The French Girl - Lexie Elliott - E-Book
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The French Girl E-Book

Lexie Elliott

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Beschreibung

»Dieses Debüt macht süchtig!« Karen Dionne, Autorin von ›Die Moortochter‹ Sommerurlaub nach dem Uni-Abschluss: Kate verbringt mit ihren Freunden eine Woche in Frankreich. Als die geheimnisvolle Französin Severine zur Gruppe stößt, gerät die Dynamik gefährlich durcheinander. Nach einem Eklat am letzten Tag verschwindet sie spurlos. Zehn Jahre später: Auf dem Gelände wird Severines Leiche gefunden – ermordet. Die ehemaligen College-Freunde geraten ins Visier der Polizei. Vor allem Kate hat ein Motiv, denn sie konnte Severine von Anfang an nicht ausstehen. Unter dem zunehmenden Ermittlungsdruck entgleitet Kate die Realität immer mehr, bis sie sich schließlich die Frage stellen muss: Ist der Abend vor zehn Jahren so verlaufen, wie sie ihn in Erinnerung hat?

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Seitenzahl: 490

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Über das Buch

Würdest du für jeden deiner Freunde die Hand ins Feuer legen?

Kate und ihre ehemaligen Collegefreunde sind gerade dabei Karriere zu machen, als die Leiche der vor zehn Jahren bei einem gemeinsamen Sommerurlaub verschwundenen Severine gefunden wird. Die Gruppe gerät in den Fokus der Ermittlungen, denn es gibt Hinweise, dass einer von ihnen den Mord begangen hat. Allen voran Kate wird verdächtigt – schließlich hatte Severine mit ihrem damaligen Freund geschlafen. Als Kate unter dem zunehmenden Ermittlungsdruck die Realität immer mehr entgleitet, muss sie sich fragen: Ist der Abend damals wirklich so geschehen, wie sie ihn in Erinnerung hat?

 

 

 

 

Für Mum und Dad, für alles.

 

Und für Matt, Cameron und Zachary,für die mein Herz schlägt.

KAPITEL EINS

Sie wusste genau, dass ich sie nicht mochte, aber es war ihr egal. Rückblickend hat mich das an ihr am meisten fasziniert. Wie kann man im zarten Alter von neunzehn Jahren derart in sich ruhen? Das ist doch irgendwie unnatürlich. Oder eben französisch. Und sie war wirklich sehr französisch.

Es ist Tom, der anruft und mir alles erzählt. Schon deswegen hätte ich ahnen müssen, dass etwas nicht stimmt. Ich kann mich nämlich nicht erinnern, wann er mich zuletzt angerufen hat. Was nicht heißen soll, dass wir keinen Kontakt halten. Per E-Mail läuft es mit ihm im Gegensatz zu den meisten anderen meiner männlichen Freunde bemerkenswert gut. Vermutlich dachte ich, er wollte mir etwas Erfreuliches mitteilen. Eine Einladung zu einer Party oder zu einer Hochzeit – seiner eigenen –, schließlich sind er und Jenna gefühlt schon seit Jahren verlobt.

Aber stattdessen sagt er: »Erinnerst du dich noch an diesen Sommer?« Sieben Jahre in Boston haben nichts an seinem Akzent geändert. Unverkennbar das Resultat der besten englischen Schulbildung, die man für Geld bekommen kann. Vor meinem inneren Auge taucht ein Bild auf, so wie ich ihn vor zwei Jahren zuletzt gesehen habe: sein gebräuntes, sommersprossiges Gesicht, aus dem mir über seiner auffallend markanten Nase blaue Augen entgegenstrahlten, seine zerzausten dunklen Haare, die gerade so lang waren, dass sie sich lockten. So sieht er jetzt, nach einem strengen Winter in Neuengland, bestimmt nicht mehr aus, aber das Bild hat sich festgesetzt.

Ich weiß genau, welchen Sommer er meint. Den Sommer, als wir sechs nach unseren Abschlussprüfungen an der Uni eine beschauliche Woche in einem alten Bauernhaus in Frankreich verbracht haben. Beschaulich oder weitgehend beschaulich oder teilweise beschaulich … Mich objektiv an die Tage zu erinnern fällt mir schwer, weil Seb und ich uns direkt danach getrennt haben. Ich entscheide mich für eine flapsige Antwort: »Ist das nicht ein bisschen wie mit den Sixties? Wenn du dich nicht erinnerst, warst du nicht dabei?«

Er ignoriert meinen Scherz. »Das Mädchen von nebenan …«

»Severine.« Mir ist nicht mehr nach Scherzen zumute. Und ich rechne auch nicht mehr mit einer Einladung zu einer Party. Ich schließe die Augen und warte auf das Unvermeidliche. Stattdessen taucht eine Erinnerung in mir auf. Severine, wie sie rank und schlank in einem winzigen schwarzen Bikini dasteht. Ihre walnussbraune Haut wirkt im Sonnenlicht unglaublich ebenmäßig, eine Hüfte hat sie vorgestreckt, den Fuß leicht nach außen gerichtet, so als wollte sie jeden Augenblick davonschlendern. Severine, die sich uns ohne Andeutung eines Lächelns, das ihre herbe Schönheit gemildert hätte, als »die französische Nachbarin« vorgestellt hatte und die spurlos verschwunden war, nachdem wir sechs nach England zurückgekehrt waren.

»Ja genau, Severine.« Tom hält inne, dieses kurze Schweigen senkt sich schwer auf die Verbindung. »Man hat sie gefunden. Ihre Leiche.«

Ich sage nichts. Wenn mich gestern jemand gefragt hätte, was natürlich niemand getan hat, hätte ich bezweifelt, ob man sie wohl jemals finden würde. Doch nach Toms nüchterner Aussage kommt es mir plötzlich so vor, als wäre genau diese Entdeckung vollkommen unausweichlich gewesen. Nach zehn Jahren im Verborgenen sind ihre Knochen wahrscheinlich sauber und weiß, und der makellose Schädel grinst. Sie hätte es gehasst, dieses unvermeidliche Lächeln des Todes. Severine, die niemals lächelte.

»Kate? Bist du noch dran?«, fragt Tom.

»Entschuldige, ja. Wo hat man sie gefunden?« Sie? Ist ein Leichnam noch immer weiblich?

»Im Brunnen«, sagt er knapp. »Auf dem Hof.«

»Die Arme«, seufze ich. Das arme, arme Mädchen. Und dann: »Im Brunnen? Aber das würde ja bedeuten …«

»Ja. Sie muss noch einmal zurückgekommen sein. Die französische Polizei wird uns sicher erneut vernehmen wollen.«

»Natürlich.« Ich reibe mir die Stirn und lasse beim Gedanken an den weißen Schädel unter meiner eigenen warmen Haut rasch die Hand sinken. Der Brunnen. Damit hätte ich nicht gerechnet.

»Alles okay mit dir?«, fragt Tom mit tiefer Stimme, besorgt.

»Ich glaube schon. Es ist nur …«

»Ein Schock«, ergänzt er für mich. »Ich weiß.« Er selbst klingt keineswegs schockiert. Vermutlich hatte er einfach schon mehr Zeit, sich an die Vorstellung zu gewöhnen. »Kannst du Lara Bescheid geben? Ich weiß nicht, ob ich ihre Nummer habe.«

»Mach ich«, sage ich. Lara ist meine beste Freundin, sie gehört ebenfalls zu unserer Sechsergruppe. Die Polizei wird also mit uns allen reden wollen, zumindest mit den Fünfen, die noch da sind. Denn Theo befindet sich inzwischen außerhalb des Einflussbereichs jedweder Polizeigewalt. Vermutlich hat Tom schon bei Seb und Caro angerufen oder wird es gleich tun, und es wäre höflich, wenn ich mich erkundige, wie es den beiden geht, was ich aber nicht tue. »Musst du extra aus Boston herfliegen?«

»Ich bin schon in London. Heute Morgen erst angekommen.«

»Super!« Das ist wenigstens mal eine gute Nachricht. »Für wie lange?«

»Für immer.«

»Das ist ja toll!« Aber irgendetwas an seinem Verhalten ist komisch, soweit man das übers Telefon feststellen kann. »Ist Jenna auch dabei?«, frage ich vorsichtig und ahne schon fast die Antwort.

»Nein.« Ich höre ihn ausatmen. »Ist besser so«, fügt er verlegen hinzu.

Obwohl ich ihm in diesem Punkt durchaus zustimmen würde, ist jetzt wohl nicht der richtige Zeitpunkt, das laut auszusprechen. »Okay«, sage ich mit fester Stimme. »Das klingt, als solltest du demnächst mal mit einer Flasche Wein bei mir vor der Tür stehen.«

»Könnte sein, dass für dieses Gespräch eher eine Flasche Whisky angebracht ist.«

»Du bringst einfach irgendwelchen Alkohol mit, den du für richtig hältst, und ich koche. Mehr schlecht als recht.«

Er lacht ins Telefon, ein angenehmes Geräusch. »Abgemacht.«

Mir fällt auf, dass er früher mehr gelacht hat. Aber schließlich waren wir damals gerade mal einundzwanzig und hatten keinerlei Sorgen und Verpflichtungen, und niemand war auf mysteriöse Weise verschwunden. Vermutlich haben wir damals alle mehr gelacht.

