The Doctor Is In!: Dr. Heartbreaker - Max Monroe - E-Book

The Doctor Is In!: Dr. Heartbreaker E-Book

Max Monroe

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Beschreibung

Mein Name ist Dr. Nick Raines. Nachdem ich in der Vergangenheit aus Egoismus die mir nahestehenden Menschen verletzt und im Stich gelassen habe, ließ ich mich als Leiter der Neurochirurgie des St. Lukes Krankenhaus in New York nieder, um näher an meiner zehnjährigen Tochter Lexi zu sein und ihr ein besserer Vater zu werden. Endlich mache ich Fortschritte in der Beziehung zu meiner Tochter, und ich werde alles dafür tun, dass nichts unsere neue Bindung zerstört. Plötzlich tritt unerwartet die Headhunterin Charlotte Hollis in mein Leben. Extrovertiert, impulsiv und wunderschön ist sie. Mir wird immer klarer, wie sehr ich mich nach einer Frau wie ihr gesehnt habe. Vom gemeinsamen Quizabend bis zu leidenschaftlichen Nächten ist es nicht weit. Das Leben könnte nicht schöner sein! Doch dann erfahre ich ein Geheimnis aus Charlottes Vergangenheit, dessen Bekanntwerden mit einem Schlag Lexi aus meinem Leben reißen könnte. Es ist eine Schlacht – meine Schlacht: Verstand gegen Herz! Der dritte und abschließende Teil der "The Doctor Is In!"-Serie des New York Times-Bestseller-Autorenduos Max Monroe.

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Seitenzahl: 303

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Max Monroe

The Doctor Is In! 3: Dr. Heartbreaker

Copyright © 2017 by Max Monroe

Published by Arrangement with Max Monroe LLC

c/o Jane Rotrosen Agency LLC, 318 East 51st Street, New York, NY 10022 USA

Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag,

D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Übersetzung: © Joy Fraser

Covergestaltung: © Mia Schulte

Coverfoto : © Istockphoto.com

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-332-3

ISBN eBook: 978-3-86495-333-0

Dieses Werk wurde im Auftrag der Jane Rotrosen Agency LLC vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorinnen weitergegeben werden.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Epilog

Danksagungen

Autorinnen

Prolog

Nick

„Es tut mir leid, Nick. Ich weiß, du hast dich daran gewöhnt, dass wir dir deine Ausbildung bezahlen, und dein Vater ist ein guter Mann. Er würde sich niemals vor der Verantwortung drücken wollen“, sagte meine Mutter leise.

Der Küchenstuhl unter mir war stabil, ich spürte die Beine aus Holz an meinen eigenen, dennoch fühlte es sich an, als wäre ich im freien Fall. Ich hörte das Blut in den Ohren rauschen und versuchte, mir der Konsequenzen dessen bewusst zu werden, was sie mir sagte. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren, die unerwarteten Nachrichten taten mehr weh, als vernünftig wäre, aber ich konnte nichts dagegen tun.

Sicher hätte ich bald den Boden erreicht und wäre dann in der Lage, mich zusammenzureißen und herausfinden, wie ich all meine Wehwehchen heilen konnte, nicht wahr?

Schließlich studierte ich Medizin.

„Ich verstehe das nicht. Wieso ist die Tatsache, dass Dad seinen Job aufgibt, kein Drücken vor der Verantwortung?“, grollte ich verärgert. Und wieso musste er es ausgerechnet jetzt tun? Das fragte ich jedoch nicht laut. Ein Teil von mir wusste, dass meine Eltern mir nichts schuldeten, aber als ich mir vorstellte, was dies für mein Leben bedeutete, dachte meine junge, egoistische Hälfte unter hämmernden Kopfschmerzen etwas anderes.

Mein Dad war einer der erfolgreichsten Männer an der Wall Street, hatte einen brillanten Verstand, war ein talentierter Großverdiener, und er verließ all dies, um den Haushaltswarenladen meines Großvaters zu übernehmen. Das Geschäft lag in den letzten Zügen, stand kurz davor unterzugehen und war mit mehr Schulden belastet, als meine Eltern selbst hatten. Auf welchem Planeten nannte man so etwas verantwortungsvoll?

Der Gesichtsausdruck meiner Mutter wurde härter. Meine Eltern waren eins dieser blendend glücklichen Ehepaare, die jeden Tag ein wenig mehr ineinander verliebt sind und sich verzweifelt wünschen, ein weiteres Jahr zusammen sein zu dürfen. Irgendwann würden sie sechzig Jahre verheiratet sein und sich immer noch mehr Zeit wünschen. Jede Beleidigung gegen meinen Vater, versteckt, vage oder generell, bedeutete, auch meine Mutter zu beleidigen.

„Er hat seinen Job aufgegeben, um den zu machen, den dein Großvater nicht mehr erledigen konnte“, belehrte sie mich. Ihr glattes, schokoladenbraunes Haar mit dem Bob-Schnitt schwang nach vorn und bedeckte ihre rosa Wangen. „Vor siebzig Jahren gründete dein Opa das Geschäft und es ist jetzt ein Familienvermächtnis. Er muss sich um deine Großmutter kümmern und kümmert sich immer noch auch um uns. Wir werden einfach nur nicht mehr so viele Freiheiten haben wie bisher.“

„Freiheiten?“, fragte ich und stellte mir mein Leben im Krankenhaus kombiniert mit einem Nebenjob vor. Ich hatte schon jetzt kaum Zeit zum Schlafen. „Ich kann meinem Leben Auf Wiedersehen sagen! Ich habe noch drei Jahre Assistenzzeit vor mir, Hundert-Stunden-Arbeitswochen, und jetzt muss ich mir auch noch einen Job suchen.“

Ihr Ton wurde sanfter. Aber nur ein bisschen. Man redete mit seiner Mutter nicht wie ein undankbares Arschloch und bekam auch noch einen Keks dafür. Zumindest erwartete ich das nicht.

