The Kavanaghs of Silver Glen - Luxus und Leidenschaft - 7-teilige Serie - Janice Maynard - E-Book
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The Kavanaghs of Silver Glen - Luxus und Leidenschaft - 7-teilige Serie E-Book

Janice Maynard

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Beschreibung

Südstaaten-Familiensaga über die Besitzer eines Luxusresorts in den Bergen von North Carolina.

EINE NACHT MIT DIR IST NICHT GENUG!
Wildes blondes Haar, geheimnisvolle Augen und eine unbeschwerte, fröhliche Art: Vom ersten Moment an ist Liam Kavanagh von der hübschen Zoe fasziniert. Wie ein Wirbelwind fegt Zoe in Liams Leben und erobert seine Gefühle im Sturm. Ist sie die Traumfrau, nach der er schon so lange sucht? Liams Herz schreit Ja, doch sein Verstand mahnt ihn zur Vorsicht! Irgendetwas scheint Zoe vor ihm zu verbergen …

NACHHILFE IN LEIDENSCHAFT
Mia weiß nicht mehr weiter: Job verloren, verlassen. Wovon soll sie jetzt leben? Schweren Herzens kehrt sie nach Silver Glen zurück - und läuft Dylan Kavanagh über den Weg. Dass er sie nach all der Zeit sofort erkennt, ist die erste Überraschung. Die zweite, was für ein attraktiver Traummann aus dem jungen Rebellen geworden ist! Die dritte Überraschung: Dylan bietet ihr einen Job an! Und plötzlich gibt er ihr Nachhilfe - in dem Fach, in dem sie bis jetzt immer gescheitert ist: Liebe und Leidenschaft …

WEIHNACHTEN IM BETT DES MILLIARDÄRS
Der Unternehmer Aiden Kavanagh ist verwirrt: Was macht seine unvergessene College-Liebe Emma in seiner abgeschiedenen Heimatstadt Silver Glen? Plötzlich kreuzen sich ständig ihre Wege. Obwohl zehn Jahre und eine bittere Trennung hinter ihnen liegen, ergreift die Leidenschaft für Emma erneut Besitz von Aiden. Aber warum gibt sie sich seinen Zärtlichkeiten jetzt so bereitwillig hin? Schließlich wollte sie damals einen anderen heiraten. Kann Aiden es wagen, Emma wieder in sein Herz zu lassen?

ZU EINEM MILLIARDÄR SAGT MAN NICHT NEIN
So etwas passiert nur in Las Vegas: Nachdem er sie vor einem zudringlichen Kerl gerettet hat, erlebt Gavin mit der schönen Cassidy eine unvergessliche Nacht voller Leidenschaft und Ekstase. Als er am nächsten Morgen aufwacht, ist das Bett neben ihm leer. Cassidy ist verschwunden. Doch sechs Wochen später steht Cass überraschend vor seiner Tür - und behauptet Unglaubliches …

UNSERE LIEBE KENNT KEIN LIMIT

Conor Kavanagh geht immer ans Limit - sei es beim Skifahren, Bergsteigen oder in der Partnerschaft. Das hat Ellie schon damals nicht verstanden. Und ihn verlassen, weil sie die ständige Angst nicht ertragen konnte. Vierzehn Jahre ist es her, dass der Millionär seine Jugendliebe gesehen hat, und direkt sprühen erneut die Funken zwischen ihnen. Sich wieder auf Ellie einzulassen, hieße, sich von Grund auf zu ändern - doch sein freies Leben scheint ihm wichtiger als Ellies Liebe …

TAUSEND KÜSSE FÜR DEN BOSS
Libby braucht den Job! Sie muss den arroganten Patrick Kavanagh davon überzeugen, dass sie die Richtige ist: elegant genug für die Rezeption in seinem Luxusresort, sportlich genug, um die Hotelgäste bei ihren anstrengenden Outdoor-Ausflügen zu begleiten. Und Patrick gibt ihr eine einzige Chance. Bloß auf eines ist Libby nicht vorbereitet: Als sie zum ersten Mal mit ihm allein in der Wildnis unterwegs ist, küsst er sie heiß - unter tausend Sternen. Doch dann öffnet er die Augen, und Libby glaubt, darin immer noch Zweifel zu lesen …

WENN DAS BEGEHREN NEU ERWACHT ?
Lila Baxter ist verzweifelt: Plötzlich soll die erfolgreiche Karrierefrau für das Baby ihrer Schwester sorgen. Ausgerechnet ihr verboten attraktiver Exfreund James Kavanagh steht ihr dabei zur Seite. Der Millionär ist ein passionierter Zimmermann und übernimmt kurzerhand den Umbau ihres Hauses. Die unverhoffte Nähe weckt in Lila wieder eine brennende Sehnsucht nach ihm, doch sie weiß genau: Seine konservativen Vorstellungen von einer Beziehung wird sie niemals teilen. Aber dann überrascht James sie, und das nicht nur mit heißen Küssen …

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Seitenzahl: 1402

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Janice Maynard

The Kavanaghs of Silver Glen - Luxus und Leidenschaft - 7-teilige Serie

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Janice Maynard Originaltitel: „A Not-So-Innocent Seduction“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1920 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Ute Augstein

Abbildungen: Nejron Photo / Fotolia, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733721589

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Zoe Chamberlain schaffte es gerade noch, den VW-Bus an den Straßenrand zu lenken, bevor der Motor mitten in der malerischen Landschaft den Geist aufgab. Eigentlich überraschte das Zoe nicht sonderlich, denn der Motor war bereits dreimal generalüberholt worden. Trotzdem wollte sie sich um keinen Preis von ihrem geliebten Kleinbus trennen.

Denn Bessie – wie Zoe ihr in Himmelblau und Weiß lackiertes Gefährt, dessen Türen mit Gänseblümchen bemalt waren, liebevoll nannte – war eine der wenigen Konstanten in ihrem bewegten Leben. Und offenbar wollte Bessie ihre Besitzerin nun auf ihre Art dazu ermuntern, den nächsten Halt in Silver Glen, North Carolina, einzulegen.

Zoe stieg aus, gähnte, streckte sich und genoss dabei den freundlichen Sonnenschein und die erfrischende Kühle des Aprilmorgens. In dem Tal zu ihren Füßen lag ein bezauberndes Städtchen, das von hier oben aus betrachtet wie ein Postkartenmotiv wirkte.

Bedauerlicherweise gab es in dem idyllischen Flecken kein Taxi-Unternehmen, wie sie mit einem Blick auf ihr Smartphone feststellte. Die einzige Beförderungsmöglichkeit bot die Silver Beeches Lodge an, ein teures Hotel, in dessen Leistungen ein Shuttle-Service zum Flughafen enthalten war. Allerdings bezweifelte Zoe nicht, dass man für sie eine Ausnahme machen und sie auch von hier abholen würde.

Durch ihr Leben „on the road“ traf Zoe jeden Tag auf die unterschiedlichsten Menschen – und kam mit allen zurecht. Mit ihrem charmanten Lächeln hatte sie bisher noch jeden für sich gewinnen können.

Da war sie also wieder einmal. Eine neue Stadt. Ein paar Probleme, mit denen sie fertigwerden würde. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie nicht ewig so weitermachen konnte. Sie war es langsam leid, ständig unterwegs zu sein. Ihre überstandene Krankheit hatte sie mehr geschwächt, als sie ursprünglich angenommen hatte. Allmählich verblasste der Reiz, jede Woche an einen neuen Ort zu reisen, und sie spürte, dass sie sich mehr und mehr danach sehnte, endlich irgendwo Wurzeln zu schlagen.

Bisher hatte sie immer ihre Abenteuerlust als Ausrede für ihre Feigheit vorgeschoben. Ja, klar, sie hatte viel von der Welt gesehen – und natürlich erweiterte es den Horizont, wenn man reiste. Doch immer wieder holte ihre Vergangenheit sie ein – wenn es nicht hier geschah, dann möglicherweise an ihrem nächsten Halt.

Vielleicht war es endlich an der Zeit, sich ihren Dämonen zu stellen. Aber sie fühlte sich immer noch nicht bereit dafür. Erst wollte sie sich ein wenig ausruhen und wieder auf die Beine kommen, bevor sie sich an diese große Veränderung heranwagte.

Das kleine Städtchen schien so viel Frieden auszustrahlen – und im Augenblick wünschte sie sich nichts mehr als ein friedliches Leben. Vielleicht fand sie das ja in Silver Glen.

Seufzend tätschelte sie Bessies Kotflügel. „Tja, altes Mädchen. Ich schätze, hier hänge ich wohl erst einmal fest. Ich lasse dich so schnell wie möglich abschleppen. In der Zwischenzeit kannst du ja die herrliche Aussicht genießen.“

Liam Kavanaghs Blick wurde magisch von der schlanken Blondine angezogen, die in die Lobby trat. Auch ohne ihre Gitarrentasche und den knöchellangen Hippie-Rock, der sie wie ein Blumenkind aus den Sechzigerjahren wirken ließ, wäre sie ein absoluter Eyecatcher gewesen. Ihr federnder Gang und das fröhliche Lächeln strahlten eine ansteckende Unbeschwertheit aus, der man sich kaum entziehen konnte.

Das gut ausgebildete Personal der Silver Beeches Lodge wusste, wie man Gäste höflich und mit Wertschätzung empfing. Schon oft hatte Liam die Angestellten dabei beobachtet. Er selbst begrüßte so gut wie nie Besucher, es sei denn, es handelte sich um gute Freunde.

Diese Frau hier hingegen sah er heute zum ersten Mal. Trotzdem schienen seine Beine plötzlich ein Eigenleben zu entwickeln, und ehe er sichs versah, hatte er die schöne Fremde abgefangen, bevor sein Concierge Pierre sich nach ihren Wünschen erkundigen konnte.

