TARZAN VON DEN AFFEN - Edgar Rice Burroughs - E-Book

TARZAN VON DEN AFFEN E-Book

Edgar Rice Burroughs

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Beschreibung

1888: Tief im Herzen des Kongo nimmt Kala, das wilde Gorilla-Weibchen vom Stamme Kerchaks, ein winziges menschliches Lebewesen an Kindes statt an. Hier lernt Tarzan, behütet von Kala, die Geheimnisse des Dschungellebens kennen. Er erwirbt die gleichen gewaltigen Kräfte wie die anderen Gorillas, ihre scharf ausgeprägten Sinne, die alle in freier Wildbahn lebenden Tiere brauchen, wenn sie überleben wollen. Hier wird auch Tarzans lebenslange Freundschaft mit dem Stamm Tantors, des großen grauen Elefanten, begründet. Und hier erringt er durch die menschliche Intelligenz, die ihm gegeben ist, die Führung über seinen eigenen Stamm. Aber die Zivilisation macht auch vor dem Dschungel nicht halt, und es erweist sich, dass selbst ein Wesen wie Tarzan dem Geschick und der Verschlagenheit der Menschen nicht immer gewachsen ist... Der Roman TARZAN VON DEN AFFEN erschien erstmals im Oktober 1912 (unter dem Titel TARZAN OF THE APES) im The-All-Story-Magazin und ist der Auftakt einer 24teiligen Roman-Serie, die den literarischen Ruhm von Edgar Rice Burroughs begründete. Der Apex-Verlag veröffentlicht TARZAN VON DEN AFFEN in der deutschen Übersetzung von Fritz Moeglich, bearbeitet von Christian Dörge.

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EDGAR RICE BURROUGHS

 

Tarzan von den Affen

Erster Band des TARZAN-Zyklus

 

 

 

Roman

Impressum

 

 

Copyright 1912 © by Edgar Rice Burroughs.

Copyright dieser Ausgabe © by Apex-Verlag.

Deutsche Übersetzung aus dem öffentlich zugänglichen Rohtext des englischen Originals. 

Übersetzung: Fritz Moeglich und Christian Dörge (OT: Tarzan Of The Apes). 

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.

Cover: Christian Dörge/N. N.Apex-Graphixx.

Satz: Apex-Verlag.

 

Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.

Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de

E-Mail: [email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Das Buch

Der Autor

TARZAN VON DEN AFFEN

Erstes Kapitel: Aufs Meer hinaus

Zweites Kapitel: Das Zuhause in der Wildnis

Drittes Kapitel: Leben und Tod 

Viertes Kapitel: Die Affen 

Fünftes Kapitel: Der weiße Affe 

Sechstes Kapitel: Kämpfe im Dschungel 

Siebtes Kapitel: Das Licht der Erkenntnis 

Achtes Kapitel: Der Jäger in den Baumwipfeln 

Neuntes Kapitel: Mensch und Mann 

Zehntes Kapitel: Das Angst-Phantom 

Elftes Kapitel: König der Affen 

Zwölftes Kapitel: Der Verstand eines Menschen 

Dreizehntes Kapitel: Seinesgleichen 

Vierzehntes Kapitel: Der Gnade des Dschungels ausgeliefert 

Fünfzehntes Kapitel: Der Gott des Waldes 

Sechzehntes Kapitel: »Höchst bemerkenswert!« 

Siebzehntes Kapitel: Begräbnisse 

Achtzehntes Kapitel: Tribut des Dschungels 

Neunzehntes Kapitel: Der Ruf der Natur 

Zwanzigstes Kapitel: Erbgut 

Einundzwanzigstes Kapitel: Das Dorf der Qualen 

Zweiundzwanzigstes Kapitel: Der Suchtrupp 

Dreiundzwanzigstes Kapitel: Menschenbrüder 

Vierundzwanzigstes Kapitel: Der verlorene Schatz 

Fünfundzwanzigstes Kapitel: Der Außenposten der Welt 

Sechsundzwanzigstes Kapitel: Der Gipfel der Zivilisation 

Siebenundzwanzigstes Kapitel: Wieder der Riese 

Epilog 

Das Buch

 

 

1888: Tief im Herzen des Kongo nimmt Kala, das wilde Gorilla-Weibchen vom Stamme Kerchaks, ein winziges menschliches Lebewesen an Kindes statt an. Hier lernt Tarzan, behütet von Kala, die Geheimnisse des Dschungellebens kennen. Er erwirbt die gleichen gewaltigen Kräfte wie die anderen Gorillas, ihre scharf ausgeprägten Sinne, die alle in freier Wildbahn lebenden Tiere brauchen, wenn sie überleben wollen. Hier wird auch Tarzans lebenslange Freundschaft mit dem Stamm Tantors, des großen grauen Elefanten, begründet. Und hier erringt er durch die menschliche Intelligenz, die ihm gegeben ist, die Führung über seinen eigenen Stamm.

