Team Torjäger – Aufregung im Fußballinternat - Michael Engler - E-Book

Team Torjäger – Aufregung im Fußballinternat E-Book

Michael Engler

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Beschreibung

Fußball, Freundschaft, Fallrückzieher Grünstadt – auf dieses Fußballinternat würde jeder angehende Nachwuchskicker gerne gehen. Selbst auf den Gängen wird dort Fußball gespielt, ohne dass jemand schimpft. Die Talentschmiede hat schon so einige Profifußballer ausgebildet. Auch Anton, Gustav und Jakob träumen davon, einmal international zu spielen. Als Leo Fischer, der Sohn eines berühmten Fußballers, neu aufs Internat kommt, sehen sie sich ihrem Traum ein ganzes Stückchen näher. Doch Leo träumt nicht nur vom Fußballspielen, sondern auch von einer Karriere als Sherlock Holmes. Schon stecken die vier in einem aufregenden Abenteuer, das Köpfchen, Zusammenhalt und Ballgefühl erfordert.

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Über das Buch

KRIMISPANNUNG IM FUSSBALL-INTERNAT

Auf das Fußball-Internat Grünstadt würde jeder Nachwuchskicker gerne gehen: Selbst auf den Gängen darf hier Fußball gespielt werden.

Die Chancen, den begehrten Internatspokal zu gewinnen, stehen für Leo, Anton, Gustav und Jakob so gut wie nie zuvor. Doch kurz vor dem wichtigen Spiel gegen Hartstein verschwindet plötzlich der Talisman der Grünstädter ...

Ein Scout im Fußball-Internat? Das ist eigentlich streng verboten. Doch ist der mysteriöse Fremde, der sich angeblich für Anton interessiert, wirklich ein Spielerberater oder führt er etwas ganz anderes im Schilde?

ZWEI SPANNENDE FUSSBALL-FÄLLE ZUM MITFIEBERN

Michael Engler

TEAMTORJÄGER

Aufregung im Fußballinternat

Mit Illustrationen von Jan Reiser

1. TeilNachwuchsstar gesucht

Die Wette

Im Internat Grünstadt war es tagsüber selten ruhig. Und das, obwohl es sehr abgelegen auf einer weiten Ebene lag, umgeben von Wiesen, Hecken, sanft geschwungenen Hügeln, und sich in einem renovierten Landschloss befand.

Wenn jedoch alle drei Fußballplätze bespielt wurden oder die Schüler Pause hatten, wurde es hier laut. Sehr laut.

Doch an diesem Freitag war es im Internat ungewöhnlich still. Fast alle Schüler und Lehrer warteten gespannt auf dem Schulhof vor dem Hauptgebäude.

Nur drei Jungen schlichen über die Flure vor den Klassenräumen. Sie waren unzertrennliche Freunde, nicht bloß Klassenkameraden. Gustav war der kräftigste von ihnen. Man erkannte ihn schon von Weitem an seinem roten T-Shirt, es war das Rot des FC Liverpool. Neben ihm ging Anton. Er war eher schmächtig, aber seine Beine waren muskulös, der Gang federnd, die Knie aufgeschürft – zu viel Rasenkontakt in letzter Zeit. Jakob, der Dritte im Bund, überragte die beiden anderen um einen halben Kopf. Dabei war er schlank und wirkte schlaksig. Wer genau hinsah, entdeckte den gelassenen Blick und die sicheren Hände eines Torwarts.

An der Ecke zu einem langen Gang blieben sie stehen.

»Das schaffst du nie!«, sagte Gustav und sah den Gang hinunter.

»Wetten, doch?«, gab Anton lässig zurück.

Jakob stieß Gustav an: »Geh lieber nicht drauf ein – du verlierst nur.«

Aber Gustav ließ sich nicht beirren. »Du schießt also gegen die linke Wand, der Ball titscht nach rechts, dann zurück und noch mal nach rechts und wieder zurück?«

Anton nickte. »Noch besser: Er geht links exakt zwischen den Bildern rein und rechts zwischen den Türen. Und am Ende … tara! … landet er dahinten im Papierkorb.«

Gustav kniff die Augen zusammen. »Niemals! Ich setze fünf Euro.«

»Die Wette gilt«, murmelte Anton und legte sich den Ball zurecht.

»Hast du überhaupt so viel Geld?«, fragte Gustav.

»Brauche ich nicht, weil ich gewinne«, sagte Anton und ging vier große Schritte rückwärts. Beim fünften stieß er laut mit dem Absatz an die Tür vom Klassenraum der 7. Ein auf die Tür gemaltes Porträt von Jérôme Boateng sah auf ihn herab.

»Mach endlich, wir müssen gleich wieder raus«, drängte Jakob.

Damit meinte er den Schulhof, auf dem sie vorhin noch mit allen anderen gewartet hatten. Obwohl das neue Schuljahr schon vor zwei Wochen angefangen hatte, waren nämlich für heute zwei Neuzugänge angekündigt. Die waren superwichtig. Das sah man schon daran, dass Direktor Hilling die Bühne auf dem Hof hatte aufbauen lassen. Mitsamt Rednerpult, Mikro, Lautsprechern und den blau-weißen Internatsflaggen.

