The Irish Way - Jürgen F. Fischer - E-Book

The Irish Way E-Book

Jürgen F. Fischer

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Beschreibung

Bisher verbrachte ich acht Jahre meines Lebens in Irland. Davon ein Jahr alleine auf einer Insel mit nur einem Haus. Die Nachbarinsel gehörte einst John Lennon und war in den 1970er Jahren für einige Zeit von Hippies bewohnt. Trotzdem habe ich immer am sozialen Leben teilgenommen. Pubbesuche mit Boot und Auto und Fußball(als Ex-Profi eine besondere Erfahrung) spielte ich im lokalen Fußballverein. Später auf dem Festland übte ich verschiedene Jobs wie Koch, Spüler und Getränkefahrer aus und arbeitete in einer Schreinerei. Ich fand immer genügend Zeit und Muse um Skulpturen herzustellen. Auch kaufte ich einen Imbisswagen und verkaufte selbstgemachte deutsche Bratwürste. Ich hatte tiefen Einblick in die Gesellschaft dieses wunderschönen Städtchens, das von den Iren 2012 zum lebenswertesten Ort Irlands gewählt wurde.

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Seitenzahl: 231

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Jürgen F. Fischer

The Irish Way

Sorglose Zeiten in Irland

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

ANN`S HAUS

JOHN MC GING´S PUB´

WESTPORT TOWN

DIDI

WESTPORT UNITED F.C.

AUF DER INSEL

JÜRGEN TRIFFT JÖRGEN

1. SPIELTAG

THE IRISH WAY

AUF DER JOHN LENNON INSEL

EIN SCHOTTE STREICHT SEIN ZIMMER

BEARS GEBURTSTAG

IAN`S MOTORRAD

O`GRADY`S BAR

AUF ISLANDMORE

CAMPBELL`S PUB / CROAGH PATTRICK

WOHNEN IN DER STADT

NACHMITTAGSTEE BEI COFFEYS

FATHER MC GREIL, FAHRT NACH SPEYER

FR MC GREIL IM TV

BEI MC KENNAS ZUM HAARESCHNEIDEN

BEI BILLY KELLY

BAD BOYS BALL

MEIN IMBISS MIT DEUTSCHEN BRATWÜRSTEN

AUF JOBSUCHE

HEHEHAN`S PUB

IN DER SCHREINEREI

DIE WEIHNACHTSFEIER

DROGEN IN IRLAND

TAXIS UND AUTOFAHREN

CASTLECOURT HOTEL

Impressum neobooks

Vorwort

Kommt ein Besucher zum ersten Mal nach Irland, spürt er schon recht schnell, dass irgendetwas anders ist. Besonders, wenn er mit der Fähre von Frankreich kommt. Legt das Boot in Le Havre oder Cherbourg ab, dauert es nicht all zu lange und es umgibt ihn eine Aura der Ruhe, die er vom europäischen Festland her nicht unbedingt gewohnt ist. Mehr Leute als anderswo tragen Plastiktüten irgendeiner Supermarktkette mit sich herum. Ebenso augenfällig sind mehr Kinder und vor allem viele Kleinkinder, die von ihren Müttern oder Vätern auf dem Arm getragen werden. Unter den Passagieren befinden sich viele Arbeiter, Pendler und LKW- Fahrer, die sich anscheinend alle kennen, immer in Gruppen auftauchen und die einzigen etwas lauteren Fahrgäste sind. Sie verschwinden meist recht schnell im Bordrestaurant und später in ihren Kojen. Nicht zu übersehen ist, dass viele Leute nicht so gekleidet sind, wie man es von den Transportmitteln mitteleuropäischer Länder her kennt. Die meisten Iren legen keinen großen Wert auf Kleidung. Aufgetakelte Frauen oder Blender in Designeranzügen sind hier kaum zu sehen. Irland ist kein Land, in dem man durch Kleidung groß glänzen kann. Um sich Achtung zu verschaffen, bedarf es schon etwas mehr. Vor allem Charakter und Originalität, Dinge, die nicht käuflich sind. Guinness aber schon. Das wird einem spätestens bewusst, wenn man die Fähre in Rosslare Harbour verlässt. Da lächelt einen auf einem riesigen Plakat eine Batterie Guinnessgläser an mit dem Schriftzug: Welcome to Ireland! Ist der Besucher noch kein Guinnesstrinker, hat er jetzt die beste Gelegenheit, es zu werden. Verlässt er Irland auf dem gleichen Weg, erinnert er sich mit großer Wahrscheinlichkeit an dieses Plakat, denn sein Pendant steht nicht weit weg auf der anderen Seite, der Dock Zufahrt, diesmal aber ohne den Schriftzug.Nur die Gläser. Volle selbstverständlich. Das gibt zu denken. Nicht nur deshalb würde er vermutlich am liebsten schon wieder umdrehen. Aber wir befinden uns ja jetzt Gott sei Dank erst bei der Ankunft. Entspannt, nach etwa 20-24 h wurde auf der Fähre automatisch schon das betriebseigene Tempo gedrosselt und sind auf diese Weise wohl am Besten auf das vorbereitet, was uns erwartet. Kommt man mit dem Flugzeug, fällt dieser Eingewöhnungsprozess erst mal weg. Der Flughafen in Dublin ist vergleichsweise laut und hektisch. In der Ankunftshalle drängen sich oft kleinere Gruppen, - nicht selten mit Spruchbändern - die auch mal laut aufschreien und jubeln, wenn der Freund oder das heißersehnte Familienmitglied nach langer Abwesenheit endlich wieder bei seine(r)n Lieb(st)en sein kann. Besonders feierlich ist es in der Weihnachtszeit. Menschentrauben stehen bei Ankunft und Abflug, tragen meist rotweiße Santa Claus-Kappen und singen Weihnachtslieder. Das sieht lustig aus und die Menschen strahlen scheinbar noch intensiver als üblich. Die einzigen Ausnahmen sind vielleicht die Monate März und April nach einer nicht auszuschließenden achtwöchigen Regen - und Kälteperiode. Da kann schon mal ein wenig Verzweiflung aufkommen. Das Wetter ist natürlich immer ein Thema. Die Karibik ist wo anders - wie jeder weiß. An Weihnachten aber denkt niemand an so etwas. Die Iren verstehen es dann ganz besonders fröhlich-euphorisch zu sein und trotzdem ist spürbar, wie feierlich ihnen zumute ist.