„Du kannst einen Kredit aufnehmen, Nick.“

Meine Wut, die daher rührte, dass meine Eltern mir bisher ein verwöhntes Leben ermöglicht hatten, färbte meine Worte und bestimmte mein Denken. „Dad kann tun, was er will. Aber wenn ich mit der Ausbildung fertig bin, werde ich darauf achten, nicht dieselben Fehler zu machen wie er“, spuckte ich, rücksichtslos, nur an meine eigenen Interessen denkend. Ich nahm mir vor, für meine zukünftige Familie zu sorgen, wie es meine Pflicht war, was auch immer es mich kosten würde.

Das klang wie die berühmten letzten Worte. Oder?

„Dieser Job ist am anderen Ende des Landes, Nick. Ich weiß gar nicht, wie du das überhaupt in Betracht ziehen kannst. Du wirst mich und das Baby nie sehen können!“

Winnie legte beschützend ihre kleinen Hände auf ihren immer runder werdenden Bauch, während sie mit mir über meine Zukunft diskutierte.

Vor drei Monaten hatte sie mir gesagt, dass sie schwanger war, nachdem sie es eine Woche vorher selbst herausgefunden hatte, und in ungefähr vier Monaten würde ich Vater werden.

Zuerst war ich in Panik geraten, frustriert von dem schlechten Timing des Lebens und einem erneuten Hindernis für meine sorgsam durchdachten Pläne. Ich hatte in den vergangenen drei Jahren unermüdlich gearbeitet – bis zum Schlafentzug –, um meine Ausbildung zu beenden, und die Tür zu einem Leben ohne Erschöpfungszustände war zum Greifen nah. Nie wieder wollte ich mich für Geld derartig abstrampeln müssen. Ich wollte zwar hart arbeiten, aber in dem Bereich, der meine Leidenschaft war. In der Neurochirurgie. Nicht als Barkeeper in Staten Island.

Und endlich, vor einer Woche, war die Antwort gekommen. Ein Angebot für eine Stelle, die mir für die nächsten fünf Jahre sicher war und mir den Weg ebnete, ein großer Name und ein guter Verdiener in der modernen Medizin zu werden.

Mir war nicht einmal im Traum eingefallen, dass Winnie so negativ darauf reagieren würde.

„Es geht um das beste Krankenhaus in Kalifornien. Die Leute brauchen teilweise zehn Jahre, um dort angenommen zu werden. Sie kämpfen und intrigieren dafür, und die neurologische Abteilung will mich. Wie könnte ich das ablehnen?“, bettelte ich praktisch um ihr Verständnis.

„Such dir hier eine Stelle“, wandte sie ein. „New York hat tolle Krankenhäuser und das St. Mary’s hat dir bereits einen Job angeboten.“

„Für halb so viel Geld. Und es ist gar kein Vergleich.“ Wenn ich diese Stelle annehmen würde, wäre ich in fünf Jahren genauso weit wie jetzt. Ich würde immer noch mein Studium abzahlen, verflucht noch mal.

„Aber es wäre hier“, beharrte Winnie.

Tränen liefen über ihr frisches, junges Gesicht und hinterließen Spuren in ihrem leichten Make-up. Sie hatte diese Art Augen, die einem mit ihrer Melancholie wehtun, aber einen auch mit ihrer Freude anstecken konnten. Doch jetzt ging es um etwas Großes. Größer als wir beide, und mehr als das klischeehafte Bild von einer glücklichen Vorstadtfamilie.

Sie wusste nicht, wie es war, ein Kind zu sein, dessen Eltern kaum Geld hatten, also musste ich mich für uns beide um unsere Zukunft kümmern. Ich wollte nicht, dass unser Kind später auch so sehr für alles kämpfen musste. Manche würden es verwöhnen nennen, aber für mich war es die richtige Entscheidung.

Am Ende konnten wir uns nicht einig werden. Ich schwor, dass ihre Denkweise falsch war, und sie dachte dasselbe von meiner.

Eine Woche später ging ich nach Kalifornien, um etwas aus mir zu machen – letztendlich auch für die beiden.

Eines Tages würden sie es verstehen.

Kapitel 1

Charlotte

Taxis rasten mit mindestens hundert Stundenkilometern an mir vorbei und bremsten auf null ab, als die Ampel rot wurde. Ungeduldige hupten ihre liebevolle Botschaft und nervten die anderen unruhigen Fahrer, die auf Grün warteten und bereits wie Pferdejockeys in Startposition gingen. Fußgänger bevölkerten die Gehsteige, und Straßenhändler hinter ihren Ständen gaben sich Mühe, die Vorbeigehenden zu überzeugen, ihnen etwas abzukaufen. Und ein Mann in den Mittsiebzigern mit einem Buckel und einem rosa Tutu über einem Tanga torkelte auf dem Gehweg vor mir und bot jedem an für ein Trinkgeld zu tanzte.

Ich bin wieder da, Leute!

New York City – die einzige Stadt, die sich immer wie zu Hause anfühlte. Und sie war noch genauso großartig, einzigartig, eigensinnig und pulsierend wie damals vor über zwölf Jahren, als ich sie verlassen hatte. Zwar war ich zu Besuch hier gewesen, denn die Anziehungskraft der alten Stadt war zu groß, um ihr zu widerstehen, aber es war nicht dasselbe wie zu wissen, dass ich von nun an hier leben würde.

Der Kreis hatte sich geschlossen, und der Job, der mich einst dem Big Apple gestohlen hatte, brachte mich nun zu meinem liebsten Ort auf der Welt zurück.

Chase Murray International, kurz CMI, war mein Arbeitgeber, und ich arbeitete seit meinem Universitätsabschluss für diese weltbekannte Personalfirma. Spezialisiert auf internationales Marketing und die Abwerbung für Eliteangestellte im professionellen medizinischen Bereich, richteten wir unsere Aufmerksamkeit nur auf die Chefs und medizinisch überaus talentierten Leute der Welt.