Man hat eine Leiche gefunden, aber das Leben geht weiter. Jedenfalls für die meisten von uns – vielleicht bleibt für die nächsten Angehörigen die Zeit stehen, wenn sie nicht ohnehin schon vor zehn Jahren stehen geblieben ist, als das Mädchen verschwand. Für die anderen bleibt alles beim Alten. Für mich steht heute ein Treffen mit einem potenziellen Kunden auf dem Plan. Mit einem ziemlich wichtigen potenziellen Kunden. Ein Vertrag mit Haft & Weil könnte meiner kleinen, aufstrebenden juristischen Personalagentur ein festes Standbein geben. Auf der Toilette meines Coworking-Büros in Bloomsbury betrachte ich mich im Spiegel. Eleganter Business-Hosenanzug: Check. Figurbetonte seidene Hemdbluse, gewaschen und gebügelt: Check. Dicke dunkle Haare zu einem ordentlichen Knoten gebunden und unauffälliges Make-up, das meine grünen Augen betont: Check. Alles in allem ein gefälliger Anblick einer professionellen Businessfrau. Ich lächele, um zu kontrollieren, ob in meinen Zähnen noch Mohnsamen von dem Bagel stecken, den ich zu Mittag gegessen habe, und sofort taucht das Bild von Severines grinsendem Schädel vor meinen Augen auf. Mein Lächeln im Spiegel fällt in sich zusammen.

Julie, meine Assistentin, blickt von ihrem Computer hoch, als ich von der Toilette komme. »Das Taxi ist da«, sagt sie und reicht mir eine Mappe. »Startklar?«

»Ja.« Ich kontrolliere die Mappe. Alles da. »Wo ist Paul?« Paul ist mein Geschäftspartner und ein sehr, sehr guter Head-hunter. Er arbeitet hier, weil er Vertrauen in mich hat und noch mehr Vertrauen in den Gewinnanteil, der ihm zusteht, wenn alles glattläuft. Ich versuche immer, seinen Terminkalender im Auge zu behalten. Falls der Businessplan nicht aufgehen sollte, wird Paul nicht lange bleiben.

Julie sieht auf dem Computer nach, eine Hand liegt auf der Maus, mit der anderen schiebt sie die Brille auf ihrer Nase hoch. »Er trifft sich mit diesem Freshfields-Kandidaten in der Fleet Street.«

»Ach ja, stimmt.« Ich kontrolliere noch einmal die Mappe.

»Kate«, sagt Julie leicht genervt. »Es ist alles da.«

Ich klappe die Mappe zu. »Ich weiß. Danke.« Ich hole tief Luft. »Okay. Bis nachher.«

»Viel Glück.« Sie wendet sich wieder dem Computer zu, hält aber plötzlich inne. »Ach so, da war ein Anruf, den du vielleicht erwidern möchtest, wenn du im Taxi sitzt.« Sie sucht nach dem Block mit den Telefonnachrichten. »Ah, da ist er ja. Caroline Horridge bittet um Rückruf. Hat nicht gesagt, worum es geht.«

Caro. Ruft mich an. Im Ernst? »Du machst Witze.«

Julie blickt verwirrt auf. »Falls dem so sein sollte, wäre mir die Pointe entgangen.«

Ich nehme den Zettel, den sie mir hinhält. »Wir haben zusammen studiert«, erkläre ich und verziehe dabei das Gesicht. »Wir waren nicht gerade beste Freundinnen, und das letzte Mal habe ich sie vor ungefähr fünf Jahren irgendwo auf einer Party gesehen.« Ich blicke auf die Telefonnummer, die in Julies ordentlicher Handschrift unter dem Namen notiert ist. »Das ist ja eine Nummer bei Haft & Weil«, sage ich überrascht. Ich habe diese Nummer in letzter Zeit oft genug gewählt und erkenne die Durchwahl.

»Vielleicht will sie den Job wechseln?«

Vielleicht. Eigentlich gibt es keinen anderen Grund, aus dem eine Rechtsanwältin bei einer Headhunterin für Juristen anruft. Aber dass Caro mich freiwillig um Hilfe bittet, kann ich mir nicht vorstellen. Ich sitze im Taxi und denke an Gespenster: An die arme tote Severine, deren Knochen ziehharmonikaartig zusammengefaltet wurden, um in den engen Brunnenschacht zu passen; an den armen toten Theo, der auf einem Schlachtfeld in Stücke gerissen wurde; an den Tom von früher, der mehr gelacht hat; an Lara; noch einmal an Caro und an Seb. Immer und immer wieder an Seb.

Seb habe ich im Sommer 2000, in meinem zweiten Jahr in Oxford, kennengelernt. Lara und ich waren damals schon lange genug dort, um uns nicht mehr vollkommen unbedarft und naiv vorzukommen, aber auch noch nicht so lange, um uns wegen irgendwelcher Verpflichtungen Sorgen zu machen: Ein ganzes Jahr ohne Prüfungen, jedenfalls keine, die offiziell zählten, und um einen zukünftigen Job brauchten wir uns auch erst im dritten Studienjahr zu kümmern. Unsere Dozenten waren der Meinung, es wäre ein gutes Jahr, um eine solide Grundlage für die kommende Prüfungsphase zu legen. Wir waren der Meinung, es wäre ein gutes Jahr, um sich nach einer durchfeierten Nacht ins Bett zu legen.

Unsere Lieblingsbeschäftigung hieß in diesem Sommer Ball-Crashing. Mittlerweile undenkbar – sich einfach so in Abendgarderobe auf einer Veranstaltung einzuschleichen, um sich dort kostenlos an allem zu bedienen. Aber es war tatsächlich ein Riesenspaß; keiner kam auf die Idee, dass es sich dabei um Diebstahl handelte, was inzwischen mein erster Gedanke wäre. Vermutlich habe ich inzwischen schon zu lange über Recht und Gesetz nachgegrübelt oder damals noch nicht genug. Jedenfalls ging es nie um die Partys an sich, die waren immer mehr oder weniger gleich – vielleicht spielte mal eine bessere Band, oder die Warteschlange an der Bar war kürzer, aber im Grunde eben doch alle gleich. Viel wichtiger war das Einschleichen selbst, der Kitzel, die Sicherheitsleute auszutricksen und unbemerkt zu bleiben. Dieses Hochgefühl war weit mehr wert als der unrechtmäßig erschlichene Alkohol.

An dem Abend, als ich Seb kennengelernt habe, war der Linacre Ball unser Ziel. Linacre ist weder das größte noch das reichste College in Oxford, wir gingen also nicht davon aus, dass der Ball besonders gut werden würde. Das einzig Bemerkenswerte war die Tatsache, dass Linacre ein Graduate College nur für Masterstudierende und Doktoranden ist, und genau darin lag der Reiz. Es war eine Frage von »die gegen uns«, Graduates gegen Undergraduates, Sicherheitsteam gegen Studenten. Noch dazu betrunkene Studenten, denn beim gemeinsamen Vorglühen in einer der Studentenwohnungen neben den Sportanlagen des Linacre College floss der billige Wein in Strömen. Ich weiß noch, dass ich auf dem Weg zur Toilette in meinen hochhackigen Schuhen ins Stolpern geriet und fast kopfüber gegen eine Wand geknallt wäre, wenn mich nicht unbekannte Hände aufgefangen hätten. Da wurde mir klar, dass wir lieber aufbrechen sollten, bevor wir alle zu blau waren, um es auch nur über den Sportplatz zu schaffen, geschweige denn über die College-Mauer.

Und dann ging es los: Wir versammelten uns auf dem Sportplatz vor dem neu gebauten Studentenwohnheim. Von Zeit zu Zeit erhellten Lichtstrahlen, die von dem etwa zweihundert Meter entfernten College herüberblitzten, die Dunkelheit und ließen das Gras in einem unwirklichen Smaragdgrün aufleuchten. Der lang gezogene Schatten des Rugby-Tores erstreckte sich über das gesamte Spielfeld. Irgendjemand erteilte in militärischem Tonfall Anweisungen, bei denen Lara in ein hysterisches Kichern ausbrach, während sie sich stolpernd an meinen Unterarm klammerte. Ich sah mich um und stellte erstaunt fest, dass wir drauf und dran waren, mit dreißig, vierzig Leuten das College zu stürmen. Lara und ich landeten in einer Gruppe, in der wir kaum jemanden kannten. Es war in der Dunkelheit nur schwer auszumachen, doch mindestens zwei der Männer hatten eindeutig Potenzial, und Lara schraubte ihr Lächeln gleich mal um ein paar Watt in die Höhe.

