The One Real Man - Piper Rayne - E-Book

The One Real Man E-Book

Piper Rayne

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Beschreibung

Der perfekte Mann ist der Mann, den ich am meisten hasse? Träum weiter.   Dating ist hart. Dating in den 30ern ist härter. Dating in Chicago ist am härtesten. Ich habe nicht aufgegeben, mein Happy End zu suchen, aber in den Zeiten von Tinder, Netflix und "chill mal" frage ich mich, ob alles so vorübergehend ist, wie es meine Ehe war. Die Wahrheit ist, es gibt einen Mann, an den ich nicht aufhören kann zu denken. Ich würde gern meine Finger durch Roarke Baldwins Haare gleiten lassen, ich bin sicher, dass er unter seinem Anzug ein Sixpack verbirgt und ich habe mich immer gefragt, wie seine Bartstoppeln sich zwischen meinen Beinen anfühlen würden. Das Problem? Er ist der eine Mann, den ich mehr hasse als meinen Exmann. Sein Scheidungsanwalt.   Von Piper Rayne sind bei Forever by Ullstein erschienen: The Bartender (San Francisco Hearts 1) The Boxer (San Francisco Hearts 2) The Banker (San Francisco Hearts 3) The One Best Man (Love and Order 1) The One Right Man (Love and Order 2) The One Real Man (Love and Order 3)

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The One Real Man

Die Autorin

Piper Rayne ist das Pseudonym zweier USA Today Bestseller Autorinnen. Mehr als alles andere lieben sie sexy Helden, unkonventionelle Heldinnen, die sie zum Lachen bringen, und viel heiße Action. Und sie hoffen, du liebst das auch!

Das Buch

Der perfekte Mann ist der Mann, den ich am meisten hasse? Träum weiter.

Dating ist hart. Dating in den 30ern ist härter. Dating in Chicago ist am härtesten. Ich habe nicht aufgegeben, mein Happy End zu suchen, aber in den Zeiten von Tinder, Netflix und „chill mal“ frage ich mich, ob alles so vorübergehend ist, wie es meine Ehe war. Die Wahrheit ist, es gibt einen Mann, an den ich nicht aufhören kann zu denken. Ich würde gern meine Finger durch Roarke Baldwins Haare gleiten lassen, ich bin sicher, dass er unter seinem Anzug ein Sixpack verbirgt und ich habe mich immer gefragt, wie seine Bartstoppeln sich zwischen meinen Beinen anfühlen würden.

Das Problem? Er ist der eine Mann, den ich mehr hasse als meinen Exmann. Sein Scheidungsanwalt.

Von Piper Rayne sind bei Forever by Ullstein erschienen:The Bartender (San Francisco Hearts 1)The Boxer (San Francisco Hearts 2)The Banker (San Francisco Hearts 3)

The One Best Man (Love and Order 1)The One Right Man (Love and Order 2)The One Real Man (Love and Order 3)

Piper Rayne

The One Real Man

Roman

Aus dem Amerikanischen von Cherokee Moon Agnew

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuni 2019 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019© 2018 by Piper RayneTitel der amerikanischen Originalausgabe: Happy Hour

Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Übersetzung: Cherokee Moon AgnewE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-338-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Epilog

LESEPROBE: Flirting with Fire

Zum Schluss noch ein bisschen Einhorn-Geschwafel

Leseprobe: The Bartender

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

Was ist abgesehen von »Wir müssen reden« der allerschlimmste Satz, den man zu hören kriegen kann? Genau. »Wir sind überbucht – Sie sind raus.«

Und ganz besonders, wenn es nur noch sechs Wochen bis zur Gala sind, bei der man eigentlich die Korken knallen lassen wollte, weil man gerade eine Wohltätigkeitsorganisation gegründet hat.