Zudem wuselten seit heute Morgen ein paar Reporter auf dem Gelände des Internats herum, schossen Fotos und befragten Schüler, wie es sich an einer Schule lebte, an der Fußball das Wichtigste ist.

Die Antworten waren knapp, aber eindeutig: »Cool«, »Saugut«, »Mega«, »Einfach nur geil«.

Aber eigentlich waren die Reporter wegen Rüdiger Fischer da. Dem Rüdiger Fischer. Der war nicht nur ehemaliger Nationalspieler, sondern auch zweimaliger Pokalsieger und Meister, CL-Sieger, mehrfacher Torschützenkönig und meist der schnellste Mann auf dem Platz. »Meinst du, sein Sohn ist wirklich gut?«, wandte sich Gustav an Anton.

Der rollte die Augen. »Lenk mich nicht ab! Aber sagen wir mal so: Wenn Fischers Sohn die Hälfte seines Talents geerbt hat, wird er ein guter Ersatz für Jann. Wenn nicht, haben wir ein Problem. Und jetzt schieße ich.«

»Ich filme!«, rief Jakob und hob sein iPhone hoch. »Wenn’s klappt, kommst du damit garantiert zum Torwandschießen ins Sportstudio.«

Anton atmete tief ein. Er machte drei schnelle Schritte nach vorn. In einer fließenden Bewegung trat er zu. Der Ball hob ab und donnerte an die linke Wand, genau zwischen zwei gerahmte Bilder, prallte ab, schoss nach rechts, prallte wieder nach links und flog mit nahezu unverminderter Wucht nach rechts.

In diesem Augenblick wurde die nächste Tür geöffnet. Der Ball traf genau auf die Kante, prallte zurück und erwischte den Bilderrahmen voll. Mit einem Knall platzte das Glas und der Rahmen krachte zu Boden. Die Urkunde über den zweiten Platz beim Internats-Pokal der U12 segelte langsam hinterher.

Anton, Gustav und Jakob wurden kreidebleich. Sie wirbelten herum, bereit, schnell das Weite zu suchen.

Da dröhnte die Stimme von Direktor Hilling aus dem Klassenraum: »Mittwald?«

»Ja«, antwortete Anton leise.

Herr Hilling hielt seinen Kopf vorsichtig aus dem Türrahmen. »Kommt da noch ein Ball?«, fragte er.

»Nein.«

Er trat auf den Gang, sah nach links zu den Jungen, dann nach rechts den Gang hinunter. Jakob ließ sein iPhone schnell in der Jeans verschwinden.

»Du wolltest doch nicht etwa den Papierkorb treffen?«, fragte Herr Hilling.

Anton nickte schuldbewusst.

»Dann tut es mir leid, dass ich die Tür im falschen Moment geöffnet habe. Wäre sicher ein super Schuss geworden.«

Die Jungen liefen den Gang herunter zu Direktor Hilling.

»Wäre es«, meinte Gustav. »Aber so schuldet mir Anton fünf Euro.«

Herr Hilling klopfte Anton anerkennend auf die Schulter.

»Besorgt euch Besen und ein Kehrblech beim Hausmeister, beseitigt die Scherben. Und die Urkunde …«

Er hob sie auf und schüttelte winzige Glassplitter ab.

»Oh Mann, zweiter Platz«, sagte Gustav und machte eine Wegwerfbewegung.

»Aber ihr habt dafür gekämpft, hart gearbeitet und alles gegeben. Also haltet sie in Ehren!«, sagte Herr Hilling und reichte Jakob die Urkunde. »Wenn hier alles sauber ist, geht wieder raus zum Empfang. Die kommen nämlich jetzt gleich.«

Anschließend zupfte er seine Krawatte zurecht und ging zum Ausgang. Kurz bevor er auf den sonnigen Schulhof trat, drehte er sich noch mal um. Er sah zu Gustav und sagte: »Übrigens: Fußballspielen um Geld ist an meinem Internat verboten.«

Damit trat er hinaus ins Freie. Dort rollte gerade ein großer schwarzer SUV auf den Schulhof. Ein paar Hundert Jungen brachen in lauten Jubel aus.

Zwei Neue

Als die drei auf dem Schulhof ankamen, war Herr Hilling schon mitten in seiner Rede. Neben ihm stand ein Mann, den hier keiner kannte. Rüdiger Fischer war es jedenfalls nicht.

Der Mann war sehr groß und sehr dünn und wirkte in seinem T-Shirt und den Jeans ziemlich jung. Zumal seine Haare so vom Kopf abstanden, als wäre ihm heute Morgen im Bad der Föhn explodiert.

»Und so ist es mir doch noch gelungen …«, sagte Herr Hilling und machte eine kurze Pause, »Herrn Brauer, einen begnadeten Mathematiklehrer, an unsere Schule zu locken.«

Herr Brauer machte einen Schritt nach vorne. Auf seinem T-Shirt konnte man lesen: »Fußball ist nicht das Wichtigste im Leben …«

Die Schüler im Publikum waren wenig beeindruckt. Ein paar nörgelten lautstark über Mathe im Allgemeinen und Mathelehrer im Besonderen. Nur vereinzelt war ein zaghaftes Klatschen zu hören.