Mein Spezialgebiet waren Ärzte. Chirurgen, um genau zu sein. Obwohl ich meinen Abschluss an der NYU in Betriebswirtschaft gemacht und keine Erfahrungen im Gesundheitswesen hatte, bewies ich über die Jahre, dass ich ein Händchen dafür hatte, die besten Chirurgen zu finden. Und ich war noch besser darin, sie zu überzeugen, ihre Arbeitsstelle zu kündigen und in ein Hospital zu wechseln, das ihre Erfahrung wirklich brauchte und wünschte.

Zwar war dieser Job nicht unbedingt der, den ich mir anfangs vorgestellt hatte, aber inzwischen schätzte ich die Freiheit, die er mir erlaubte. Ich legte meine eigenen Termine fest, die Arbeitszeiten und durfte mir meine Zeit selbst einteilen. Das war auf jeden Fall körperlich viel weniger anstrengend als beispielsweise Strippen. Anstatt meine Zeit damit zu verbringen, meine Figur schlank zu halten, bestach ich Leute, indem ich sie zum Essengehen einlud.

Essen siegt!

Ehrlich gesagt war es ein Traumjob. Das einzig Negative war, dass ich hatte umziehen müssen. Aber CMI hatte einiges geändert, und jetzt war ich wieder in New York stationiert und musste nur gelegentlich woanders hinreisen. Außerdem konnte ich nun endlich mein Erspartes einsetzen, das ich wenig einfallsreich Hauskauf-Rücklage genannt hatte.

Seit ich bei CMI angefangen hatte, hatte ich Geld weggelegt, um irgendwann einmal in der Lage zu sein, mir ein Haus zu kaufen. Aber seither war ich nie lange genug an einem Ort, um die Suche nach einer festen Bleibe auch nur zu erwägen. Doch jetzt war ich wieder in meiner Stadt und würde nicht nur den Anblick, die Geräusche und die energiegeladenen Schwingungen genießen, sondern auch nach einer geeigneten Immobilie Ausschau halten.

Ich drückte mir selbst die Daumen und die großen Zehen, dass ich eher früher als später etwas finden würde, denn in einem Wohnklo in der Größe einer Sardinenbüchse in Chinatown zu leben, machte keinen Spaß.

„Hey, aufpassen, Lady!“, rief ein Taxifahrer aus seinem Fenster, als ich die Straße überquerte, und hupte zur Bekräftigung zweimal.

Ich zuckte zusammen, meine Handtasche fiel fast auf den Boden, aber dann lächelte ich. Das war New York! Himmel, diese Stadt war einfach wunderbar.

Die Lichter des Times Square tanzten und wirbelten in der späten Nachmittagssonne, als ich Richtung U-Bahn-Station auf der 42. Straße ging, um die Shuttle-Bahn zum Grand Central zu erwischen. Ich hatte einen Umweg gemacht, damit ich meine Stadt sehen, atmen und wiedererleben konnte.

Vor zwölf Jahren hätte ich den Times Square wie die Pest gemieden. All die Touristen dort, die die Gehsteige überfüllten und es so gut wie unmöglich machten, irgendwo schneller als im Schneckentempo hinzukommen, verursachten mir Übelkeit.

Aber nicht heute.

Heute feierte ich die Stadt. Mit einem breiten, dämlichen Grinsen und Taylor Swifts Welcome to New York über Kopfhörer in den Ohren, schlenderte ich am Times Square vorbei. Ich war erst seit einer Woche zurück und lebte in meinem kleinen Apartment in Chinatown noch aus Umzugskartons, aber ich hätte nicht glücklicher sein können. Wegen New York. Der besten Stadt der Welt.

Die meisten von uns waren eine Art Flüchtlinge, die in keiner anderen Stadt oder kleinen Gemeinde fanden, was sie suchten. Nicht mal Paris, London oder Los Angeles konnte man mit dem Big Apple vergleichen.

Es war eine Stadt, die nichts von uns wollte, außer uns neu zu erfinden. Keine andere Stadt forderte das.

Unsere Heimatstädte wollten nichts von uns, denn sie hatten auch nichts zu geben. Sie wollten, dass man nah bei Mom und Dad blieb. Sie machten es einem leicht, das Heim mit dem weißen Lattenzaun zu bekommen, den Minivan und die 2,5 Kinder. Aber sie belebten einen nicht.

Doch New York tat es. New York verhandelte nicht mit Biologisch-tickender-Uhr-Terroristen.

Stattdessen wollte die Stadt unterhalten werden und gab Unterhaltung zurück. Und für eine Weile konnte man glauben, dass New York einen erkannte, einen belohnte und einem bestätigte, was man bereits geahnt hatte: dass man etwas Besonderes war.

Man sagte der Stadt gottähnliche Qualitäten nach, und das nicht ohne Grund. Nirgends sonst hatte ich mich an einem einzigen Tag jemals gesegneter und gleichzeitig verfluchter gefühlt als hier.

Chicago, wo ich fünf Jahre meiner Zwanziger verbracht hatte, war wie ein warmes Bad.

Aber New York, nun ja, New York war das Meer.

Flott auf meinen schwarzen Pumps unterwegs, kam ich Ecke 42. Straße und Broadway an und ging die Treppe zur U-Bahn hinunter. Schließlich saß ich im Shuttle. Drei Bahnen später stand ich vor dem Eingang des St. Luke’s Hospital.

Ich sollte einen Neurochirurgen namens Dr. Nick Raines umgarnen, beeindrucken und zu einem Wechsel in ein nagelneues, hochmodernes Krankenhaus in Los Angeles bewegen.

