nicht, wovon ich mir Möbel kaufen sollte. Ich besitze ein Bett und einen Schrank, und das war’s so ziemlich. Die letzten Jahre waren … nicht ganz einfach. Ich fange bei null an, im buchstäblichen Sinne.«

Er hatte ihr schweigend zugehört. Dann richtete er seine ungewöhnlich goldenen Augen auf sie. »Mach dir da mal keine Gedanken«, sagte er ruhig. »Das Haus ist alt und die Wohnung klein, dafür kann ich dir kaum sonderlich viel abknöpfen. Wir verrechnen die Miete mit deinem Gehalt, solange du hier wohnen möchtest. Falls dir das recht ist. Die Sache mit den Möbeln wird sich auch irgendwie lösen lassen. Das, was zurzeit an Mobiliar vorhanden ist, kannst du natürlich benutzen. Im Keller steht sogar noch Isas Waschmaschine, die hat sie nicht mitgenommen, als sie ausgezogen ist. Mit deinem Bett und dem Schrank bist du dann schon fast mit dem Nötigsten ausgestattet. Den Rest kannst du dir ja nach und nach anschaffen. Ole und ich schauen uns hier die nächsten Tage noch mal genauer um, falls irgendwas repariert oder ersetzt werden muss, aber ich denke, die Bude ist ganz gut in Schuss.«

Nun wusste Liv nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie hatte auch keine Ahnung, wer Ole war, aber das Ganze klang vernünftig und mehr als großzügig. Ihr neuer Chef schien ziemlich praktisch veranlagt zu sein, und er stellte keine neugierigen Fragen.

Mit einem Mal sehnte sie sich schmerzlich danach, hier zu leben; in Ruhe und Frieden, mit einem festen Job und dieser traumhaften kleinen Wohnung als Zufluchtsort. Sie könnte jeden Morgen vor der Arbeit am Strand joggen. Mit dem Rad in die Stadt fahren zum Einkaufen. BC könnte endlos im Sand buddeln. Ganz sicher hatte sie nicht erwartet, einen so verheißungsvollen Neuanfang mit einer popeligen kleinen Bewerbung anzustoßen. Es war so viel mehr, als sie sich überhaupt noch vom Leben erhofft hatte.

Dankbar blickte sie Dan an und versuchte erst gar nicht zu verbergen, wie überwältigt sie war. »Okay. Das – das hört sich toll an. Ich bin dabei. Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir. Danke. Vielen, vielen Dank!«

Kapitel 2

»Und du haust wirklich schon in zwei Wochen ab?« Sandra klang immer noch einigermaßen fassungslos.

»Komm doch mit!«

»Sehr witzig. Ich mag die Ostsee, aber Berlin liebe ich. Die Kinder auch. Und eine Insel? Die würden mir was husten.«

Liv lachte und gähnte gleichzeitig. Sie war vor einer guten Stunde nach einer schier endlosen Fahrt voller Staus und Baustellen zu Hause angekommen, mit BC Gassi gegangen und hatte sich nun mit Sandra an den Küchentisch gesetzt. Zur Feier des Tages hatten sie einen billigen Sekt geköpft, den sie aus Wassergläsern tranken. Liv erzählte ihrer Freundin und Vermieterin von ihrem Bewerbungsgespräch und ihrem zukünftigen Chef. Sie schilderte ihr die Strände, an denen sie gewesen war und die alle verschieden aussahen, und den unglaublichen Blick auf das Meer von der Dachterrasse ihrer neuen Wohnung aus.