„Willkommen in der Silver Beeches Lodge. Was kann ich für Sie tun?“

Die Frau schob die große Schultertasche aus Bast ein Stück höher und lächelte ihn gewinnend an. Unwillkürlich erinnerte ihn der Anblick ihrer Augen an das Himmelblau eines herrlichen Sommertages. „Ich würde gern ein Zimmer mieten.“

Liam versuchte, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Die Preise für ein Zimmer begannen bei achthundert Dollar, und dieses betörende Geschöpf schien dem Anschein nach kaum in der Lage zu sein, sich so viel Luxus leisten zu können. Doch aus Erfahrung wusste Liam, dass ein erster Eindruck auch täuschen konnte. „Haben Sie denn reserviert?“, erkundigte er sich.

„Ja, online vor einer Stunde. Ist das ein Problem?“, fragte sie missbilligend – zu Recht, wie er sich beschämt eingestand, denn seine Frage musste ziemlich misstrauisch geklungen haben.

„Natürlich nicht“, entgegnete er rasch. „Ich dachte nur, ich wüsste über unsere heutigen Anreisen Bescheid. Da habe ich Ihre kurzfristige Reservierung wohl übersehen.“ Er gab ihr einen Wink, ihm zu folgen. „Herzlich willkommen. Marjorie am Empfangstresen wird sich um Sie kümmern. Bitte lassen Sie es mich wissen, falls Sie noch etwas benötigen. Ihre Zufriedenheit ist unser höchstes Ziel.“

„Das ist ja einfach wunderbar“, erwiderte sie lächelnd, und Liam spürte, wie seine Haut vor Erregung zu kribbeln begann.

Machte sie sich etwa über ihn lustig? Es wäre nicht das erste Mal, dass man ihn wegen seiner Ernsthaftigkeit aufzog. „So ist nun einmal unsere Philosophie“, erwiderte er steif und ärgerte sich selbst über seinen beleidigten Tonfall. Doch seitdem sein Vater vor zwanzig Jahren spurlos verschwunden war, hatte er die Position des Familienoberhauptes eingenommen. Das hohe Maß an Verantwortung und der Schmerz über das spurlose Verschwinden seines Dads hatten ihn nicht unbedingt zu einem unbeschwerten Menschen gemacht.

Rasch nickte er der Blondine zu und entschuldigte sich, sobald Marjorie die Begrüßung übernommen hatte. Anschließend durchquerte er die Lobby und gesellte sich zu Pierre, der wie jeden Tag einen schwarzen Smoking trug. „Nicht unbedingt der Typ Frau, der normalerweise bei uns logiert“, bemerkte er.

Bewundernd schürzte Pierre die Lippen. Er war in den Sechzigern und arbeitete schon seit seiner Jugend für die Kavanaghs. Sein Reich führte er mit eiserner Hand. „Hübsch“, sagte er.

Abwesend nickte Liam. Das Alter der Blondine war schwer zu schätzen. Ihr blasser Teint ließ sie ziemlich jung wirken, doch in ihrem Blick erkannte er, dass sie schon eine Menge vom Leben gesehen hatte. Eigentlich wusste er nicht, warum sie ihn so in den Bann zog – vielleicht, weil sie genau das Gegenteil der modisch gestylten Frauen war, die normalerweise in das Silver Beeches eincheckten.

Ob Rock- oder Filmstar, Politiker oder Adliger – sie alle wussten gleichermaßen zu schätzen, dass in der Silver Beeches Lodge nicht nur Wert auf Luxus, sondern auch auf die Privatsphäre der exklusiven Gäste gelegt wurde.

Als der Hotelpage mit dem einzigen Koffer der Blondine die Lobby betrat, reichte Marjorie ihr gerade die Schlüsselkarte und deutete auf die Fahrstühle. Nachdem der Page und die blonde Frau gegangen waren, kam Marjorie hinter dem Empfangstresen hervor und gesellte sich zu Liam und Pierre.

„Gibt es ein Problem?“, fragte Liam leise.

Marjorie schüttelte den Kopf. „Das kann man eigentlich nicht behaupten. Aber ich dachte, Sie würden es trotzdem gern wissen. Sie hat eine Suite für sechs Wochen gebucht.“

Erstaunt starrten beide Männer die grauhaarige Empfangsdame an. Liam erholte sich als Erster von seiner Überraschung. „Und wie sieht es mit der Bezahlung aus?“

„Alles bestens“, erwiderte Marjorie. „Sie hat eine Platinkarte ohne Limit. Aber ist das nicht seltsam? Wer bucht denn schon so kurzfristig ein Zimmer für sechs Wochen? Das ist ja wohl mehr als spontan, finden Sie nicht?“

Liam bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, obwohl innerlich all seine Alarmglocken schrillten. Doch er wollte sein Personal nicht beunruhigen. „Sie hat bestimmt ihre Gründe dafür.“

Entschlossen streckte Pierre das Kinn vor. „Ich behalte sie im Auge, Sir, und falls mir etwas auffällt, werde ich Sie umgehend darüber informieren.“

In diesem Moment kam Liams Mutter, Maeve Kavanagh, aus dem ehemaligen Dienstbotentrakt des Hotelgebäudes auf sie zu. Um ihren Hals baumelte eine Lesebrille, und ihr Haarknoten war leicht verrutscht. Sie war eine vor Lebenslust sprühende Sechzigjährige mit einem untrüglichen Instinkt dafür, wenn etwas nicht so lief, wie es sollte. „Ihr drei seht ja aus, als hättet ihr in eine Zitrone gebissen. Was ist denn los?“

Liam küsste sie auf die Wange. „Gar nichts. Wir haben einen neuen Gast und spekulieren darüber, woher die Frau kommt und was sie hier tut.“

„Das gehört sich nicht“, sagte Maeve streng. „Ihr wisst doch, dass ich Tratsch nicht ausstehen kann.“

„Ja, Ma’am“, erwiderte Liam ironisch lächelnd. „Ich weiß.“ Seiner Miene zum Trotz war er jedoch alles andere als amüsiert, denn es gab nichts, was er mehr verabscheute als Geheimnisse und Unregelmäßigkeiten. Das geheime zweite Leben seines Vaters hätte um ein Haar die gesamte Familie zerstört und war der Grund dafür, dass Reggie Kavanagh viel zu früh gestorben war.

Aus diesem Grund verabscheute Liam Menschen, die etwas zu verheimlichen hatten – auch, wenn sie so attraktiv waren wie die geheimnisvolle Blondine. „Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet. Ich muss noch ein paar Telefonate führen“, sagte er und ging den Flur entlang zu seinem Büro. Vermutlich ziehe ich nur voreilige Schlüsse, ermahnte er sich im Stillen. Ihr neuer Gast konnte unzählige Gründe für den überraschenden Besuch haben.

Allerdings wollte ihm kein einziger einfallen.

Auf dem Weg zu ihrem Zimmer löcherte Zoe den Hotelpagen mit ihren Fragen. „Und wer ist dieser attraktive Mann gewesen, der aussieht wie der junge Harrison Ford?“

Der Junge grinste. „Das ist Mr. Kavanagh, Liam Kavanagh. Seiner Familie gehört das Silver Beeches. Na ja, und der größte Teil der Stadt.“

„Arbeitet er etwa selbst für seinen Lebensunterhalt?“, fragte Zoe überrascht.

Höflich ließ ihr der Page den Vortritt aus dem Fahrstuhl, als sie die obere Etage erreicht hatten. „Alle Kavanaghs arbeiten. Man hat sie so erzogen – obwohl sie wirklich steinreich sind. Mr. Liam leitet das Hotel gemeinsam mit seiner Mutter.“

Im Zimmer angelangt, reichte Zoe dem Jugendlichen ein großzügiges Trinkgeld, das er freudestrahlend entgegennahm. „Vielen Dank für deine Hilfe“, sagte sie.

Schüchtern verbeugte er sich. „Wenn Sie etwas benötigen sollten, brauchen Sie nur beim Empfang anzurufen. Der ist rund um die Uhr besetzt. In der Schreibtischschublade finden Sie eine Liste mit den Restaurants und Sehenswürdigkeiten der Region. Willkommen in Silver Glen.“

Als sie schließlich allein in ihrer komfortablen Unterkunft war, öffnete Zoe den Kleiderschrank und war erstaunt darüber, wie wenig Platz ihre Sachen in Anspruch nahmen. Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, wie wichtig es sein konnte, mit wenig Gepäck zu reisen. Sorgfältig räumte sie ihre Habseligkeiten ein und fragte sich, ob dieser Ordnungssinn, den sie einfach nicht loswurde, möglicherweise immer noch auf den Einfluss ihrer Eltern zurückzuführen war.

Im Bus befanden sich noch ein paar Sachen, aber nichts davon benötigte sie dringend. Aufmerksam sah sie sich in ihrem Zimmer um. In den Bergen von North Carolina hätte man wohl eher einen Landhausstil erwartet, aber das Silver Beeches war außerordentlich elegant eingerichtet.

Das hatte man schon an der Lobby mit ihrem erlesenen Marmorfußboden, den glitzernden Kristallleuchtern, wertvollen Orientteppichen und unzähligen Vasen mit frischen Schnittblumen gesehen. In wenigen Augenblicken war Zoe klar geworden, dass Bessie eine gute Wahl getroffen hatte. Dieses wundervolle Hotel war ein friedlicher Ort, an dem Zoe sich endlich ausruhen konnte – ganz unabhängig davon, dass sie dieser Aufenthalt ein kleines Vermögen kostete. Da sie normalerweise recht bescheiden lebte, hatte das allerdings keine nennenswerten Auswirkungen auf ihr Bankkonto. Außerdem war der letzte Winter so anstrengend gewesen, dass sie sich wirklich eine kleine Auszeit verdient hatte.

Barfuß ging sie über den weichen, elfenbeinfarbenen Teppich zu ihrer Gitarrentasche und packte das Instrument aus. Die gemütliche Fensterbank war mit dunkelrotem Samt bezogen und lud förmlich dazu ein, sich dorthin zu setzen und die Aussicht zu genießen. Die arme alte Bessie hätte es nie bis zum Hotel geschafft, stellte Zoe fest, als sie aus dem Fenster sah. Das Silver Beeches schien förmlich an der Bergflanke zu kleben, sodass sich den Gästen ein atemberaubender Blick über das Tal bot.