Weniger umjubelt war jedes Mal meine Ankunft. In der Luft und beim Landen hat mancher mit viel Glück vielleicht schon die schöne, grüne Landschaft sehen können. Es soll Leute geben, denen ist das tatsächlich passiert. Ich hatte immer das Gefühl, die Wolkendecke gerade erst durchflogen zu haben, als dann auch schon sofort das Rollfeld auftauchte. Mindestens nieselte es und der Himmel war wolkenverhangen. Dafür gibt es in der englischen Sprache aber ein sehr schönes Sprichwort, welches da lautet: „There is always sunshine after the rain.“ Von diesem Sonnenschein hatte ich in meiner ersten Zeit in Irland überraschend viel. Es regnete 6 ganze Wochen nicht ein einziges Mal. Die Zeitungen hatten auf den Titelseiten Fotos ausgetrockneter Landschaften abgebildet und schrieben von „Desert Ireland.“ Da ich auf einer Insel mit nur einem Haus drauf lebte und das Wasser ausschließlich gesammeltes Regenwasser war, machte ich mir allerdings schon Gedanken.

Ein Jahr lang lebte ich allein auf einer Insel bei Westport in der Clew Bay, eine Bucht mit vielen kleinen Inseln an der Nordwestküste Irlands und später im Städtchen auf dem Festland. Alles zusammen etwa acht Jahre.

ANN`S HAUS

Bevor ich in das einzige Haus auf der kleinen Insel einziehen konnte, musste ich noch ein paar Tage auf dem Festland verbringen, da mein Boot noch kurze Zeit gewässert werden musste, welches mich zur Insel und zurück bringen sollte. Mein zukünftiger Nachbar John Rose hatte es generalüberholt. Danach hatte es lange trocken gelegen. Im Wasser dehnt sich das Holz etwas aus und es zeigt sich ob es seetauglich ist oder nicht. Kleinere Löcher schließen sich dabei eventuell von alleine.

In diesen ersten paar Tagen konnte ich bei Ann und Didi wohnen, die während der vielen Besuche vorher zu guten Freunden geworden waren.

Das Haus gehörte Ann. Didi besaß ein Haus auf einer Insel, draußen in der großen Bucht vor der Stadt.

Ann`s Haus war schon immer Herberge für viele junge Leute aus aller Herren Länder. Es hatte eine Küche, ein Wohnzimmer, ein Bad, das bestimmt mindestens so kalt wie der Kühlschrank war (auch im Sommer). Die Treppe hoch gab es vier kleine Schlafzimmer. Davon waren meistens zwei oder drei vermietet. In einem schliefen natürlich Ann und Didi.