Natürlich war das Tausende Kilometer von seinem jetzigen Umfeld entfernt, aber ich hatte meine Hausaufgaben gemacht. Der Mann hatte seine Stelle als Chef der Neurochirurgie im St. Luke’s erst vor ein paar Jahren angetreten und war davor durchs Land gereist, wobei er im guten alten Kalifornien gestartet war. Zwar war es noch keine sichere Sache, aber dass er so flexibel war, würde sicherlich hilfreich sein.

Seine berufliche Erfolgsliste war unglaublich. Der Mann war ein Mysterium in seinem ohnehin schon schwierigen Feld. Er übernahm Fälle, die niemand wollte, und schaffte es dennoch, seine Erfolgsrate im neunzigprozentigen Bereich zu halten. Das war unter Gehirnchirurgen praktisch einmalig.

Aber auch es mir eine riesige Provision einbringen würde, Dr. Raines nach Los Angeles zu kriegen, war er nicht mein einziges Ass im Ärmel. Als Headhunterin hatte ich früh gelernt, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Obwohl das Kennedy Medical Center davon überzeugt war, Dr. Raines haben zu wollen, wusste ich, dass er nicht als Einziger gut zu ihnen passen würde.

Auf meiner Liste standen noch drei weitere Kandidaten. Und eine davon, Dr. Sylvia Morris, sah sich bereits nach einer Stelle an der Westküste um, weil sie näher zu ihrer Familie wollte.

Ich ging durch die Eingangstüren zum Aufzug und Richtung Dr. Raines’ Büro, das sich im Ostflügel befand. Ehe ich den vierten Stock erreichte, nahm ich die Kopfhörer heraus und steckte das Handy in die Handtasche.

Eine junge, flotte Rothaarige saß hinter dem Tresen im Wartebereich. Sie lächelte freundlich, als ich hineinging.

„Guten Tag“, grüßte sie. „Was kann ich für Sie tun?“

„Hallo“, ich sah diskret auf ihr Namensschild, „Jenna.“ Ihr Lächeln wurde breiter. Ich kannte mich mit zwischenmenschlichen Gesten aus; jeder wollte persönlich angesprochen werden, anstatt ein namenloses Gesicht hinter einem Tresen zu sein. „Ich bin Charlotte Hollis. Ich habe einen Termin um sechzehn Uhr mit Dr. Raines.“

Jenna scrollte am Computer durch den Kalender. Sie klickte ein paarmal mit der Maus, ehe sie mich wieder anlächelte. „Dr. Raines ist heute etwas spät dran, sollte aber in zehn Minuten fertig sein.“ Sie stand auf und deutete auf eine Tür neben dem Tresen. „Wenn Sie mir bitte in sein Büro folgen würden. Sie können dort auf ihn warten.“

„Klingt gut.“ Ich nickte und folgte ihr.

Jenna führte mich einen Flur entlang, bis wir ganz hinten in seinem Büro waren. Ein großer Mahagoni-Schreibtisch stand in der Mitte und dahinter befand sich ein bodentiefes Fenster.

„Machen Sie es sich bequem“, sagte sie und zeigte auf zwei Ledersessel vor dem Schreibtisch. „Dr. Raines wird gleich da sein.“

„Danke, Jenna“, sagte ich, ehe sie die Tür hinter sich schloss.

Ich stellte meine Aktentasche auf den Boden neben den Sessel und ging zum Fenster. Die belebte Stadt war voller gelber Taxis. Central Park, Manhattan.

Mann, Dr. Raines hatte hier eine bombastische Aussicht. So schön, dass ich spontan dachte, er wäre ein Narr, wenn er diese Stadt mit diesem irren Büro für einen Job an der Westküste verlassen würde.

L.A. war toll, aber eben nicht wie diese Stadt. Das wusste ich, weil ich den Großteil des Jahres 2013 in der Stadt der Engel verbracht hatte.

Ich hörte das Klicken der Türklinke, drehte mich schnell um, und versuchte, ruhig und professionell auszusehen, obwohl ich hinter einem fremden Schreibtisch stand.

Ein Mann in einem weißen Arztkittel, schwarzen Hosen, einem hellblauen Hemd mit Kragen und passender Krawatte schlenderte herein. Ich streckte den Rücken durch. Es war nicht einfach irgendein Mann. Er war ein wandelnder Leckerbissen mit umwerfend schönen braunen Augen, Fünftagebart und einem kantigen Kinn, an dem Bildhauer ihr ganzes Leben arbeiten müssten, um es so hinzubekommen.

Kurz gesagt, wenn das Nick Raines war, war er sündhaft sexy. Die meisten vierzigjährigen Neurochirurgen sahen aus, als wären sie ein paarmal von einem Laster überfahren worden, da sie gnadenlose Zeitpläne hatten, unfassbaren Druck und eine sture Unfähigkeit, Arbeit zu delegieren.

Aus Erfahrung wusste ich, dass die Gutaussehenden meist die größten Arschlöcher waren, und wenn ich richtiges Glück hatte, auch noch frauenfeindlich dazu. Ich musste mich auf alles gefasst machen, denn Charlotte Hollis würde den Teufel tun und sich von einem Mann niedermachen lassen.

„Charlotte Hollis?“, fragte er. Seine Stimme war rau vor Stress und Erschöpfung – was man seiner äußeren Erscheinung nicht ansah –, aber trotzdem freundlich.

Ich ging um den Schreibtisch herum, bis ich nicht mehr auf seiner Seite seines Territoriums war.

„Das bin ich“, sagte ich und lächelte. „Sie müssen Dr. Raines sein.“

Bitte sag Ja.

„Richtig.“

Ich empfand eine gewisse Zufriedenheit in meiner Bauchgegend.

Nun, hallo, Doktor!

Er lächelte freundlich und hielt mir seine Hand hin.

Nur allzu bereitwillig ergriff ich sie. „Es ist mir eine Freude, Dr. Raines. Ich hoffe, Sie sind nicht böse, dass ich den Anblick so schamlos genossen habe.“ Ich wusste nicht, ob ich über die Aussicht sprach oder seine Person. Wahrscheinlich über beides.