Sandra hörte aufmerksam zu und stellte ungefähr hundert Fragen. Am Ende sagte sie: »Mach dich darauf gefasst, dass wir dich bald besuchen kommen. Und ich meine wirklich bald. Das klingt alles viel zu gut, um wahr zu sein, deshalb muss ich es mit eigenen Augen sehen. Bist du dir sicher, dass der Typ kein irrer Serienkiller ist, der das Ganze nur inszeniert hat, um Frauen anzulocken?«

Liv kicherte. »Nee. Viel zu großer Aufriss. Das könnte er auch einfacher haben, so wie er aussieht.«

»Ach so?« Sandra wurde hellhörig. »Sieht er gut aus, ja? Endlich ein Kandidat, der deine Gnade findet?«

Liv warf ihr einen schiefen Blick zu. »Du weißt, dass Männer für mich kein Thema sind. Nicht so. Mein zukünftiger Chef schon gar nicht. Ich werde für ihn arbeiten, und damit hat es sich. Objektiv betrachtet ist er sicherlich was fürs Auge, ja. Wenn man auf den Surfertyp steht.«

»Objektiv betrachtet«, äffte Sandra sie nach. »Gib es doch zu, wenn du ihn heiß findest. Das ist keine Schande, okay? Ich wäre glücklich, dich mal verknallt zu erleben. Das ist menschlich!«

»Keine Chance.« Es war nicht das erste Mal, dass Liv bei dem Thema kurz angebunden reagierte. »Ich bin einfach froh, wenn ich lebe. Den Rest kann ich bis auf Weiteres nicht gebrauchen.«

Sandra verdrehte die Augen, war aber klug genug, die Diskussion an dieser Stelle abzubrechen. Stattdessen fragte sie: »Was willst du alles mitnehmen?«

»Gute Frage«, erwiderte Liv düster. »Ich habe ja nur das Bett, den Schrank, die Kommode … Den übrigen Kleinkram verschenke ich, der lohnt das Einpacken nicht. Trotzdem werde ich wohl einen Transporter mieten müssen. Ich hoffe nur, dass ich den irgendwo auf der Insel zurückgeben kann.«

Sandra überlegte einen Moment und schlug dann vor: »Warum verkaufst du nicht einfach alles, was sich zu Geld machen lässt, und nimmst nur deine Klamotten mit? Von der Kohle bestellst du dir im Internet ein schickes Schlafsofa und lässt es dir ins Haus liefern. Schränke und Regale kaufst du, sobald dein erstes Gehalt da ist. Fang ganz neu an. Wir packen deine Koffer und BCs Kissen in den Kombi, ich fahre dich hoch zur Insel und bleibe übers Wochenende, um dir beim Einrichten zu helfen. Was hältst du davon?«

Liv musste nicht lange nachdenken. »Gott, das wäre so toll! Würdest du das wirklich tun?«

»Glaubst du, ich würde es dir sonst vorschlagen?«

»Keine Ahnung, ich kann nicht mehr klar denken. Was passiert denn mit den Kindern, während du weg bist? Die passen doch nicht auch noch ins Auto.«

»Ach, die schicke ich zu meiner Schwester. Oder ich lasse Margot zwischendurch nach dem Rechten sehen. So klein sind sie ja nicht mehr, und Margot wohnt schließlich nur eine Tür weiter. Als gute Nachbarin kann sie das ruhig mal tun.«

»Oh Mann, ich sterbe jetzt schon vor Aufregung. Hoffentlich kriege ich das ganze Zeug in zwei Wochen überhaupt verkauft.«

»Falls nicht, kümmere ich mich weiter darum und überweise dir dann das Geld. Ist doch alles kein Problem.«

Die kommenden vierzehn Tage vergingen wie im Flug. Liv sortierte, packte, organisierte und telefonierte zwischendurch mit Dan, der sie mit nützlichen Tipps für das Leben auf der Insel versorgte.

Sie schaffte es tatsächlich, so gut wie alle ihre Habseligkeiten, abgesehen von ihren persönlichen Dingen, zu verkaufen, wenn auch zu Spottpreisen. Sie war selbst überrascht, wie leicht es ihr fiel, sich von Möbeln und Schnickschnack zu trennen. Viel war es ohnehin nicht. Als sie vor drei Jahren bei Sandra eingezogen war, hatte sie auch fast nichts besessen. Alles war in einer Vergangenheit zurückgeblieben, die nicht mehr existierte. Deshalb hatte sie wenig Bezug zu den paar Stücken, die sie nun ihr Eigen nannte, und gab sie leichten Herzens weg.