»Der sieht jung aus«, meinte Anton.

»Irgendwie cool«, fand Gustav. »Für einen Mathelehrer, meine ich.«

»Nur weil er einen Fußballspruch auf dem Shirt hat?«, fragte Anton. »Hat doch heute jeder.«

Gustav kam nicht zum Antworten, denn jetzt fuhr Herr Hilling fort: »Ganz nebenbei unterrichtet Herr Brauer auch Sport und hat an zwei Internaten die U13-Mannschaften trainiert. Beide Male hat er wichtige Pokale gewonnen.«

Jetzt brach im Publikum ohrenbetäubender Jubel aus.

Herr Brauer drehte sich um und ging zu seinem Platz zurück. Auf dem Rücken seines T-Shirts konnte man nun die Fortsetzung des Spruchs lesen: »… es ist das Einzige!«

Jakob hüpfte vor Freude, dabei hielt er Gustav an den Schultern fest. »Hast du gehört? U13! Dann macht Jeschke doch nicht weiter als unser Trainer.«

Gustav stimmte ein. »Vielleicht schlagen wir dann sogar mal die Hartsteiner.«

»Genau. Und wenn Fischers Sohn auch noch gut ist, dann holen wir endlich den Internatspokal«, meinte Anton.

Zu dem neuen Mitspieler und Mitschüler kam Herr Hilling, nachdem sich der Jubel gelegt hatte: »Ich übergebe das Mikro nun an den ehemaligen Schüler unseres Internats und einen der besten Stürmer der letzten Jahre: Rüdiger Fischer!«

Offensichtlich fiel ihm eine Sekunde später ein, dass er etwas vergessen hatte. Denn er drehte sich schnell wieder zum Mikro, räusperte sich und fuhr fort: »Natürlich begrüße ich auch sehr herzlich Frau Fischer und den Sohn und künftigen Schüler am Internat Grünstadt: Leo Fischer!«

Rüdiger Fischer stand mit seiner Familie im Hintergrund. Sein kantiges Kinn war unverwechselbar. Obwohl er schon länger nicht mehr als Spieler aktiv war, zeichneten sich seine Muskeln immer noch unter seinem Hemd und der Jeans ab. Er hatte einen Arm um seine Frau und eine Hand auf Leos Schulter gelegt. Alle drei lächelten für die Kameras.

»Sieht unspektakulär aus«, sagte Gustav.

»Wer?«, fragte Anton. »Rüdiger Fischer? Ich finde, er sieht auch ohne Trikot ziemlich spektakulär aus. Ganz schönes Kraftpaket, oder?«

»Ich meine diesen Leo.«

Rüdiger Fischer nickte Rektor Hilling kurz zu, dann ging er ein paar Schritte nach vorne zum Mikrofon. Er wirkte kraftvoll und entschlossen, als würde er in ein Stadion einlaufen. Als er beide Arme in die Luft reckte, brandete tosender Applaus auf.

Jemand warf einen Ball auf die Bühne, den Fischer kurz in der Luft abstoppte, lupfte und dann auffing. Blitzlichtgewitter flackerte. Als Fischer wieder ans Mikrofon trat, drängten ein paar Reporter nach vorn und hielten ihre Smartphones aufnahmebereit vor die Lautsprecher.

»Danke, Leute.« Fischer räusperte sich kurz. »Wie ihr vermutlich alle wisst, habe ich auch vor vielen Jahren dieses Internat besucht. Und ohne dieses Internat hätte ich niemals eine solche Karriere hingelegt.«

Applaus brandete auf.

»Und wisst ihr was? Wenn ich euch so anschaue, spüre ich, dass dieser Spirit sich nicht geändert hat. Hier ist das Leben Fußball und Fußball ist das Leben. Jungs, ich fühle mich gerade, als wäre ich nach Hause gekommen!«

Tosender Applaus und begeisterte Pfiffe.

»Aber nicht ich komme heute nach Hause, sondern mein Sohn Leo.« Er zeigte kurz auf seinen Sohn, der etwas verschüchtert dastand und auf den Boden schaute. Dichtes blondes Haar fiel ihm ins Gesicht.

»Zum Glück wurde gerade ein Platz frei, sodass wir ihn endlich, endlich in diesem großartigen Internat unterbringen konnten.«

»Dieser Platz wurde frei, weil Jann mit seinen Eltern nach Kanada ziehen musste«, maulte Jakob.

»Jann war gut. Aber der Neue ist vielleicht auch nicht schlecht«, meinte Anton.

»Auf Janns Platz, meinst du? Ich glaube, auf den hofft Matteo«, sagte Jakob.

»Ich finde, der sieht ziemlich schüchtern aus, der Neue«, urteilte Gustav.