Aber die Zivilisation macht auch vor dem Dschungel nicht halt, und es erweist sich, dass selbst ein Wesen wie Tarzan dem Geschick und der Verschlagenheit der Menschen nicht immer gewachsen ist...

 

Der Roman Tarzan von den Affen erschien erstmals im Oktober 1912 (unter dem Titel Tarzan Of The Apes) im The-All-Story-Magazin und ist der Auftakt einer 24teiligen Roman-Serie, die den literarischen Ruhm von Edgar Rice Burroughs begründete. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht Tarzan von den Affen in der deutschen Übersetzung von Fritz Moeglich, bearbeitet von Christian Dörge. 

  Der Autor

 

Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.

 

Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten -  Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.

Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.

Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.

Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.

Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.

Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.

Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.

Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.

In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.

 

 In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.

Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.

Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.

E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“

 

Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.

TARZAN VON DEN AFFEN

 

  

 

 

 

 

Für Emma Hulbert Burroughs

 

 

 

  Erstes Kapitel: Aufs Meer hinaus

 

 

Diese Geschichte beginnt (wie aus vergilbten Tagebuchblättern und den Akten des Britischen Kolonialamtes hervorgeht) mit dem Auftrag an einen jungen britischen Aristokraten - wir wollen ihn John Clayton, Lord Greystoke nennen - gewissen Gerüchten nachzugehen, die eine britische Kolonie an der westafrikanischen Küste betrafen. Diese Gerüchte besagten, dass ein anderer europäischer Staat Eingeborene rekrutierte, um mit deren Hilfe die wilden Stämme am Kongo und Aruwimi zur Lieferung von Kautschuk und Elfenbein zu zwingen. Die Eingeborenen klagten, dass viele ihrer jungen Männer durch großartige Versprechungen fortgelockt würden, aber nur in den seltensten Fällen zu ihren Familien in den heimatlichen Dörfern zurückkehrten.

Britische Gewährsleute in Afrika gingen noch weiter. Nach ihren Behauptungen wurden die rekrutierten Eingeborenen praktisch in Sklaverei gehalten, denn die weißen Offiziere ließen die Schwarzen in Unkenntnis über das Erlöschen ihrer Verpflichtungen und erweckten so in ihnen den Glauben, sie hätten noch mehrere Jahre Dienst zu leisten.

Aus diesem Grund wurde John Clayton vom Kolonialamt offiziell auf einen Posten in Britisch-Westafrika berufen; sein eigentlicher Auftrag bestand jedoch darin, eine sorgfältige Untersuchung dahingehend durchzuführen, ob tatsächlich schwarze britische Untertanen in die Dienste eines befreundeten europäischen Staates gepresst würden.

John Clayton sollte es nie gelingen, diese Untersuchung durchzuführen – er erreichte nicht einmal seinen Bestimmungsort. Clayton war durch und durch ein typischer Brite von durchschnittlicher Größe, hatte graue Augen und ein energisches, wohlgeschnittenes Gesicht. Er erfreute sich einer ausgezeichneten Gesundheit, wozu jahrelanger Dienst in der Armee, der er vor dem Obertritt ins Kolonialamt angehörte, beigetragen hatte.

Die Erteilung eines so wichtigen und delikaten Auftrags schmeichelte ihm und bestürzte ihn zugleich. Sah er sie einerseits als Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit und als weiteren Schritt auf der diplomatischen Erfolgsleiter an, so bedrückte ihn andererseits die Tatsache, dass er erst seit drei Monaten mit Alice Rutherford verheiratet war und sich eine Trennung von seiner jungen Frau nicht vorzustellen vermochte. Durfte er sie den Gefahren und der Einsamkeit der afrikanischen Tropen aussetzen? Um ihretwillen erwog er Verzicht, aber sie wollte nichts davon wissen, sondern bestand darauf, dass er den Auftrag annehmen und gemeinsam mit ihr die weite Reise antreten würde.