Sandras Töchtern Ella und Dina schenkte sie Klamotten und Schmuck, der ihnen gefiel, und Sandra selbst bekam den von ihr heiß geliebten Schlapphut und den Glitzerschal, die sie sich beide schon zigmal ausgeliehen hatte. Bücher und Make-up hatten sie seit jeher untereinander getauscht, sodass eine Menge davon ebenfalls bei Sandra in der Wohnung blieb.

Am Morgen des Umzugs luden sie zwei Koffer, eine Kiste mit Büchern und CDs und zwei große Taschen mit Bettzeug, Handtüchern und Schuhen in Sandras Wagen. BC war mitsamt seinem Hundekissen bereits auf der Rückbank verstaut worden und teilte sich den Platz mit Livs und Sandras Rucksäcken sowie einem großen Korb mit Lebensmitteln. Irgendwo im Fußraum lag, sorgfältig in eine alte Decke eingewickelt, die Nachttischlampe vom Flohmarkt, von der Liv sich aus nostalgischen Gründen nicht hatte trennen wollen. Auf dem Fahrradträger, den Sandra sich von einem Bekannten geliehen hatte, befestigten sie Livs Fixie, ein Überbleibsel aus ihrer Zeit als Fahrradkurierin. Dann fuhren sie los.

Liv bemühte sich, ein fröhliches Gesicht zu machen, während sie Ella und Dina zum Abschied Kusshände zuwarf. Die beiden standen noch im Schlafanzug zusammen mit Margot auf dem mikroskopisch kleinen Balkon ihrer Wohnung und winkten ihr eifrig nach.

Der Abschied von den Mädchen fiel ihr schwer. Während Ella, typisch Teenager, nur mit Mühe hatte verbergen können, dass sie über ein Wochenende ohne mütterliche Aufsicht höchst erfreut war, hatte die elfjährige Dina sich wie ein Äffchen an Liv geklammert und sie nicht loslassen wollen. Das machte die Sache nicht gerade leichter. Liv hatte ein bisschen in Dinas langes, seidiges Goldhaar geweint und sich dann zusammengerissen. Sie wären sonst nie weggekommen.

Sandra warf ihr einen liebevollen Blick zu. »Du bist immer wie eine große Schwester für sie gewesen. Wahrscheinlich werden sie mich regelmäßig damit quälen, dass sie dich besuchen wollen, sobald sie erst mal realisiert haben, dass du auf einer Insel wohnst. Strand und Meer und hübsche Surfer.« Sie seufzte. »Ella interessiert sich schon fast für nichts anderes mehr. Boys, boys, boys, wie sie sich ausdrücken würde. Ich muss echt aufpassen, dass sie keinen Blödsinn anstellt.«

»Wahrscheinlich warst du in dem Alter kein Stück besser. Und bist es heute auch nicht.«

»Worauf du wetten kannst!«

Sie kicherten, während Sandra den Wagen durch den Samstagmorgenverkehr in Richtung Autobahn lenkte.

Liv war dankbar, ihre Freundin und engste Vertraute an ihrer Seite zu wissen. Die Jahre, in denen sie bei Sandra und den Kindern gewohnt hatte, hatten sie zusammengeschweißt. Sie waren wie eine Familie. Die drei hatten sie aufgenommen und ihr Geborgenheit und Halt gegeben, nachdem ihr Leben auseinandergebrochen und sie psychisch und körperlich am Ende gewesen war.

Sandra, die als Erzieherin arbeitete, vierzig Jahre alt und eine echte Berliner Pflanze war, hatte damals eigentlich nur eine Mitbewohnerin gesucht, um die Mietkosten zu teilen. Gefunden hatte sie, trotz des Altersunterschieds von über zehn Jahren, eine neue beste Freundin und Seelenverwandte, die ganz eindeutig Hilfe brauchte. In ihrer großzügigen, herzlichen Art hatte sie Liv in ihrer kleinen Familien-WG willkommen geheißen und dafür gesorgt, dass sie nicht den Boden unter den Füßen verlor. Selbst wenn sie in Berlin eindeutig am falschen Ort war, wie Sandra insgeheim fand, so war sie bei ihr und den Mädchen immer noch besser aufgehoben gewesen als in irgendeiner anonymen Hochhaussiedlung.