Normalerweise hätte der Alkohol meine Stimmung gehoben oder mir in dieser beschissenen Situation wenigstens einen Funken Optimismus verliehen. Wir leben in einer der größten Städte Amerikas. Hier muss es irgendwo einen Veranstaltungsort geben, der auch kurzfristig freie Termine hat. Hochzeiten werden doch ständig abgesagt. Nicht, dass ich mir wünschen würde, dass irgendjemandem das Herz gebrochen wird, nur damit ich meine Location bekomme. Und ich will auch nicht zynisch klingen, aber ich spreche aus Erfahrung. Es ist besser, niemals »Ja, ich will« zu sagen, als im Scheidungskrieg der Hälfte seiner irdischen Besitztümer beraubt zu werden.

Seien wir mal ehrlich. Liebe vernebelt die Sinne mehr als eine ganze Flasche Tequila am Strand von Mexiko. In einem Moment ist man noch himmelhoch jauchzend, leckt sich am Pool unter provisorischen Tiki-Hütten das Salz von der Hand und saugt an Zitronenscheiben. Im nächsten klammert man sich kotzend an eine Palme.

Mit der Liebe ist es genau das Gleiche. Nur dass die Reue nicht immer am selben Abend kommt. Manchmal schleicht sie sich an wie eine lange Nacht mit teurem Champagner. Man denkt, man hätte eine gute Zeit, trinkt in Maßen und hält sich von dem harten Zeug fern. Und dann verliert man auf dem Nachhauseweg das Bewusstsein, wacht irgendwo auf und fragt sich, was zum Teufel man getrieben hat und wo die verdammten Kopfschmerztabletten sind.

So sind jedenfalls meine Erfahrungen mit der Ehe.

Ich kenne Todd schon mein ganzes Leben. Wir lernten uns in der ersten Woche auf der Montessori-Schule kennen und wuchsen zusammen auf. Er jagte mich über den Spielplatz. In der ersten Klasse schenkte er mir ein Medaillon, und in der dritten Klasse fragte er mich, ob ich ihn zum Jahrmarkt begleiten würde. Das zwischen uns war nicht unbedingt Schicksal. Die halbe Zeit war ich von ihm genervt, aber er war liebenswürdig und aufmerksam. Ein guter Kerl. Bevor ich den Gang zum Altar antrat, habe ich mir eingeredet, dass Leidenschaft und Spontanität völlig überbewertet werden.

Die Tatsache, dass ich den Moment seines Heiratsantrags auf den Monat genau vorhergesagt hatte, machte mir bewusst, dass ich ihm immer eine Nasenlänge voraus war. Wäre sein untreuer Schwanz nicht gewesen, würde ich heute vielleicht glauben, die Ehe wäre langweilig und überflüssig.

»Noch eine Runde, die Damen.« Lincoln, der Kellner, der uns üblicherweise in der Speakeasy-Bar Torrios Tisch – wo ich Mitglied bin – bedient, serviert meinen zwei Mitarbeiterinnen und mir unsere Drinks.

»Ich weiß, er ist jung, aber hey …« Chelseas Blick liegt auf seinem Hintern, während er sich entfernt.

Auch ich schmachte ihm hinterher, denn Lincoln ist wirklich ein Augenschmaus. Nicht mal eine Nonne könnte das leugnen.

»Darüber ist Dean sicher erfreut.«

Chelsea lächelt Victoria zuckersüß an. »Tu ruhig so, als würdest du nicht hinsehen, du Heilige. Aber mir kannst du nichts vormachen. Und nur, weil ich ihm hinterhergaffe, heißt das nicht, dass er meinem Kerl das Wasser reichen kann.«

Beide haben seit Kurzem einen neuen Mann in ihrem Leben. Sie haben sich dazu entschlossen, der Liebe noch eine Chance zu geben und glauben daran, dass das Schicksalsnavi sie bei ihrer ersten Ehe einfach in die falsche Richtung geschickt hat. Na ja, was Chelsea angeht, der Weg hat sie zu ihrem Ex-Mann zurückgeführt.