Aber ihr blieb keine Zeit mehr, ihren Zauber walten zu lassen – es ging los. Unser Plan ging nur auf, weil wir so viele waren. Wir starteten in Wellen und rannten, immer etwa zehn auf einmal, quer über die Wiese. Heute frage ich mich, wie wir in diesen Stilettos überhaupt rennen konnten. Keine Ahnung, ich weiß nur, dass wir es irgendwie schafften. Wie kam Lara eigentlich nach drüben, ohne ihr hautenges Kleid zu zerreißen? Meines hatte ich am Ende gefährlich hoch, fast bis zum Schritt gerafft. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sich in meinen Adern das Adrenalin mit dem Alkohol mischte; an die Schlachtrufe und das Kreischen um mich herum; die Bildfetzen, wenn die Lichtstrahlen fliehende Menschen in Abendkleidung beleuchteten. Lara und ich duckten uns vor der Mauer des Linacre College und versuchten, unter unkontrolliertem Gekicher wieder zu Atem zu kommen. Die Sicherheitsleute waren vollauf mit der ersten Gruppe beschäftigt, die bereits die Mauer gestürmt hatte. Und genau deswegen haben wir es vermutlich hineingeschafft. Trotz unserer hoffnungslos unangemessenen Kleidung und unserem Schuhwerk nahmen wir die Mauer in Angriff, wobei ich Lara aus den Augen verlor. Als ich beinahe oben war, streckte sich mir eine helfende Hand entgegen, darüber breite Schultern. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf strahlend weiße Zähne, eine markante Nase und einen wilden dunklen Haarschopf. Ich packte die angebotene Hand und wurde unvermittelt in die Höhe gerissen, während erneut ein Lichtstrahl aufblitzte. Vorübergehend geblendet stand ich unbeholfen blinzelnd auf der Mauer und wollte mich bei meinem Helfer bedanken, während ich gleichzeitig versuchte, meine Balance und Sehfähigkeit wiederzugewinnen.

»Spring!«, rief jemand unter mir über die laute Musik hinweg. »Ich fang dich auf.«

Ich schaute zu dem Fremden neben mir auf der Mauer. Er nickte und deutete auf die elegant gekleidete Gestalt nach unten. Der nächste Lichtstrahl leuchtete direkt in ein paar faszinierend blaue Augen: Seb. Natürlich war es Seb.

Ich sprang. Und er fing mich auf.

Als Mr Gordon Farrow, einer der Teilhaber von Haft & Weil, zum x-ten Male während unseres Gesprächs seine Unterlagen ordnet und knapp rechts an mir vorbeischaut, weiß ich, dass ich diesen Auftrag nicht bekommen werde. Kurz darauf – ich bin noch dabei, die Vorzüge meiner Personalberatungsagentur gegenüber etablierteren Konkurrenten zu erläutern – wird mir zudem klar, dass ich von vorneherein keine Chance gehabt habe. Ich bin hier nur ein Mittel zum Zweck. Konkurrenz, damit das Unternehmen, das sie wirklich wollen, ein ehrliches und faires Angebot abgibt. Ich breche mitten im Satz ab und schnappe mir stattdessen einen Haferkeks. Es dauert eine Weile, bis Mr Farrow etwas merkt. Zum ersten Mal sieht er mich richtig an.

»Stimmt etwas nicht?«, fragt er.

Ich halte einen Finger in die Höhe, während ich auf meinem Keksbissen herumkaue. Er wartet geduldig, die Augenbrauen fragend in die Höhe gezogen. »Nicht wirklich«, sage ich, nachdem ich runtergeschluckt habe. »Mir ist nur gerade klar geworden, dass ich hier sowohl Ihre als auch meine Zeit verschwende, da Sie sich ja bereits entschieden haben. Ich verstehe, dass Sie pro forma ein Konkurrenzangebot brauchen, in diesem Fall würde ich es dann allerdings vorziehen, einfach Ihre Kekse zu essen und Tee zu trinken und mich nicht weiter abzumühen, Ihnen ein Angebot für einen bereits vergebenen Auftrag schmackhaft zu machen.«

In seinen Augen blitzt ein Funke von Anerkennung auf. Farrow ist in jeder Hinsicht unauffällig: Mittelgroß, mittelgraue Haare, weder dick noch dünn, nicht besonders fit, aber auch nicht vollkommen untrainiert für einen Mann Mitte fünfzig. Er trägt einen gut geschnittenen Anzug, aber nichts zu Ausgefallenes. In der Branche heißt es, das einzig Bemerkenswerte an ihm sei sein Intellekt, aber auch davon habe ich bisher nicht viel bemerkt. »Sind Sie immer so direkt?«, fragt er nach einer Weile. Dabei entgeht mir nicht, dass er meine Behauptung nicht zurückweist.

»Immer seltener, je älter ich werde«, antworte ich mit einem leisen Lächeln. »Es ist eine riskante Strategie. Daraus haben sich in meinem Leben oft die besten Dinge entwickelt …« Ich verziehe das Gesicht. »Aber leider auch die schlimmsten …«

Das entlockt ihm tatsächlich ein Lächeln. »Und was würden Sie zu den besten Dingen zählen?«

Ich antworte ohne jedes Zögern. »Dass ich einen Studienplatz in Oxford bekommen habe.«

Er legt den Kopf schief und hat schon wieder diesen Glanz in den Augen. »Wie das?«

»Ich habe für Oxford oder Cambridge nicht gerade den typischen Hintergrund. Das Studium in Oxford hat mir ganz neue Horizonte eröffnet. Und das meine ich nicht nur in Hinsicht auf meine berufliche Karriere – es hat mir Wege und Möglichkeiten aufgezeigt, die ich nie für möglich gehalten hätte.«

»Meine Tochter war auch in Oxford«, sagt er. »Ich frage mich, ob sie wohl dasselbe sagen würde.«

»Das hängt vermutlich von ihrem Hintergrund ab. Und von ihrer Persönlichkeit.«

»Caro fällt wohl eher in die Kategorie der typischen Kandidatin für Oxford oder Cambridge.«

Ich blinzele. »Doch nicht etwa Caro Horridge?« Natürlich nicht Caro Horridge, er heißt schließlich Farrow …

»Doch«, sagt er überrascht. »Sie kennen sie?«

»Wir waren zur selben Zeit in Oxford.«

Plötzlich habe ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit, was mich ein bisschen nervös macht. »Und glauben Sie, dass Caro auch sagen würde, dass das Studium in Oxford zum Besten gehört, was ihr widerfahren ist?«

Caro würde sich diese Frage gar nicht erst stellen. In ihren Augen war der Studienplatz in Oxford genau das, was ihr zustand. »Nun ja«, winde ich mich heraus. »Wir waren nicht besonders eng befreundet.«

Seine Lippen zucken. »Jetzt verfolgen Sie aber nicht mehr Ihre Risikostrategie?«

Ich lache. »Wie gesagt, immer seltener, je älter ich werde.«

Seine Mundwinkel gehen ein wenig in die Höhe, dann blickt er auf die Uhr. »Also gut, Miss Channing. So offen, wie Sie selbst sind, werden Sie mir sicher verzeihen, wenn ich es kurz mache. Sie sind tatsächlich nur aus Konkurrenzgründen hier. Mir gefällt Ihre Firma, mir gefällt das Angebot und Ihre Honorare sind auch im grünen Bereich, aber es wäre schwer, Sie unserem Führungsgremium zu verkaufen, weil Sie einfach noch nicht genügend Referenzen nachweisen können. Daher lohnt es sich wahrscheinlich nicht, wenn ich mich für Sie einsetze.«

»Und was könnte ich tun, damit es sich lohnt? Das Honorar senken?«

Er denkt nach. »Das wäre sicher hilfreich, aber vielleicht immer noch nicht genug. Sie haben einfach …«

»… noch nicht genügend Referenzen«, beende ich seinen Satz.

Er nickt bedauernd. »Allerdings kann ich ehrlich sagen, dass es mir ein Vergnügen war.« Seine Augen lächeln, was ihn um Jahre jünger wirken lässt. Jetzt sieht er Caro doch ein wenig ähnlich.

Auf dem Heimweg im Taxi diktiere ich meine abschließenden Anmerkungen zu diesem Meeting in mein mobiles Aufnahmegerät, damit Julie sie später abtipppen kann. Dann rufe ich Lara an und quatsche ihr fünf Minuten lang das Ohr ab, wie bescheuert ich war, meinen lukrativen Job aufzugeben und mich selbstständig zu machen, und dass ich, wenn es so weitergeht, in sechs Monaten ganz selbstständig pleite sein werde, und dass ich nach einer derart erbärmlichen Fehleinschätzung sowieso nie wieder einen Job bekommen werde, und so weiter und so fort … Lara hat das alles schon gehört und macht sich nicht einmal mehr die Mühe, mir zu widersprechen.

»Bist du jetzt fertig?«, fragt sie, als ich irgendwann genügend Dampf abgelassen habe.

»Fürs Erste. Magst du heute Abend vorbeikommen? Dann werde ich dich vermutlich noch ein bisschen mit demselben Mist langweilen, aber ich spendiere dir dafür wenigstens ein Curry und einen schönen Wein.« Ein lustiger Abend mit der stets gut gelaunten Lara ist genau das, was ich jetzt brauche.

»Sorry«, sagt sie und gähnt. »Ich bin fix und fertig. Können wir uns lieber morgen treffen?«

»Fix und fertig? Was hat du gestern Abend gemacht?« Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mir etwas von einer Verabredung erzählt hätte, aber Lara schleppt Männer ab wie andere Leute Einkaufstüten. Und legt sie auch genauso schnell wieder ab. Sie ist und war schon immer auf ebenso rigorose wie schamlose Weise promisk. Wobei das bei ihr irgendwie ganz normal wirkt.

»Ich hab nach der Arbeit jemanden im Pub kennengelernt, und wir hatten ein bisschen Spaß.«

»Schön für dich«, sage ich, leider gelingt es mir nicht, den Neid aus meiner Stimme zu verbannen. Ich weiß nicht, ob ich jemals einmal einfach so »jemanden im Pub kennengelernt« habe. Soweit ich mich erinnere, hat mich auch noch nie jemand angebaggert. Es sei denn, man würde Seb mitzählen.