Auf der gut vierstündigen Fahrt hatten die beiden Frauen reichlich Gesprächsstoff. Während sie sich den Kaffee aus der Thermoskanne teilten und die Sitze mit Keksen vollkrümelten, rätselten sie unter anderem darüber, ob das Sofa, das Liv online bei einem bekannten schwedischen Möbelhaus bestellt hatte, rechtzeitig angekommen war. Ob es auf der Insel vernünftiges WLAN gab. Und ob im Winter Schnee fiel und Liv dann trotzdem mit dem Rad zum Einkaufen fahren konnte.

Als sie die Brücke überquerten, die die Insel mit dem Festland verband, schien die Sonne. Sandra seufzte entzückt auf. »Mensch, das ist ja der Knaller! Guck mal, unten auf dem Wasser ist alles voll mit Segelbooten.«

Liv war so aufgeregt, dass sie nicht mehr als einen flüchtigen Blick für die malerische Szene übrig hatte. Mit einem Mal befielen sie Zweifel. War es richtig gewesen, ihr Leben in Berlin aufzugeben? Was, wenn die Insel doch zu abgelegen war und sie sich einsam fühlte?

Sandra hatte ihr eingeschärft, dass sie jederzeit zurückkehren konnte zu ihr und den Mädels. Sie würde Livs Zimmer vorerst nicht weitervermieten. Aber das schien ihr keine gute Idee zu sein. Sie hatte sich mit der Großstadt nie wirklich angefreundet, hatte immer das Gefühl gehabt, nicht richtig atmen zu können. Der Krach und die Hektik waren ihr an die Substanz gegangen. Vielleicht hatte sie sich dennoch zu spontan entschieden. Landleben schön und gut – aber gleich eine Insel?

Als sie schließlich vor Dan surft parkten, war Liv trotz Sandras gutem Zureden ein Nervenbündel. Glücklicherweise kam Dan aus dem Laden, um sie zu begrüßen, bevor sie völlig durchdrehen und Sandra überreden konnte, wieder zurück nach Berlin zu fahren.

»Hi, da seid ihr ja. Wie war die Fahrt?« Dan gab den Frauen die Hand und war überrascht, wie anders Liv aussah, als er sie in Erinnerung hatte. Sie trug ihr wild gelocktes Haar offen und war so dünn, dass sich an ihren Armen die Adern blau wie schmale Flüsse unter der Haut abzeichneten. Ihre besorgten Augen wirkten riesig in dem spitzen Gesicht. Er hatte plötzlich das Bedürfnis, schützend den Arm um sie zu legen. Ein Impuls, der ihm, wie er halb belustigt, halb erstaunt feststellte, schon länger nicht mehr untergekommen war.

Sandra hingegen war ein komplett anderes Kaliber; ein Vollweib, wie es im Buche stand. Mit ihrer hellbraun glänzenden Mähne, dem wogenden Busen und den langen Beinen war sie gut ausgestattet und ließ sich trotz des offenkundigen Altersunterschieds nicht davon abhalten, mit Dan zu flirten.

»Hallo, ich bin Sandra. Ist ja ein herrlicher Ort, an dem ihr lebt. Gibt es hier zufällig ein paar hübsche Junggesellen für eine Berliner Bulette wie mich? Dann weiß ich nämlich schon, wo ich meinen nächsten Urlaub verbringe.« Sie lachte kehlig, und Liv verzog das Gesicht, was Dan nicht entging.

Er registrierte, dass Sandra ein Auge auf ihn geworfen hatte, war jedoch geübt darin, derartige Annäherungsversuche freundlich-distanziert an sich abperlen zu lassen. Er hob Livs Koffer aus dem Auto und ging voran, um die Haustür aufzuschließen. Liv und Sandra folgten mit den Taschen und BC, der so tat, als würde er schon ewig hier leben.