Auf der Bühne sagte Rüdiger Fischer gerade: »Und damit gebe ich sozusagen den Ball an Leo weiter.«

Damit drehte er sich um und warf seinem Sohn den Ball zu. Der riss erschrocken die Arme hoch. Doch der Ball fiel zwischen seinen Händen zu Boden, titschte zweimal auf und rollte weg. Im Publikum breitete sich abfälliges Geraune aus. Irgendwer in der hinteren Reihe klatschte. Leos Gesicht lief rot an.

»Ballgefühl wie ’n Taschenkrebs«, maulte Jakob.

»Der will ja auch nicht Torwart werden. Bestimmt hat er seine Füße besser unter Kontrolle«, flüsterte Anton.

Gustav schüttelte enttäuscht den Kopf, dann sah er auf die Uhr. »Leute, der Unterricht ist jetzt auch offiziell vorbei. Genug Gelaber ertragen, lasst uns kicken«, meinte er.

»Willst du dir kein Autogramm vom Fischer holen?«, fragte Anton.

»Ich stehe doch nicht stundenlang an, wenn uns der Sohn die Dinger später stapelweise besorgen kann. Es gibt schließlich ’ne Menge zu tun!«

Das sahen die beiden anderen auch so. Also liefen sie zum Fußballfeld hinter der Schule. Es war Zeit fürs Torwarttraining.

Ein neues Zuhause

Als Leo den Ball endlich aufgehoben hatte, standen seine Eltern mit Herrn Hilling schon abseits der Bühne. Zum Glück waren alle Augen auf seinen Vater, den großen Rüdiger Fischer, gerichtet. Jeder wollte ein Autogramm haben oder ihm wenigstens mal die Hand schütteln.

Jetzt aber sah er zu Leo und lächelte sein Kopf-hoch-wird-schon-Lächeln. Dabei konnte Leo eigentlich perfekt Bälle fangen. Aber als sein Vater den Ball geworfen hatte, stand der mit dem Rücken zu Sonne. Leo hatte überhaupt nicht gesehen, dass er ihm etwas zuwarf. Bestimmt dachten jetzt alle, dass er zu blöd sei, einen Ball zu fangen.

»Fängt ja gut an«, sagte Leo leise zu sich selbst.

Da spürte er eine Hand auf seiner Schulter.

»Ich glaube, dein Vater ist mit Autogrammen beschäftigt«, sagte Rektor Hilling. »Was hältst du davon, wenn wir in der Zwischenzeit schon mal deine Sachen auf dein Zimmer im Wohngebäude bringen?«

»Ich habe ein eigenes Zimmer?«, freute sich Leo.

»Nein, hier hat niemand ein eigenes Zimmer. Wäre ja langweilig. Du teilst dir eins mit Gustav und Jakob. Ihr versteht euch sicher gut. Gustav ist ein klasse Spieler mit perfekten Pässen und Jakob ist der beste Torwart weit und breit. Dazu gehört noch Anton. Junge, der hat einen Wumms im rechten Bein …« Herr Hilling ließ seinen Blick gedankenverloren schweifen. Dann schüttelte er sich kurz und fuhr fort: »Ganz ehrlich: Zusammen mit Jann waren die drei Herz, Mut, Seele und Verstand der Mannschaft. Jann ist leider nicht mehr dabei. Aber du wirst seinen Platz hoffentlich schon bald einnehmen.«

»Was war Jann in der Aufzählung?«

»Der Verstand. Und vor allem jemand, der Spiele besser lesen konnte als jeder andere auf dem Platz.«

Leo schluckte.

Nachdem Rektor Hilling wieder gegangen war, räumte Leo seine Sachen in den Schrank. Aus einem Seitenfach des Koffers nahm er ein sorgfältig gefaltetes Poster, auf dem Sherlock Holmes abgebildet war. Es zeigte ihn mit hochgeschlagenem Kragen im Nebel der Themse, umgeben von Codezeilen, chemischen Formeln und mathematischen Gleichungen. Sherlock Holmes war Leos Held.

Er wünschte sich, auch so schnell und präzise denken zu können wie Holmes. Deshalb las er viel, vor allem Krimis, und konnte seine Lieblings-Sherlock-Filme nahezu auswendig mitsprechen.

Leo befestigte das Poster mit ein paar Nadeln über seinem Bett. Schon wirkte das Zimmer ein bisschen mehr wie zu Hause. Anschließend legte er sich aufs Bett, verschränkte die Arme hinterm Kopf. Er ließ seinen Blick durchs Zimmer wandern.

An der gegenüberliegenden Wand hingen zwei alte Skateboards, daneben eine Menge Fußballbilder. Leo erschrak kurz, als ihn das Gesicht seines Vaters von der Wand anlächelte. Im Schrank neben dem anderen Bett lag ein Ball mit Autogrammen hinter einer Glasscheibe. In der Ecke stand eine Taktiktafel mit blau-weißen und schwarzen Magnetsteinen.

Wie die beiden anderen Jungen wohl waren?

In dem Moment flog die Tür auf. Drei Jungen stürzten redend und lachend mit einem Ball ins Zimmer. Sie verstummten augenblicklich, als sie Leo auf dem Bett liegen sahen.

»Mein Vater stand im Gegenlicht«, sagte Leo, bevor die anderen etwas sagen konnten.