Zoe machte es sich im Schneidersitz bequem und stützte den Kopf auf das Instrument, das sie bereits so viele Meilen begleitete. Abwesend strich sie über die Saiten und spielte eine kleine Melodie, die sich in ihre Gedanken geschlichen hatte. Vorhin hatte sie sich wirklich zurückhalten müssen, um dem Pagen wegen des Hotelbesitzers keine Löcher in den Bauch zu fragen. Es bestand kein Grund, den Jungen in Schwierigkeiten zu bringen, nur weil sie sich einsam fühlte.

Die Begegnung mit Liam Kavanagh hatte sie so stark beeindruckt, als sei sie einem Filmstar begegnet. Beim Anblick seines attraktiven, männlichen Gesichts hatte sie sich ungemein weiblich und zart gefühlt. Selbst jetzt noch geriet sie ins Schwärmen, als sie ihn sich vorstellte. Dieser Mann war ein wahr gewordener Traum. Seufzend sah sie zum Fenster hinaus.

Es dämmerte bereits, und die Schatten des herannahenden Abends legten sich sanft über das Tal. Ihr Magen machte sich bemerkbar − und plötzlich fiel ihr wieder ein, dass ihr heutiges Mittagessen aus einer Orange und einer Cola bestanden hatte. Am liebsten wäre sie in die Stadt auf Erkundungstour gegangen, aber da Bessie leider ausfiel, war sie ans Hotel gebunden. Also rief sie beim Zimmer-Service an und bestellte ein großzügiges Abendessen sowie Tiramisu zum Nachtisch. Da sie immer noch gut sieben Kilo untergewichtig war, würden die zusätzlichen Kalorien ihr ganz bestimmt nicht schaden.

Die vergangene Woche hatte sie in Asheville verbracht, wo sie in einem kleinen Café in der Innenstadt gespielt hatte. Die reizvolle Stadt zog Musiker und Künstler gleichermaßen in den Bann, und Zoe hatte ihren besonderen Charme genossen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie sich ein Haus gekauft, um sich dort niederzulassen. Doch als sie eines Abends ein bekanntes Gesicht auf der Straße gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass es an der Zeit war, weiterzureisen. Die Philosophie der Verschwiegenheit der Silver Beeches Lodge kam Zoe sehr entgegen. Niemand würde wissen, dass sie hier war, und mit etwas Glück – und wenn sie sich in der Stadt nicht zu erkennen gab – würde sie vielleicht sogar länger als sechs Wochen bleiben können.

Nachdem sie ihr opulentes Abendessen beendet hatte, fühlte sie sich satt und ein wenig schuldig. Rasch zog sie sich ihre Yogahose und ein Sportoberteil an und sah auf dem Plan des Hotels nach, wo sich der Fitnessraum befand − im Keller des Gebäudes. Sie warf sich eine leichte Jacke über die Schulter, griff nach dem Zimmerschlüssel und einer Flasche Wasser und machte sich auf den Weg nach unten.

Liam gab alles, als er die Gewichte ein letztes Mal stemmte, bevor er sein Work-out beendete und sich das Gesicht mit einem Handtuch abtrocknete. Zu seinem Bedauern stellte er fest, dass sein Fitnesstraining keineswegs dazu beigetragen hatte, das brennende Verlangen, das in ihm erwacht war, zu bezwingen.

Sein Körper schien sich mit einem Mal nur noch nach Sex zu sehnen. Es war schon viel zu lange her seit dem letzten Mal, und die Blondine, die heute Nachmittag eingecheckt hatte, war genau der Typ Frau, der ihn schwach werden ließ. Seidenweiches, schulterlanges Haar, der Körper schlank und doch weiblich.

Wenn sie tatsächlich für sechs Wochen blieb, würde er sich vorsehen müssen. Nur weil er sich von Ms. Zoe Chamberlain angezogen fühlte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie seine Gefühle erwiderte. Außerdem hatte sie etwas zu verbergen und kam deshalb ohnehin nicht für Liam infrage. Ihm war schließlich bewusst, was es bedeutete, sich auf eine Lügnerin einzulassen.

Auf gar keinen Fall wollte er einer Betrügerin auf den Leim gehen. Dafür würde er notfalls unzählige kalte Duschen in Kauf nehmen, um das Verlangen zu bändigen, das von ihm Besitz ergriffen hatte. Zoes scheinbare Unschuld war mehr als gefährlich. Im zarten Alter von sechzehn Jahren hatte er auf die harte Tour lernen müssen, dass sich hinter einem hübschen Gesicht viele hässliche Charakterzüge verbergen konnten. Eher würde er sich eine Hand abschneiden, als seine Mutter und seine Geschwister wieder auf so einen Höllentrip zu schicken. Als Oberhaupt der Familie schuldete er seinen Angehörigen unbedingte Loyalität und durfte es sich nicht erlauben, diese durch ein flüchtiges Abenteuer zu gefährden.

Außerdem war es ja auch gut möglich, dass Zoe verheiratet war. Zwar konnte er sich nicht vorstellen, dass ein Ehemann seine attraktive, junge Frau sechs Wochen allein in den Urlaub schickte, aber man konnte nie wissen. Im Silver Beeches hatten sie schon die seltsamsten Beziehungen zu Gesicht bekommen.

Nachdem er geduscht und sich angezogen hatte, trat er wieder in den Fitnessraum und blieb wie erstarrt stehen, als er Zoe Chamberlain voller Elan auf einem Laufband trainieren sah. Sie trug Kopfhörer und um ein Handgelenk ein pinkfarbenes Band, an dem ein iPod befestigt war, und ihr Pferdeschwanz wippte zum Takt der Musik, die nur sie hören konnte.

Außer ihnen beiden befand sich niemand sonst im Fitnessraum, und Liam wollte sie auf keinen Fall erschrecken. Deshalb ging er in einem weiten Bogen zur Ausgangstür. Trotz seiner guten Vorsätze fühlte er sich auf einmal wie ein pubertierender Jugendlicher, der zum ersten Mal eine nackte Frau sieht. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und seine Erregung machte sich unmissverständlich bemerkbar – untrügliche Zeichen dafür, dass Lust anscheinend doch stärker zu sein schien als der Verstand.

Doch noch bevor er sich unbemerkt aus dem Raum stehlen konnte, hatte Zoe ihn gesehen und sprang vom Laufband. „Hallo, Mr. Kavanagh“, sagte sie und kam auf ihn zu, nachdem sie das Gerät ausgeschaltet und die Kopfhörer abgenommen hatte.

Bewundernd betrachtete er die geschmeidigen Bewegungen ihres Körpers. „Sie wissen, wer ich bin?“, fragte er erstaunt und versuchte vergeblich, den Blick nur auf ihr Gesicht zu richten. Das eng anliegende Top ihres Trainingsoutfits betonte ihre verführerischen Kurven auf eine atemberaubend sinnliche Weise, und Liam schluckte hart, als er sich vorstellte, wie sie wohl nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht aussehen mochte.

Sie nickte und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. „Ich habe den Pagen ausgequetscht. Das tut mir leid. Sie wissen doch – neugierige Katzen verbrennen sich die Tatzen.“

Natürlich fühlte Liam sich geschmeichelt, weil sie sich nach ihm erkundigt hatte. Das war ein gutes Omen für den Fall, dass er sie wirklich verführen wollte. Was er natürlich nicht tun würde. Wahrscheinlich nicht. Verlegen strich er sich durchs Haar und ahnte, dass Ms. Chamberlain ihm seine Gedanken ansah. „Ach, das ist schon okay. Ich hoffe, Sie sind zufrieden mit Ihrem Zimmer?“

„Machen Sie Scherze?“, fragte sie und klang aufrichtig erstaunt. „Es ist traumhaft. Das ganze Hotel ist einfach wundervoll.“

„Vielen Dank. Meine Familie hat es nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut. Seitdem haben wir regelmäßig Neuerungen vorgenommen.“ Obwohl es ihm eigentlich nie Schwierigkeiten bereitete, mit Frauen zu sprechen, spürte er mit einem Mal, wie seine Handflächen zu schwitzen begannen. Dabei war sie bestimmt nicht die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Normalerweise waren die Menschen eingeschüchtert von seiner Gegenwart – und nicht umgekehrt. Obwohl er nicht wusste, was Zoe eigentlich wollte, war er sich beinahe sicher, dass sie nicht an der ausführlichen Geschichte des Silver Beeches interessiert war. „Ich gehe dann besser mal wieder hoch.“

Neugierig sah sie ihn an. „Haben Sie Ihr Angebot ernst gemeint?“

„Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz“, erkundigte er sich leicht verwirrt.

„Als Sie gesagt haben, dass Sie alles tun würden, damit ich mich wohlfühle. Ich frage mich, ob das nur eine belanglose Floskel oder ernst gemeint war.“

Plötzlich wurde ihm ziemlich warm. Baggerte sie ihn etwa gerade an, oder war sie nur etwas exzentrisch? „Natürlich habe ich das so gemeint. Woran haben Sie denn gedacht?“

An dich! hätte Zoe am liebsten geantwortet, aber vermutlich wäre das ziemlich platt gewesen. Doch dieser Mann war trotz seiner Ernsthaftigkeit unwahrscheinlich sexy und hatte ihre Neugierde geweckt. Es war ziemlich schwierig, schlau aus ihm zu werden. Auf der einen Seite schien er an ihr interessiert zu sein, auf der anderen Seite vermittelte er aber durch seine Körpersprache, dass er ihr gegenüber wachsam war. Vielleicht hielt er sie für zu gewöhnlich, um in seinem Luxushotel abzusteigen.