Oben vor der Wohnung drückte Dan Liv die Schlüssel in die Hand. »Hier, das sind jetzt deine.«

Liv lächelte ihn unsicher an und trat über die Schwelle ihres neuen Heims, nur um gleich darauf wie vom Donner gerührt stehen zu bleiben. Unmittelbar vor der Fensterfront mit Blick zum Meer stand ihr neues Schlafsofa, fix und fertig aufgebaut und heimelig mit einer weichen Decke und ein paar Kissen dekoriert. Auf dem großen Holztisch stand ein Strauß Wiesenblumen in einer Glasvase, und der gesamte Raum blitzte vor Sauberkeit. Durch eins der gekippten Fenster drang der frische, herbe Geruch der Ostsee herein.

»Alter Schwede«, entfuhr es Liv. Sie strahlte über das ganze Gesicht, was Dan mehr freute, als er zugeben wollte.

»Das war Isa. Sie hat meinen Bruder und mich gestern Abend noch gezwungen, dein Sofa aufzubauen, und wie eine Verrückte um uns herum geputzt. Ich glaube, sie hat auch den Kühlschrank aufgefüllt. Ich konnte sie gerade noch davon abhalten, deinem Hund ein Körbchen zu bestellen … Sie kann manchmal ziemlich distanzlos sein. Ihr lernt sie bestimmt bald kennen. Heute vermutlich noch nicht, weil sie anderweitig beschäftigt sein dürfte. Ole hat sie als Gegenleistung nämlich dazu verdonnert, für sein Café ein paar Kuchen zu backen. Das hasst sie mehr als alles andere.«

Liv kicherte. »Sag ihr, dass sie meine neue Heldin ist und ich vor ihr auf Knien rutsche«, bat sie Dan. »Und vielen Dank fürs Sofaaufbauen. Ich bin nicht gerade traurig, dass uns das heute erspart bleibt.«

»Kein Problem. Wenn ihr irgendwas braucht, kommt einfach ins Geschäft. Ich muss jetzt wieder runter. Ole vertritt mich ungern, selbst wenn es nur für ein paar Minuten ist, aber er war zufällig gerade da, als ihr angekommen seid. Wird Zeit, dass ich vernünftiges Personal kriege!« Er versetzte ihr einen freundschaftlichen Schubs und ließ sie mit Sandra und BC allein.

Die beiden Frauen sahen sich an.

»Alles klar«, sagte Sandra langsam. »Ich glaube, ich bin hier überflüssig. Du gehörst schon zur Familie. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob dieser Dan rein brüderliche Gefühle für dich hegt. Auf mich ist er jedenfalls nicht scharf.«

»Sandra! Jetzt hör auf, okay? Er ist mein Chef und mein Vermieter – Punkt, aus, Ende. Muss sich bei dir immer alles um Sex drehen? Komm, lass uns den übrigen Kram nach oben schaffen, und dann gucken wir mal, was wir noch einkaufen müssen. Und ich will nie wieder hören, dass du überflüssig bist, du blöde Kuh!« Liv hängte sich an Sandras Hals und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Sandra grinste. »Na ja, ein bisschen stimmt es ja schon. Aber so kann ich dich wenigstens beruhigt hierlassen. Ein Serienkiller ist er definitiv nicht. Er und seine Sippe werden sich gut um dich kümmern, denke ich.«

Sie holten Livs restliche Sachen aus dem Auto und rollten ihr Fahrrad fürs Erste hinter das Haus. Dann inspizierten sie gemeinsam den Keller, wo Isas alte Waschmaschine stand, wie Dan gesagt hatte. Zu Livs Entzücken war sie gar nicht alt, sondern fast neu und verfügte sogar über einen integrierten Trockner.

Wieder oben in der Wohnung räumten sie alles ein, was sich irgendwo unterbringen ließ. Es gab zwar noch keinen Schrank, aber dafür ein weißes Holzregal und eine riesige alte Kommode im Shabby-Look mit quietschenden Schubladen. Liv hätte schwören mögen, dass beides beim letzten Mal noch nicht da gewesen war. Dans Schwester musste ein wahrer Engel sein. Liv vermutete stark, dass die zusätzlichen Möbel auf ihr Konto gingen.