»Ach, Kate.« Ich kann hören, dass sie lächelt. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nur deine Ansprüche etwas runterschrauben musst. Dann könnte da so viel laufen, wie du nur willst.«

»Vielleicht.« Aber ich glaube nicht, dass es daran liegt. Eigentlich sehe ich ganz gut aus – ich bin groß und eher schlank, meine Haare sind okay und ich habe angeblich schöne Augen –, aber nichts davon kann mit einer vollbusigen Schönheit inklusive schwedischer Vorfahren, einem lässigen Lächeln und einem entspannten Verhältnis zu Sex mithalten.

»Also morgen Abend bei dir?«, fragt Lara.

»Perfekt.« Ich will gerade auflegen, als mir einfällt, dass ich ihr noch gar nichts von der Leiche erzählt habe. Von Severine. »Warte – Tom hat mich angerufen.«

»Wie geht es ihm? Ist er zurück in London?«

»Ja, ist er, aber deswegen hat er nicht angerufen. Sie haben …«, ich schlucke schwer. »Man hat ihre Leiche gefunden. Die von Severine. In dem Brunnen neben dem Ferienhaus«, stoße ich hastig hervor.

»O Gott«, sagt Lara nur. »Das ist ja schrecklich. Obwohl, ihren Eltern hilft es vielleicht, die Sache abzuschließen oder so. Verdächtigt man ihren Freund? Der, von dem sie immer erzählt hat.«

»Wahrscheinlich.« Es ist eine naheliegende Frage, aber ich hatte bislang noch gar nicht darüber nachgedacht, wie sie in den Brunnen geraten sein könnte. Wer sie dort deponiert hat. Auch jetzt schrecke ich vor dem Gedanken zurück. »Ich weiß nicht. Tom meinte, dass die französische Polizei noch mal mit uns sprechen will.«

Ich kann beinahe hören, wie Lara das Gesicht verzieht. »Echt jetzt?«

»Vermutlich nur eine Formalität; schließlich waren wir die Letzten, mit denen sie zusammen war.« Bevor sie in die Stadt gefahren ist und danach nie wieder gesehen wurde. »Sie muss aber noch mal zurückgekommen sein, sonst hätte man sie ja nicht im Brunnen gefunden. Ich schätze, das ist eine neue Erkenntnis.«

»Trotzdem kann es eigentlich nur dieser Freund gewesen sein. Ich will ja nicht gefühllos rüberkommen, aber ich hoffe, dass nicht so viel Zeit dabei draufgeht. Wir haben auf der Arbeit gerade elend viel zu tun.« Wieder gähnt sie in den Hörer. »Tja, jetzt weiß ich, warum Caro versucht hat, mich zu erreichen.«

»Dich auch?«, frage ich überrascht. Caro kann Lara noch weniger ausstehen als mich. »Sie hat mir eine Nachricht hinterlassen, aber ich habe noch nicht zurückgerufen. Sie muss gewusst haben, dass Tom es uns erzählen würde. Das kann also nicht der Grund für ihren Anruf sein.«

»Dann gibt es nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.« Sie gähnt. »Shotgun: Du bist dran«, fügt sie verschmitzt hinzu.

»Von mir aus«, sage ich widerstrebend. »Ich ruf sie an.« Ich habe genauso wenig Lust mit Caro zu reden wie Lara, aber trotzdem möchte ich so schnell wie möglich erfahren, was sie von uns will. Denn wenn Caro etwas will, lässt sie nicht locker.

KAPITEL ZWEI

Severine weicht mir nicht mehr von der Seite.

Zuerst ist sie bestenfalls ein Gefühl, ein Schatten am Rande meines Bewusstseins kurz außerhalb meines Gesichtsfeldes. Ich schiebe es auf die ungewollten Erinnerungen, die durch die Entdeckung ihrer sterblichen Überreste an die Oberfläche gespült wurden. Aber das reicht Severine nicht. Eines Morgens stoße ich auf ihre Knochen, die weiß gebleicht und sauber aufgestapelt mit dem grinsenden Schädel obenauf auf meiner Küchenarbeitsplatte liegen. Und auch wenn ich blinzele, gehen sie nicht weg, obwohl ich genau weiß, dass sie nicht da sind. Bei anderen Gelegenheiten taucht sie in Fleisch und Blut vor mir auf, inklusive walnussbrauner Haut, geheimnisvoller Augen und überlegenem Nicht-Lächeln, und bringt eine drängende Flut von Erinnerungen mit sich. Muffig und abgestanden sind sie, nachdem sie so lange vergraben waren. Und wenn ich ihnen nachgebe, drohen sie, mich in ihre moderige Dunkelheit hinabzuziehen. Wogegen ich mich energisch zur Wehr setze; stattdessen rufe ich Caro an.

»Caroline Horridge«, antwortet sie knapp nach nur einem Klingeln. Ich stelle mir vor, wie sie aufrecht und im Businessanzug an ihrem Schreibtisch bei Haft & Weil sitzt, ohne dass auch nur ein einziges Haar oder ein Blatt Papier nicht an seinem Platz wäre.

»Hi Caro, hier ist Kate.« Pause. »Kate Channing«, füge ich zähneknirschend hinzu. Das ist eine typische Caro-Strategie, mich dazu zu zwingen, meinen vollen Namen zu nennen. Als ob sie irgendeinen Anruf von einer anderen Kate mit einem nordenglischen Akzent erwarten würde.

»Ach, Kate«, sagt sie mit gespielter Herzlichkeit. »Meine Güte, ist das lange her. Danke, dass du zurückrufst.«

»Kein Problem.« Mir schmerzen die Wangen von meinem falschen Lächeln. Mir hat mal jemand gesagt, man könne es bei einem Telefongespräch am anderen Ende der Leitung hören, wenn jemand lächelt, wobei es anscheinend keine Rolle spielt, ob dieses Lächeln echt ist. Ich werde es mir jedenfalls nicht vorsätzlich mit der Tochter eines Mannes verderben, der mir einen größeren Auftrag vermitteln könnte. Gegen spontane Aversionen bin ich allerdings machtlos. »Wie geht es dir?«

»Gut«, sagt sie leichthin. »Allerdings habe ich gerade ziemlich viel zu tun. Worüber ich mich bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage nicht beklagen will. Und du?«

»Ebenso. Gut. Viel zu tun.« Wenngleich nicht so viel, wie mir lieb wäre, was mir ein Blick in meinen spärlich gefüllten Kalender deutlich vor Augen führt, aber das muss sie ja nicht wissen. Es entsteht eine Pause. Ich warte, dass sie auf den Punkt kommt.

»Ich nehme an, Tom hat mit dir gesprochen?«

»Ja. Keine besonders erfreuliche Nachricht.« Mein Lächeln ist in sich zusammengefallen. Der Schädel mit den gähnenden Löchern anstelle von Augen lauert nur einen Schritt hinter meinem Bewusstsein.

»Meinst du das mit Jenna oder das mit diesem Mädchen?«

Ich hole tief Luft. Stellt sie gerade wirklich einen Mord und eine gelöste Verlobung auf eine Ebene?

Aber Caro redet einfach weiter. »Eine Frage der Zeit, das mit dem Mädchen – mit einem anderen Ausgang war ja nicht mehr zu rechnen …«

»Severine«, sage ich kurz angebunden. Die Knochen verlangen nach einem Namen. Ich wünschte, sie würden ihre Forderungen an jemand anderen richten.

»Was?«

»Sie hieß Severine.« Das Gespräch dauert gerade mal eine Minute und schon bin ich gereizt. Ich setze wieder das falsche Lächeln auf.

»Ja.« Caro hält inne. »Also, der Grund für meinen Anruf ist folgender: Es wäre doch nett, wenn wir so eine Art Wiedersehensparty für Tom veranstalten. Bestimmt hat ihn die ganze Geschichte mit Jenna ziemlich mitgenommen, da wäre es doch super, die alte Oxford-Truppe mal wieder auf ein paar Drinks zusammenzutrommeln. Ich dachte an kommenden Freitag bei mir zu Hause. Wenn uns das nicht genügt, könnten wir noch irgendwo an die King’s Road weiterziehen.«

»Äh, gute Idee«, sage ich matt. Das ist es wirklich. Ich bin ehrlich erstaunt.

»Warum überrascht dich das so?«, bemerkt sie trocken. »Schließlich bin ich quasi mit Tom und Seb aufgewachsen. Ich freu mich riesig, dass beide bald wieder in London sind.«

»Beide? Seb auch?« Die Worte entschlüpfen mir, bevor ich sie aufhalten kann.

»Ach, hast du das noch gar nicht mitgekriegt?« Jetzt kann ich definitiv das Lächeln in ihrer Stimme hören – und zwar ein durch und durch selbstzufriedenes Lächeln. Falls sie unauffällig herausfinden wollte, ob Seb und ich Kontakt haben, ist ihr das gelungen. »Seb kommt zurück. Anscheinend gefällt es Alina nicht in New York.« Alina. Mit der er seit ungefähr drei Jahren verheiratet ist. »Aber bis Freitag ist er noch nicht wieder hier. Wir müssen uns dann einfach noch einmal treffen.«

»Klar. Wunderbar.« Ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich an dem Abend einen anderen Termin habe, wann immer der ist.