So gingen an einem sonnigen Maimorgen des Jahres 1888 Lord Greystoke und Lady Alice in Dover an Bord des Schiffes, das sie nach Afrika bringen sollte. Vier Wochen später kamen sie in Freetown an. Dort charterten sie den kleinen Segler Fuwalda, um zu ihrem endgültigen Bestimmungsort zu gelangen. Von dem Augenblick an, als die Fuwalda in Freetown Anker lichtete, blieb sie, samt allen Menschen an Bord, für die Nachwelt verschwunden. Ein halbes Dutzend britischer Kriegsschiffe durchforschte den Südatlantik, doch als an der Küste von St. Helena Trümmer der Fuwalda entdeckt wurden, brach die Admiralität die Suche in der Überzeugung ab, dass das Schiff mit Mann und Maus untergegangen sei.

 

Die Fuwalda, eine Bark von etwa hundert Tonnen, war ein Schiff jenes Typs, den man im Küstendienst des Südatlantiks oft findet - ein halber Totenkahn mit einer Besatzung, die aus dem Abschaum aller Rassen und Nationen bestand. Ihre Offiziere waren dunkelhäutige Tyrannen, die mit Verachtung auf die Mannschaft herabsahen und von dieser mit teuflischem Hass verfolgt wurden. An der Tüchtigkeit des Kapitäns als Seemann bestand kein Zweifel, aber im Umgang mit der Besatzung kannte er nur zwei Argumente: den Revolver und eine schwere Vorsteckpinne. Es war also kein Wunder, dass John Clayton und seine junge Frau schon am zweiten Tag Zeugen von Szenen wurden, die sie nie für möglich gehalten hätten.

Zwei Matrosen schrubbten das Deck der Fuwalda, der Steuermann versah seinen Dienst, und der Kapitän hatte sich zu John Clayton und Lady Alice gesellt, um mit ihnen zu plaudern. Die beiden Matrosen arbeiteten sich rückwärts auf die Gruppe zu, ohne ihrer gewahr zu werden. Sie kamen näher und näher. Einer der beiden langte gerade in dem Augenblick hinter dem Kapitän an, als dieser weggehen wollte. Der Kapitän stolperte über den hinter ihm Kauernden, stürzte und fiel der Länge nach in die schmutzige Brühe des umgekippten Eimers.

Schreckliche Flüche ausstoßend und mit hochrotem Gesicht erhob sich der Kapitän und schmetterte den Matrosen, einen kleinen, älteren Mann, mit einem fürchterlichen Faustschlag zu Boden. Der zweite Matrose indes war weder klein noch alt, sondern ein Bär von einem Mann mit schwarzem Schnurrbart und einem massigen Schädel auf muskulösen Schultern, Als er seinen Kameraden reglos daliegen sah, stieß er einen heiseren Schrei aus und schlug seinerseits den Kapitän mit einem einzigen Hieb nieder,

Der Kapitän verlor nicht das Bewusstsein, aber sein Gesicht wurde kalkweiß. Dies war Meuterei, und damit war er in seiner langen Laufbahn immer fertig geworden. Ohne sich aufzurichten, riss er den Revolver aus der Tasche und feuerte auf den Berg aus Fleisch und Muskeln, der vor ihm aufragte. Aber so schnell er reagierte, John Clayton war noch schneller. Kaum sah er die Waffe in der Hand des Kapitäns blitzen, als er ihm auch schon den Arm niederschlug, so dass die Kugel sich nicht ins Herz des Matrosen, sondern in sein Bein bohrte.

Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Clayton und dem Kapitän, der sich jedoch bald eines Besseren besann und wortlos davonging. Es schien ihm nicht angebracht, einen britischen Beamten herauszufordern, denn der Arm der Königin reichte weit und niemand legte sich gern mit der gefürchteten britischen Kriegsmarine an.

Der ältere Matrose hatte inzwischen das Bewusstsein wiedererlangt und half seinem verwundeten Kameraden auf die Beine. Der, von der Besatzung Schwarzer Michael genannte Riese machte zwei tastende Schritte, und als er fand, dass das verletzte Bein seinen Körper trug, wandte er sich um und bedankte sich mit ein paar brummigen Worten bei Clayton. Dann humpelte er zum Vorschiff, offensichtlich wollte er es zu keiner Unterhaltung kommen lassen. Am folgenden Tag sahen Clayton und Alice ihn nicht. Auch der Kapitän ging ihnen tunlichst aus dem Weg und sprach nur das Notwendigste mit ihnen. Obwohl sie in der Offiziersmesse aßen, blieben sie meist sich selbst überlassen, denn die anderen Offiziere - raue, ungebildete Burschen - legten keinen Wert darauf, Kontakt zu ihnen zu gewinnen.