Der Kühlschrank war tatsächlich mit ein paar Lebensmitteln bestückt, unter anderem einer Flasche Sekt. Es gab außerdem einen Wasserkocher und eine Kaffeemaschine sowie ausreichend Geschirr. Die zur Maschine passenden Kaffeepads standen in einer Dose im Regal.

»Herr im Himmel«, ließ sich Sandra vernehmen. »Das ist ja hier wie in einer gut ausgestatteten Ferienwohnung!«

Sie machten sich Kaffee in zwei großen Henkelpötten und gingen nach draußen auf die Dachterrasse.

Sandra verstummte angesichts des grandiosen Ausblicks. Auch Liv schwieg und hielt das Gesicht in die warme Brise, die vom Meer her wehte. Es fühlte sich tatsächlich ein bisschen so an, als wäre sie im Urlaub. Dass ihr Leben von nun an immer so aussehen sollte, wagte sie noch nicht zu glauben.

Abends bestellten sie Pizza und schwelgten bei einer Flasche Wein in Erinnerungen. Erst nach Mitternacht krochen sie in die Federn. Am nächsten Morgen gönnten sie sich noch ein ausgiebiges gemeinsames Frühstück, ehe Sandra sich wieder auf die Heimreise machte. Liv stand auf dem Bürgersteig und winkte Sandras Wagen nach, der hupend um die Ecke bog. Ihr Abschied war emotional und tränenreich gewesen. Nur gut, dass ihre Freundin versprochen hatte, spätestens in den Sommerferien mit den Mädchen zu Besuch zu kommen. Das war etwas, worauf sie sich freuen konnte. Aber nun mussten der Hund und sie sich erst einmal allein zurechtfinden und einleben.

Die Straße lag still in der Morgensonne. Liv pfiff nach BC, der im Vorgarten etwas Spannendes erschnüffelt hatte, und lief los in Richtung Strand. Zwischen ihrem Wohnhaus und dem Geschäft verlief ein schmaler Trampelpfad, der direkt zur Promenade führte. Sie überquerte den gepflasterten Weg, ohne nach rechts oder links zu schauen, und marschierte schnurstracks zum Wasser hinunter.

Das Meer war ruhig und tiefblau. Es schien sie willkommen zu heißen. Sie setzte sich mit angezogenen Beinen in den Sand und verschränkte die Arme vor den Knien. Hier wollte sie bleiben und einfach nur den Wellen zuhören. Das eintönige Rauschen beruhigte sie. Sie mochte nicht an morgen denken, noch nicht. Zwar freute sie sich auf ihren neuen Job, doch sie fürchtete sich mindestens genauso sehr. Wenn sie es versaute, war das alles hier ganz schnell wieder vorbei, und dann stünde nichts mehr zwischen ihr und ihren Geistern.

Dan war, von Liv unbemerkt, schon seit Stunden im Laden beschäftigt. Er war sonntags oft früh im Geschäft und arbeitete, da er wenig schlief. Es gab immer etwas zu erledigen, also konnte er genauso gut herkommen und etwas Produktives tun, statt zu Hause im Bett zu liegen und Löcher in die Luft zu starren.

Er hatte durchs Fenster gesehen, wie Liv zum Strand hinunterlief, und fragte sich, ob er ihr hinterhergehen sollte. Doch er verwarf den Gedanken. Vielleicht wollte sie allein sein.

Während er routiniert die Auslagen ordnete und ein paar Kartons voll neuer Ware auspackte, die am Vortag gekommen waren, blickte er zwischendurch immer wieder aus dem Fenster. Sie rührte sich nicht, saß einfach still da, während der Hund um sie herumwuselte. Er hätte zu gern gewusst, was ihr durch den Kopf ging.

Dan war auf der Insel geboren und aufgewachsen. Ein paar Jahre hatte er auf dem dänischen Festland verbracht, weil sein Vater Däne gewesen war, aber er hatte immer in der Nähe des Meeres gelebt und wusste um dessen Anziehungskraft. Auf viele, inklusive ihn selbst, hatte es eine heilende Wirkung. Er wurde den Verdacht nicht los, dass es das war, was auch Liv suchte – Heilung, wovon auch immer.