Falls das der Fall sein sollte, würde sie ihn nicht eines Besseren belehren – schließlich war sie eine Meisterin darin, Geheimnisse für sich zu behalten. Und es war nicht auszuschließen, dass Liam selbst ein paar hatte. War es überhaupt möglich, dass zwei so zurückhaltende Menschen einander jemals vertrauen konnten?

Ihr abenteuerlicher Lebensstil der vergangenen Jahre hatte keinen Raum für eine ernsthafte Beziehung gelassen. Und da sie kein Freund von One-Night-Stands war, verbrachte sie die meisten Nächte allein. Normalerweise gelang es ihr, sich selbst davon zu überzeugen, dass Einsamkeit besser war, als bei einem Kerl zu landen, der sich als mieser Typ entpuppte.

Doch in Liam Kavanaghs Nähe begann sie plötzlich zu spüren, wie lange es her war, seit sie eine leidenschaftliche Nacht mit einem Mann verbracht hatte – schließlich war sie eine gesunde, junge Frau mit ganz natürlichen Bedürfnissen. Und Liams Pheromone durchbrachen ohne nennenswerte Anstrengung ihre Verteidigungslinien. Vermutlich war er – im Gegensatz zu ihr – ein wahnsinnig erfahrener Liebhaber. Die Art Mann, die eine Frau niemals vergaß.

Ein wenig erschreckend fand sie allerdings die Tatsache, dass er so ganz anders war als all die anderen Männer, von denen sie sich bisher angezogen gefühlt hatte. Sollte sich etwa ihr ganzes Leben ändern? Würde es ihr gelingen, sich gleichzeitig ihrer komplizierten Vergangenheit und der sinnlichen Ausstrahlung eines derart faszinierenden Mannes zu stellen? Er wirkte nicht gerade wie ein unkomplizierter Mensch.

Gerührt von Liams etwas steifer, dennoch ritterlicher Art, lächelte sie herzlich. „Ich bin noch nie in Silver Glen gewesen“, erwiderte sie. „Warum laden Sie mich nicht zu einem Drink in der Bar ein und erzählen mir, welche Sehenswürdigkeiten ich unbedingt besuchen muss?“ Sie verstand sich aufs Flirten. Wenn man bedachte, dass sie die meiste Zeit über wie eine Nonne lebte, fiel es ihr erstaunlich leicht.

Er schien ihren Vorschlag ein wenig befremdlich zu finden, erholte sich jedoch offenbar rasch von seinem Erstaunen, denn er musterte sie unbefangen von Kopf bis Fuß, bevor er antwortete. „Das könnte ich machen.“

„Vermutlich sollte ich vorher fragen, ob es eine Ms. Kavanagh gibt.“

Als er nickte, wäre sie am liebsten im Boden versunken.

„Ja“, entgegnete er. „Meine Mutter. Aber sie geht immer früh zu Bett, weswegen ich nicht annehme, dass sie uns Gesellschaft leistet.“

„Sie haben ja doch Sinn für Humor“, stellte sie erfreut fest – nicht weniger erfreut war sie natürlich über Liams Geständnis, unverheiratet zu sein. Da nicht alle Ehemänner ihre Ringe trugen, war sie sich nicht sicher gewesen. „Und ich hatte schon befürchtet, dass Sie völlig humorlos auf die Welt gekommen sind.“

„Und ich fürchte, dass man Sie als Kind nicht oft genug übers Knie gelegt hat“, erwiderte er lächelnd.

„Sie könnten gar nicht mehr danebenliegen“, erwiderte sie leicht beklommen. „Ich gehe jetzt duschen. Wollen wir uns in einer halben Stunde in der Lobby treffen?“

Bedächtig nickte er, und sie betrachtete fasziniert seine strahlend blauen Augen, die einen sexy Kontrast zu dem dichten, rabenschwarzen Haar bildeten. Erst auf den zweiten Blick war das irische Erbe, auf das sein Name hindeutete, zu erkennen.

„Ich werde da sein, Ms. Chamberlain. Und ich werde uns ein paar besondere Horsd’œuvres an die Bar kommen lassen.“

„Nicht nötig, ich habe schon zu Abend gegessen“, erklärte sie.

„Glauben Sie mir, die mögen Sie bestimmt“, versprach er. „Sie sind ganz leicht.“

„Kommen alle Gäste in den Genuss dieser persönlichen Betreuung?“

„Nur die, die danach fragen“, antwortete er knapp. „Bis gleich.“

Da Zoe keine Kleidung zum Wechseln in den Fitnessraum mitgebracht hatte, beschloss sie, auf ihrem Zimmer zu duschen und ein wenig in dem Luxus zu schwelgen, der sich ihr dort bot. Anschließend entschied sie sich für ein verführerisches schwarzes, ärmelloses Strickkleid, das ihre Kurven überaus vorteilhaft in Szene setzte. Sie fühlte sich rundum wohl darin. Und Selbstvertrauen war das A und O für die sinnliche Ausstrahlung einer Frau, wie sie aus eigener Erfahrung wusste. Auf der Bühne hatte sie darüber hinaus gelernt, sich immer gut gelaunt zu zeigen, auch wenn es manchmal in ihr ganz anders ausgesehen hatte.

Abschließend wählte sie kleine goldene Ohrstecker und schlüpfte in schwarze, hochhackige Sandalen. Als sie fertig war, betrachtete sie sich seufzend im Spiegel. Wie lange war es schon her, seit sie eine richtige Verabredung mit einem Mann gehabt hatte? Die meiste Zeit über war sie die Background-Musik im Leben eines anderes gewesen – und hatte es auch so gewollt. Doch heute Abend freute sie sich darauf, sich von Liam Kavanagh verwöhnen zu lassen – und möglicherweise hinter seine unnahbare Maske blicken zu können.

Sorgfältig tupfte sie ein wenig Parfum hinter die Ohren und an die Handgelenke, bevor sie eine filigrane Halskette aus Gold anlegte, die verführerisch auf ihrem Dekolleté im Licht schimmerte. Weit, weit weg in einem Bankfach lag eine große Sammlung teuren Schmucks … Perlen, Diamanten, Halbedelsteine. Doch solange sie die Rolle der Weltenbummlerin spielte, würde sie darauf verzichten. Nicht, dass es sie störte. Allerdings hätte sie heute Abend gern ihre Weiblichkeit mit etwas auffälligerem Geschmeide unterstrichen.

Sie atmete tief durch, steckte die Schlüsselkarte und ihr Telefon in eine kleine Tasche und ging zur Tür. Liam Kavanagh war sicher schon in der Bar, und sie hatte nicht vor, ihn warten zu lassen.

2. KAPITEL

Liam, der sich gerade mit der Barkeeperin unterhalten hatte, stockte der Atem, als er Zoe eintreten sah. Alle Gäste drehten sich nach der Blondine um, die gar nicht zu bemerken schien, was für einen aufsehenerregenden Anblick sie bot. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und strahlten pure Lebensfreude aus.

Er winkte Zoe diskret zu, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und hoffte inständig, dass sein Lächeln nichts von der Erregung preisgab, die ihn gerade durchflutete und dafür sorgte, dass seine Hose etwas enger saß. Dabei hatte er schon zahlreiche Geliebte gehabt und führte nicht zum ersten Mal eine Frau aus. Doch die Intensität der Empfindungen, die Zoe in ihm wachrief, überraschte ihn.

Für ihr Kleid hätte sie eigentlich einen Waffenschein benötigt. Das weiche Material schmiegte sich wie eine zweite Haut an Zoes sinnlich geformten Körper. Unwillkürlich ertappte er sich dabei, wie er überlegte, ob sie überhaupt etwas darunter trug.

„Hallo, Liam“, begrüßte sie ihn mit samtweicher Stimme. „Darf ich Sie so nennen?“

„Sie haben es ja gerade getan.“

Leise lachend setzte sie sich neben ihn an den kleinen Ecktisch. Liam war froh darüber, dass die Bar an diesem Abend so gut besucht war. Auf diese Weise konnte er Zoe gefahrlos besser kennenlernen – bevor er sie später küsste, was unweigerlich geschehen würde.

Aufmerksam sah sie sich um. „Sehr nett. Sie und Ihre Familie haben wirklich einen ausgezeichneten Geschmack.“

„Vielen Dank. Ich gehe davon aus, dass es Ihnen auch nichts ausmacht, wenn ich Sie Zoe nenne?“

„Natürlich nicht.“

„Wir haben uns gerade erst kennengelernt, und manche Menschen mögen es lieber ein wenig förmlicher.“

„Ich nicht. Gesellschaftliche Konventionen behindern doch nur.“

„Wobei denn?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich. Vielleicht dabei, Freundschaften zu schließen?“

Während er einen Schluck Wein trank, versuchte er, die Botschaft zwischen den Zeilen zu lesen – falls es überhaupt eine gab. Bevor er etwas erwidern konnte, servierte der Kellner eine Platte mit Appetithäppchen. Liam wählte einen der Happen aus und hielt ihn Zoe hin. Eine Melonenspalte, umwickelt mit hauchfeinem Schinken, auf einem Cocktail-Stäbchen. „Unser Küchenchef ist ein wahrer Künstler. Versuchen Sie mal.“

Zu seiner Überraschung beugte sie sich vor, öffnete leicht den Mund und gestattete Liam, sie zu füttern. „Wundervoll“, stieß sie schließlich hervor, nachdem sie die Delikatesse genossen hatte. „Danke.“

Fasziniert betrachtete Liam ihre rosafarben schimmernden Lippen. Die unschuldige Sinnlichkeit ihres Entgegenkommens ließ ihn unruhig hin und her rutschen.

Lächelnd lehnte sie sich wieder zurück, und ihr gold glänzendes Haar umspielte verlockend ihre Schultern. Liam wusste nicht, ob sie sich absichtlich so verführerisch gab oder ob er nur übermäßig empfänglich für ihre erotische Ausstrahlung war.