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.“ Lässig winkte er ab. „Da ich die meiste Zeit im OP oder bei den Patienten bin, bin ich froh, dass wenigstens jemand die Aussicht genießen kann.“

Ich grinste. Ein Neurochirurg, der nicht besonders stolz auf seine Errungenschaften und Ideale war? Vielleicht geschahen noch Zeichen und Wunder. „Das ist schade.“

„Ja, nicht wahr?“ Er zog den weißen Kittel aus. „Wenn jemand mal ein bisschen Hirn da draußen verteilen würde, bekäme ich möglicherweise auch mal etwas Aussicht ab.“

Ich lachte.

Er verzog leicht das Gesicht. „Das klingt ein bisschen eklig, was?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Kann sein. Ist aber witzig.“

Ich sah, wie sich seine schlanken und gut definierten Muskeln unter dem hellblauen Hemd anspannten. Guter Gott, dieser Mann passte nicht zum Bild von einem Neurochirurgen. Keine Zeit, um aus dem Fenster zu schauen, aber wohl genug, um ins Fitnessstudio zu gehen. Ich kniff mir ins Handgelenk, um aufzuwachen. Fast hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen!

Je länger ich in sein freundliches Gesicht mit dem angespannten Kiefer sah, desto klarer wurde mir, wem er ähnelte. Dem Schauspieler Henry Cavill. Wären seine Augen blau, wäre die Ähnlichkeit groß genug, um leichtgläubige Menschen zu täuschen.

„Bitte setzen Sie sich“, sagte er.

Ich folgte seiner Aufforderung und setzte mich in einen der Ledersessel vor seinem Schreibtisch. Während er den Schreibtisch umrundete und dahinter Platz nahm, war ich innerlich hin- und hergerissen, höflich wegzuschauen und mich professionell zu verhalten, oder seinen Körper zu mustern wie ein Jäger, der seine Beute fixierte.

Für eine halbe Sekunde brachte ich es fertig, auf den gefliesten Fußboden zu schauen.

„Womit kann ich Ihnen weiterhelfen?“

Er rollte mit dem Stuhl näher an den Schreibtisch, lehnte sich zurück und legte die Arme auf die Stuhllehnen. Er versank förmlich in dem Bürosessel, so als ob er sich heute das erste Mal hinsetzte.

Er hob eine Augenbraue, als ich nicht sofort antwortete, weil ich damit beschäftigt war, seinen göttlichen Körper zu bestaunen, anstatt mich daran zu erinnern, mich nicht so idiotisch zu benehmen.

Statt nervös herumzuzappeln, was ich eigentlich tun wollte, richtete ich mich auf und begann mit meinem Spiel.

„Als einer der jüngsten Leiter der Neurochirurgie im ganzen Land und mit einer Erfolgsliste, die länger ist als die der meisten allgemeinen Chirurgen, haben Sie in Ihrem Fachbereich einen ganz schönen Eindruck hinterlassen.“ Erst musste ich ihm schmeicheln, ehe ich zu dem Stellenangebot kam. „Und seit Sie Ihre Position im St. Luke’s eingenommen haben, haben Sie den Profit Ihrer Abteilung um zweihundert Prozent gesteigert. Das ist eine unglaubliche Liste von Errungenschaften.“

„Das ist wohl so.“ Er zuckte mit den Schultern und zeigte nicht das enorme Ego, das ich von Chirurgen gewöhnt war.

War dieser Mann wirklich so bescheiden? Oder einfach zu müde? Ich persönlich verwandelte mich in ein schreiendes Kleinkind, wenn ich überlastet war. Aber vielleicht war er auch nur mit der Zeit abgeklärter geworden.

„Wie lange möchten Sie im St. Luke’s bleiben?“

„Für immer.“

Ich hob eine Braue. „Also haben Sie kein Interesse an beruflichen Möglichkeiten, die mehr Geld bringen oder durch die Sie noch wachsen könnten?“

„Kommt darauf an.“

Ah ja! Jeder hatte seine Schwachstellen. Meine innere Cheerleaderin machte einen Herkie.

Das ist ein Sprung, bei dem die Beine eine unnatürliche Haltung einnehmen. Ich weiß das. Schließlich war ich mal auf der Highschool.

„Und worauf genau?“ Geistig überlegte ich bereits, was das Kennedy-Hospital anzubieten bereit war und wie ihr Angebot unwiderstehlich werden würde. Jede Firma hatte ein Einstiegsgehalt im Kopf, das ich bieten sollte, aber normalerweise durfte ich um zwanzig Prozent erhöhen, wenn das zum Erfolg führte.

„Auf die Stadt.“

Okay, Mist. Das war das Einzige, das ich nicht ändern konnte.

„Das Kennedy Medical Center ist ein brandneues Krankenhaus und sie sind dort extrem beeindruckt von Ihrer Karriere. Sie glauben, dass Sie perfekt in deren neurologische Abteilung passen würden, und sind bereit, Sie entsprechend gut zu bezahlen, falls Sie sich dem Team anschließen.“

„Gut bezahlen? Über wie viel reden wir hier?“

Ich ging in Gedanken meine Optionen durch und fing am oberen Ende der Möglichkeiten an, zu verhandeln. Die Leute vom Kennedy wollten den Mann haben. Entweder das Geld konnte ihn überzeugen oder nicht, aber um überhaupt eine Chance zu haben, mussten sie ihr höchstes Angebot auf den Tisch legen. „Es geht um fast das Doppelte Ihres jetzigen Gehalts.“

„Das Doppelte? Ich wusste gar nicht, dass jeder weiß, was ich verdiene.“

„Dem ist auch nicht so“, erklärte ich und zwinkerte.

Er lachte. „Freunde an einflussreichen Stellen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „So könnte man es wohl ausdrücken.“

„Nun, ich bin neugierig.“ Er lachte leise in sich hinein. „Das doppelte Gehalt ist immer eine gute Sache.“

Was du nichts sagst!