Die Wände waren ziemlich dünn. Hatten die beiden tagsüber Sex und man war gerade in der Küche, bekam man lautstark das Tempo der beiden bis zum Höhepunkt mit.

Dabei wackelte die Decke und man hörte die ausgeleierte Matratzen und Bettfedern ächzen. Saß der Rest der Mitbewohner gerade am Küchentisch, musste gegen Ende hin, die letzten Sekunden, kurz innegehalten werden, und die Unterhaltung konnte erst wieder fortgesetzt werden, wenn Stille eintrat.

Meistens trabte Didi kurz danach im Bademantel die Treppe herunter und drehte sich eine Zigarette, machte sich einen Tee und ging wieder hoch ins Bett. Ann ging normalerweise duschen, ohne sich in der Küche blicken zu lassen.

Viele Musiker, Schriftsteller und Hippies haben im Laufe der Jahre hier gewohnt. Da diese Untermieter auch Besuch hatten, war immer ein Kommen und Gehen. Auch unter der Woche wurde hier Anfang der 1990er Jahre bis tief in die Nacht gefeiert.

Eines Abends kam ich mit Ann und Didi vom Pub zurück und eine ungeplante Party mit 15 Leuten war in vollem Gange. Einige waren so abgekämpft, dass sie schon auf dem Boden schliefen. Als wir eintraten mussten wir laut loslachen, so chaotisch war der Anblick. Wenn Ann nicht zu Hause war, hing der Schlüssel außen an der Tür, damit man ins Haus konnte.

Besonderen Besuch gab es so etwa alle drei Monate. Dann kam John Gallagher von Clare Island, der größten Insel in der Bucht. Er schlief immer ohne Decke auf einer Couch, die neben der Eingangstür stand, und blieb drei oder vier Tage. Er kam ohne Tasche. Das Wichtigste, seine Ziehharmonika, hatte er aber dabei. Er zog durch die Pubs und spielte bei den täglichen Musiksessions mit.

Da er intensiv dem Whiskey zusprach und die Ausdünstung in den Kleidern, die er ja nicht wechseln konnte, hängen blieb, setzte sich mit seiner Ankunft bald ein stickiger, kräftiger Whiskeygeruch im ganzen Haus fest. Dem war mit keinem Raumspray beizukommen. Lüften brachte auch nichts, so lange er im Haus war.

Er war Mitte fünfzig, sehr schüchtern und sprach meistens nur in sehr kurzen Sätzen. Sein Aussehen gab einem das Gefühl, dass er nie jung gewesen war. John war Insulaner der älteren Kategorie und hatte sein Haus und sein Fischerboot, ein traditionelles Curragh, mit dem er auf dem Meer fischte, selbst gebaut und hielt einige Schafe. Seine Welt war eine andere. Er führte das traditionelle Leben eines Inselbewohners. Er kam und ging immer per Taxi, da er der staatlichen Buslinie misstraute, obwohl dies viel billiger gewesen wäre. Was ihn noch zusätzlich auszeichnete, war die Angewohnheit, die Asche seiner Zigarette, egal wo er gerade war, auf dem Boden zu hinterlassen. Meist kümmerte er sich gar nicht darum und sie fiel einfach ab. In seinem Haus auf Clare Island mit Kamin und Betonboden war das für ihn normal. Er kannte es nicht anders. Ann hatte aber Teppiche im Haus. Wenn ich Ann und Didi mit kleinem Besen und Kehrblech bewaffnet, gebückt durchs Haus fegen sah, wusste ich dass sich John wieder auf den Nachhauseweg gemacht hatte. Ann verlor nie ein Wort darüber, schon gar nicht John gegenüber.

Ihr Häuschen stand in der sehr steilen High Street, die ihren Namen wirklich nicht zu unrecht bekommen hat. Strategisch aber überaus günstig, da das nächste Pub gerade mal hundert Meter die Straße hinunter lag. Nachteilig war nur, dass das Pub nicht oberhalb des Hauses zu finden war. Dann hätte man sich in größter Vorfreude den Berg hoch kämpfen und danach gemütlich die Straße wieder hinunter treiben lassen können. Umgekehrt war es je nach Zustand ein ziemlicher Kraftaufwand. Man musste sich regelrecht gegen den Berg stemmen.

Es gab aber keinen Grund etwas zu bereuen. Man kam nämlich aus John Mc Ging`s Pub.

JOHN MC GING´S PUB´

mit dem gleichnamigen Wirt und seinem Hund Todd.