»Du bist also dabei? Nächsten Freitag?«

»Lass mich schauen.« Ich klicke durch meinen elektronischen Kalender, obwohl ich genau weiß, dass ich nichts vorhabe. Vielleicht funktioniert das ebenso wie das aufgesetzte Lächeln. »Äh, ja. Das sollte klappen. Danke.«

»Super. Kannst du mir den Gefallen tun und Lara Bescheid geben? Ich habe sie noch nicht erreicht. Ihr beide seid doch bestimmt noch immer dick befreundet.«

»Klar, so dick wie sonst was«, antworte ich. Und bevor sie denkt, ich mache mich über sie lustig, was eventuell stimmt, füge ich rasch hinzu: »Ich geb ihr Bescheid.«

»Prima. Ich mail dir meine Adresse. Bis nächsten Freitag.«

Ich lege auf und starre einen Augenblick blind auf meinen Bildschirm mit dem unterversorgen Kalender. Vielleicht ist Caro zur Abwechslung tatsächlich ohne jeden Hintergedanken einfach nur nett. Das wird Lara glauben, wenn ich ihr davon erzähle. Aber in Laras Welt ist alles immer eitel Sonnenschein. Eine wunderbare Vorstellung, genau wie der Nikolaus und die Zahnfee, die aber nur mithilfe einer gewissen willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit aufrechterhalten werden können. Ich bin da von Natur aus misstrauischer.

Severine ist immer noch da.

Am Tag von Caros Party geschehen zwei Dinge. Ich erhalte einen Anruf von Haft & Weil – genauer gesagt von Mr Farrows Sekretärin – und einen von der Polizei.

Gordon Farrows Sekretärin möchte am kommenden Dienstag einen Lunch-Termin mit mir vereinbaren, was eigenartig ist, es sei denn, das Unternehmen, das er eigentlich engagieren wollte, hätte den Auftrag hingeschmissen. Ich gebe mir den Rest des Tages redlich Mühe, mich nicht zu früh zu freuen, weil sowieso nichts dabei herauskommen wird, und überlege mir gleichzeitig eine genaue Angebotsstrategie. Das sind zwei sich gegenseitig ausschließende Vorstellungen, und dadurch ist es ziemlich anstrengend.

Im Vergleich dazu ist der Anruf der Polizei weit weniger beunruhigend, zumindest für den Augenblick. Ein französischer Kommissar wird in der kommenden Woche den kurzen Sprung über den Kanal machen und würde mich gerne befragen. Ob ich wohl Zeit dafür hätte?, will er wissen. Ich werfe einen erneuten Blick auf meinen erbärmlichen Kalender mit viel zu vielen weißen Lücken, in denen sich Severine breitmachen und ihre schlanken brauen Arme besitzergreifend ausbreiten kann. Abgesehen vom Mittagessen mit Farrow und ein paar anderen Meetings im Zusammenhang mit zwei kleinen Verträgen, die ich abschließen konnte, bin ich verfügbar. Deprimierenderweise bin ich ständig verfügbar, obwohl ich mich den ganzen Tag abstrampele. Als es auf den Feierabend zugeht, bin ich einem Drink sehr zugetan.

Tom, Lara und ich haben uns in einer Bar in der Nähe von Caros Wohnung verabredet. Gemeinsam fühlen wir uns sicherer. Es regnet, und während ich meinen Schirm ausschüttele, suche ich in dem überfüllen Raum nach Tom. Seine große Gestalt ist nicht zu übersehen. Er steht an der Bar und bestellt etwas; wahrscheinlich ist er auch gerade erst gekommen, in seinen dunklen Haaren, die wieder mal zu lang sind und anfangen, sich zu locken, glitzern Regentropfen. Früher sah er Seb viel ähnlicher, finde ich. Oder vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich die beiden jetzt bewusst trenne.

»Für mich einen Wodka Tonic«, sage ich und schlüpfe in eine Lücke neben ihm.

Mit einem breiten Lächeln dreht er sich um. »Kate!« Dann zieht er mich in eine feste Umarmung. Nix mit trendigen Londoner Wangenküsschen. Tom nimmt einen richtig in den Arm – obwohl ich das weiß, überrascht es mich immer wieder. Während er mich an sich zieht, spüre ich mein eigenes, strahlendes Lächeln. Dieses Lächeln muss ich nicht aufsetzen.

»Wie schön dich zu sehen«, sage ich an seinem Hals. Er riecht nach einer Mischung aus Holz und Gewürzen.

»Ich freu mich auch«, sagt er und schiebt mich von sich, um mich anzusehen. Er strahlt wie eh und je. Seine Sommersprossen sind verschwunden, genau wie seine Sonnenbräune, und ich würde behaupten, dass er in letzter Zeit häufiger im Fitnessstudio war. Ansonsten ist er aber beruhigend unverändert. »Du siehst echt gut aus.«

»Zehn sechzig«, unterbricht der Barmann ungeduldig und stellt den Wodka Tonic neben Toms Bier.

»Oh Mann«, murmelt Tom und zückt den Geldbeutel. »Die Preise verdoppeln sich jedes Mal, wenn ich nach London zurückkomme.«

»Dann geh einfach nicht wieder weg. Schon allein meinem Bankkonto zuliebe.« Noch immer lächelnd, greife ich nach meinem Drink. »Ich such uns mal einen Tisch. Lara kommt übrigens später.«

Es ist so voll, dass wir keinen Tisch für uns bekommen, aber ich ergattere zwei freie Hocker an der Ecke der Bar. Es ist so laut, dass wir konspirativ die Köpfe zusammenstecken und versuchen, ganze zwei Jahre in fünf Minuten abzuhandeln. Severine hat hier, inmitten von Wärme und pulsierendem Leben, nichts zu melden.

»Das mit Jenna tut mir leid«, sage ich nach einer Weile. Und das ist durchaus ehrlich gemeint, auch wenn ich immer das Gefühl hatte, dass die beiden nicht wirklich zueinanderpassen. »Als wir euch besucht haben, hab ich sie ja nur kurz kennengelernt, aber sie schien …« Ich suche nach dem richtigen Adjektiv. Nichts passt. »… ein sehr rationaler Mensch zu sein«, beende ich meinen Satz nichtssagend. Jennas kühlen grauen Augen war meiner Ansicht nach nur sehr wenig entgangen. Es war wunderbar gewesen, Tom wiederzusehen, und Lara und mir hat Boston sehr gefallen, aber dennoch hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass sich der angespannte Zug um Jennas Augen nicht löste, bis wir endlich wieder auf dem Weg zum Flughafen waren.

Toms Lippen zucken kurz, und er dreht das Bierglas in seinen langen Fingern hin und her. »Sie war nicht gerade in Topform, als ihr uns besucht habt. Sie ist wirklich eine tolle Frau, aber es war einfach …« Seine Stimme erstirbt.

»Ich weiß. Ist ja auch nicht so leicht, es mit Lara aufzunehmen.«

Überrascht blickt er von seinem Bier auf. »Mit Lara?«

»Na ja, mit so einer Konkurrenz muss man erst einmal klarkommen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der eigene Freund nicht mit ihr geschlafen hat«, füge ich trocken hinzu. Glaubt er etwa, ich hätte nicht bemerkt, wie er und Jenna während unseres Besuchs in abgelegenen Ecken und Winkeln in leisem Tonfall erregt miteinander diskutierten? Ich sehe sie immer noch vor mir: Jennas energische, kurze Gesten mit der rechten Hand, während Tom sich frustriert durch die Haare fährt. »Oder hast du Jenna überhaupt nichts davon erzählt?« Die Affäre, die Liebelei oder wie immer man es nennen will, ist viele Jahre her – während dieser schicksalhaften Ferien in Frankreich –, und Lara betont heute noch, sie hätten nur ein bisschen Spaß gehabt. Und auch wenn Tom dasselbe behauptet, habe ich mich doch gefragt, ob es für ihn nicht mehr war. Und in Anbetracht von Jennas kühlem Verhalten bei unserem Besuch in Boston, fragte ich mich das umso mehr. Ehefrauen und Freundinnen merken so etwas.

»Sie wusste tatsächlich Bescheid, aber Lara war nicht das Problem«, sagt er leicht gereizt und atmet dann langsam aus. »Spielt auch keine Rolle. Wir haben einfach nicht … zusammengepasst. Ich konnte mir uns nicht in fünfzig Jahren vorstellen. Mir ist immer klarer geworden, dass ich mir nicht ausmalen konnte, wie das aussehen würde. Und irgendwann erschien es mir dann reizvoller, ins Fitnessstudio zu gehen anstatt nach Hause.«

»Fünfzig Jahre«, bemerke ich sarkastisch. »Mir würde es schon reichen, wenn ich wüsste, wie es in sechs Monaten aussieht. Oder auch nur heute Abend.« Ich schneide eine Grimasse und nehme einen kräftigen Schluck von meinem Drink.