»Und ich heiße Gustav«, sagte der Junge mit den dunklen Haaren. Er trat den Ball gegen die Wand, lupfte ihn beim Zurückkommen auf sein Knie und fing ihn mit beiden Händen.

»Anton«, stellte sich der rothaarige Junge vor.

Der dritte Junge stand mittlerweile vorm Spiegel. Er nahm sein Käppi ab und brachte seine Frisur mit den Fingerspitzen wieder in stylishe Unordnung. »Ich bin Jakob! Der beste Torwart weit und breit«, rief er.

»Und das größte Großmaul«, fügte Anton hinzu. Jakob lachte kurz darüber, als wäre er diesen Spruch von Anton gewohnt.

»Wir wollten dich fragen, ob du Lust hast, ein bisschen mit uns zu kicken«, sagte Anton.

»Hier sind nur drei Betten«, stellte Leo ausweichend fest und sah die Jungen an.

»Ich wohne bei meinen Eltern im Ort«, erklärte Anton. »Die Weicheier hier haben ja alle keinen Wumms in den Beinen. Dann hat Hilling mich mal im Ort spielen sehen und es irgendwie hingebogen, dass ich ein Stipendium bekomme.«

»Wow, der Oberchecker!«, rief Gustav lachend.

»Wer genau ist hier jetzt das größte Großmaul?«, fügte Jakob an.

Doch Leo war beeindruckt. »So gut bist du?«

»Wie gut bist du?«, fragte Gustav unvermittelt und warf Leo den Ball zu.

Der fing einwandfrei und stieß den Ball sofort zu Gustav zurück, der ihn mit der Stirn zu Jakob weiterleitete. Jakob fing den Ball mit beiden Händen, ohne überhaupt hinzusehen.

Er betrachtete nämlich gerade das Poster über Leos Bett.

»Du bist Sherlock-Fan?«, fragte er.

»Wo spielt ’n der?«, wollte Anton wissen.

Leo war nicht sicher, ob das ein Scherz war oder nicht.

Plötzlich öffnete sich die Tür.

»Leo?«, fragte Frau Fischer vorsichtig und steckte den Kopf ins Zimmer.

Leo sprang auf und ging zu ihr. Er hoffte, dass sie nicht hereinkommen und ihn zum Abschied abknutschen würde. Aber da stand sie schon mitten im Raum.

»Papa und ich fahren jetzt wieder«, sagte sie und nickte den drei anderen dabei lächelnd zu.

Wie aufs Stichwort erschien Rüdiger Fischer im Türrahmen.

Abschied

»Ähm, kann ich wohl ’n Autogramm haben?«, fragte Jakob.

»Ja, klar. Wohin?«

Jakob zeigte auf das Poster an der Wand über seinem Bett. Er holte einen Stift und reichte ihn Rüdiger Fischer. Der beugte sich weit übers Bett und signierte das Poster. Als er den Stift zurückgab, entdeckte er den Ball in der Vitrine.

»Das sind die Autogramme aller Spieler, die die WM 2014 gewonnen haben. Meine Großeltern haben mir den besorgt«, erklärte Jakob stolz. »Und eigentlich ist das auch unser Glücksbringer. Funktioniert jedenfalls meistens.«

»Ich war damals leider verletzt«, sagte Herr Fischer und sah den Ball genauer an. »Großartige Mannschaft war das. Aber wie funktioniert der als Glücksbringer?«

Jakob erklärte: »Vor jedem Spiel berühren alle Spieler nacheinander den Ball. Das bringt Glück.«

»Meistens«, fügte Gustav an.

Rüdiger Fischer nickte. »So eine Art Talisman also. Ich glaube, so was hat fast jeder Fußballer. Wichtig ist, dass man dran glaubt.«

»Wissen Sie, was mein Lieblingstor von Ihnen war?«, fragte Gustav.

»Welches?«, fragte Rüdiger Fischer und setzte sich auf Leos Bett.

»Damals, als Sie noch bei Schalke gespielt haben und den Bayern diese Granate aus 30 Metern reingedonnert haben!«

»Oh ja, ich erinnere mich. Hast du in der Saison auch das Spiel gegen Gladbach gesehen?«

Bevor Gustav antworten konnte, räusperte sich Frau Fischer und sagte: »Wenn ihr jetzt anfangt, über Fußball zu reden, kommen wir hier nie weg. Ich bin sicher, wir werden Leo öfter besuchen, dabei könnt ihr dann noch genug fachsimpeln.«

»Ich bringe euch zum Auto«, sagte Leo schnell und hoffte, so eine Abschiedsszene vor den anderen zu vermeiden.

Als er mit seinen Eltern das Zimmer verließ, rief Anton ihm hinterher: »Wollen wir gleich noch ein paar Schüsse aufs Tor machen?«

»Klar will er das«, antwortete Herr Fischer an Leos Stelle.

Nur kicken, oder?

Leo wischte sich eine Träne von der Wange und hoffte, dass seine Augen nicht mehr rot waren.

Die drei Jungen warteten schon auf dem Fußballplatz hinter der Schule.