John war 1,98 m groß, sehr schlank, hatte schwarze gekräuselte Haare und ein langes Gesicht mit slawischen Zügen. Er hatte ungewöhnlich große Ohren und ebenso ungewöhnlich große Füße. Die Schuhe, Größe 55, musste er bis vor wenigen Jahren speziell anfertigen lassen. Als er seinen ersten größeren Urlaub machte und nach Australien flog, kam er wenig beeindruckt zurück. Australien ist gut zum Kleidertrocknen, war sein Kommentar über diesen Erdteil. Mehr nicht. Genauso trocken war auch sein Humor. Er war bescheiden, ziemlich selbstironisch und immer als erster über Gerüchte und Klatsch informiert, besser als jeder Friseur. Er hatte aber auch den notwendigen Stil und Klasse damit umzugehen. Diskretion ist bei den Iren eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich diese Eigenschaft mit der Deutschen vergleiche, müsste ich meinen Personalausweis sofort einem Schredder überlassen. Manchmal war John natürlich auch Geldverleiher, wie das als Publican eben so ist. Natürlich musste manchmal auch aufgeschrieben werden. Durst ist schließlich alternativlos. Selbst Trinkschulden in dreistelliger Höhe brachten ihn nicht aus der Fassung. „So lange noch getrunken wird...“

Da kam seine Güte und Menschlichkeit zum Ausdruck. Sein Wissen über die Irish Folk Szene war ungewöhnlich und er wusste über jeden guten Gig im weiten Umkreis Bescheid. Man konnte sich darauf verlassen, dass seine Tipps nur das Beste versprachen. Er wohnte mit seinen zwei Brüdern in dem Haus, in dem sich auch das Pub befand.

Nachdem man die Eingangstür geöffnet hatte, sah man in einem kleinen Vorraum rechts gleich einen kleinen Tresen, über den Haushaltswaren in bescheidenem Rahmen verkauft wurden: Kaminanzünder, Streichhölzer, Salz, Toilettenpapier, Hering in Tomatensauce usw.

Durch eine Schwingtür gelangte man dann in den Schankraum.

Links an der Wand befand sich eine etwa drei Meter lange Bank mit rotem Kunstlederüberzug, ein kleiner Tisch mit drei kleinen Stühlen neben dem Kamin, an dessen seitlicher Wand zwei weitere kleine Bänke, auch mit rotem Kunstleder überzogen, standen.

Im rechten Teil des Raumes war der Tresen mit einem Durchgang für den Barman in der Mitte. Um den Tresen herum ein knappes Dutzend Barhocker. Der Boden war bis auf ein paar Fliesen, blanker Beton und ziemlich ausgetreten.

Die Toiletten erreichte man durch eine Tür am Ende der langen Bank, dabei kam man an den aufgestapelten leeren Bierfässern vorbei, die den kleinen Vorraum ausfüllten.

Die Irish Times hatte einmal ihre Pubspione ausgesandt und die Beurteilung fiel ausgesprochen positiv aus. Es gab volle Punktzahl für die Qualität des Guinness + Charme und Gemütlichkeit. Die Qualität der Toiletten blieb unbewertet.

Regelmäßige Leser dieser Zeitung behaupteten, es sei das erste und einzige Mal gewesen.

Man wusste warum.

Manchmal kam die ein oder andere Lady mit leicht irritiertem Gesichtsausdruck heraus.

Es machte Spaß zu überprüfen, welchen Eindruck die Toilette bei der jeweiligen Dame hinterlassen hatte und wie sie damit zurecht kam. Manche versuchten mit gekünsteltem Lächeln ihren Schreck zu vertuschen. Da kam sie aber bei den anwesenden Beurteilern nicht weit. Andere wiederum konnten das gerade erlebte ganz locker, lässig und souverän überspielen.

An der Wand hingen zwei wunderschöne handgemalte Karikaturen der Stammgäste, wobei jeder an seinem Stammplatz saß und seine körperlichen Eigenschaften besonders betont wurden. So waren z. B. John Mc Ging`s Ohren so groß wie seine Hände. Die meisten Bäuche waren fast so dick gezeichnet wie Bierfässer. Auch war keines der Gläser leer. Am linken unteren Bildrand zankten sich Todd und Nelly, der Hund von Jock, einem Schotten, um einen Schokoriegel. Gemalt hatte diese Karikatur eine bildhübsche 19-Jährige mit Namen Naomi, die mit einem 54-jährigen australischen Surfer zusammen war. Man nannte ihn den „Beachboy“. Er war braungebrannt, hatte immer ein weißes Hemd an und die oberen Knöpfe weit offen.