»Ach, komm«, sagt Tom lachend. »Caro wird sich von ihrer besten Seite zeigen. Ganz die vollendete Gastgeberin.«

»Mmmm«, sage ich wenig überzeugt. »Oh, ich wollte dich noch fragen, wie es kommt, dass Caro einen anderen Nachnamen hat als ihr Dad. Ich weiß, dass ihre Eltern geschieden sind, aber trotzdem …«

»Also, das war eine ziemlich bittere Geschichte.« Er trinkt einen Schluck von seinem Bier und blickt nachdenklich zur Seite. »Soweit ich mich erinnere, hatte Gordon eine Affäre, und Camilla – Caros Mutter – fand das natürlich gar nicht gut. Die Hölle kennt keinen schlimmeren Zorn und so weiter … obwohl ihr Zorn eine leidenschaftslose Variante davon war.« Stirnrunzelnd sucht er nach den richtigen Worten. »So als wäre sie nicht wütend auf Gordon, weil er sie betrogen hatte, sondern weil er ihr perfektes Leben durcheinandergebracht hat. Jedenfalls hat Caro für ihre Mutter Partei ergriffen. Sie muss damals ungefähr dreizehn gewesen sein. Im Zuge dessen hat sie offiziell ihren Namen geändert und den Mädchennamen ihrer Mutter angenommen, obwohl ich ehrlich gesagt glaube, dass ihre Mutter sie dazu angestiftet hat.« Wehmütig verzieht er die Lippen. »Mir hat Gordon eigentlich immer leidgetan. Wenn ich mit Camilla verheiratet gewesen wäre, hätte ich bestimmt schon wesentlich früher eine Affäre gehabt.«

»Ist sie so schwierig?«

»Nicht unbedingt schwierig.« Er zuckt mit den Schultern und sucht nach dem richtigen Ausdruck. »Eher kalt. Und nichts ist ihr je gut genug. Caro hat dieselbe scharfe Zunge, aber sie kann wenigstens auch mal lachen.« Er sieht mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an, so als würde er auf einen bissigen Kommentar von mir warten, aber er hat recht. Caro kann wirklich lachen; selbst ich muss zugeben, dass sie manchmal umwerfend komisch ist. Außerdem habe ich all das bisher nicht gewusst. Es rückt sie irgendwie in ein etwas anderes Licht. »Nun ja, jedenfalls war das damals eine harte Zeit für Caro. Damals haben Seb und ich« – er wirft mir einen raschen Blick zu – »uns dann auch mehr um sie gekümmert. Ich glaube, ihr war jede Entschuldigung recht, um aus dem Haus zu kommen.«

Seb. Normalerweise vermeidet Tom es, in meiner Gegenwart von ihm zu sprechen, was gar nicht so leicht ist, weil sie nicht nur beste Freunde, sondern auch noch Cousins sind, aber er gibt sich trotzdem Mühe. Ich setze eine ungerührte Miene auf. »Ist ihr Dad noch immer mit der Frau zusammen, mit der er damals die Affäre hatte?«

Tom schüttelt den Kopf. »Nein. Solange er mit ihr zusammen war, hat Caro jeden Kontakt zu ihm verweigert. Deswegen hat er es beendet.« Ich lasse das einen Augenblick sacken. Das Kind legt die Regeln für den Vater fest. Es gibt einen guten Grund, warum Kinder normalerweise nicht über diese Macht verfügen. Ich frage mich, wie sich das wohl angefühlt hat, für beide. Aber Tom erzählt weiter: »Und weißt du was, heute frage ich mich, ob nicht auch das eine Idee ihrer Mutter war. Meine Eltern fanden es jedenfalls äußerst schade, weil sie meinten, dass Gordon und diese Frau sehr glücklich miteinander geworden wären. Aber Caro blieb beinhart, daher …« Er zuckt mit den Schultern. »… war’s das.«

»Interessant, dass sie in seiner Kanzlei arbeitet.«

»Ja. Ich wusste auch nicht recht, was ich davon halten sollte, als ich hörte, dass sie bei Haft & Weil angefangen hat.« Er zieht die Stirn kraus, als würde er sich noch immer den Kopf darüber zerbrechen. »Es ist ja nicht so, dass sie keine anderen Angebote hatte.« Er trinkt sein Bier mit einem Schluck aus und betrachtet dann das leere Glas. »Haben wir noch Zeit für eine zweite Runde? Wie viel später wollte Lara kommen?«

»Sie sollte eigentlich … ah, da ist sie ja.« Ich winke Lara zu, die von der Tür aus den Blick durch die Kneipe schweifen lässt. Ein Blick, der von der Hälfte der Anwesenden erwidert wird. Als sie uns entdeckt, leuchtet ihr Gesicht auf und sie kommt zu uns herüber.

»Tom«, sagt sie und umarmt ihn herzlich. »Lass dich anschauen! Arbeitest du noch oder machst du nur Krafttraining?«

Er lacht und steigt von seinem Barhocker, um ihn ihr anzubieten. »Du hast gut reden, du siehst genauso fantastisch aus wie immer.«

»Ich habe mindestens drei Kilo zugenommen. Aber da das anscheinend alles an meinem Busen ansetzt, kann ich mich nicht wirklich aufraffen, etwas dagegen zu tun«, sagt sie leichthin und schiebt ihren Hintern auf den angebotenen Barhocker.

»Wie schaffst du es nur, dass wir schon dreißig Sekunden nach deiner Ankunft über deinen Busen reden?«, neckt Tom sie. Ich bin ihr lockeres, freundschaftliches Flirten gewohnt, aber plötzlich fällt es mir stärker auf. Die Umstände haben sich verändert: Tom ist Single. Das beunruhigt mich nicht direkt, aber es würde die Dynamik schon deutlich verschieben, wenn die beiden ein Paar würden. Ich mag die Dinge so, wie sie sind.

»Wie wär’s dann mit einem eher makabren Thema: Habt ihr heute auch einen Anruf von der Polizei bekommen?«, fragt Lara, und Severine streckt sofort den Arm aus, um mich durch die Zeit zurückzuziehen. Sie trägt ein lose fallendes schwarzes Leinenkleid und lässt sich mit gekonnter Eleganz in einen Liegestuhl am Swimmingpool des Ferienhauses gleiten. Sie schlägt die Beine übereinander; die schlanken braunen Unterschenkel gehen in schmale Füße mit perlmuttrosa lackierten Zehennägeln über, und von einem baumelt lässig eine Sandale. Seb kann den Blick nicht von dieser Sandale wenden.

Ich kippe den Rest meines Wodka Tonic hinunter und zwinge mich in die Gegenwart zurück.

Tom nickt. »Ja. Wegen einer Befragung irgendwann nächste Woche.«

»Ich auch. Obwohl ich nicht weiß, wie wir denen nach zehn Jahren noch weiterhelfen sollen«, füge ich beinahe trotzig hinzu. »Ich kann mich kaum an etwas erinnern.«

»Wem sagst du das. Ob es wohl derselbe ist?«, fragt Lara und bekommt einen seltsamen Gesichtsausdruck.

»Derselbe was?«, frage ich verwirrt.

»Derselbe Detective. Aber die heißen in Frankreich irgendwie anders, oder? Kommissar vielleicht oder Strafverfolgungsbeamter oder so.«

»Glaube ich kaum«, bemerkt Tom. »Der war doch schon an die sechzig. Der ist bestimmt im Ruhestand.«

»Ihr zwei habt nichts mehr zu trinken«, wechselt Lara plötzlich das Thema. »Soll ich uns allen noch was holen?«

Kopfschüttelnd lehne ich ab. »Sollten wir nicht lieber die Pferde satteln und in den Kampf ziehen?«

»Das klingt ja ziemlich dramatisch«, wirft Tom lachend ein. »Das wird bestimmt ein netter Abend. Vor allem, weil ihr zwei euch mustergültig benehmen werdet.« Er fixiert uns beide mit einem gespielt strengen Blick, mich allerdings etwas länger und durchdringender als Lara.

»So viel blinder Optimismus«, sagt Lara und klimpert übertrieben mit den Wimpern. »Ein Mann nach meinem Geschmack.«

Wirklich?

Caros Wohnung riecht nach Vanille. Später entdecke ich auch, warum – sie hat überall im Raum teure Kerzen verteilt. Solche mit drei Dochten, die mehr kosten als ein Restaurantbesuch für zwei Personen. Der verlockende Duft, die gemütliche Beleuchtung und die einladende Wärme der Wohnung nach dem strömenden Regen lassen ein beinahe weihnachtliches Gefühl aufkommen, und das mitten im März. Caro hat ein paar kräftig geschminkte Schülerinnen engagiert, die die Tür öffnen, uns die Mäntel abnehmen und Champagner ausschenken. Alles ist wahnsinnig erwachsen.

Bei unserer Ankunft sind bereits fünfundzwanzig Gäste da. Auf den ersten Blick sind ein paar Bekannte dabei, andere habe ich schon mal gesehen, kenne ihre Namen aber nicht; alle aus der Zeit in Oxford. Auf der anderen Seite des Raumes entdecke ich Caro in einem strengen schwarzen Minikleid und mörderisch hohen schwarzen Wildlederstiefeletten. Ihre dunkelblonden Haare hat sie straff aus dem Gesicht gekämmt. Dünn, blond, selbstsicher und von jener zierlichen Gestalt, die alten englischen Adel verkündet: ein Luxusweib. In Oxford wäre ich fast in einer Heerschar von Mädchen ihres Schlages untergegangen, bevor ich gelernt habe, wie man in einem großen Teich schwimmt. Man darf das Treten nicht vergessen.

»Entspann dich, Kate«, sagt Tom leise mit belustigtem Unterton.

Ich hole übertrieben tief Luft und atme langsam aus. Meine Theatralik lockt die Lachfältchen um seine blauen Augen hervor, die denen von Seb so ähneln. Nur sind seine grau gesprenkelt.