Sind sie glücklich?

Auf jeden Fall.

Wird es diesmal klappen?

Ich weiß es nicht.

Ich hoffe es.

Aber ich war auch mal da, wo sie jetzt sind. Sex bis zum Morgengrauen und Frühstück im Bett. Und schwups, masturbiert man stattdessen und schnappt sich zum Frühstück eine Banane, während man auf seinen Starbucks-Kaffee wartet. Beängstigend, wie schnell sich die Dinge ändern können.

Ich wünsche ihnen wirklich ein Happy End, aber jetzt müssen sie kurz von Wolke sieben absteigen und mir helfen, einen neuen Veranstaltungsort zu finden.

»Ich habe keine Ahnung, was wir jetzt machen sollen. Es ist Juli. Die Einladungskarten sind bereits gedruckt, was bedeutet, dass ich neue machen lassen muss, aber ich habe nicht mal eine Adresse. Mädels, wir müssen brainstormen.« Ich drehe den Stiel meines Glases zwischen Daumen und Zeigefinger.

»Uns wird schon etwas einfallen.« Victoria sieht mich ermutigend an.

Die Tür zum Separee geht auf, und herein kommt mein größter Albtraum mit einem arroganten Grinsen auf den Lippen. »Das hat gerade noch gefehlt.«

Chelsea entdeckt den Kerl, von dem sie denkt, er würde mir seit Monaten feuchte Träume bescheren, und dreht sich grinsend zu mir.

»Ignorier ihn.« Victoria drückt meinen Unterarm. Zum Glück ist wenigstens sie noch bei klarem Verstand.

Roarke Baldwin schlendert durch den Raum, nickt und winkt den anderen Gästen zu, als würde er für den verdammten Kongress kandidieren. Ich warte immer noch auf eine Antwort vom Geschäftsführer, wie er es geschafft hat, bei Torrios Mitglied zu werden. Vor meiner Scheidung ist er nie hier gewesen.

Während er unseren Tisch passiert, hält er den Blick die ganze Zeit auf mich gerichtet.

Ich halte die Luft an, bis er aus meinem Sichtfeld verschwindet. Doch dann nehme ich in der Sitzecke hinter uns eine Bewegung wahr. Er will uns belauschen! Chelseas Augen sind auf seinen Hinterkopf gerichtet, was meine Vermutung bestätigt.

»Ich bin sicher, wir werden eine Lösung finden.« Ich spiele die Sache herunter, weil ich nicht will, dass der Typ von meinem Problem erfährt.

»Wir werden einen neuen Veranstaltungsort auftreiben. Mach dir keine Sorgen«, platzt es aus Chelsea heraus. Ich hoffe wirklich, es liegt an den Hormonen, dass sie nicht gemerkt hat, dass ich nicht mehr über das Thema sprechen will. »Wie kann es bitte sein, dass sie den Termin doppelt vergeben haben und es erst sechs Wochen vor der Veranstaltung merken?«

Ich fahre mit dem Zeigefinger über meinen Hals.

»Da gebe ich dir völlig recht. Ich hätte ihnen auch am liebsten die Kehle durchgeschnitten, als sie angerufen haben. Zum Glück geht es dir auch so. Ich dachte schon, es läge an den Schwangerschaftshormonen. Gestern Abend war ich so sauer auf Dean, weil er Grover nicht die Pfoten abgewischt hat, als sie vom Gassi gehen zurückgekommen sind«, plappert Chelsea munter weiter.

»Chels.« Victoria reißt die Augen auf und neigt den Kopf in Roarkes Richtung.

»Oh«, flüstert sie und krümmt sich. »Sorry«, flüstert sie erneut und beißt sich auf die Unterlippe.

Ich schließe die Augen, und hinter mir bewegt sich jemand.