In einem alten völlig überladenen Camper lebte und reiste er, wobei seine Pfannen und Töpfe außerhalb des Fahrzeuges mit Schnüren angebracht waren.

Nach zehn Jahren hatte sich das Stammpublikum leicht verändert, also orderte John eine zweite Version, die genauso viel Anklang fand. Naomi war immer noch mit Beachboy unterwegs und tingelte durch die Lande.

John hatte hinter seinem Tresen jede Menge Geschenke von Gästen aus aller Welt gesammelt. Am eindrucksvollsten war wohl das Blasrohr aus Indonesien, mit dem man Affen abschießen konnte!

Die Pfeile waren etwa 20 cm lang und hatten eine Metallspitze und hinten eine Art Wattebausch.

Mit ein paar Stammgästen prüften wir die Tauglichkeit und stellten eine Coladose auf die leeren Guinnessfässer vor den Toiletten und machten Wettschießen. Die Dose wurde tatsächlich glatt durchschlagen und der Pfeil schaute hinten heraus.

An jenem Nachmittag kam noch Besuch von einer ganz speziellen Truppe.

Mit einem lauten Schlag ging die Schwingtür vom Vorraum auf und herein spritzten sechs grauhaarige Mädels um die 70. Alle waren wohl beim Friseur gewesen und hatten sich aufgemotzt und so richtig schick gemacht. Lautstark setzten sie sich auch gleich an den Tresen und bestellten Wodka, Gin und Brandy. Sie steckten sich weiße, lange Zigaretten an, schwätzten ohne Unterlass und beachteten niemand um sich herum.

Sie waren ein eingeschworener Haufen, der öfter auf Tour ging und vor Energie nur so strotzte.

So kamen sie auch mal in Toby`s Bar, eine Bar, die einen auf Grund der Einrichtung mehr an ein Wohnzimmer erinnerte. Alles wie aus dem Ei gepellt.

Es spielte gerade Arsenal und alle Anwesenden – ausnahmslos Männer – guckten Fußball.

Dann kamen die Girls rein, belegten den Tisch, der unterm Fernseher stand, rückten ihn etwas mehr in die Mitte des Pubs, packten die Spielkarten aus, griffen nach der Remote Control und machten, wie selbstverständlich, den Ton leiser.

Dieser Dynamik hatte niemand etwas entgegenzusetzen.

Um wieder zu John`s Pub zurückzukommen, so waren die Stammgäste sehr speziell. Es gab jede Menge Charaktere, auch viele Musiker, die musizierten oder nur zum „socialising“ herkamen. Eine Zeit lang kam beispielsweise Henry McCullough, der einzige Ire, der in Woodstock als Leadgitarrist von Joe Cocker gespielt hatte und mit Janis Joplin liiert war, gelegentlich vorbei. Mit viel Glück soll er eine Überdosis überlebt haben. Er war auch Gründungsmitglied der Wings, der Band von Paul Mc Cartney.

Dann kam noch regelmäßig ein Schauspieler, den man fast täglich in einer irischen Soap im Fernsehen betrachten konnte. Er spielte darin einen „Traveller“, einen irischen Zigeuner. Sporadische und gern gesehene Besucher waren auch einige Mittachtziger, von denen man nicht genau wusste, wo sie wohnten, ob sie in einer Scheune lebten, oder ob sie überhaupt ein Dach über dem Kopf hatten.

Nur der Postbote hätte eventuell mehr gewusst. Sie hatten immer interessante Geschichten zu erzählen und waren regelrechte Freidenker und Philosophen.

Der größte und kräftigste von ihnen war meist mit dem Fahrrad unterwegs und hatte eine Mistgabel mit Draht an der Stange festgemacht. Keiner wusste warum, denn niemand hat ihn je arbeiten sehen.

Er war etwa 1,90 groß und hatte einen riesigen Bauch. Einmal wurde er mit dem Motorrad mitgenommen und fiel in einer Kurve von der Rückbank. Als der Fahrer ihn aus dem Graben zog, beschwerte er sich und sagte, dass wohl irgend ein Idiot vergessen hätte, die Autotür zuzumachen.

Die Stadtverwaltung fand ihn interessant genug und wählte ihn für den einzigen Autoaufkleber aus, den es in den 1990er Jahren von Westport zu kaufen gab. Die Abbildung zeigte ihn, umrahmt von einem Herz, mit seinen mit Kuhscheiße verdreckten Gummistiefeln, auf einem Feld stehend, den rechten Fuß lässig auf einem Stein platziert. Drunter stand in roter Schrift:

I Love Westport.