Deshalb bemerkten John und Alice nicht, dass die Atmosphäre auf dem kleinen Schiff sich immer mehr verdüsterte und eine Stimmung herrschte, die auf eine Katastrophe hindeutete. Zwei Tage nach der Verwundung des Schwarzen Michaels durch den Kapitän kam Clayton gerade rechtzeitig an Deck, um zu sehen, wie ein bewusstloser Matrose von vier Kameraden davongetragen wurde. Der Steuermann, eine schwere Vorsteckpinne in der Rechten, musterte eine kleine Gruppe mürrischer Matrosen mit funkelnden Augen.

Clayton stellte keine Fragen, das war nicht nötig. Als aber am nächsten Tag die massigen Rümpfe britischer Kriegsschiffe am Horizont auftauchten, erwog er, sich und Alice von ihnen übernehmen zu lassen. Aber dann kam ihm das Lächerliche seines Vorhabens zu Bewusstsein; man würde hinter seinem Rücken lachen, wenn er zurückkehrte, ohne seinen Auftrag ausgeführt zu haben, man würde ihn vielleicht sogar der Feigheit bezichtigen.

 

Es war früher Nachmittag, als Clayton und Alice an der Reling standen und den verschwindenden Schlachtschiffen nachblickten. Der alte Matrose, der vom Kapitän zusammengeschlagen worden war, putzte die Messingbeschläge und kam ihnen langsam näher. Als er neben Clayton angelangt war, sagte er leise, ohne den Kopf zu wenden: »Der Teufel wird diesen Kahn holen, Sir! Denken Sie an meine Worte.«

»Was meinen Sie damit, guter Mann?«, fragte Clayton.

»Das fragen Sie noch? Haben Sie nicht gesehen, was hier an Bord vorgeht? Dass der Käpt'n und seine Genossen uns wie Tiere prügeln? Gestern zwei Matrosen zu halben Krüppeln geschlagen und heute schon drei. Der Schwarze Michael ist wieder auf den Beinen, und er ist nicht der Mann, sich das länger anzusehen. Denken Sie an meine Worte, Sir.«

»Wollen Sie damit sagen, dass die Besatzung Meuterei plant?«

»Meuterei!«, wiederholte der Alte verächtlich. »Mord, Sir, Mord! Denken Sie an meine Worte.«

»Wann?«, fragte Clayton.

»Es wird kommen, Sir, es wird kommen, aber ich sage nicht, wann. Hab' überhaupt schon verdammt zu viel gesagt, aber Sie waren anständig neulich, und es ist nicht mehr als recht, dass ich Sie warne. Schweigen Sie darüber, und wenn Sie es knallen hören, gehen Sie unter Deck, damit Sie nicht eine Pille zwischen die Rippen bekommen. Das ist alles, Sir, und denken Sie an meine Worte.«

Der Alte beugte sich tiefer über die Messingbeschläge und entfernte sich von Clayton und Alice.

»Verteufelt angenehme Aussichten«, brummte Clayton.

»Du musst sofort den Kapitän warnen, John«, sagte Alice. »Dann lässt sich vielleicht noch vermeiden, dass es zum Schlimmsten kommt.«

»Wahrscheinlich sollte ich es tun, aber aus eigennützigen Motiven möchte ich darauf verzichten«, meinte Clayton nachdenklich.

»Wegen meines Eingreifens neulich werden sie uns wahrscheinlich verschonen. Finden sie aber heraus, dass ich sie verraten habe, dürfen wir keine Gnade erwarten, Alice.«

»Wenn du es nicht tust, wirst du zum Mitverschwörer«, warnte Alice.

»Du verstehst mich nicht, meine Liebe«, erwiderte Clayton. »Mein Verhalten wird nur durch den Gedanken an dich bestimmt. Der Kapitän ist selbst schuld an der Lage der Dinge. Soll er doch die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hat.«

Sie schüttelte den Kopf. »Pflicht bleibt Pflicht«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich wäre einem britischen Lord eine schlechte Frau, wenn ich zuließe, dass er seine Pflicht versäumt, um mir Gefahren zu ersparen.«

Clayton legte den Arm um die Schultern seiner jungen Frau. »Gut, Alice, ich beuge mich deinem Wunsch. Vielleicht sehe ich die Dinge auch zu schwarz, vielleicht wollte der alte Matrose nur seinem Herzen Luft machen. Dort ist übrigens der Kapitän, sicher geht er in seine Kabine. Bringen wir die Sache also hinter uns.«

Sekunden später klopfte er an die Tür der Kapitänskajüte.

»Herein!«, rief eine grollende Stimme.

Clayton trat ein und schloss die Tür.

»Nun?«, fragte der Kapitän unwirsch, als er Clayton erkannte.