Bitte hol dir einen Drink. Lincoln hat auf der anderen Seite der Bar alle Hände voll zu tun, würde also Sinn ergeben, wenn Roarke zur Bar ginge.

Chelseas Blick folgt ihm. Ich muss ihr nur ins Gesicht sehen, um genau zu wissen, wo er ist. Sogar Victoria beobachtet ihn. Jetzt steht er anscheinend an der Bar. Zum Glück.

Keine Sekunde später reißen sie die Augen auf und werden ganz bleich. Ihre wortlosen Reaktionen lösen meinen inneren Alarm aus, der mich darauf hinweist, dass er sich nähert. Wie eine Schlange wickelt sich der Moschusduft seines Parfums um unsere Sitzecke. Kein Wunder, schließlich ist er eine Viper.

Als er uns in seinen Fängen hat, beäugt er den freien Platz neben Chelsea.

Aus mir unerfindlichen Gründen rutscht sie rüber und rückt näher an Victoria heran.

Er schiebt sich in unsere Sitzecke, das Glas fest im Griff, den Blick ausschließlich auf mich gerichtet. »Ms. Crowley, ich habe zufällig mitbekommen, dass Sie auf der Suche nach einem Veranstaltungsort sind.« Sein perfekt gestyltes, grau meliertes Haar ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er gefährlich ist. Es lässt darauf schließen, dass er älter und erfahrener ist als ich. Er hat jahrelange Erfahrung darin, das Leben anderer zu zerstören – wahrscheinlich nicht nur beruflich. Der liebe Gott weiß, dass seine Karriere von seiner Fähigkeit abhängt, einem das Wort im Mund umzudrehen und Zweifel zu säen.

Als er seinen Drink auf den Tisch stellt, schlägt ein großer Eiswürfel gegen das Glas und lässt die bernsteinfarbene Flüssigkeit umherschwappen.

»Kein Interesse.« Ich nippe an meinem Drink, presse absichtlich die Lippen gegen das Glas und hoffe, dass ich ihn genauso um den Verstand bringe wie er mich.

»Was, wenn ich Ihnen eine Location sichern kann?«

Seine Arroganz überrascht mich immer wieder. Als wäre ich eine Dame in Nöten, und er käme auf seinem weißen Pferd in die Stadt geritten, um mich zu retten. Nein, danke.

Die Mädels starren mich an, als würden sie sich gerade das neueste Drama ansehen und die Protagonistin hätte eben verkündet, dass sie schwanger ist. Vielleicht sollte ich ihnen noch einen Eimer Popcorn hinstellen, damit ihnen die Münder nicht sperrangelweit offen stehen.

»Ich bin sicher, der Preis übersteigt unser Budget.« Ich versuche, meine Gefühle im Zaum zu halten, meine irrationale Seite, die am liebsten über den Tisch greifen und ihn so lange würgen würde, bis er knallrot anläuft.

»Oh, Ms. Crowley, da haben Sie wohl etwas falsch verstanden. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Kunst des Verhandelns relativ simpel ist. Ich gebe Ihnen etwas, das Sie wollen, und im Gegenzug bekomme ich etwas, das ich will.«

Ich drehe mein Glas zwischen den Fingern, die Flüssigkeit darin schwappt hin und her.

Frag nicht. Schütte ihm einfach deinen Drink ins Gesicht.

Leider wurde ich dazu erzogen, mir meine Gefühlsregungen nicht allzu sehr anmerken zu lassen.

»Reiß dich am Riemen«, höre ich die Stimme meines Vaters in meinem Kopf. »Zeig ihnen nicht, was du fühlst. Unter gar keinen Umständen.«

Ich setze ein kleines Lächeln auf. »Und was wollen Sie, Mr. Baldwin?«

Ich blicke ihm in die Augen. Vielleicht hat er ebenfalls von meinem Vater gelernt, denn in seinem Gesicht ist nicht die kleinste Unsicherheit abzulesen.