Zwei Cousinen, beide Ende 70, trafen sich regelmäßig bei John, um einzukaufen. Sie gaben ihm ihre Einkaufslisten und bestellten sich Gin Tonic und einen Wodka Ginger Ale. Die Listen blieben dann auf dem Tresen liegen und John begann sie abzuarbeiten. Er hetzte dabei hektisch hin und her und füllte die beiden Einkaufsnetze, die die Damen mitgebracht hatten. Das dauerte natürlich seine Zeit. Solange konnte man zwar bestellen, bekam aber nichts ausgeschenkt, weswegen John auch so hektisch wurde. Da dies lustig anzusehen war, dachte wohl niemand ans Trinken, sondern man beobachtete ihn, was ihn nur noch nervöser machte. War die Rechnung bezahlt, nahmen sie dann die Netze über die Schultern, traten ein, zwei Schritte zurück, schauten aufs Regal und nahmen zusätzlich noch etwas mit. So verhielt es sich jedes Mal - immer das gleiche Ritual.

Ich hatte jahrelang keinen Fernseher. Es gab hier genug zu sehen und zu erleben. Auch konnte ich mich bestens unterhalten.

Still blieb ich aber meistens, wenn Edwin hereinkam. Man musste ihn nicht unbedingt sehen, um zu bemerken, dass er im Anmarsch war.

Hörte man die Eingangstür ein klein wenig lauter klappern als sonst, griff John blitzschnell nach einem Cognacglas, füllte es am hinter ihm hängenden drei Liter Spender, schenkte etwas Cola dazu und stellte es neben den Mitteldurchgang auf den Tresen. Aha.

Als nächstes goss er schnell ein Pint Kilkenny ein und platzierte es neben dem Cognacglas, wo mittlerweile auch schon das abgezählte Geld gestapelt lag, das Edwin aus der Hosentasche geholt hatte.

Da stand er, lächelte und rieb sich dabei seinen wuchtigen Bauch. Er sprach so gut wie nie.

Seine Aufmerksamkeit galt den Getränken.

Obwohl er zuerst das Kilkenny trank, galt sein Augenmerk eindeutig dem Cognac, den er ständig im Auge behielt.

Sein Lächeln, und dass er sich so wohlwollend den Bauch rieb, hatte etwas ungemein Beruhigendes. Man hatte ein gutes Gefühl, wenn er da war.

Schön, dass es sich jemand offensichtlich so gut gehen lassen kann und andere mit seiner puren Präsenz teilnehmen lässt. Er hatte diese Ausstrahlung, die glückliche Menschen haben können.

Es war spannend zu beobachten, wann er sich den Cognac gönnen würde. War es vor dem letzten oder vorletzten Schluck Kilkenny?

Oder am Ende gar schon vorher?

Eines war klar - der letzte Zug galt dem Kilkenny.

Die Spannung blieb aufrechterhalten, so lange der Cognac noch unangetastet dastand.

Als der dann blitzschnell, fast ansatzlos aus der Hüfte heraus eingeschüttet, ja fast eingeworfen war, wich diese langsam aus Edwins Gesicht.

Das Leeren des Bieres war jetzt nur noch lässige Routine, die er auch gleich erledigte, nachdem er noch einmal kurz durchgeatmet hatte.

Das waren seine besten Momente.

Der Höhepunkt war überschritten, also gab es auch keinen Grund mehr zu bleiben.

Das Spiel mit seinen beiden Getränken hatte etwa fünf Minuten gedauert. Länger blieb er nie. Erst als er ging, nahm John das Geld vom Tresen.

Eines Samstags saß ich mit Didi und Ann von 18 bis 24 Uhr auf der großen, roten Kunstlederbank und wir beobachteten in erster Linie Todd, der Jack Russell des Hauses und unumschränkter Herrscher der Lokalität. Todds Fell war fast weiß. Sein Körper ziemlich drall und er hatte viel zu kurze Beine. Seinem Selbstvertrauen hat das nicht geschadet.

Wenn vor dem Pub ein Auto gehalten hatte und der Motor ausgeschaltet war, kam seine Zeit.

Er lief Richtung Schwingtür und wollte hinaus.

Hatte ein in der Nähe stehender Gast das nicht schnell genug bemerkt, wurde er angeknurrt.

Nicht, dass er unfreundlich war, nein, das konnte man nicht sagen - er war eher ungeduldig.