In diesem Augenblick trat seine Mutter zu ihnen an den Tisch. „Ich hoffe, ich störe nicht. Bitte stell mich doch dieser entzückenden Dame vor“, sagte sie.

Sofort eilte ein Kellner mit einem dritten Stuhl zu ihnen, und Liam erhob sich höflich, bis seine Mutter sich gesetzt hatte. Maeve Kavanagh hatte noch nie der Versuchung widerstehen können, sich in seine Frauengeschichten einzumischen. Weil er sie liebte, tolerierte er ihr Verhalten, hoffte allerdings inständig, dass sie nach dem ersten Eindruck wieder gehen würde. „Zoe Chamberlain, darf ich Sie mit meiner Mutter, Maeve Kavanagh, bekannt machen?“

Die beiden Frauen schüttelten einander die Hand, und Zoe lächelte. „Sehr angenehm. Aber so jung, wie Sie sind, können Sie doch unmöglich Liams Mutter sein! Nach seiner Beschreibung habe ich Sie mir anders vorgestellt.“

Maeve warf ihm einen missbilligenden Blick zu, und Liam spürte, wie er errötete. „Mein Erstgeborener hatte schon immer einen seltsamen Sinn für Humor.“ Sie nahm sich eines der Häppchen. „Was hat Sie nach Silver Glen verschlagen, Ms. Chamberlain? Sind Sie beruflich oder zur Erholung hier?“

„Bitte nennen Sie mich doch Zoe. Und um ehrlich zu sein, ist weder das eine noch das andere der Grund für meinen Aufenthalt. Ich hatte im März eine schlimme Lungenentzündung und würde mich gern in Ihrem wundervollen Hotel erholen.“

„Dann sind Sie bei uns genau richtig. Wir verwöhnen Sie so sehr, dass Sie gar nicht mehr nach Hause wollen.“

Die Erkrankung erklärte also, warum Zoe so zerbrechlich wirkte. „Und wo genau sind Sie zu Hause, Zoe?“, fragte Liam und beugte sich interessiert vor.

Zum ersten Mal schien ihre gute Laune zu verschwinden, und für einen Moment wirkte sie bedrückt. Doch sie erholte sich rasch. „Ich bin in Connecticut geboren, bin aber schon seit Jahren nicht mehr dort gewesen.“

„Das ist aber keine richtige Antwort.“

„Ist das hier etwa ein Verhör?“, fragte sie verärgert.

In diesem Augenblick machte sich Maeves Handy bemerkbar, und seine Mutter sah aufs Display. „Die Pflicht ruft“, sagte sie und stand seufzend auf, bevor sie Liam auf die Schulter klopfte. „Und bitte versuch, unseren Gast nicht zu sehr zu verärgern, Sohn. Ich würde die junge Dame gern noch eine Weile unter unserem Dach beherbergen.“

Schweigend warteten sie, bis Maeve gegangen war, und Liam starrte schlecht gelaunt auf das Platzdeckchen vor ihm. „Ich wollte mich nur höflich mit Ihnen unterhalten – das ist doch kein Verhör.“

„Bisher war das Gespräch ja ziemlich einseitig“, entgegnete sie. „Ich glaube zu spüren, dass Sie etwas beunruhigt. Gibt es was, worüber Sie sprechen wollen?“

„Nein.“ Ja. „Bitte nehmen Sie mich ins Kreuzverhör, wenn Sie das wünschen. Meine Familie hat keine Geheimnisse. Da können Sie jeden in der Stadt fragen.“

„Okay, ich nehme Sie beim Wort. Haben Sie Geschwister?“

„Mehr, als ich zählen kann. Das war in Irland so üblich. Meine Mutter müsste eigentlich heilig gesprochen werden.“

„Und Ihr Vater?“

„Ist gestorben, als ich sechzehn war“, erwiderte er knapp.

„Das tut mir leid“, sagte sie leise.

„Ist schon lange her“, sagte er und aß eins von den Horsd’œuvres, während er hoffte, dass sie das Thema nicht weiter vertiefte – was sie auch nicht tat.

„Wollten Sie eigentlich schon immer ein Hotel leiten?“, erkundigte sie sich.

„Nein, eigentlich wollte ich Football-Profi werden.“

Erstaunt sah sie ihn an und lachte.

„Was ist denn daran so witzig?“

„Sie scheinen mir einfach nicht der Typ dafür zu sein, das ist alles.“

„Ich kann Ihnen versichern, Zoe, dass ich im College und an der Uni sehr viel gespielt habe.“

„Ich zweifle ja auch nicht an Ihren sportlichen Fähigkeiten oder daran, dass Sie hart im Nehmen sind. Aber Sie scheinen mir ein wenig zu kopflastig für die raue Welt eines Profisportlers zu sein.“

„Bildung ist nichts anderes als Kleidung und Benehmen. Nach dem Tod meines Vaters musste ich eine neue Richtung einschlagen. Als ich meinen Wirtschaftsabschluss gemacht hatte, bin ich zu meiner Mutter zurückgekehrt, um ihr zu helfen.“

„Hatten Sie denn wirklich keine andere Wahl?“

„Man hat mich nicht dazu gezwungen, falls Sie das meinen. Aber als ältester Sohn habe ich gewisse Verpflichtungen. Meine Geschwister waren damals noch viel zu jung. Also − entweder ich oder niemand.“

„Ich verstehe“, erwiderte sie nachdenklich.

„Und was haben Sie auf dem College gemacht?“, erkundigte er sich.

„Ich bin vier Semester aufs Vassar College gegangen.“

Dieses College zählte zu den amerikanischen Elite-Hochschulen, wie Liam wusste, und wurde nicht selten im gleichen Atemzug mit Harvard, Princeton und Yale genannt.

„Weil ich keine Ahnung hatte, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, bin ich schließlich dem Friedenskorps beigetreten“, erklärte Zoe weiter.

„Im Ernst?“ Immer mehr bekam er den Eindruck, dass sie wirklich so etwas wie ein Blumenkind war.

„Es war wundervoll“, sagte sie. „Und es hat mir die Augen geöffnet. Ich war damals jung und naiv und hatte ja gar keine Ahnung, wie arm die Dritte Welt wirklich ist.“

„Sind Ihre Eltern denn damit einverstanden gewesen, dass Sie Ihr Studium abgebrochen haben?“

„Ich habe sie, ehrlich gesagt, nicht danach gefragt.“

Je mehr sie von sich preisgab, umso mehr wollte er von ihr erfahren. Allerdings wollte er sich nicht wieder den Vorwurf einhandeln, sie einem Verhör zu unterziehen. Schließlich war sie ein Gast des Hotels, und nicht nur deswegen musste er ihre Wünsche respektieren.

„Möchten Sie noch etwas trinken?“, fragte er stattdessen.

„Ich hätte gern einen Daiquiri.“ Neugierig sah sie ihn an. „Warum verbringen Sie eigentlich den Abend mit mir?“

Nachdem Liam bei einem jungen Kellner die Bestellung aufgegeben hatte, wandte er sich wieder an Zoe. „Ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass ich Ihre Gesellschaft schätzen könnte?“

Zum ersten Mal, seitdem er sie kannte, wirkte sie ein wenig verlegen und sah für einen kurzen Moment zur Seite. Er nutzte die Gelegenheit, um ungestört ihr Profil zu betrachten und die winzige Delle an ihrer zierlichen Nase zu bemerken.

Offenbar war ihr sein Blick nicht entgangen. Nervös spielte sie mit der Gabel auf dem Tisch herum. „Habe ich etwas im Gesicht?“, fragte sie.

„Verzeihen Sie. Ich habe mich nur gefragt, ob Sie sich schon einmal die Nase gebrochen haben.“

„Ist es wirklich so schlimm?“

„Überhaupt nicht. Sie haben das Gesicht einer griechischen Göttin – da fällt es eben ein ganz klein wenig auf, das ist alles. Und Ihr Kinn wirkt sehr eigensinnig.“

„Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment nehmen soll.“

„Ich versuche nur, gesellschaftliche Konventionen zu umgehen.“

Jetzt musste sie doch lächeln. „Die Runde geht an Sie.“

Ihre Drinks wurden serviert, und Liam beobachtete Zoe dabei, wie sie genüsslich an ihrem Cocktail nippte. Zu gern hätte er noch mehr über sie erfahren – beispielsweise, wie sie sich den sechswöchigen Aufenthalt in seinem Hotel leisten konnte –, aber er verkniff sich weitere Fragen. Ein Mann konnte eine Frau begehren, ohne mehr über sie zu wissen, als wie sie sich bewegte und nach welchem Parfum sie duftete. Dabei ging es lediglich um pure Lust. Trotzdem umgab Zoe etwas Geheimnisvolles, das ihn zur Vorsicht mahnte.

Vielleicht würde sie sich ihm öffnen, wenn er geduldig blieb. Vor zwei Jahrzehnten hatte er einer anderen Frau blindlings vertraut – und war dabei betrogen worden. Diese bittere Lektion wollte er nicht wiederholen. Es war ein gefährliches Spiel, das wusste er, denn seine Hormone spielten in Zoes Gegenwart einfach verrückt.

Zoe genoss den Abend in vollen Zügen. Sie trug ein elegantes Kleid, unterhielt sich mit einem weltgewandten, äußerst attraktiven Mann und fühlte sich wie eine begehrenswerte Frau.

Liam war wirklich faszinierend. Auf der einen Seite gebildet, auf der anderen glaubte sie, gelegentlich einen wesentlich weniger geschliffenen Liam erkennen zu können, wenn sie ihm in die Augen sah.

Er schien nicht darauf aus zu sein, den Abend frühzeitig zu beenden, weswegen sie auch noch dasaßen, als der Besucherstrom in die Bar allmählich verebbte. Aufmerksam betrachtete Zoe die unterschiedlichen Gäste. Sie liebte es, andere zu beobachten und sich selbst ganz im Hintergrund zu halten.