„Aber wie ich schon erwähnte, es kommt ganz auf den Standort an. Ich möchte nicht weiter als vierzig Minuten von New York wegziehen. Und ich habe so eine Ahnung, dass das Kennedy Medical Center nicht hier in der Nähe ist.“

Sein Ton war entschlossen und meine Hoffnung sank. Das Boot sinkt, Herr Kapitän!

„Es ist an der Westküste. Um genau zu sein, in Los Angeles.“

Er schüttelte den Kopf. „Das funktioniert leider nicht.“

Entschlossen verengte ich die Augen. Ich hasste es, wenn ich einen Auftrag nicht abschließen konnte. „Was, wenn ich Ihnen sage, dass die Ihnen ein Fünfzehn-Millionen-Dollar-Budget für die neurochirurgische Forschung inklusive klinischer Studien zur Verfügung stellen würden?“

Überrascht schossen seine Augenbrauen nach oben. „Fünfzehn Millionen Dollar?“

„Ja.“ Ich nickte. „Und Sie haben das letzte Wort, wofür das Geld verwendet wird.“

„Wow.“

„Das ist eine fantastische Gelegenheit.“

„Das stimmt.“

Er stimmte zwar zu, aber ich konnte an seinem Blick sehen, dass er nur höflich mitspielte. Ich konnte Menschen inzwischen sehr gut lesen, so auch Dr. Raines. Er musste einen guten Grund haben, in New York zu bleiben. Ich kannte ihn nicht, aber er war auf jeden Fall seine Priorität. Und wichtiger als Geld. Ich spähte zu seinem linken Ringfinger und fand keinen Beweis einer Ehe. Ein Gefühl der Erleichterung durchflutete mich.

„Mit so einem Budget könnte ich unglaubliche Dinge tun. Es wäre auch ein gutes Mittel, um die klinische Studie zu machen, die ich bei der FDA durchzusetzen versucht habe, aber ich kann nicht nach Los Angeles ziehen.“

„Möchten Sie vielleicht erst eine Weile darüber nachdenken?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Sein entschlossener Kiefer und der klare Ausdruck in seinen Augen zeigten Dr. Raines’ unabänderliche Entscheidung.

Er schüttelte zweimal kurz den Kopf und gab mir eine Erklärung. Etwas, das ein weniger freundlicher Mensch nicht getan hätte. „Meine Tochter lebt in New York und sie ist meine oberste Priorität.“

Seine Tochter.

Dieser Mann schlug ein unübertreffliches berufliches Angebot aus wegen seiner Tochter. Ich war gleichzeitig gerührt und beeindruckt. Eine noble Wahl. Die richtige Wahl. Keine Karriere sollte wichtiger sein als die Familie. Egal, wie toll das Angebot auch war.

„Nun, das Kennedy Medical Center wird enttäuscht sein, aber ich bin es nicht. Eine gute Entscheidung. Ihre Tochter kann sich glücklich schätzen.“

Er lächelte sanft, aber etwas an seinem Ausdruck wirkte verkrampft. Ich verstand es nicht – hatte auch nicht das Recht, es zu erfahren. Trotzdem war ich neugierig.

„Wäre es ein paar tausend Kilometer näher, hätte ich es ganz sicher in Erwägung gezogen, aber L.A. ist einfach zu weit weg.“

„Verständlich.“

Normalerweise hätte ich ihm jetzt die Hand geschüttelt und wäre meines Weges gegangen, aber etwas hielt mich gefangen. Ich wollte mehr über ihn wissen. Nicht nur über seinen Beruf. „Wie spät ist es?“, fragte ich und er sah auf seine Armbanduhr.

„Kurz nach fünf.“

„Kein Wunder, dass ich Hunger habe.“ Ich legte die Hände auf die Oberschenkel und grinste. „Worauf haben Sie Lust?“

„Bitte?“

„Was möchten Sie essen?“

„Äh …“ Verwirrt irrte sein Blick durch den Raum. „Keine Ahnung. Ich hatte nicht vor, jetzt zu essen …“

„Ich bin sicher, der Appetit kommt auf dem Weg“, sagte ich, erhob mich und nahm meine Aktentasche. „Alles klar. Lassen Sie uns gehen.“

Kapitel 2

Nick

„Gehen? Wohin?“

„Abendessen.“

Innerlich seufzte ich. Ich war beeindruckt gewesen, dass sie meine Entscheidung so einfach hingenommen hatte. Die meisten Headhunter waren rücksichtslose Nervensägen, egal, wie oft man Nein sagte. Ich hatte geglaubt, dass sie anders wäre: sanft und verständnisvoll, was menschliche Probleme und Lebensumstände anging, und innerlich so hübsch wie äußerlich. Verdammt, sie war äußerlich sogar sehr hübsch.

Das war ganz offensichtlich eine List.

„Schauen Sie, ich danke Ihnen für das Stellenangebot und die Zeit, die Sie in mich investiert haben, aber wie ich schon sagte, geht es um mehr als das Gehalt und anderen Leuten zu helfen. Meine Tochter ist hier und ich ziehe nicht um.“

Ihr Lächeln wurde breiter und meine Augen verengten sich irritiert noch mehr.

„Gut. Lassen Sie uns essen gehen.“

„Ms. Hol…“

„Charlotte.“

„Charlotte. Ich weiß nicht, wie ich es noch klarer ausdrücken soll …“

„Nick“, sagte sie fast neckisch. Ich spürte einen Druck auf der Brust angesichts der freundlichen Vertraulichkeit. „Ich habe es verstanden. Sie wollen den Job nicht. Aber ich will einen Hamburger, und gemessen an Ihren müden Augen und der zerknitterten Kleidung hatten Sie eine lange Schicht, wahrscheinlich ohne zu essen, und könnten auch einen gebrauchen. Also schnappen Sie sich Ihre Brieftasche oder Ihr Täschchen oder was auch immer Sie tragen, und los geht’s.“

„Mein Täschchen?“, fragte ich rau.