Natürlich musste die zweite Tür auch noch geöffnet werden, dann war er endlich bei seinem Objekt der Begierde – der noch heiße Auspufftopf des Automobils. Jetzt konnte er endlich nach Lust und Laune seinen Rücken scheuern.

Das Fell war nachher nicht mehr ganz so weiß, aber eitel war er nicht, nein, auch das konnte man nicht sagen.

Was er auch noch liebte waren Schokoriegel.

Da hatte er es wirklich gut getroffen. Immer in Sichtweite, waren sie schön im Regal gestapelt. Spätestens zum Feierabend gab es einen davon.

Einige der Gäste kannten diese Vorliebe und ließen sich nicht lumpen. Schön ausgepackt lag ihm der Riegel zu Füßen, meist, wenn er sich auf der Bank der Länge nach ausruhte, manchmal für längere Zeit. Während er so vor sich hin döste, blieb immer eines der beiden Augen halb offen. War jemand auf dem Weg zur Toilette und kam dem Riegel zu nahe, war er sofort hell wach und bereit seinen Besitz zu verteidigen. Griff man danach sprang er auf und stand knurrend auf dem Kunstlederpolster. Todd konnte so den ganzen Nachmittag liegen und die Vorfreude genießen. Was er hasste, waren lange Spaziergänge (zu kurze Beine), und ein von einem Gast mitgebrachtes Stoffeichhörnchen, welches am Regal hing.

Wenn John es ihm hinhielt, flippte er regelrecht aus. Er lehnte sich dann an einen Barhocker streckte sich so hoch es nur ging und schnappte danach, hat es aber nie zu fassen gekriegt.

Ansonsten ging es ihm blendend und er bekam sogar Post. Auf einigen Postkarten waren Extragrüße an Todd gerichtet. Paddy O`Malley, tragende Stütze des Bierumsatzes, schrieb sogar am Ende seiner Briefe, immer noch ein paar Zeilen an ihn.

John Mc Ging`s Pub hatte noch eine kleine Besonderheit. Die rote Bank hatte jahrzehntelang unter den Kunstlederpolstern viel Platz geboten für allerlei Dinge wie Einkaufstaschen, Koffer, Musikinstrumente oder der Futter- und Wassernapf von Todd.

Nur zum Schlafen war der Platz nicht vorgesehen. Leider war es da mit der Zeit immer öfter zu Missverständnissen zwischen John und einem Stammgast namens Finbar gekommen. Hatte dieser ein gewisses Quantum an Pints, meist im zweistelligen Bereich, wurde er doch tatsächlich müde und konnte gegen seinen Schlaf nicht mehr erfolgreich ankämpfen. Dann legte er sich meistens auf die Polstergarnitur, was in Ordnung war.

Legte er sich aber unter die Couch, war das ein Alarmzeichen, da er dort so schnell nicht mehr wach zu kriegen war. Wollte John schließen, hatte er ein Problem. Als es Überhand nahm, ließ er einen Holzverschlag vorne dran nageln und die Schlafgelegenheit war für immer verschwunden.

Finbar hatte wohl am Anfang damit etwas Anpassungsschwierigkeiten, denn in einem der Fotoalben die unter dem Tresen lagen, war ein Bild eingeklebt, das zeigte Finbar, schlafend auf dem Boden liegen (vor dem Verschlag), mit einer aufgeblasenen Seemannsbraut im Arm.

Finbars bester Kumpel war der bereits erwähnte Paddy O`Malley. Die Schlafgelegenheit wäre sicher auch für ihn eine Option gewesen, aber aufgrund seines dicken Bauchs hätte er wohl kaum darunter gepasst. Padddy war schon mit 14 Jahren wegen Waffenschmuggels nach Nordirland, für die IRA, in einem geschlossenen Heim gelandet, wo er auch mal ausgebüchst war und sich zwei Wochen in den Wäldern um Clifden herum versteckte und mit kleinen Diebstählen über Wasser hielt.

Später war er Viehhändler, arbeitete auf dem Bau und auch heute noch für einen Farmer, bei dem er, inklusive Schafe schlachten, alles macht, was so anfällt.

Er mochte Hunde und kannte die Hundeszene in Westport, die ihm immer genug Gesprächsstoff lieferte. „Bear“ und „Smokey“ hießen seine deutschen Schäferhunde.

Wenig Sympathien hat er für Pferde und vor Franzosen spuckte er auch mal aufgrund seiner tiefen Abneigung auf den Boden.