Als Caro uns entdeckt, unterbricht sie ihre Unterhaltung und kommt rasch zu uns herüber. Strahlend steuert sie direkt auf Tom zu. Sie ist sogar noch dünner, als ich sie in Erinnerung hatte, und älter natürlich – wie wir alle –, aber bei Caro haben die zusätzlichen Jahre jede Weichheit weggenagt. Sie wirkt zerbrechlich. Ich versuche, mir das dreizehnjährige Mädchen vorzustellen, das sie einmal war und das Zuflucht in der Freundschaft mit Tom und Seb gesucht hat, aber ich kann dieses Bild nicht heraufbeschwören. Dennoch verfolgen mich Toms Worte, sie drängen mich in eine Ecke, und ich werde das Gefühl nicht los, dass meine Abneigung gegenüber Caro kein gutes Licht auf mich wirft. Eigentlich gibt es genügend Gründe, warum sie mir sympathisch sein sollte: Sie ist eine starke, kluge, ehrgeizige Frau, die hart in einer noch immer männerdominierten Branche arbeitet; sie ist geistreich, witzig und vor allem mag Tom sie, was einiges heißt. Und doch … und doch … Ihr Verstand ist zu scharf. Sie verletzt. Zumindest war es früher so.

»Tom! Unser Ehrengast!«, sagt sie und küsst ihn auf beide Wangen. Mir entgeht nicht, dass Tom keine Anstalten macht, sie zu umarmen. Dann wendet sich Caro zu Lara und mir; Lara wird als Erste mit einem Küsschen rechts und einem links bedacht. »Das ist ja schon ewig her«, ruft Caro. »Du hast dich … gar nicht verändert.« Lara murmelt eine unverfängliche Antwort.

»Hi, Caro.« Ich bin als Letzte an der Reihe und biete ihr pflichtschuldigst meine Wange dar. Die Pfennigabsätze ihrer Stiefel heben sie fast auf meine Höhe. Unsere Küsse bleiben in der Luft.

»Kate«, sagt sie, und ihre Lippen formen sich zu einem Lächeln, das ihre Augen nicht wirklich widerspiegeln. »Wie ich gehört habe, hast du dich mit meinem Vater getroffen.«

»Äh, ja.« Es überrascht mich ein wenig, dass sie das als Aufhänger nimmt. »Ich glaube sogar, dass wir uns nächste Woche noch einmal treffen.«

Sie kneift die Augen ein ganz klein wenig zusammen, nickt aber begeistert. »Prima. Ich habe ihm schon vor Wochen gesagt, dass er es nicht bereuen würde, wenn er dir eine Chance gibt.«

»Danke«, erwidere ich verblüfft. »Das war … nett von dir.« Zumindest wäre es nett gewesen, wenn es denn stimmen würde. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass sie lügt. Wenn sie schon vorher mit ihrem Vater gesprochen hätte, dann hätte er wissen müssen, dass wir uns kennen.

»Keine Ursache«, sagt sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Bestimmt ist es bei der momentanen Wirtschaftslage nicht einfach, sich selbstständig zu machen. Ihr habt alle schon was zu trinken, ja? Dann mischt euch unters Volk.« Sie hakt sich bei Tom unter und zerrt ihn mit sich. Ich sehe, wie sie sich mit einem verstohlenen Lächeln hochreckt, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, was er mit schallendem Gelächter quittiert. Kurz darauf wird er von ein paar Männern stürmisch begrüßt, sie klopfen sich herzhaft auf die Schulter. Ihre Gesichter kommen mir im Gegensatz zu ihrer sonstigen Erscheinung vage bekannt vor. Zehn Jahre sind nicht spurlos an Haaransatz und Bauchumfang vorübergegangen.

Lara und ich nippen an unserem Champagner. Wir mischen uns unter die Leute und plaudern. Im Großen und Ganzen sind die Menschen, die ich nicht kenne, in Begleitung von Leuten da, die ich kenne. Es treffen noch weitere Gäste ein, die Musik wird schneller und die Unterhaltungen und das Gelächter immer lauter. Wir trinken noch mehr Champagner und schlagen bei den Häppchen zu. Ich nehme die Wohnung in Augenschein. So eine Immobilie in diesem Teil von London muss unverschämt teuer sein. Ob ihr Vater sie wohl beim Kauf unterstützt hat? Und wenn ja, wie passt es dann zusammen, seinen Namen abzulehnen, seine finanzielle Hilfe aber anzunehmen?

Caro gesellt sich zu uns. »Tut mir leid, ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mich ein bisschen mit euch zu unterhalten. Aber ihr wisst ja, wie das als Gastgeberin ist. Man schafft es kaum, allen auch nur Hallo zu sagen, bevor man wieder weggezerrt wird.« Sie verdreht die Augen, als wäre es eine lästige Pflicht, aber sie ist eindeutig in ihrem Element. Ganz die perfekte Gastgeberin.

»Super, dass so viele gekommen sind«, sagt Lara und prostet Caro zu.

»Ja, oder?« Mit einem zufriedenen Lächeln lässt sie den Blick durch den Raum schweifen, ehe sie sich wieder uns zuwendet. »Sorry, dass ich das unschöne Thema aufbringe, aber ich nehme an, dass ihr beide nächste Woche auch einen Termin mit diesem französischen Kommissar habt, oder?«

»Ja, am Montag«, sage ich.

»Die Sache ist so lange her, da habe ich mich gefragt, ob wir das vorher mal durchsprechen sollten. Um sicherzugehen, dass wir uns alle einig sind.«

Lara macht den Mund auf und will ihr vermutlich zustimmen, schließlich ist das der Weg des geringsten Widerstandes, daher unterbreche ich rasch. »Was gibt es da zu besprechen? Wir haben sie das letzte Mal am Abend vor unserer Abreise gesehen und da war sie noch gesund und munter.«

Caro nickt. »Stimmt. Und dann ist sie in die Stadt gefahren.« Sie legt die Stirn in Falten. »Seltsam, dass sie danach noch mal in ihr Ferienhaus zurückgekehrt ist, obwohl sie Theo erzählt hatte, sie wolle nach Paris.«

»Hat sie das?« Das wusste ich noch nicht.

»Wann hat sie das gesagt?«, fragt Lara.

»Am Abend vor unserer Abfahrt, glaube ich. Theo hat sich lange mit ihr unterhalten.« Daran erinnere ich mich noch. Ich sehe die beiden vor mir, wie sie in der nächtlichen Dunkelheit auf den Sonnenliegen am Pool liegen. Severine balanciert ein Glas Weißwein auf ihrem Bauch, und das rote Glimmen einer Zigarette bewegt sich in regelmäßigen Abständen im Bogen zu ihrem Mund, um dann wieder von der Armlehne herabzubaumeln. Sie trägt noch immer das schwarze Leinenkleid, aber ihre Sandalen liegen jetzt achtlos neben der Sonnenliege. Ich vermeide es, Seb anzusehen, falls er sich an ihrem Anblick ergötzt, stattdessen beobachte ich Severine lieber selber. Nach einer Weile dreht sie den Kopf und sieht mich direkt an; es ist aber zu dunkel, und sie ist zu weit weg, um den Ausdruck in ihren Augen zu erkennen. Nicht, dass man in Severines Augen je etwas erkannt hätte.

Ich schüttele den Kopf. Caro redet noch immer: »Ich dachte mir einfach, na ja, dass wir uns alle absprechen sollten … Schließlich kann ich mich kaum noch an diesen letzten Abend erinnern mit dem ganzen Alkohol und so.« Sie lässt ein hohes, perlendes Lachen hören.

»Und den Drogen«, ergänze ich ruhig. Ihr Lachen erstirbt, und sie legt den Kopf schief und sieht mich an. Lara schaut von Caro zu mir und wieder zurück. Auf der anderen Seite des Raumes blickt Tom immer wieder von seiner Unterhaltung auf, um uns drei im Auge zu behalten. Nach all diesen beziehungsvermeidenden Trainingseinheiten hat er ziemlich breite Schultern bekommen. Bestimmt ist er mittlerweile sogar muskulöser als Seb. »Keine Sorge«, sage ich nach einer Weile. »Ich habe es damals nicht erwähnt und werde es auch jetzt nicht tun.«

Caro nickt, eine knappe, schnelle Bewegung. Nicht direkt ein Dankeschön, aber schon nahe dran.

»Der Abend war echt verrückt«, sagt Lara lächelnd.

»Ja«, lacht Caro, die nur allzu gern das Thema wechselt. »Hast du nicht am Ende mit Tom nackt im Pool gebadet?«

Lara grinst. »Ich meine, mich an so etwas in der Art zu erinnern. Und dann ist der dritte Weltkrieg ausgebrochen, und wir haben, nackt und klatschnass wie wir waren, nur noch versucht, alle wieder zu beruhigen.« Sie denkt angestrengt nach. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, weswegen ihr euch eigentlich so gestritten habt«, sagt sie mit großen, unschuldigen Augen. Ich werfe ihr einen scharfen Blick zu, bevor ich Caro ansehe. Auf ihren Wangen brennen zwei rote Flecken.

Plötzlich steht Tom an meiner Seite und schwenkt eine leere Champagnerflasche. »Gibt’s hiervon noch mehr?«

»Oh, kistenweise. Ich kümmere mich darum.« Dankbar greift Caro nach der Flasche und verschwindet rasch durch die Menge.