»Ich bin gekommen, um Ihnen von einer Unterredung zu berichten, deren Zeuge ich zufällig wurde«, sagte Clayton. »Mag sein, dass nichts daran ist, aber man spricht unter der Besatzung von Meuterei und Mordplänen.«

»Das ist eine Lüge!«, schrie der Kapitän wütend. »Und wenn Sie wieder einmal versuchen, sich in die Disziplin dieses Schiffes zu mischen, so haben Sie die Folgen zu tragen. Es kümmert mich nicht, ob Sie ein britischer Lord sind oder nicht. Kapitän dieses Schiffes bin ich, und ich verlange, dass Sie aufhören, Ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken.«

Der Kapitän sprang auf. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, mit der geballten Rechten fuchtelte er Clayton vor der Nase herum. Greystoke hielt dem Blick des Tobenden ruhig stand.

»Captain Billings«, sprach er schließlich langsam und betont, »verzeihen Sie meine Offenheit, aber ich muss Ihnen sagen, dass Sie ein Esel sind, falls Sie das noch nicht wissen.«

Er wandte sich um, verließ die Kabine und kehrte an Deck zurück. »Nun, Alice«, sagte er zu seiner jungen Frau, »ich hätte mir den Weg sparen können. Der alte Narr war nicht im Geringsten dankbar, sondern knurrte mich an wie ein bissiger Hund. Von nun an interessiert mich nur noch unser eigenes Wohlergehen, und als erstes werde ich jetzt in unsere Kabine gehen und meine Pistole überprüfen. Es tut mir nur leid, dass die schwereren Waffen und die Munition bei unserem Gepäck im Laderaum liegen.«

Als sie die Kabine betraten, blieben sie überrascht stehen. Der kleine Raum befand sich in schrecklicher Unordnung. Der Inhalt der Schubladen und Kästen lag am Boden verstreut, selbst die Letten waren durchsucht worden.

»Offensichtlich hat sich jemand für unseren Besitz interessiert«, bemerkte Clayton. »Ich möchte bei Gott wissen, hinter was er her war. Schaffen wir Ordnung, Alice, und stellen wir fest, was fehlt.«

Sie brauchten nicht lange, die Sachen wieder einzuräumen. Nur die beiden Pistolen und eine kleine Schachtel Munition fehlten.

»Gerade die Dinge, die mir im Augenblick am wichtigsten scheinen«, sagte Clayton unbehaglich.

»Was sollen wir tun, John?«, fragte seine Frau. »Ein erneuter Gang zum Kapitän kommt nicht in Frage. Ich will nicht, dass er dich wieder beleidigt. Vielleicht ist es am besten, wenn wir uns neutral verhalten. Sind die Offiziere in der Lage, die Meuterei zu verhindern, so haben wir nichts zu fürchten. Sollten die Meuterer siegen, dann können wir nur auf Nachsicht hoffen, wenn wir sie nicht herausfordern.«

»Du hast recht, Alice, der goldene Mittelweg scheint für uns das einzig Richtige.«

Sie räumten die letzten Dinge auf. Als Clayton sich der Tür näherte, sah er, wie ein Stück Papier darunter durchgeschoben wurde. Er wollte schon den Türgriff packen, als Alice ihn aufhielt.

»Nicht, John«, flüsterte sie. »Sie wollen nicht gesehen werden, also dürfen wir sie nicht sehen. Vergiss nicht, dass wir uns für den goldenen Mittelweg entschieden haben.«

Lächelnd ließ Clayton die Hand sinken. Er wartete eine Minute, dann öffnete er die Tür, hob den Zettel auf und entfaltete ihn. In ungelenker Schrift warnte man sie davor, dem Kapitän den Verlust der Waffen zu melden und über das zu sprechen, was sie von dem alten Matrosen gehört hatten. Für den Fall, dass sie die Warnung nicht befolgten, drohte man ihnen den Tod an.

Achselzuckend zerknüllte Clayton den Zettel und schob ihn in die Tasche. »Eine Warnung, die nicht misszuverstehen ist«, sagte er leise. »Ich denke, wir müssen sie befolgen. Von nun an können wir nur abwarten und der Dinge harren, die da kommen werden.«

 

 

 

 

  Zweites Kapitel: Das Zuhause in der Wildnis

Sie brauchten nicht lange zu warten, denn als Clayton am nächsten Morgen an Deck ging, um den gewohnten Spaziergang zu. machen, erklang ein Schuss, dem sofort andere folgten. Der Anblick, der sich Clayton bot, entsprach seinen schlimmsten Befürchtungen. Offiziere und Besatzung des kleinen Schiffes standen sich kampflustig gegenüber. Der Schwarze Michael führte die Mannschaft an. Nach der ersten, von den Offizieren abgegebenen Salve hatten die Matrosen Deckung gesucht und erwiderten das Feuer der fünf Offiziere, die für sie die verhasste Autorität des Schiffes repräsentierten. Zwei Besatzungsmitglieder waren bereits gefallen, und in dieser Sekunde warf ein gutgezielter Schuss den Steuermann zu Boden. Auf Befehl des Schwarzen Michaels stürmten seine Männer auf die restlichen vier Offiziere los. Nur sechs der Matrosen besaßen Schusswaffen, die anderen hatten sich mit Bootshaken, Äxten, Beilen und Knüppeln bewaffnet.