Er konnte aber auch sehr charmant sein, besonders Touristinnen gegenüber, denen er sich gerne als Guide verdingte. Dann ruhte die Arbeit. Da fehlte er dann schon mal eine Woche oder so lange, bis das Geld ausging. Natürlich verbrachte er die Zeit lieber mit ihnen. So hat er auch seine Frau, eine Norwegerin kennengelernt, mit der er eine Tochter hat.

Bei der Hochzeitsfeier, die in einem Fjord bei Oslo ausgerichtet wurde, schenkten Paddy selbst und Finbar, der Best Man (Trauzeuge) war, die Hochzeitsbowle aus. Mit gutem Gewissen hätte man behaupten können, dass die beiden zu den trinkfestesten Vertretern ihres Landes gehörten. Wie man weiß, ist Alkohol in Skandinavien teuer, weswegen damit sparsam umgegangen werden musste. Es wurden zwei große Schüsseln für die Bowle gefüllt. Die eine mit, die andere ohne Alkohol. Wer dies nicht wusste und in der Schlange stand, bekam den Saftmix eingeschenkt. Ich war auch eingeladen und wurde eingeweiht. Man konnte die wertvolle Whiskeybowle ja schließlich nicht an jeden ausschenken.

Paddy und Finbar waren wie viele andere: on the dole. Das bedeutet, dass man Arbeitslosengeld bezog. Das war in Irland Anfang der 1990er Jahre gang und gebe. Mit kleinen Jobs konnte immer mal etwas dazu verdient werden. Von Schwarzarbeit sprach dabei niemand. Man lebte von beidem. Das war vom Staat stillschweigend geduldet und wurde nicht kontrolliert. Die Arbeitslosigkeit war sehr hoch, was sich mit dem Erscheinen des Celtic Tigers (des wirtschaftlichen Aufschwungs), Mitte der 1990er Jahre nach und nach änderte.

Die Veränderungen waren an allen Ecken und Enden zu spüren. Am meisten auf den Straßen und in den Pubs. Das Verkehrsaufkommen (und zahllose Unfälle mit unerklärlichem Hergang) wurde immer größer. Wo vorher gegen 9 Uhr morgens noch niemand in der Stadt, auch keine Autos, zu sehen war, gab es jetzt schon die ersten Verkehrsstaus. Baufahrzeuge und Lieferwagen blockierten die Straßen und immer mehr PKWs wurden zugelassen.

Da jeder parkte, wo er wollte, fing die Stadtverwaltung an, Parkplätze einzuzeichnen. Die Orientierung war jetzt einfacher, wenn man auf der Hauptstraße neben einem bereits parkenden Auto, zusätzlich noch seins abstellen wollte.

Die Pubs waren nun auch unter der Woche gut besucht. Viele Jobs wurden hier vergeben. In den Zeitungen waren so gut wie nie Annoncen zu lesen, in denen Arbeitskräfte gesucht wurden. Alles wurde im Pub erledigt. So erfüllte John Mc Gings Pub alle Ansprüche eines sozialen Mittelpunkts.

Obwohl es ein kleines Pub war, gingen sehr viele Leute aller Schichten und Nationalitäten, Touristen, Weltreisende, Farmer und Fischer ein und aus.

Einige Handwerksmeister zahlten hier freitags den Wochenlohn aus.

Musiker kamen aus allen Ecken der Erde mehr oder weniger aus Zufall oder durch Mundpropaganda vorbei. Warum fand z. B. eine begnadete Geigerin wie Catriona Mc Donald von den Shetlandinseln ausgerechnet hier her?

Hauptsächlich trafen sich Musiker natürlich aus den englischsprachigen Ländern Irland, England, Schottland, USA oder Australien.

Eines Nachmittags war ich, als einziger normaler Gast, mit 13 Musilern in der Wirtsstube.

Oder ein Fischer war vom Fischfang aus Alaska zurückgekehrt und erzählte von den Vorgängen auf See und von Riesenkrabben mit unheimlichen Ausmaßen.

Langweilig wurde es nie.

Die Zeiten waren sehr entspannt und voller positiver Schwingungen.

WESTPORT TOWN

Das kleine, aber internationale Städtchen liegt im Nordwesten Irlands in der Grafschaft Mayo und hat 5138 Einwohner. 2012 ist es von der irischen Bevölkerung zum lebenswertesten Ort Irlands gewählt worden und ist heute ein richtiger Touristen Hot Spot.

Daran war bei meinem ersten Besuch 1985 nicht im entferntesten zu denken.

Bei der ersten Übernachtung war mein VW- Bulli, Baujahr 1957, das einzige Auto in der Bridge Street, eine der Hauptstraßen im Zentrum.