»Sie.«

Plötzlich habe ich mindestens eine Million Schmetterlinge im Bauch. Manche sterben und fallen zu Boden, während die anderen wild umherflattern und genau wissen wollen, was er mit mir vorhat.

Kapitel 2

»Oh, Mr. Baldwin …«

»Nennen Sie mich doch Roarke.« Über den Rand seines Glases hinweg spiegelt sich Arroganz in seinen Augen wider. Sein Adamsapfel hüpft, und ich spüre, wie sich zwischen meinen Brüsten Schweißperlen bilden.

»Lieber nicht.« Ich nippe an meinem kühlen Drink, denn ich muss unbedingt meinen eisigen Hass zurückerlangen, um mit diesem Aasgeier fertigzuwerden.

»Warum nicht?«

Chelsea macht ein quietschendes Geräusch. Victoria greift zu ihr hinüber und drückt ihr Knie.

»Was meinen Sie?«, frage ich vollkommen emotionslos.

»Warum wollen Sie mich nicht Roarke nennen?« Wieder klirrt das Eis gegen das Glas, als er es abstellt, und mein Blick fällt auf seine teure Armbanduhr. Unter seinem dunklen Anzug blitzen die Ärmel seines weißen Hemds hervor. In seiner Brusttasche steckt sogar ein karminrotes Taschentuch, was ihn von allen anderen Anzugträgern hier unterscheidet.

Wie passend, schließlich stolziert er herum, als wäre er der verdammte König von England.

»Würde ich Sie Roarke nennen, würde dies implizieren, dass ich Sie mag. Und das tue ich nicht.«

Er legt die Hand an seine Brust und sieht meine beiden Freundinnen an. »Ist sie immer so direkt?«

Die zwei Frauen, die ich aufgrund ihrer scharfen Zungen und ihrer Intelligenz eingestellt habe, sehen im Moment eher aus wie liebeskranke Teenager.

Roarke wartet nicht auf eine Antwort. Wahrscheinlich interessiert ihn die Meinung anderer ohnehin nicht. »Ihre Worte schmerzen mich, Ms. Crowley. Ich habe nichts getan, was so viel Hass rechtfertigen würde.«

Ich lege den Kopf schief, atme lange und tief ein und gebe mir größte Mühe, mein Temperament im Zaum zu halten.

Eins … zwei … drei.

Tja, das hat wohl nicht funktioniert.

»Sie haben mir so viel genommen. Gestohlen. Dinge, die ihm nicht zustanden.« Ich verziehe keine Miene, um meine Wut zu verbergen.

»Aber, aber. Mein Klient hat mich für meine Dienste bezahlt. Ich habe nur meine Arbeit getan.«

Ich schnaube, reiße mich aber sofort wieder zusammen und richte mich gerade auf. »Ihr Klient hat für dieses Geld nicht gearbeitet. Und auch nicht für das Ferienhaus. Für nichts musste er selbst schwitzen. Sein Chirurgengehalt blieb unsere gesamte Ehe über so gut wie unberührt.«

Warum habe ich plötzlich das Gefühl, wir wären wieder mitten im Schlichtungsverfahren?

Bevor er etwas erwidern kann, hebe ich die Hand. »Wissen Sie was? Es ist egal. Die Scheidung ist vollzogen, und ich bin den Namen endlich los. Es ist, wie es ist. Aber eines kann ich Ihnen versichern, Mr. Baldwin. Ich brauche weder jetzt noch in Zukunft Ihre Hilfe. Vielen Dank für das nette Angebot, aber wir kommen auch so klar.«

Der verdammte Mistkerl grinst, als hätte ich ihm gerade einen runtergeholt und sein Sperma würde wie geschmolzenes Eis über meine Finger laufen.

»Na schön. Sie werden bestimmt eine Lösung finden.« Er erhebt sich mit einer Eleganz, als würde er sich niemals tollpatschig anstellen.