Der Kapitän lud gerade nach, als der Angriff erfolgte. Die Pistole des Zweiten Steuermannes hatte Ladehemmung, so dass nur zwei Offiziere ihre Waffen auf die Anstürmenden richten konnten. Beide Parteien stießen wilde Verwünschungen aus, in die sich die Schreie und das Stöhnen der Verwundeten mischten. Schritt um Schritt wichen die Offiziere zurück, dann begann das blutige Handgemenge. Die Axt in der Hand eines herkulischen Negers spaltete den Schädel des Kapitäns von der Stirn bis zum Kinn, Sekunden später sanken die anderen Offiziere blutüberströmt zu Boden.

Während des kurzen, verbissenen Kampfes hatte Clayton an der Reling gelehnt und gelassen seine Pfeife geraucht, als sähe er einem Kricketmatch zu. Nun dachte er an seine Frau, die allein unter Deck war, und wandte sich zum Gehen. Zu seinem Erstaunen sah er Alice an der nach unten führenden Treppe stehen.

»Seit wann bist du an Deck, Alice?«, fragte er besorgt.

»Seit es begann«, erwiderte sie. »Wie schrecklich, John, wie schrecklich! Was können wir jetzt noch erhoffen, da diese fürchterlichen Männer das Schiff in der Gewalt haben?«

»Unser Frühstück«, sagte Clayton und zwang sich zu einem Lächeln, um ihre Furcht zu zerstreuen. »Zumindest werde ich sie fragen, wie es damit steht. Sie dürfen nicht auf den Gedanken kommen, wir erwarteten etwas anderes als die höflichste Behandlung.«

Die Besatzungsmitglieder hatten sich inzwischen um die toten und verwundeten Offiziere geschart und warfen sie der Reihe nach über Bord. Mit der gleichen Herzlosigkeit und Ungerührtheit ließen sie ihre eigenen Toten und Verwundeten folgen. Dann erspähte einer von ihnen die sich nähernden Claytons und stürmte mit dem Ruf »Noch zwei von den Brüdern!« auf sie zu.

Aber der Schwarze Michael war schneller, und der Angreifer sank mit einer Kugel im Rücken zu Boden, bevor er drei Schritte gemacht hatte. Mit lauter Stimme verschaffte sich der Schwarze Michael Gehör, er wies mit dem Finger auf Clayton und Alice.

»Die da sind meine Freunde und werden in Ruhe gelassen, verstanden?«, sagte er. »Jetzt bin ich Kapitän dieses Schiffes und gebe die Befehle.« Er nickte Clayton zu. »Halten Sie sich abseits und kümmern Sie sich um nichts anderes, dann belästigt Sie niemand.«

Die Claytons befolgten seinen Rat. So begegneten sie nur selten einem Besatzungsmitglied und erfuhren nichts von den Plänen der Männer. Gelegentlich hörten sie lauten Streit zwischen den Meuterern, und zweimal zerrissen Schüsse die Stille, die über dem Schiff lag. Aber es schien, als sei der Schwarze Michael durchaus der Mann, seine aus halben Verbrechern bestehenden Untergebenen im Zaum zu halten.

Am fünften Tag nach der Ermordung der Offiziere kam Land in Sicht. Ob es sich um eine Insel oder um Festland handelte, wusste der Schwarze Michael nicht. Er verkündete Clayton, dass er und seine Frau mit ihrer Habe an Land gebracht würden, wenn es sich um bewohnbares Gebiet handeln sollte.

