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"Tamar" interpretiert die alttestamentarische Geschichte einer selbstbewussten jungen Frau, die sich gegen patriarchale Strukturen auflehnt. Doch sie tut das mit Witz und List. Tamar kämpft für ihr Recht auf Mutterschaft mit einer Liebe, die ihr schließlich die gesellschaftliche Anerkennung verheißt, die sie erstrebt. Ehre, Moral, Recht - die Geschichte von Tamar ist übertragbar auf die heutige Zeit: Eine alttestamentarische Geschichte, die mit kraftvoller Sprache Poesie und Drama zusammenbringt, tiefgründig, bildhaft und dialogreich.
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Seitenzahl: 32
Veröffentlichungsjahr: 2025
Vorwort des Herausgebers
Tamar
I.
Kapitel
II.
Kapitel
III.
Kapitel
IV.
Kapitel
Tamar – ein Geleitwort
Tamar ein Nachwort zur Geschichte – es könnte genau so gewesen sein …
Tamar ist die von meinem Großvater Max Gusdorf 1925 in aller gebotenen Kürze erzählte Geschichte einer modernen Frau, die mit Witz und Tücke das Alte Testament und die patriarchale Gesellschaft der ersten Israeliten im 18. Jahrhundert vor Christus aufmischt.
Doch es ist nicht allein die Übertragbarkeit eines 4.000 Jahre alten Liebesepos bis in jede kleinere und größere Lüge, die man heute in nahezu jeder x-beliebigen Partnerschaft, in jeder Familie, in jeder kleineren oder größeren Gemeinschaft ausmachen kann, die Tamar so modern macht. Also könnte man denken, die 20-jährige, bildschöne Frau sei ein Kind des 21. Jahrhunderts … ist sie aber nicht.
Etwa 1800 Jahre vor Christus hat Tamar nach biblischer Erzählung als Tochter des Jakob, auch Israel genannt, gelebt. Jakob, der Sohn von Isaak und Rebekka und ein Enkel Abrahams, ist, so steht es im Buch Genesis der Bibel, der dritte der Erzväter der Israeliten.
Wahrheit war Tamar ebenso heilig wie Ehre.
Gewissen und Klugheit hat Tamar eingesetzt, um Recht und Ordnung auch dann für sich einzufordern, wenn es unmöglich schien, etwa weil es gegen die Gesellschaft ging, in der sie lebte: Sie hat provoziert, ohne zu verletzen, und eine Meinung war ihr so heilig, dass sie sie vertrat, ohne einen Kompromiss einzugehen – und dazu die Wege nutzte, die jedem bleiben, der Wahrheit nicht der Lüge unterordnet.
Das ist das Moderne an Tamar.
Dem Autor Max Gusdorf ist diese Interpretation, mit viel Humor in die Weimarer Zeit übersetzt, zu danken. Er fügte der deutschen Kultur diese Geschichte für eine Geliebte hinzu, die ihm – illegitim, aber wahrhaftig – das Liebesglück schenkte, das ihm seine legitime Ehe zur Perfektion gedeihen ließ.
Es ist halt alles wie heute. Oder wie damals, als der Liebhaber meiner Großmutter, Max Gusdorf, eine fast 4000 Jahre alte Mär in eine moderne Sprache setzte. Oder wie es immer war, seit Menschen miteinander im Gespräch um das sind, was ist, obwohl es nicht sein dürfte … Norbert Gisder
»Leg die Sandalen und den Mantel ab, lass von den Mägden dir die Füße waschen, und dann komm näher, dich zu uns zu setzen, um dich an Trank und Speise zu ergötzen.« …
Warum bleibt Tamar an der Pforte stehen?
»Warum bleibt Tamar mir die Antwort schuldig? Verstockter Sinn beweist kein rein Gewissen, ein freies Herz macht redsam und behende. Ein Starrkopf trotzt und ballt die leeren Hände. Hat Gott die Lippen so verschlossen dir, gleich deinem Schoß, dem dürren, unfruchtbaren?«
»Halt ein, Jehuda, Bruder, Bleib gerecht! Siehst du denn nicht die schmerzumhüllte Seele, die aus dem Herzen deiner Tochter fleht?«
»Recht hast du, Dinah, ich sprach allzu hastig. Mehr, ich sah wohl den leidumfluteten Blick in Tamars Antlitz, Schwester, ja, ich sah ihn. Und bat sie deshalb, sich zu uns zu setzen. Es ist für sie ein Platz am Tische offen. Noch keinen Bettler schickt ich je von hinnen.«
»So meint ihr etwa, Tamar käme zu Euch als Bettlerin? Um sich mal satt zu essen?«
»Hört nur, hört nur, wie gut sie plappern kann, sobald ihr Ehrgeiz irgendwie bedroht ist.«
»Es ist kein Ehrgeiz, wie Jehuda meint.«
»Was ist es denn? So sagt uns die Beschwerden.«
»Ich bin ein Weib und möchte Mutter werden!«
»Trag ich daran Schuld, dass unfruchtbar geblieben ist Tamars Schoß? Soll ich für sie gebären? Die Kinder, die Erat nicht und Onan dir nicht zeugte?«
»Erat ist tot und Onan ist gestorben.«
»Durch dein Verschulden!« ruft Jehuda grimmig.