Kaum, dass er das Feld betrat, schoss Gustav ihm den Ball zu. Leo leitete ihn, ohne abzustoppen, direkt zu Anton. Sie spielten sich ein paar Pässe zu und liefen dabei quer über den Platz.

Die Mädchen am Spielfeldrand bemerkte Leo erst jetzt.

»Wer sind ’n die?«, fragte er. »Sind die auch im Internat?«

Anton lachte kurz auf. »Nein, die sind aus dem Ort. Alles Jakob-Fans.«

»Der hat Fans? Ist er wirklich so gut?«

»Ich glaube, ein paar Mädchen finden, dass er gut aussieht.«

Langsam verlor Leo seine Unsicherheit. Anton war offensichtlich in Ordnung. Aber dann rief Gustav quer übers Feld: »Ey, ihr sollt aufs Tor schießen und nicht mit dem Ball spazieren gehen! Das hier ist Torwart-Training!«

»Ja, genau, wir wollen endlich Torwart-Action! Jakob! Jakob!«, riefen die Mädchen.

»Und wir müssen Pässe üben!«, gab Anton zurück.

»Aber ich will sehen, wie Rüdiger Fischers Sohn Tore schießt!«, rief Gustav jetzt.

»Rüdiger Fischer?! Echt?«, kreischten die Mädchen.

»Tore schießen mache immer noch ich«, rief Anton.

»Besser, ihr macht das beide«, erwiderte Gustav trocken.

Anton zuckte die Schultern. »Machen wir halt ein paar Schüsse auf den Kasten.«

Leo passte den Ball zu Gustav. Aber Gustav schoss ihn auf der Stelle hart zurück.

»Ich will sehen, wie du ein Tor schießt!«

»Mann, lass ihn doch«, mischte sich Jakob ein.

»Schieß einfach«, raunte Anton Leo zu.

Leo nahm ein paar Schritte Anlauf, Jakob sprang im Tor auf der Stelle auf und ab. Leo schoss.

Und traf Jakob voll gegen die Brust.

Die Mädchen kicherten: »Mach Jakob nicht kaputt!«

»Super Schuss«, murmelte Gustav mürrisch.

Jakob kickte den Ball auf Leo zurück. »Mach noch einen.«

Leo nahm erneut Anlauf. Er bemerkte Gustavs zweifelnden Blick und sofort wurden seine Schritte unsicher. Den Ball erwischte er nur knapp, der flog ein Stück, fiel auf den Boden und rollte harmlos am rechten Pfosten vorbei.

»Wo habt ihr den denn her?«, riefen die Mädchen lachend.

Leo verzog entschuldigend den Mund. »Sorry.«

Gustav holte sich den Ball, dribbelte damit um Anton und Leo herum, drehte sich plötzlich auf der Stelle und hämmerte ihn mit Picke in die linke obere Ecke.

»So macht man das«, sagte er und sah Leo dabei an. »Und Leute, die genau das können, brauchen wir in unsrem Team! Wir brauchen niemanden, der gemütlich ’ne Kugel übern Rasen schiebt. Davon haben wir hier genug. Das hier ist nämlich kein Spiel!«

»Gustav, reg dich ab«, rief Jakob, während er den Ball aus dem Netz fischte. »Macht jetzt einfach alle mal ’n paar gute Neuner! Konzentriert euch auf den Ball und nicht auf eure Mitspieler und gebt mir was zu halten«, rief er den drei Jungen zu.

Das taten sie dann auch. Beinahe. Anton verwandelte ins untere rechte Eck, Gustav schoss den Ball wieder unhaltbar nach oben links. Leos Ball flog zwei Meter übers Tor.

»Das Tor sind diese runden silbernen Stangen! Aus meiner Sicht ist es ziemlich groß«, rief Jakob aufmunternd.

In der nächsten Runde kam es noch schlimmer: Leo nahm perfekt Anlauf. Er versuchte, Gustav und die Mädchen zu ignorieren, und konzentrierte sich voll auf den Ball. Doch dann rutschte er beim Abschuss mit dem linken Fuß weg und landete hart auf seinem Steißbein. Der Ball kullerte Jakob vor die Füße.

»Und was kannst du sonst noch?«, fragte Gustav, als er Leo beim Aufstehen half.

»Wenn ihr alle so verdammt gut seid, warum holt ihr dann nie den Pokal?«, zischte Leo und stapfte vom Platz.

»Gustav! Es reicht!«, riefen Anton und Jakob gleichzeitig.

Doch Freunde?

Draußen dämmerte es bereits. Leo lag auf seinem Bett und las einen Krimi, als Gustav ins Zimmer kam. Der grüßte wortlos mit erhobener Hand, setzte sich auf sein Bett und sah Leo an.

Leo drehte sich zur Wand.

Gustav stand auf und schloss das Fenster. »Kalt hier. War das die ganze Zeit auf?«, fragte er.

Leo reagierte nicht.

Gustav holte tief Luft, dann sagte er leise: »Sorry.«

Leo reagierte nicht.