Sie zuckte die Achseln. „Woher soll ich wissen, was Sie bevorzugen?“

„Ich trage keine Täschchen“, stellte ich klar. Es spielte eigentlich keine Rolle, aber ich musste das unbedingt abstreiten. Dieses Gefühl der Verunsicherung konnte ich mir nicht erklären. Vielleicht war ich nur durcheinander wegen ihrer lockeren Art. In den letzten drei Jahren kannte fast jeder, mit dem ich sprach, meine Vergangenheit, und das schwang in jedem Wort und jedem Blick mit.

Der Ansatz ihrer Brüste, die oben in ihrem Blusenausschnitt zu erahnen waren, brachte die Spitze meines Schwanzes zum Kribbeln.

Okay, vielleicht war es nicht so kompliziert wie Erwartungen und ermüdende Gespräche. Vielleicht waren es nur meine niederen Triebe.

„Oh“, sagte sie, schloss ihre Ledertasche auf dem Sessel, und ihr blondes Haar fiel wie ein Schleier über ihr Gesicht. „Okay.“

„Okay“, stimmte ich unbeholfen zu. Ich hatte seit mindestens einem Jahr keinen Small Talk mehr mit einer Frau gemacht, bei dem es nicht um Aneurysmen oder Hirnverletzungen ging. Und anscheinend hatten all meine Körperteile – abgesehen von meinem Penis – eine dünne Schicht Rost angesetzt. „Hören Sie, wir müssen wirklich nicht zusammen essen gehen …“

Sie hob abrupt den Kopf, wobei ihr Haar einen Bogen flog. „Würden Sie bitte aufhören, mir einen Korb zu geben? Das wird langsam beleidigend.“

Meine Wangen wurden heiß. Ich hatte sie nicht verletzen wollen. Ich wollte ihr nur die Geste ersparen. Glücklicherweise würde mein Bartschatten sicherlich meine Röte tarnen.

„Es tut mir leid. Abendessen. Okay. Klingt gut. Wohin gehen wir?“

„2. Avenue.“

„Himmel.“ Ich zog die Augenbrauen zusammen. „East Side, oder?“ Um diese Zeit würde mich nur ein Akt Gottes dazu bringen können, mich quer durch die Stadt zu schlagen.

Sie lächelte neckend, und so, wie sich meine Brust und meine Hose verengten, nahm ich an, dass Gott mir nicht näher als jetzt kommen würde.

„Ja, Nick, dort befindet sich die 2. Avenue.“

Ich rollte mit den Augen und nahm das Jackett vom Haken hinter mir. Ich warf es mir über die Schultern. „Welches Lokal?“

„Cornerstone Tavern.“

„Gute Hamburger?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“

Perplex hielt ich inne, ehe ich den Knopf schloss. „Sie wissen es nicht?“

„Nein.“

Diese Frau war verrückt. Sie wollte einen Hamburger essen und wählte dafür ein Lokal an der East Side aus, von dem sie nicht einmal wusste, ob es ihre Gelüste befriedigen würde. Vielleicht ließ ich mich gerade von meinen Hormonen zu etwas überreden, das ich nicht tun sollte.

„Warten Sie, Charlotte …“

„Sind Sie fertig?“, schnitt sie mir das Wort ab.

Ihre zarten Finger hielten ihre Aktentasche und öffneten und schlossen sich, während sie auf meine Antwort wartete. Ihre andere Hand griff an die Türklinke. In ihrem Blick tanzten Verschmitztheit und Geheimnisse, und trotz ihrer Begabung, ein ungutes Gefühl in mir hervorzurufen, hatte die Farbe ihrer Augen etwas an sich, was mich anzog. Ein dunkles Blaugrün, von noch dunklerem Mitternachtsblau umrandet, das zugleich schelmisch und ansprechend war.

Ich tastete kurz meine Taschen ab, um sicherzustellen, dass ich alles hatte – Schlüssel, Brieftasche, Handy – und nickte. „Yep.“

Vielleicht war ich ebenfalls völlig verrückt.

Beim Hinausgehen schaltete ich das Licht aus und überließ ihr die Führung. Wir gingen hinunter in die Lobby, am Empfangstresen vorbei und hinaus in die pulsierende Rushhour von Manhattan. Autos hupten, ein scharfer Pfiff ertönte und ein Taxi stoppte direkt vor uns. Ich sprang zurück und zog Charlotte mit, aber sie blieb stur stehen. Jetzt erst bemerkte ich, dass Charlotte gepfiffen und mit der anderen Hand in der Luft das Taxi herangewunken hatte. Dieses Taxi war kein Zufall. Sie hatte es praktisch bereits organisiert, ehe wir richtig aus dem Gebäude getreten waren.

Ich nickte und hob die Augenbrauen. „Beeindruckend.“

„Danke“, sagte sie, lächelte breit, öffnete die Tür und glitt auf den Kunstledersitz. Ich trat näher an die Tür, als Charlotte innehielt und mich ansah. „Manche Leute trainieren für Marathons. Ich habe trainiert, um der weltbeste Taxirufer zu werden.“

Ich lachte. „Echt?“

Sie gackerte, unverblümt und schamlos, und die Lautstärke ihres abscheulichen Lachens haute mich fast um. Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel unfreiwillig hoben.

Wieso fand ich diese furchtbare Lache so attraktiv?

„Nicht wirklich. Mann, Nick, für jemand mit wissenschaftlichem Verstand sind Sie ganz schön leichtgläubig.“

Sofort kam mir Lexi in den Sinn. Sie war mein hauptsächlicher weiblicher Kontakt in den letzten Jahren außerhalb der Arbeit, und was sie sagte, hatte Hand und Fuß. Man musste nicht zwischen den Zeilen lesen oder sich einen Witz erklären lassen. Sicherlich hatte das meine Fähigkeit gemindert, Sarkasmus zu erkennen.