Liam hatte mittlerweile die Krawatte abgelegt und die beiden obersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet. Ein dunkler Bartschatten war auf seinem Kinn zu sehen, und Zoe fragte sich, wie sexy dieser Mann wohl nackt aussehen mochte.

Augenblicklich spürte sie das Verlangen zwischen ihren Schenkeln. Vielleicht, dachte Zoe, hatte Bessie sich diesmal geirrt und Silver Glen, North Carolina, war doch nicht der sichere Hafen, nach dem Zoe gesucht hatte.

Noch nie war sie einem Mann wie Liam begegnet, der so eine überwältigende Wirkung auf sie hatte. Sie wusste, dass sie bereit sein würde, ihr ganzes Leben für ihn auf den Kopf zu stellen, um ihr Verlangen nach ihm zu stillen. Dabei war es für sie völlig untypisch, sich Hals über Kopf auf eine wilde Affäre einzulassen. Doch ihre Krankheit im vergangenen Winter hatte sicher ihren Teil dazu beigetragen, dass Zoe einige Dinge anders sah.

Dem Tode nah, hatte sie in einem seltsamen Krankenhaus in Albuquerque in New Mexico gelegen. Niemand hatte gewusst, dass sie dort war, weswegen sie auch keinen Besuch bekommen hatte. Niemand hätte es erfahren, wenn sie dort gestorben wäre.

Als sie daran zurückdachte, zitterte sie unwillkürlich. So lange schon war sie auf der Flucht, dass sie völlig verlernt hatte, sich zu entspannen und das Leben zu genießen. Sie hatte versucht, sich einzureden, dass sie nicht viel zum Glücklichsein brauchte und es eine Tugend war, mit leichtem Gepäck zu reisen. Doch was hatte sie nach ihren siebenundzwanzig Jahren auf dieser Welt eigentlich vorzuweisen?

Allein der Gedanke an Veränderung erschreckte sie zutiefst.

Liam griff über den Tisch nach ihrer Hand. „Geht es Ihnen gut, Zoe? Sie sind kreideweiß geworden. Und Sie zittern. Es ist schon spät. Wahrscheinlich sollten Sie nach Ihrer schweren Krankheit schon längst im Bett sein.“

Bildete sie sich das bloß ein, oder verstärkte sich der Druck seiner Finger unmerklich, als er das Wort Bett aussprach?

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Es geht mir gut. Vielleicht hat gerade jemand schlecht über mich geredet.“

„Sind Sie etwa abergläubisch?“

„Nicht mehr als jeder andere auch. Aber ich habe gehört, dass die Iren ziemlich viel für Volksmärchen übrighaben. Allerdings scheinen Sie mir kein Mann zu sein, der an Elfen und Feen glaubt.“

Traurig sah er sie an und zog seine Hand zurück. „Leider weiß ich aus erster Hand, welches Leid entstehen kann, wenn man den Blick für die Realität verliert. Ich kann also von mir behaupten, nicht abergläubisch zu sein.“

Der Gegenstand ihres Gesprächs hatte ihn offensichtlich aufgewühlt, doch Zoe konnte seine Bemerkung nicht einfach so im Raum stehen lassen. „Und ich habe erlebt, was Schreckliches geschieht, wenn man die Magie des Augenblicks nicht wahrhaben will. Vielleicht liegt die Wahrheit ja irgendwo dazwischen.“

Einen Moment lang sahen sie einander in die Augen. Ihr harmloser Flirt schien sich plötzlich in etwas Ernsthafteres verwandelt zu haben.

Liam schüttelte den Kopf. „Ich schätze, wir sollten erst mal nicht weiter über dieses Thema sprechen“, sagte er bedauernd. Ich wollte Ihnen ja eigentlich erzählen, was Sie sich auf jeden Fall in Silver Glen ansehen sollten.“

„Stimmt.“ Sie sah auf die Uhr. „Aber es ist schon so spät. Können wir vielleicht morgen darüber reden? Ich bin auf einmal schrecklich müde“, schlug sie vor und stand auf.

Liam folgte ihrem Beispiel. „Ich begleite Sie noch zu Ihrem Zimmer.“

„Das ist nicht nötig.“

„Nur eine weitere der Annehmlichkeiten unseres Hauses“, scherzte er, und kurz darauf verließen sie die Bar und durchquerten die verlassene Lobby. Lediglich ein müde aussehender Empfangschef saß an der Rezeption und winkte ihnen halbherzig zu, als sie an ihm vorbeigingen. Die Beleuchtung war gedämpft, und die späte Stunde schien die gesamte Hotelanlage in Schweigen gehüllt zu haben.

Im Fahrstuhl lehnte Zoe sich gegenüber von Liam an die spiegelverkleidete Wand der Kabine. In Gedanken versunken, betrachtete ihr Begleiter den Teppich zu seinen Füßen. Es dauerte nicht lang und der Fahrstuhl hatte die Etage erreicht, in der ihr Zimmer lag.

„Gute Nacht“, sagte sie und ging davon aus, dass Liam gleich weiterfahren würde, doch er begleitete sie den Flur entlang.

„Vielleicht sollte ich nachsehen, ob Monster unter Ihrem Bett sind“, schlug er im Flüsterton vor, um die anderen Gäste nicht zu wecken.

Zoe sah kurz zu ihm und fragte sich, ob er erwartete, dass sie ihn mit auf ihr Zimmer nahm. „Ich schätze, ein Hotel wie das Ihre hat einen hauseigenen Geisterjäger“, entgegnete sie. „Aber vielen Dank für das Angebot.“

Als sie an der Tür angelangt waren, zog sie die Schlüsselkarte aus ihrer Handtasche hervor. „Der Abend hat mir sehr viel Spaß gemacht“, sagte sie schlicht. „Vielen Dank, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben.“

Sie berührten einander nicht, schließlich stand Liam wenigstens drei Fuß von ihr entfernt, doch das Verlangen in seinem Blick elektrisierte sie förmlich. Sie spürte, wie ihre Nippel unter dem dünnen Material ihres Kleides ganz hart wurden.

Auch Liam schien es zu bemerken und trat einen Schritt zurück. „Es ist mir ein großes Vergnügen gewesen“, erwiderte er heiser.

Das beidseitige Begehren schien zwischen ihnen die Luft in Brand zu setzen. Obwohl Zoe nicht an Vorsehung glaubte, wusste sie plötzlich, dass sie hier in den Bergen North Carolinas auf den Mann ihrer Träume getroffen war. „Gute Nacht, Liam“, sagte sie leise und wünschte sich, sie hätte den Mut aufbringen können, ihn zu küssen.

Er nickte ihr zu. „Gute Nacht, Zoe“, sagte er und ging.

3. KAPITEL

An Schlaf war in dieser Nacht kaum zu denken, denn Liams Körper blieb fest im Griff des brennenden Verlangens, das Zoe in ihm entfacht hatte. In den paar Stunden, in dem es ihm schließlich gelang, die Augen zu schließen und ein bisschen zu dösen, träumte er von Zoe. Als um sieben Uhr morgens der Alarm seines Weckers erklang, drückte er aufstöhnend die Schlummertaste. Normalerweise war er eine Lerche, doch heute würde er mehr als eine Tasse Kaffee benötigen, um wieder in die Spur zu kommen.

Seine Träume waren ziemlich plastisch und überaus erotisch gewesen. Meist war in ihnen eine lächelnde, nackte Zoe vorgekommen. Er glaubte immer noch, spüren zu können, wie sich ihr warmer Körper in seiner Vorstellung an seinen geschmiegt hatte.

Als der Alarm zum zweiten Mal erklang, gab Liam schließlich nach und ging eine gute Stunde später in die Lobby herunter. Wochentags war nicht mit vielen Neuzugängen zu rechnen, weswegen er Zeit hatte, sich mit Marjorie und Pierre zu besprechen. Gegen zehn Uhr erreichte er endlich sein Büro und setzte sich an den Schreibtisch.

Nachdem er seinen Laptop aufgeklappt hatte, starrte er geistesabwesend aus dem Fenster in den farbenprächtigen Garten und stellte bewundernd fest, dass der Gärtner sich dieses Jahr wieder einmal selbst übertroffen hatte.

Normalerweise beruhigte ihn der Anblick der Natur, doch heute Morgen wurde er nur noch aufgekratzter. Leise fluchend versuchte er, sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er war ein erwachsener Mann und würde sein Verhalten doch nicht nach einem bestimmten Körperteil richten, oder? Schließlich waren es nur erotische Träume gewesen, und er war Liam Kavanagh, das Oberhaupt der Familie. Auf seinen Schultern lastete eine große Verantwortung, und er konnte es sich nicht erlauben, sich einfach auf eine leidenschaftliche Affäre mit einer Fremden einzulassen.

Plötzlich klingelte sein Telefon. „Silver Beeches Lodge. Sie sprechen mit Liam Kavanagh. Was kann ich für Sie tun?“, meldete er sich.

„Hey, Buddy“, hörte er eine bekannte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hast du mal ein paar Minuten Zeit, um in meinen Laden zu kommen?“

„Worum geht es denn, Gary?“, fragte er seinen alten Schulfreund, den Besitzer der Werkstatt Silver Chassis. Maeve hatte ihren Kindern von klein auf beigebracht, dass man einen Menschen nicht nach seinem Reichtum beurteilte.

Der talentierteste Automechaniker des Städtchens senkte die Stimme. „Das erzähle ich dir lieber persönlich. Ich glaube, du solltest dir das ansehen.“

Kurze Zeit darauf fuhr Liam in die Stadt und parkte seinen Wagen in der Straße hinter Garys Werkstatt. Dann machte er sich auf die Suche nach seinem Freund. Fündig wurde er im Innenraum der Werkstatt, wo der Mechaniker in der Grube hockte und einen alten VW-Bus von unten begutachtete.

„Warte kurz!“, rief Gary ihm zu und kletterte unter dem Wagen hervor. „Das ist es, was ich dir zeigen wollte.“

„Ich verstehe nicht ganz“, antwortete Liam.