»Sie werden sich dort ein paar Monate durchschlagen können«, erklärte er. »Inzwischen haben wir eine bewohnte Küste erreicht und uns in alle Winde verstreut. Dann sorge ich dafür, dass Ihre Regierung benachrichtigt wird und ein Kriegsschiff schickt, das Sie abholt.« Er sah, wie sich Claytons Brauen zusammenzogen, und fügte hinzu: »Gewiss wäre es besser für Sie, wenn wir Sie in einer zivilisierteren Gegend absetzten, aber das geht nicht. Man würde uns Fragen stellen, auf die wir die Antworten schuldig bleiben müssten.«

Clayton protestierte dagegen, an einer unbekannten Küste zurückgelassen zu werden, aber seine Worte machten keinen Eindruck auf den Schwarzen Michael. Schließlich ergab er sich achselzuckend in sein Schicksal. Gegen drei Uhr nachmittags näherten sie sich der mit wunderbaren Bäumen bestandenen Küste, und eine Stunde später lag die Bark in einem kleinen, natürlichen Hafenbecken vor Anker, das durch eine schmale Passage zu erreichen war.

Soweit das Auge blickte, war die Küste mit üppigem subtropischem Grün bewachsen. In der Ferne stieg das von dichtem Urwald bedeckte Land an. Kein Zeichen deutete darauf hin, dass es sich um bewohntes Gebiet handelte, aber die vielen Vögel und kleineres Wild, das von Deck aus beobachtet werden konnte, ließen keinen Zweifel daran, dass Menschen sich hier ohne sonderliche Anstrengung zu erhalten vermochten, zumal ein kleines Flüsschen sein Frischwasser in das Hafenbecken führte.

Als die Nacht herabsank, standen Clayton und Lady Alice stumm an der Reling und blickten auf das Land, das ihnen für die nächste Zeit zur unfreiwilligen Heimat werden sollte. Aus den dunklen Schatten der mächtigen Wälder klangen die Stimmen der Dschungelbestien - das dumpfe Brüllen des Löwen und gelegentlich der heisere Ruf eines Panthers.

Später trat der Schwarze Michael zu ihnen und riet Clayton, sich auf die Landung vorzubereiten. Weder Bitten noch Drohungen vermochten ihn von seinen Plänen abzubringen.

»Ich bin der einzige Mensch an Bord, der Sie nicht lieber tot als lebendig sähe«, sagte er. »Im Interesse unserer Sicherheit wäre es besser, es gäbe keine Tatzeugen, aber der Schwarze Michael ist nicht der Mann, der es vergisst, wenn ihm jemand half. Sie haben mir das Leben gerettet, jetzt rette ich Ihnen das Ihre, aber mehr kann ich nicht tun. Je schneller Sie an Land gebracht werden, desto besser, damit die Mannschaft es sich nicht noch anders überlegt. Sie können Ihr gesamtes Gepäck mitnehmen, außerdem bekommen Sie von uns alles, was Sie zum Kochen brauchen, ein paar alte Segel, aus denen Sie sich ein Zelt bauen können, und genügend Verpflegung für die erste Zeit. Später müssen Sie von Früchten und Wild leben, was es reichlich geben dürfte. Dazu haben Sie Ihre Waffen, um sich gegen wilde Tiere zu schützen. Sie können es also aushalten, bis Hilfe kommt. Sobald ich in Sicherheit bin, erfährt Ihre Regierung, wo Sie stecken, obwohl ich den genauen Standort selbst nicht kenne. Aber man wird Sie schon finden.«

Er wandte sich um und ging unter Deck. In düsterer Stimmung blieben Clayton und Alice zurück. Clayton glaubte nicht an die Absicht des Schwarzen Michaels, die britische Regierung zu verständigen. Außerdem fürchtete er, dass die Matrosen, die sie an Land bringen sollten, sich nicht mehr an die Befehle ihres neuen Kapitäns halten würden, sobald sie außer Sichtweite waren.

Aber selbst, wenn es keine Zwischenfälle gab, welches Schicksal erwartete sie? Seinetwegen machte er sich keine Sorgen. Er war ein durchtrainierter, athletischer Mann, den keine Strapaze schreckte. Wie aber stand es mit Alice und dem neuen Leben, das in ihr wuchs? Würde sie die Anforderungen eines harten, unbarmherzigen Dschungellebens durchstehen, den Gefahren und Drohungen einer primitiven, an Entbehrungen reichen Existenz trotzen?

Früh am nächsten Morgen wurden die zahlreichen Kisten und Kästen, die ihre Habe bargen, an Deck getragen. Da sie sich auf einen mehrjährigen Aufenthalt in ihrer neuen Heimat vorbereitet hatten, enthielt das Gepäck nicht nur Lebensnotwendigkeiten, sondern sogar einige Luxusartikel. Der Schwarze Michael achtete sorgsam darauf, dass nichts, was den Claytons gehörte, an Bord zurückblieb. Er bestand sogar darauf, dass der Matrose, der Claytons Pistolen an sich genommen hatte, sie zurückgab.