Gustav sagte es noch einmal, diesmal lauter: »Sorry.«

»Lass mich.«

»Wirklich, es tut mir leid. Ich bin manchmal scheiße. Weiß ich. Aber ich will gewinnen. Ich will diesen Pokal gewinnen, verstehst du? Ich muss es in dieser Saison schaffen!«

Endlich drehte Leo sich um. »Ich kann nichts dafür, dass mein Vater mein Vater ist«, sagte er.

»Ist klar.«

»Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man ständig mit ihm verglichen wird?«

»Ist bestimmt ein komisches Gefühl, unter seinem Bild zu schlafen«, sagte Gustav. Er lachte und zeigte auf das Rüdiger-Fischer-Poster an der Wand.

Leo verzog keine Miene. »Ist jedenfalls nichts, was ich irrsinnig komisch finde.«

Gustav hob abwehrend die Hände. »Okay. Schon gut. Ich habe ja gesagt: Es war und ist meine Schuld. Ist es jetzt gut?«

Leo überlegte, dann nickte er.

Gustav ging zu Leos Bett. Er streckte die Hand aus. »Freunde?«

»Sollten wir auf jeden Fall versuchen. Wer weiß, wie lange wir uns dieses Zimmer teilen«, antwortete Leo und schlug ein. Gleichzeitig hielt er einen Finger an seine Lippen, stand leise auf und öffnete die Tür mit einem Ruck. Jakob und Anton stolperten in den Raum.

»Habt ihr uns etwa belauscht?«, fragte Gustav.

»Wir wollten nur sicherstellen, dass du keinen Scheiß mehr machst«, erwiderte Anton.

»Hat er nicht«, sagte Leo.

Keine fünf Minuten später saßen sie zu viert auf Leos Bett und aßen Kekse, die Jakobs Oma ihm geschickt hatte.

Natürlich wollten die drei von Leo wissen, wie das Leben als Sohn eines so berühmten Fußballspielers aussieht.

Leo stöhnte. »Lässt sich nicht vermeiden, oder?«

Gustav schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Wenn du bei uns mitmachen willst, müssen wir alles über dich wissen. Du kannst ja auch alles über uns wissen.«

»Eigentlich war das alles ganz normal. Mein Papa ist morgens zur Arbeit gegangen und abends zurückgekommen. Und manchmal war er tagelang unterwegs. Zum Beispiel wenn Auswärtsspiele waren. Jetzt nicht mehr ganz so schlimm, ist klar, weil er ja nicht mehr spielt, sondern nur noch andere trainiert. Aber trotzdem ist er ja meistens dabei.«

»Aber du kommst doch immer ins Stadion?«, fragte Anton.

»Schon.«

»Auf die richtig geilen Plätze, oder?«, wollte Gustav wissen.

»Ja.«

»Und dein Vater trainiert dich und bringt dir die wirklich guten Tricks bei«, meinte Jakob.

Gustav stieß ihn bei der Frage unauffällig an, aber Jakob verstand den Hinweis nicht.

»Manchmal«, sagte Leo ausweichend. »Der ist ja auch froh, wenn er mal keinen Ball sehen muss. Ist halt Arbeit. Eure Eltern wollen ja abends auch freihaben.«

»Stimmt«, sagte Gustav. »Meine Eltern entwickeln Apps, eigene Firma und so, und meine Mutter macht tatsächlich am Wochenende das Handy komplett aus. Mein Vater zieht sich dann offiziell immer Serien auf dem Tablet rein. Aber ich weiß, dass er dabei meistens heimlich noch ein paar Zeilen Code schreibt.«

»Was riecht hier eigentlich so?«, fragte Leo und rümpfte die Nase.

Jakob und Gustav sahen gleichzeitig zu Anton. Der hob entschuldigend seine Hände.

»Antons Käsemauken!«, rief Jakob und ließ sich theatralisch nach hinten fallen.

Anton stand auf. »Dafür kann ich nichts. Ich pubertiere, da riecht man manchmal. Ist ja wohl euer Pech, dass ihr noch nicht so weit seid.«

»Was?«, rief Leo entsetzt. »Wenn wir erst mal alle so riechen, stinkt das Zimmer ja schlimmer als ein Tigerkäfig!«

»Quatsch«, sagte Gustav knapp. »Der pubertiert noch gar nicht. Der ist nur zu faul, morgens zu duschen. Also mach wenigstens das Fenster auf, Stinkfuß.«

Im selben Moment klackten zwei kleine Steine gegen das Fenster.

»Wer ist das?«, fragte Gustav.

Anton ging zum Fenster und schirmte seine Augen mit den Händen ab.

»Ich sehe nichts«, murmelte er.

»Flutlichtspiel!«, rief Gustav erwartungsvoll. »Los, mach das Fenster auf!«

Anton öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus.

»Flutlichtspiel?«, fragte Leo.

»Das ist das Beste überhaupt!«, erklärte Gustav begeistert. »Ist eigentlich nicht erlaubt, aber manchmal riskieren es ein paar Leute. Wenn wir auf den Plätzen in der Senke spielen, sehen die Lehrer das hier oben nicht unbedingt.«

Senke? Leo verstand kein Wort und auf ein Flutlichtspiel war er im Moment ohnehin nicht versessen. Schon gar nicht, wenn es verboten war.