Anstatt Charlotte die Umstände zu erklären, schluckte ich meinen Stolz hinunter und gab es zu. „Ja, das bin ich wohl.“

„Gut. Ich mag das. Es ist unterhaltsam.“

Ich grinste, setzte mich neben sie, schloss die Tür, und sie sagte dem Fahrer, wohin wir wollten.

Sie sah mich wieder an, drehte sich ein Stück zu mir und ihre nackten Knie strichen leicht gegen meine Hose. „Sie sollten sich nicht an die leichtgläubige Version von mir gewöhnen. Ich lerne schnell.“

„Darauf würde ich wetten, Mr. Hirnchirurg“, sagte sie.

Sie schien sich vor meinen Augen von der Businessfrau in einen Kumpel zu verwandeln, mit dem man Spaß haben konnte. Ihre korallenroten Lippen zeigten ein perfektes, weißes Lächeln. Nur einer der unteren Zähne war ganz leicht aus der geraden Linie gerutscht.

Wegen des seltsamen Drangs meine Hand auf ihr Knie zu legen, faltete ich die Hände zusammen und legte sie auf meinen Schoß. Es wäre nicht nur unprofessionell, sondern auch gefährlich. Charlotte schien sich auf das Leben zu stürzen, und diese Art von sirenenhafter Versuchung schrie geradezu nach Problemen.

„So …“, begann sie und wartete, bis ich den Blick von meinen Händen nahm und Charlotte ansah. „Sie haben also eine Tochter?“

„Ja.“

„Haben Sie auch eine Frau?“

Ich lächelte. Ich hatte gedacht, ich hätte das Funkeln eines Köders im Wasser gesehen, als sie mich herausforderte, die Essenseinladung erneut abzulehnen, aber ich hatte geglaubt, mich zu täuschen. Genau wie beim Sarkasmus war ich völlig aus der Übung beim Flirten.

Ich hatte es total versaut, als Winnie mir damals gesagt hatte, dass sie schwanger war, und ich das Stellenangebot in Kalifornien bekommen hatte. Danach war unsere Beziehung beendet gewesen, und es hatte mich Jahre gekostet, die Zeit nachzuholen, die ich mit meiner Tochter verpasst hatte. Himmel, ich war sogar immer noch dabei und versuchte, unsere Beziehung zu stärken und aufzubauen.

Heranzureifen war ein langer Weg für mich gewesen und ich wollte auf keinen Fall in alte Muster zurückfallen. Ich wollte lediglich meine Tochter, und alles andere war nur Ablenkung.

„Nein.“

„Eine feste Freundin?“

Ich schüttelte den Kopf. „Zurzeit nicht.“

Ich musste zugeben, dass mein Leben momentan etwas einsam war. Ich war nicht immer mit Lexi zusammen, was ich auch nicht verdient hatte. Sie hatte Winnie und Wes und es wurde gut für sie gesorgt. Wenn ich Lexi nicht hatte, hatte ich das Krankenhaus. So funktionierte das. Ich war daran gewöhnt.

Aber die Versuchung namens Charlotte schmeckte verräterisch süß.

„Hm“, brummte sie nachdenklich.

Um die Stille zu füllen, sagte ich: „Man könnte sagen, dass ich mit meinem Beruf verheiratet bin.“

Sie nickte. „Ich habe von euch Arzt-Typen gehört. Vierzigstundenwochen gibt es für euch nicht.“

„Immerhin versuche ich, sie auf sechzig zu beschränken. Das ist normal, oder?“

Sie lachte erneut und der hohe Ton brachte mich zum Grinsen. „Wohl kaum. Aber in der Welt der Medizin wahrscheinlich schon.“

Das Taxi hielt zwischen der 51. und 50. Straße und Charlotte griff in ihre Handtasche, um Geld herauszuholen. Ich drückte ihre Hand.

„Nicht“, sagte ich mit einem Kopfschütteln. „Ich übernehme das.“

Sie rollte mit den Augen, stieg aber trotzdem ohne zu bezahlen aus.

Ich gab dem Fahrer einen Zwanziger. „Behalten Sie den Rest.“ Dann stieg ich ebenfalls aus.

„Oh, danke“, sagte er, schaute auf den Taxameter, auf dem sieben Dollar stand, und dann auf die Zwanzigdollarnote.

„Kommen Sie schon“, rief Charlotte, die inzwischen die Restauranttür offen hielt und dramatisch mit dem Arm gestikulierte.

Die kalte Luft von innen strömte hinaus in die Sommerhitze. Kopfschüttelnd lief ich schneller, als ob sich mein Körper genötigt sah, ihr zu gehorchen, und nahm ihr das Gewicht der Tür ab.

„Gehen Sie“, sagte ich und signalisierte ihr durch ein Nicken, vorzugehen, was sie ohne zu zögern tat.

Ich brauchte einen Moment, damit sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, weswegen ich gegen Charlottes Rücken stieß, die angehalten hatte, weil eine Gruppe Gäste vor uns stand. Ihr Hintern prallte gegen meine Hose, und der leichte Lavendelduft ihres Parfüms traf mich wie eine Welle.

Mein ganzer Körper erwachte zum Leben.

Guter Gott! Entspann dich, Nick. Klar ist es eine Weile her, aber … reiß dich zusammen!

Charlotte stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, über die Gäste hinweg die Hostess zu sehen. Doch trotz der Zwölf-Zentimeter-Absätze war sie immer noch um die fünfzehn Zentimeter kleiner als ich. Ungeduldig griff sie rückwärts nach meiner Hand und zog mich an den wartenden Leuten vorbei.

„Kommen Sie, wir sind spät dran.“

„Spät dran?“, fragte ich. „Wofür denn?“