Möglicherweise würde er eines Tages ihre Geschichte erfahren. Doch das hatte keine Eile. Im Grunde ging es ihn auch gar nichts an. Er fragte sich, warum er sich überhaupt so viele Gedanken um sie machte. Seit der abrupten, schmerzhaften Trennung von seiner Ex Alina vor vier Jahren war in ihm alles tot. Er hatte sich seitdem nicht einmal flüchtig verliebt, und abgesehen von ein paar belanglosen One-Night-Stands war auch sonst nichts gelaufen. Die Vorstellung, dass Liv an etwas rühren könnte, das tief in ihm verschüttet war, erschreckte ihn beinahe, und er schob diese irrwitzige Idee konsequent beiseite. Sie war seine neue Angestellte, und es wäre nur vernünftig, wenn er ihr auf einer rein professionellen Ebene begegnete. Alles andere würde unweigerlich in einer kleineren oder größeren Katastrophe enden, die er beim besten Willen nicht brauchen konnte.

Kapitel 3

Als Liv den Shop am nächsten Morgen durch die Hintertür betrat, stieß sie als Erstes auf Dan, der in der Küche stand und mit einer wunderschönen bunt gescheckten Katze schmuste. Sie hockte auf der Anrichte und gab bei Livs Eintreten ein empörtes Fauchen von sich.

»Ups, Verzeihung. Hätte ich anklopfen sollen?«

»Ach Quatsch, alles in Ordnung.« Dan grinste. »Trudi ist eine Diva und Fremden gegenüber zickig. Wenn sie dann aufgetaut ist, weicht sie dir nicht mehr von der Seite. Allerdings ist sie wild geboren und fasst nicht sofort Vertrauen. Wo ist BC? Oh, und guten Morgen erst mal.«

»Guten Morgen. BC liegt oben in meiner Wohnung und pennt, oder zumindest hat er das eben noch gemacht.«

»Du kannst ihn ruhig mit zur Arbeit bringen, wenn du möchtest. Er muss sich nur mit der Dame hier arrangieren.«

Liv sah ihn aus großen Augen an. »Ist das dein Ernst?«

»Klar. So lange er nicht auf die Ware pinkelt oder einen Kunden ins Bein beißt, kann er gern mitkommen. Trudi hat ihren Schlafplatz hinter dem Tresen, vielleicht möchtest du ihm da auch ein Körbchen hinstellen. Warum bist du eigentlich schon so früh hier?«

Liv zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht besonders gut geschlafen. Also war ich um sechs schon draußen und bin gelaufen. Es war so schön allein am Strand … Na ja, und nach dem Duschen und Kaffeetrinken war es immer noch früh. Ich habe gesehen, dass du da bist, also bin ich rübergekommen.«

»Läufst du viel?«

»Jeden Tag mindestens eine Stunde. Manchmal auch zweimal.«

Dan nickte, als würde ihm etwas klar werden. »Bist du schon mal einen Marathon gelaufen?«

»Nein. Ich laufe nur für mich. Ich … na ja, ich brauche das, um den Kopf freizukriegen, verstehst du?«

»Verstehe. Ich gehe dafür meistens surfen.«

»Und im Winter?«

»Surfe ich auch. Nur nicht immer hier.«

»Oh, fliegst du dann nach Hawaii oder so?«

»Eher ›oder so‹. Auf Hawaii war ich zwar schon, aber das ist etliche Jahre her. Länger wegzubleiben funktioniert nicht mehr, seit ich das Geschäft habe, aber es gibt auch in Europa tolle Surfspots, die man mit dem Flieger in ein paar Stunden erreicht. Frankreich. Portugal. Spanien.«

»Hör auf. Ich kriege sonst Fernweh. Apropos Geschäft – was zeigst du mir als Erstes? Bestimmt musst du mir auch ein bisschen Surfer-Latein beibringen, ich bin da leider völlig unbeleckt.«