Tom mustert Lara und mich mit strenger Miene. »Habe ich euch zwei nicht gebeten, ihr sollt euch benehmen?«, sagt er und fährt sich unwirsch durch die Haare.

»Du willst, dass wir uns benehmen?«, fragt Lara pikiert. »Caro ist hier diejenige, die unsere Antworten gegenüber der Polizei aufpolieren will, um ganz sicher zu sein, dass nur ja keiner was von irgendwelchen Drogen erwähnt. Im Gegensatz zu dir kann ich mich nämlich noch sehr gut daran erinnern, dass sie versucht hat, harte Drogen in Kates Handtasche durch den Zoll zu schmuggeln. Und Kate wird das auch nicht so schnell vergessen.«

Auf meinem Gesicht breitet sich unwillkürlich ein Lächeln aus. Es überrascht mich, mit wie viel Kampfgeist sich meine sonst so unbekümmerte Freundin für mich starkmacht, und mir wird ganz warm ums Herz. Wie es scheint, habe ich mich getäuscht. Was Caro betrifft, ist selbst Lara von Natur aus misstrauisch.

»Ich habe es nicht vergessen«, sagt Tom leise. »Falls ihr euch erinnert, war ich stinksauer auf sie. Aber seid einfach nicht so nachtragend. Das ist alles lange her und sie hat sich entschuldigt.«

»Allerdings erst am nächsten Tag«, grummele ich aufmüpfig und vergesse dabei ganz, dass ich mir vorgenommen hatte, Caro gegenüber großmütig zu sein. »Außerdem war es eine ziemlich halbherzige Entschuldigung.« Ich hatte ihre sogenannte Entschuldigung genau so angenommen, wie sie vorgebracht worden war: halbherzig und unter starkem Druck.

»Willst du das jetzt wirklich alles wieder aufwärmen?«, fragt Tom und mustert mich mit einem Blick, den ich nicht recht zu deuten weiß. Plötzlich schmilzt der unwirsche Ausdruck in sich zusammen und er legt den Kopf schief. Ich bin ihm so nah, dass ich die grauen Flecken in seinen Augen erkennen kann. »Komm schon, Kate, lass die Vergangenheit ruhen«, sagt er sanft.

Ich atme langsam aus. Er hat recht. Ich verspüre nicht das geringste Bedürfnis, diese speziellen Erinnerungen auszugraben, obwohl sie scheinbar auch von ganz allein an die Oberfläche drängen. Ich bringe ein Lächeln zustande und stoße mit Tom an. »Auf die Gegenwart.«

»Und auf Tom«, sagt Lara und stößt ebenfalls mit uns an. Dabei schenkt sie ihm ein gewinnendes Lächeln. »Schön, die Stimme der Vernunft wieder bei uns zu haben.«

Tom lächelt kopfschüttelnd zurück und sieht sich um. Die Gäste gehen nach und nach; beim Blick auf die Uhr stelle ich überrascht fest, dass es bereits nach ein Uhr ist.

»Kommt«, sagt er. »Ich begleite euch beide nach Hause.«

Wir teilen uns ein Taxi. Rein geografisch ist es sinnvoll, dass ich zuerst abgesetzt werde. Ich umarme beide zum Abschied und schaue dem Taxi dann hinterher. In Gedanken lasse ich die Szene ablaufen, wie sie sich splitternackt in den Streit zwischen Seb, Caro und mir einmischen. Laras beeindruckende Oberweite wackelt hypnotisch, bis Theo ihr verlegen ein Handtuch umlegt, seine hochroten Wangen haben dieselbe Farbe angenommen wie seine Haare. Als Tom kapiert, was vorgefallen ist, fällt er über Caro her; ich habe Tom noch nie wütend erlebt, und es ist beeindruckend. Es überrascht mich, wie ungerührt Caro einen derart heftigen Angriff über sich ergehen lässt. Lara bleibt vor Staunen der Mund offen stehen, aber ich bin viel zu verletzt und verärgert und habe schon zu viel billigen Wein intus, um die Szene genießen zu können. Vor allem verletzt, weil Seb meine Reaktion übertrieben findet. Dass er mich im Stich lässt, ist wie ein Schlag in die Magengrube. Mir bleibt die Luft weg, ich bekomme keinen Ton mehr heraus. Der Schock raubt mir sämtliche Schutzschilde und zwingt mich, der Wahrheit ins Auge zu sehen: Es ist vorbei.

Damals habe ich Severine in dem ganzen Aufruhr kaum wahrgenommen, aber jetzt genießt sie meine volle Aufmerksamkeit. Sie sitzt lässig auf der Seite und beobachtet uns distanziert, während sie in aller Ruhe ihre Zigarette zu Ende raucht. Dann nimmt sie ihre Sandalen, geht gemächlich zu ihrem Ferienhaus hinüber und lässt das Chaos hinter sich. Tränenüberströmt stolpere ich allein ins Schlafzimmer zurück, das ich mir eigentlich mit Seb teile. Sechs Monate davor, ja sogar noch zwei davor, wäre er mir gefolgt, aber jetzt nicht mehr.

Zurück in der Gegenwart gehe ich ebenfalls allein ins Bett. Je nach Zeitverschiebung liegt Seb jetzt vermutlich irgendwo neben seiner Frau. Wie Caros Schlafgewohnheiten wohl sind? Und Theo – nun, Theo ist tot. Genau wie Severine, obwohl der Tod sie nach meinem Geschmack etwas zu lose an der Leine führt. Und Tom und Lara sitzen gemeinsam in einem Taxi.

KAPITEL DREI

Montagvormittag. Ich bin vollkommen versunken in Excel-Tabellen, die mir über den Erfolg oder vielmehr Misserfolg meiner Personalberatungsagentur Aufschluss geben, als Gordon Farrow anruft. Er hält sich nicht lange mit höflichen Floskeln auf, sondern ist ausgesprochen freundlich und aufrichtig. Ein anständiger Mann. Auch ohne Toms vernichtende Kritik an Caros Mutter – wenn Caro eine Mischung aus Gordon und seiner Exfrau ist, habe ich keinerlei Bedürfnis, diese Exfrau kennenzulernen.

»Also, wer steht auf Ihrer Liste, Kate?«, fragt Gordon. Wir sind inzwischen beim Vornamen angekommen. Was er meint, ist: Wen würde ich für die offenen Stellen in seiner Kanzlei vorschlagen. Das ist eine Frage, auf die ich mich natürlich vorbereitet habe, allerdings bringt es mich ein wenig aus dem Konzept, sie bereits montags am Telefon zu beantworten anstatt dienstags beim Lunch. Dennoch gelingt es mir, nahtlos zu meiner vorformulierten Antwort überzuleiten, und wir spielen den Ball ein paar Minuten lang hin und her.

Während ich telefoniere, betritt Paul unser gemeinsames Büro, lockert seine Seidenkrawatte und lässt sich in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen. Er zieht die blonden Augenbrauen in die Höhe (sie sind so blass, dass man sie fast als überflüssig bezeichnen könnte), lauscht meiner Seite der Unterhaltung und nippt dabei an seinem Kaffee to go. »Haft & Weil?«, fragt er lautlos.

Ich nicke. Gordon hat jetzt wieder meine volle Aufmerksamkeit. Seinen nächsten Kommentar wirft er so betont lässig ein, dass klar ist: Er hat die ganze Zeit nur darauf gewartet, genau darüber zu sprechen. »Sie haben Dominic Burns überhaupt nicht erwähnt.«

»Nicht Dominic«, sage ich rasch. Eine reflexhafte Antwort. Ich hätte sie lieber umgehen sollen, um stattdessen etwas Zeit zu schinden und herauszufinden, ob Gordon diesen Mann unbedingt einstellen will. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Hinter seinem Schreibtisch erstickt Paul fast an seinem Kaffee.

»Warum nicht Dominic?«, fragt Gordon zurückhaltend. »Mit seiner Erfahrung ist er ein Topkandidat. Und wie ich gehört habe, will er sich verändern. Er möchte ein bedeutendes Geschäftsfeld leiten, wo er sich mit der richtigen Unterstützung ganz auf die Private-Equity-Kunden konzentrieren kann.«

»Haben Sie vor, demnächst in den Ruhestand zu gehen, Gordon?«, frage ich. »Sagen wir mal in den nächsten fünf Jahren?«

Paul fallen fast die Augen aus dem Kopf. Er gestikuliert wild.

»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen«, erwidert Gordon nach einer Weile.

»Dominic Burns will nicht nur einen Geschäftsbereich unter sich haben. Er will Ihren Job. Er will Partner werden.«

»Dafür hat er nicht die Erfahrung«, widerspricht Gordon.

»Noch nicht. Aber er ist auf aggressive Weise ehrgeizig, und nach ein paar Jahren bei Haft & Weil wird er das Gefühl haben, dass er an der Reihe ist. Was prima wäre, wenn Sie auf der Suche nach jemandem sind, dem Sie die Zügel übergeben können. Aber falls dem nicht so ist, wird er sich eine Kanzlei suchen, wo er die Chance bekommt, die er wirklich haben will. Dann werden Sie ihn höchstens drei Jahre halten können.«

Paul steht inzwischen und ist sichtlich erregt. Seine verzweifelten Gesten lassen nur zwei Interpretationen zu: Entweder soll ich die Klappe halten, oder er wird mir umgehend die Kehle durchschneiden.