»Siehst du was?«, wollte Jakob wissen.

Anton schüttelte den Kopf: »Nee, ich sehe nichts.«

»Dann gehen wir raus und schauen nach«, schlug Leo vor.

»Lieber nicht«, meinte Jakob. »Um die Uhrzeit dürfen wir nicht mehr aus den Zimmern. Und Anton dürfte eigentlich auch nicht mehr hier sein.«

Anton lachte nur. »Hallo? Wer hat heute Aufsicht?«

»Jeschke«, sagte Jakob. An Leo gerichtet, fügte er schnell hinzu: »Das ist unser ehemaliger Trainer.«

Gustav strahlte übers ganze Gesicht. »Jeschke guckt um diese Zeit immer Premier League«, sagte er. »Keine Gefahr, der Weg ist frei.«

Das überzeugte auch Jakob. Er und Gustav holten Mag-Lite-Taschenlampen aus ihren Nachtschränken. Jakob hatte zwei, von denen er eine Anton gab.

»Vollprofis, was?«, staunte Leo.

»Wenn du wüsstest, wie oft wir die noch brauchen werden«, sagte Jakob geheimnisvoll.

Dann gingen sie zur Tür.

»Hallo!«, sagte Leo. »Ich habe keine Lampe!«

»Du hast mich, das reicht«, antwortete Anton und zog Leo mit sich.

Hartsteiner

Die vier huschten leise über den Flur. Sie wollten nichts riskieren. Auch wenn Herr Jeschke den Fernseher wie immer sehr laut gestellt hatte.

Draußen schlichen sie auf Zehenspitzen ums Haus. Es dauerte ein paar Minuten, bis sie endlich vor ihrem Zimmerfenster ankamen. Die Lichtstrahlen ihrer Taschenlampen zuckten über den Rasen. Hier war niemand zu sehen.

»Hallo?«, rief Leo.

Sofort hielt Anton ihm den Mund zu. »Bettruhe!«, zischte er. Leo nickte entschuldigend.

»Da hat uns wohl jemand verarscht«, meinte Gustav enttäuscht. »Lasst uns wieder ins Zimmer gehen.«

Auf der anderen Seite der Hecke raschelte etwas.

»Da sind welche! Die können was erleben!«, flüsterte Gustav und warf sich in die Hecke. Zweige und Blätter leisteten Widerstand. Aber Gustav kämpfte sich auf die andere Seite. Dann hörten die drei Zurückgebliebenen ein Klatschen und einen unterdrückten Schmerzensschrei.

Anton und Jakob umklammerten ihre Taschenlampen fester.

»Wer bist du? Was machst du hier?«, fragte jemand hinter der Hecke.

»Ich bin’s, Gustav! Ihr kennt mich doch! Habt ihr die Steine geworfen?«

»Was für Steine?«, fragte jemand.

Anton und Jakob ließen die Taschenlampen sinken.

Danach war nur noch Gemurmel zu vernehmen. Bis Gustav plötzlich mit Rascheln und Stöhnen wieder auf dieser Seite der Hecke landete.

»Was ist los?«, wollte Anton wissen.

»Da drüben sind zwei Jungs aus der Zehn, die heimlich rauchen. Die haben garantiert keine Steine geworfen. Haben aber auch niemanden gesehen.«

»Aber doch gehört«, meinte Leo.

Gustav schüttelte den Kopf und sagte: »Die daddeln mit Kopfhörer.«

Mit einem Stöhnen sagte Anton: »Leute, es ist spät, ich muss leider nach Hause.« Er gab Leo seine Taschenlampe und ging.

Die drei anderen schlichen zurück in ihr Zimmer.

»Ich wüsste aber schon gerne, warum jemand die Steinchen geworfen hat«, flüsterte Jakob vor ihrer Zimmertür. Gustav meinte, dass sie das eines Tages schon noch rauskriegen würden.

Sie bekamen es jedoch sehr viel schneller raus.

Leo entdeckte es als Erster. »Der Ball ist weg!«

Jakob starrte auf die leere Vitrine und wurde kreidebleich. Gustav ballte die Fäuste. »Das war es also!«, zischte er und stürzte ans Fenster.

Einen Augenblick später rief er: »Dahinten rennen welche übers Feld!«

»Die haben unseren Ball geklaut«, sagte Jakob fassungslos.

»Dann holen wir uns den eben zurück!«, meinte Leo.

Gustav war schon wieder an der Tür. Jakob starrte immer noch apathisch in die leere Vitrine. Er wirkte, als wäre er gegen eine Wand gelaufen und hätte vergessen umzufallen. Leo umklammerte seinen Arm und zog ihn hinter sich her.

»Schnell, die kriegen wir noch!«, rief Gustav.

»Wen kriegt ihr noch?«, donnerte die Stimme von Herrn Jeschke über den Flur.

»Oh, Mist!«, entfuhr es Gustav.

Die drei blieben stehen. Herr Jeschke kam langsam auf sie zu. »Interessant«, sagte er. »Drei Schüler mit Taschenlampen während der Bettruhe. Da bin ich gespannt, was ihr für eine Erklärung habt.«