»Einen schönen Abend, Mr. Baldwin.«

»Han… Ms. Crowley.« Er klopft auf die hölzerne Tischplatte, während er mich noch immer mit seinen Augen verschlingt.

Ich habe so viel Spucke im Mund, aber ich weigere mich zu schlucken. Niemals würde ich ihm zeigen, dass ich mich körperlich zu ihm hingezogen fühle.

»Sonst noch was, Mr. Baldwin?« Ich blicke ihm in die Augen, und das Ziehen zwischen meinen Schenkeln wird immer stärker.

»Falls Sie es sich doch anders überlegen, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.« Er zwinkert, und Chelsea sieht ihm kurz nach. Da sich in der Sitzecke hinter mir nichts bewegt, nehme ich an, dass er nun anderen mit seiner Anwesenheit auf die Nerven geht.

Nachdem ich meine Scheidung nun noch einmal mit dem Mann, der maßgeblich daran beteiligt war, durchlebt habe, würde ich am liebsten laut fluchen und noch einen Drink kippen. Aber ich muss den Mädels beweisen, dass ihre Chefin mit arroganten Typen umgehen kann, die sich wie ein edler Ritter in glänzender Rüstung aufführen.

»Heilige Scheiße«, sagt Chelsea und greift sich an den Bauch, als müsste sie sich übergeben. »Und ich dachte, zwischen Dean und mir würde es zur Sache gehen. Aber ihr zwei …«

»Chels«, sage ich in strengem Ton.

»Gut gemacht, Hannah. Er kann uns mal.« Victoria leert den Rest ihres Vespers.

Ich lächle sie an. Chelsea ist immer noch wie vom Donner gerührt und kann es nicht lassen, immer wieder zu Roarke hinüberzuschielen.

»Er ist einfach so …«, plappert Chelsea weiter. Sie scheint es nicht zu kapieren. »… fordernd.« Sie sieht uns an. »Als wollte er unanständige Sachen mit dir anstellen. Doch ich bin sicher, es würde dir gefallen. Und am Ende würdest du ihn anbetteln weiterzumachen.«

Da kann ich Chelsea nicht widersprechen. Roarke Baldwin schreit förmlich nach: »Fessle mich ans Bett und zeig mir, wie es ein richtiger Mann macht.« Nicht, dass ich so etwas jemals sagen würde.

Nein, ich würde auf die Knie gehen und ihn in einen Mann verwandeln, der mir am nächsten Morgen Frühstück serviert. Würde ich jedoch nur einen Zeh ins Wasser stecken, würde er mich sicherlich verschlingen wie ein hungriges Krokodil. Deshalb habe ich zwischen uns einen Elektrozaun errichtet. Damit ich jedes Mal, wenn meine weiblichen Geschlechtsteile ihm zu nahekommen, einen Stromschlag bekomme.

»Chels. Dean?« Victoria erinnert sie an ihren Verlobten.

Chelsea winkt ab und verdreht die Augen. »Ich bitte dich. Dean weiß genau, dass er der Einzige für mich ist. Wenn ich nach Hause komme, werde ich ihm von Roarke Baldwin erzählen. Wahrscheinlich ist er heute Nacht dann besonders dominant, um mir zu beweisen, dass er der einzige richtige Mann ist.« Sie ist schon jetzt total aufgedreht, wenn sie nur daran denkt. Ihre Wangen werden rosa, als würde sie sich gerade vorstellen, was er später mit ihr anstellt. »Aber alle Achtung, Hannah. Ich hätte nachgegeben. Dabei bin ich schwer zu knacken.«

»Chelsea, alles, was Dean tun musste, war, dich in sein Büro zu locken«, erwidert Victoria.

Nun erröten ihre Wangen noch mehr.

Manchmal frage ich mich, was wäre, wenn. Was wäre, wenn ich mich damals nicht für Todd entschieden hätte? Was hätte das Schicksal für mich bereitgehalten, wenn ich Single geblieben wäre?