Das Gepäck wanderte in das Beiboot, dazu kamen aus den Vorräten des Schiffes gesalzenes Fleisch und Zwieback, Kartoffeln - und Bohnen, Zündhölzer, Kochtöpfe, ein Kasten mit Werkzeug und die alten Segel, die der Schwarze Michael ihnen versprochen hatte.

Michael begleitete sie an Land, als teilte er ihre Befürchtungen.

Er war der letzte, der das Beiboot wieder bestieg, nachdem die Matrosen ihre Fässer mit Frischwasser gefüllt hatten. Stumm blickten Clayton und seine Frau dem kleinen Boot nach, das auf die Fuwalda zustrebte. Als der Segler eine halbe Stunde später die schmale Einfahrt passierte und ihren Blicken entschwand, warf Alice die Arme um Claytons Hals und presste ihr tränenüberströmtes Gesicht an seine Brust.

Weder der Mann noch die Frau ahnten, dass zwei Augen - nahe beisammen liegende, verschlagene Augen unter zottigen Brauen - sie vom Rand einer niedrigen Anhöhe beobachteten.

»Wie schrecklich, John«, sagte Alice, als ihre Tränen versiegt waren. »Nun ist es geschehen, wir sind allein im Dschungel. Was sollen wir tun?«

»Arbeiten, uns beschäftigen«, erwiderte Clayton mit fester Stimme und drückte seine Frau an sich. »Unsere Rettung kann nur in der Arbeit liegen. Wir dürfen uns nicht dem Grübeln überlassen, das wäre unser Verderben. Man wird uns finden, dessen bin ich sicher. Sobald sich herausstellt, dass die Fuwalda ihren Bestimmungsort nicht erreicht hat, wird man uns suchen, selbst wenn der Schwarze Michael sein Wort nicht hält.«

Alice begann erneut zu schluchzen. »Wenn es nur um dich und mich ginge, John, würden wir die Wartezeit überstehen, das weiß ich, aber...«

»Auch daran habe ich gedacht«, sagte er, ihr über das Haar streichend. »Es gibt kein Problem, das nicht zu lösen wäre. Vor hunderttausend Jahren lebten unsere Vorfahren unter den gleichen primitiven Verhältnissen wie wir. Sie wurden damit fertig, sonst existierten wir heute nicht. Gegen sie, die nur Waffen aus Stein und Knochen besaßen, sind wir reich, und zudem verfügen wir über alle Erfahrungen, die uns die Wissenschaft bescherte. Und da sollten wir nicht mit den Problemen fertig werden, die jene primitiven Geschöpfe zu lösen vermochten?«

Alice lächelte unter Tränen. »Du hast recht, John. Verlass dich auf mich. Ich werde mich bemühen, dir eine tapfere Gefährtin zu sein.«

Claytons erste Sorge galt der Schaffung einer sicheren Unterkunft, die ihnen nachts Schutz vor den blutgierigen Bestien des Dschungels bot. Zuerst öffnete er die Kiste mit den Waffen und der Munition, so dass sie sich während der Arbeit gegen überraschende Überfälle zur Wehr setzen konnten. Dann suchte er nach einem geeigneten Platz für die erste Nacht. Etwa hundert Meter vom Bach entfernt entdeckte er auf einer kleinen Lichtung eine ebene Stelle, die ihm als Platz für das künftige Haus geeignet schien. Vorerst aber gedachte er eine Art Hütte in den Bäumen zu errichten, um vor den nachts auf Beute ausziehenden Raubtieren sicher zu sein. Er wählte vier Bäume, die ein Quadrat von etwa drei Metern Seitenlange bildeten. Mit Axt und Tauwerk aus dem Werkzeugkasten errichtete er eine Plattform in den Zweigen, die er mit dicken Schichten des mannshoch wachsenden Elefantengrases polsterte und mit einer dreifach gefalteten Segelleinwand abdeckte. Gegen den Regen baute er zwei Meter höher eine ähnliche Plattform als Dach. Dann trug er ihre Decken und einen Teil des leichteren Gepäcks in die neue Behausung. Inzwischen war es später Nachmittag geworden, der Rest des Tages verging mit der Anfertigung einer Leiter, auf der Alice in die primitive Hütte klettern konnte. Bunte, exotische Vögel und aufgeregt schnatternde Affen hatten die Ankunft der Fremdlinge und den Fortgang der Arbeiten beobachtet. Obwohl sie scharf Ausschau hielten, gewahrten weder Clayton noch Alice größere Raubtiere, aber es fiel ihnen auf, dass die putzigen, kleinen Affen wiederholt ängstliche Blicke zum Rand der Höhe warfen und zweimal kreischend die Flucht ergriffen.

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