„Heute Morgen ist mir der Wagen von einem Abschlepp-Service gebracht worden. Die Besitzerin hat mich angerufen und mir freie Bahn gegeben, den Motor auszutauschen und alles andere, was nötig ist.“

„Und?“

„Die Besitzerin ist ein Hotelgast von euch.“

Ungläubig schüttelte Liam den Kopf. „Doch nicht etwa Zoe Chamberlain?“

„Woher weißt du das?“

„Hab nur gut geraten. Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, kam sie mir wie ein Blumenkind vor. Sie ist zwar ein bisschen exzentrisch, aber ich verstehe trotzdem nicht, warum du so besorgt bist.“

Nachdenklich rieb Gary sich das Kinn und verteilte dabei versehentlich etwas Schmierfett unter seinem Mund. „Schau mal hier.“ Er öffnete die Kofferraumtür des Busses. „Ms. Chamberlain hat offenbar auch hier drin geschlafen – regelmäßig, wie es aussieht. Vielleicht bin ich ja verrückt, aber wie kann sich diese Frau das Silver Beeches leisten? Sie hat mir die Nummer einer Platinkarte ohne Limit gegeben. Ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass ich mich auf den Auftrag einlasse und hinterher auf meinen Kosten sitzen bleibe.“

„Glaubst du, sie hat die Karte gestohlen?“

„Tja, was denkst du denn?“

„Gar nichts“, erwiderte Liam frustriert. Konnte es wirklich möglich sein, dass er einer Hochstaplerin aufgesessen war?

„Wie lange bleibt sie denn bei euch?“

„Sie hat für sechs Wochen gebucht.“

„Mann, da stimmt doch was nicht!“

Liam warf einen letzten Blick in den Bus, bevor er die Tür wieder schloss. „Bestell die Teile ruhig. Falls es Probleme geben sollte, komme ich für die Kosten auf. In der Zwischenzeit kannst du ihr ja erzählen, dass die Reparatur wenigstens eine Woche in Anspruch nimmt. Ich stelle ihr einen Wagen zur Verfügung. Dadurch gewinnen wir ein bisschen Zeit, um die Kreditkarte zu überprüfen.“

Dankbar klopfte Gary ihm auf die Schulter. „Vielen Dank, Liam. Tut mir leid, dass ich dich deswegen gestört habe, aber ich dachte, das würde dich auch interessieren.“

„Nur gut, dass du so wachsam bist“, erwiderte Liam. „Ich halte dich auf dem Laufenden.“

Zoe schlief aus und verbrachte anschließend einen gemütlichen Morgen im Bett. Seit Langem fühlte sie sich zum ersten Mal wieder richtig sicher. Das reichhaltige Frühstück hatte sie sich vom Zimmer-Service bringen lassen, und sie genoss dabei den sagenhaften Blick aus der obersten Etage des Hotels.

Allein um Bessie machte sie sich im Augenblick Sorgen. Der Mechaniker hatte ihr heute Morgen mitgeteilt, dass die Reparatur des Wagens einige Tage dauern würde – was bedeutete, dass sie so lange hier gestrandet war, denn sie hatte keine Lust, sich zum Flughafen bringen zu lassen und dort einen Mietwagen zu nehmen.

Vielleicht konnte sie ja mit jemandem in die Stadt mitfahren. Sie brannte darauf, den Ort zu erkunden, der zumindest von hier aus sehr malerisch wirkte. Sie wollte ihren Aufenthalt dafür nutzen, wieder richtig zu Kräften zu kommen – sich auszuruhen und ordentlich zu essen. Beides war bisher viel zu kurz gekommen, weil sie ständig auf Achse gewesen war.

Gegen Mittag fühlte sie sich munter genug, um zu duschen und anschließend den eleganten Speisesaal in der unteren Etage aufzusuchen. Die Kleidung der Gäste reichte von Jeans bis Anzughose, und Zoe fühlte sich wohl in ihrer schwarzen Hose und dem Seidentop, für das sie sich heute entschieden hatte.

Genüsslich widmete sie sich ihrem Mittagessen, und als sie gerade dabei war, ihr Dessert und einen Kaffee zu sich zu nehmen, betrat Liam den Saal. Selbstsicher ging er von Tisch zu Tisch, wechselte einige höfliche Worte mit den Gästen, die sich offensichtlich sehr über seine Aufmerksamkeit freuten. Heute war er mit einem dunkelblauen Sportjackett, einer Kakihose, einem weißen Hemd sowie einer geschmackvollen Krawatte bekleidet – doch das eher konservative Outfit konnte nicht über seinen sportlichen Körperbau hinwegtäuschen. Der große, schlanke Mann – der knapp einen Meter neunzig groß sein mochte und Zoe somit um rund fünfzehn Zentimeter überragte – sah einfach zum Anbeißen sexy aus.

Als er schließlich an ihrem Tisch angelangt war, lächelte sie und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr Pulsschlag sich beschleunigte. „Sie hätten das Zeug zum Politiker. Sie wissen schon, Händeschütteln, Babys küssen und so weiter“, sagte sie.

Ohne sie um Erlaubnis zu bitten, zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich. Sein Lächeln ließ ihn mit einem Mal sehr viel unbeschwerter wirken. „Das glaube ich nicht, denn zum Lügen bin ich nicht geboren“, erwiderte er fröhlich. „Ich bin ganz glücklich mit dem, was ich tue.“

„Wirklich?“

Schlagartig verschwand seine Erheiterung. „Was meinen Sie damit?“

Zoe zuckte mit den Schultern. „Haben Sie denn nie Lust gehabt, einfach alles hinter sich zu lassen und wegzufahren – irgendwohin? Was Neues zu sehen?“

„Leben Sie etwa so?“, fragte er und klang etwas ungehalten.

„Reisen erweitert den Horizont“, erklärte sie, etwas verstört über seine scharfe Bemerkung.

„Mir ist aufgefallen, dass Sie ein Talent dafür haben, ausweichend zu antworten. Vielleicht sollten Sie in die Politik einsteigen.“

„Irre ich mich, oder haben wir gerade unseren ersten Streit?“, erkundigte Zoe sich.

„Ach, was“, erwiderte er versöhnlich. „Dafür habe ich heute viel zu gute Laune. Die Sonne scheint, die Aktienkurse steigen, das Hotel ist voll belegt. Ich kann mich nicht beschweren.“ Er hob eine Hand, woraufhin ihm ein Kellner eine Tasse schwarzen Kaffees brachte. „Gary hat mir heute erzählt, dass Ihr Wagen in der Reparatur ist. Deswegen habe ich Ihnen das hier mitgebracht.“ Er legte ein Schlüsselbund auf den Tisch.

Misstrauisch sah Zoe ihn an. „Gehört das etwa auch zum Service des Hauses?“

Entspannt lehnte Liam sich zurück. „Erwarten Sie keinen rasanten Sportwagen. Es ist bloß ein alter Nissan, den wir für Notfälle da haben.“

„Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie bei jedem Gast so zuvorkommend sind.“

„Da wären Sie sicher überrascht. Aber ich gestehe, dass ich bei Ihnen einen Hintergedanken habe.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Und welchen?“

„Ich muss meiner Mutter beweisen, dass ich doch ein Gentleman bin. Und wer weiß – vielleicht bringen Sie mich ja auch dazu, mich ein- oder zweimal vor meinen Pflichten im Hotel zu drücken“, entgegnete er und lächelte dabei so charmant, dass Zoe glaubte, dahinschmelzen zu müssen.

„Das kann ich mir bei Ihnen nur schwer vorstellen“, erwiderte sie. Entgegen ihrer Gewohnheit, Menschen auf Abstand zu halten, hatte Liam Kavanagh etwas an sich, das sie ihre Vorsicht vergessen ließ.

„Die Berge sind im Frühling so schön, dass selbst ein Workaholic wie ich gern mal eine Pause macht“, erklärte Liam.

Sie griff nach den Schlüsseln und steckte sie in ihre Handtasche. „Vielen Dank für den Wagen. Ich werde auf ihn aufpassen.“

Er betrachtete sie dabei und wirkte wie eine Katze, die eine Maus beobachtete. „Da bin ich mir sicher“, entgegnete er rätselhaft. „Haben Sie denn schon etwas für Ihren Aufenthalt bei uns geplant, oder sind Sie eher von der spontanen Sorte?“

„Bei Ihnen klingt das ja beinahe so, als sei das etwas Schlimmes.“

„Sie müssen mich für furchtbar langweilig halten, was?“, fragte er.

„Keineswegs. Ich bewundere Ihre Arbeitsmoral.“

„Papperlapapp“, stieß er hervor. „Ich wette, Sie haben noch nicht einmal einen Tagesplaner.“

Verwirrt sah sie ihn an. Er schien nicht so recht zu wissen, was er von ihr halten sollte. Auf der einen Seite schien er sie attraktiv zu finden, auf der anderen viele Aspekte an ihr misstrauisch zu beäugen. Allerdings hatte Zoe langsam die Nase voll davon, ständig von anderen für ihre Lebensweise kritisiert zu werden. Letztendlich siegte ihr Stolz über die erotische Anziehungskraft ihres Gegenübers.

„Ich denke, Mr. Kavanagh“, sagte sie förmlich, „dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass wir zwei völlig unterschiedliche Menschen sind. Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir uns für die Dauer meines Aufenthalts aus dem Weg gehen.“

Zerknirscht beobachtete Liam, wie die attraktive Blondine den Speisesaal verließ. Ihr Hüftschwung war in Hosen nicht weniger verführerisch als in dem luftigen Rock, den sie bei ihrer Anreise getragen hatte. Eigentlich war er in den Speisesaal gekommen, weil er vorgehabt hatte, Zoe etwas besser kennenzulernen. Stattdessen war es ihm in Rekordzeit gelungen, sie gegen sich aufzubringen.

War sie möglicherweise so gereizt, weil auch sie die Anziehungskraft spürte, die zwischen ihnen herrschte? Oder hatte sie recht und sie waren wirklich zu verschieden?

Kurz darauf fing Pierre ihn in der Lobby ab. Der Concierge sah besorgt aus. „Es ist ein Mann hier gewesen, der sich nach Ms. Chamberlain erkundigt hat, Mr. Kavanagh“, erklärte er. „Ich habe ein komisches Gefühl bei dem Kerl. Könnte von der Polizei sein – oder ein Privatdetektiv.“

„Hat er sich denn ausgewiesen?“, fragte Liam alarmiert.

„Nein, Sir. Er hat nur gesagt, dass er nach dem Aufenthaltsort von Ms. Chamberlain sucht, mehr nicht. Er hat sie allerdings Zoe Henshaw genannt.“

„Was haben Sie ihm gesagt?“

„Dass wir keinen Gast mit diesem Namen haben“, erwiderte Pierre ein wenig schuldbewusst. „Jetzt ist er wieder weg, aber ich frage mich, ob ich Ms. Chamberlain Bescheid geben soll.“

„Das mache ich schon“, versprach Liam. „Sie haben das Richtige getan. Unsere Gäste haben ein Recht auf ihre Privatsphäre. Halten Sie die Augen offen und informieren Sie mich, wenn der Mann wieder hier auftaucht.“

Besorgt kehrte Liam schließlich in sein Büro zurück. Wer war Zoe Chamberlain wirklich? Und warum hatte er das Gefühl, sie beschützen zu müssen? Hatte er seine Lektion denn immer noch nicht gelernt? Frauen kamen gut ohne seine Hilfe zurecht – und sein Versuch, den edlen Ritter zu spielen, war vermutlich bestenfalls unwillkommen.

Zwanzig Minuten darauf erhielt er von der Kreditkartengesellschaft telefonisch die Auskunft, dass Zoes Karte nicht als gestohlen gemeldet worden und das Limit tatsächlich unbegrenzt sei.

Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, trommelte er ungeduldig mit den Fingern auf die Schreibtischunterlage. Vielleicht war Zoe Chamberlain einfach nur eine wohlhabende Frau, die ungestört ein paar Wochen in den Bergen verbringen wollte.

Doch diese Erklärung stellte ihn nicht zufrieden.

Auch die Google-Suche nach „Zoe Chamberlain“ und „Zoe Henshaw“ brachten keinen brauchbaren Treffer. Was bedeuten konnte, dass die schöne Blondine ihn möglicherweise belogen hatte, wie Liam enttäuscht und gleichzeitig verärgert überlegte. Das Silver Beeches war sein Revier – und hier geschah nichts ohne sein Wissen. Gab ihm das allerdings das Recht, hinter Zoe herzuschnüffeln? Und warum war er so versessen darauf, Antworten auf seine Fragen zu finden?

Sechs Wochen waren eine ziemlich lange Zeit, um im Dunkeln zu tappen.

4. KAPITEL

Zoe verliebte sich sofort in den kleinen silberfarbenen Nissan, der bereits hundertfünfzigtausend Meilen auf dem Buckel und beinahe genauso viel Charakter wie Bessie hatte.

Bewaffnet mit einer Stadtkarte, die sie Pierre verdankte, sowie einer Baseball-Kappe und einer dunklen Sonnenbrille, nahm sie den Wagen dankend von dem Hotelpagen vor der Eingangstür entgegen.

Falls Pierre sich über ihre Verkleidung gewundert hatte, dann hatte er sich nichts davon anmerken lassen.

Zufrieden erkundete sie das kleine Städtchen und gelangte schließlich zu dem Musikladen namens Silver Bells, den sie aufsuchen wollte. Musik war schon immer ihr Fels in der Brandung des Lebens gewesen. Eine Stunde lang diskutierte sie mit dem Inhaber – der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Willie Nelson hatte – über die Vorzüge eines neuen Sets Gitarrensaiten für ihr Instrument und verließ den Laden schließlich mit drei neuen Sätzen.

Als es Zeit für das Mittagessen wurde, entdeckte sie das Silver Dollar, ein uriges Lokal, in dem es ausgezeichnete Burger gab. Sie hatte gerade ihre Mahlzeit beendet, als ein Mann neben ihrem Tisch stehen blieb und sie ansprach.

„Willkommen im Silver Dollar“, sagte er. „Weil ich Sie noch nie in der Stadt gesehen habe, gehe ich davon aus, dass Sie hier zu Gast sind.“

Überrascht sah Zoe auf und blickte in die gleichen blauen Augen, die sie von Liam kannte. „Wegen der Ähnlichkeit zu Liam vermute ich, dass Sie ein Kavanagh sind“, entgegnete sie.

Der Fremde lächelte. „Dylan. Zu Ihren Diensten. Mir gehört dieser Laden – oder besser: Ich gehöre ihm, um bei der Wahrheit zu bleiben.“

„Ich bin Zoe Chamberlain.“

„Gefällt Ihnen Silver Glen?“

„Ich bin noch nicht lange hier, aber ich finde es toll. Bei Ihrem Bruder in der Lodge fühle ich mich bestens aufgehoben.“

In diesem Augenblick trat die Kellnerin an ihren Tisch und sagte leise etwas zu Dylan. „Tut mir leid, aber ich muss jetzt weiter“, erklärte er schließlich bedauernd. „War nett, Sie kennengelernt zu haben, Ms. Zoe.“

„Warten Sie“, rief sie aus, bevor sie es sich anders überlegen konnte.

„Möchten Sie noch ein Root Beer?“, erkundigte der Inhaber sich höflich.

„Nein, ich habe mich nur gefragt, ob Sie vielleicht eine Musikerin gebrauchen könnten. Ich kann singen und spiele Gitarre. Es macht mir Spaß, also bräuchten Sie mir auch nichts zu bezahlen. Was meinen Sie?“

Stirnrunzelnd sah er sie an. „Machen Sie denn nicht gerade Urlaub?“

„Eigentlich erhole ich mich nur. Ich werde wohl eine ganze Weile hierbleiben, und es wäre toll, wenn ich was zu tun hätte. Ich bin auch wirklich gut“, versicherte sie, als sie Dylans Zweifel bemerkte.

Dylan lächelte. Überrascht bemerkte Zoe, dass er zwar auch attraktiv war, aber längst nicht so sexy auf sie wirkte wie sein Bruder. „Wissen Sie was?“, sagte er. „Ich schaue mal in meinem Terminkalender nach und rufe Sie dann im Hotel an. Einverstanden?“

Damit musste sie sich wohl oder übel zufriedengeben. „Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören“, stimmte sie lächelnd zu.

Es überraschte Liam ein wenig, seinen Bruder zur Dinner-Zeit im Hotel zu sehen. Er und Maeve saßen an einem Fenstertisch, als Dylan sich zu ihnen gesellte.

„Du liebe Güte!“, rief Maeve. „Das Ende der Welt naht! Mein Zweitgeborener wirft sich in Schale und kommt freiwillig hier hoch, ohne dass man ihn dazu zwingen muss.“

Dylan küsste ihre Wange. „Ich habe gehört, dass heute Rippchen auf der Karte stehen. Du weißt doch, dass ich die liebe.“

„Du verlässt deine Bar doch sonst nie“, meinte Liam zweifelnd. „Also, sag schon, kleiner Bruder: Warum nimmst du dieses Opfer auf dich?“

„Ich habe heute einen eurer Gäste getroffen“, erklärte Dylan, nachdem er sich gesetzt hatte.

„Wen denn?“

„Zoe Chamberlain.“

Liam versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und nur mühsam widerstand er der Versuchung, seinem Bruder zu raten, sich zurückzuhalten, weil die Lady schon vergeben war. Lächerlich, dachte er kurz darauf. „Und wo?“

„Sie hat in der Bar gegessen, und wir sind ein bisschen ins Gespräch gekommen.“

„Und weiter?“

„Sie hat mich gefragt, ob sie bei mir auftreten kann. Sie singt und spielt Gitarre.“

Alle am Tisch schwiegen.

„Und warum?“, fragte Maeve, als sie sich ein wenig erholt hatte.

„Keine Ahnung“, gestand Dylan achselzuckend. „Sie hat gesagt, ihr sei sonst langweilig. Sie will auch nichts dafür haben.“

„Und was hast du ihr gesagt?“

„Dass ich erst in meinen Kalender schauen muss und mich später bei ihr melde. Ich wollte euch erst um eure Meinung bitten. Ich habe mich bei Pierre schlaugemacht, und er hat gesagt, sie hätte für sechs Wochen ein Zimmer bei euch gebucht.“

„Ich wüsste nicht, was dagegenspricht“, sagte Maeve. „Ich schätze, sie hat schwere Zeiten hinter sich.“

Verwirrt sahen ihre Söhne sie an. „Sie hat sich für sechs Wochen hier eingemietet, Mom“, wandte Dylan ein.

„Dylan Matthew Kavanagh“, entgegnete seine Mutter streng. „So etwas möchte ich nie wieder von dir hören. Ich habe dir etwas Besseres beigebracht. Nur weil man Geld hat, bedeutet das noch lange nicht, dass man kein schweres Leben haben kann. Das arme Mädchen reist ganz allein. Wir dürfen ihr auf keinen Fall Steine in den Weg legen – das ist das Mindeste, was sie verdient. Das spüre ich.“

„Ja, Mom“, entgegnete Dylan zerknirscht.

„Du hast natürlich recht, Mom“, stimmte Liam zu, der bei ihrer Standpauke ebenfalls unwillkürlich zusammengezuckt war. Mahnend sah er zu seinem Bruder. „Und du sagst mir bitte Bescheid, wenn sie bei dir spielt.“

„Klar doch.“

Kurz darauf entschuldigte Liam sich, denn er wusste, dass Dylan und Maeve sich eine Menge zu erzählen haben würden. Schließlich hatte sein jüngerer Bruder sich schon eine Weile lang nicht mehr im Hotel blicken lassen.