Roarke Baldwin?

Ich glaube, ich muss dringend ein Wörtchen mit meinem Unterbewusstsein reden.

»Chelsea, mir ist ganz egal, was du tun musst. Ich zahle, was auch immer es kosten mag. Aber finde eine Location für mich«, sage ich und lenke das Gespräch zurück zum Geschäftlichen.

Chelsea nickt. Sie merkt, dass es langsam an der Zeit ist, nach Hause zu gehen.

Ich habe ihr den Job gegeben, weil ich in ihr die Fähigkeit gesehen habe, ein Nein in ein Ja zu verwandeln. Ich bin ziemlich sicher, dass sie mich auch diesmal nicht enttäuschen wird. Auf keinen Fall werde ich zu Roarke Baldwin gehen. Diesem Mann will ich nichts schuldig sein. So viel Stolz habe ich noch.

Kapitel 3

Als ich am nächsten Morgen zur Arbeit komme, redet Chelsea in ihrem Büro ununterbrochen auf Victoria ein.

Normalerweise höre ich ihren Geschichten gern zu, aber heute muss sie sich um wichtigere Dinge kümmern. Ich will jetzt nichts davon hören, wie atemberaubend der Sex mit Dean gestern Nacht war.

Ich stelle meine Taschen auf dem Stuhl vor Victorias Schreibtisch ab, durchquere den kurzen Korridor und geselle mich zu ihnen.

»Sieh mich nur an. Ich kann einfach nicht damit aufhören.« Ich höre Chelsea kichern.

»Du strahlst förmlich«, erwidert Victoria.

»Womit kannst du nicht aufhören? Hör auf zu grinsen. Jetzt reicht’s mit …« Ich halte inne und stütze mich am Türrahmen ab.

Chelseas Augen sind ganz rot und blutunterlaufen. O nein. Bitte nicht.

»Was ist los?«, frage ich erschrocken.

Victorias sanftes Lächeln verrät mir, dass ich mit meiner Befürchtung falschliege.

»Chelsea erlebt gerade das erste Trimester ihrer Schwangerschaft. Das ist alles. Die Hormone flitzen durch ihren Körper wie kleine Astronauten.«

»Kann ich sie nicht einfach abschießen wie bei Centipede? Diesem Computerspiel?« Chelsea nimmt sich ein Taschentuch und schnäuzt sich die Nase.

O Mann, und ich dachte, PMS wäre schlimm.

»Erstens sind das Käfer bei Centipede. Oder meinst du Space Invaders?« Victoria immer mit ihrer mütterlichen Weisheit.

Chelsea ignoriert Victorias Bemerkung komplett. »Dean glaubt, dass irgendwas nicht stimmt. Ich weine zu viel, meint er.«

»Wie oft weinst du denn?«, frage ich, setze mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und schlage die Beine übereinander.

Victoria steht wie immer in der Tür, falls jemand anruft.

»Nun ja, vorgestern hat mich eine Werbung zum Weinen gebracht. Und als ich durch Facebook gescrollt habe, musste ich wieder weinen. Mir ist nie aufgefallen, was für traurige Sachen die Leute posten. Ich meine, ein Mann, der seinen Sohn überrascht, als er vom Krieg zurückkehrt? Ich bitte euch. Wer muss da nicht heulen?« Sie hebt die Hände und schüttelt sie, als würde sie ein Stoßgebet gen Himmel schicken.

»Das ist normal. Bei solchen Sachen kommen mir auch die Tränen.« Victoria versucht, Verständnis zu zeigen.

Für einen kurzen Moment wird Chelseas Gesichtsausdruck ganz hoffnungsvoll. »Ich musste sogar weinen, als ich an Grover gedacht habe. Daran, dass ich ihn kaum kenne und wir nie eine so innige Beziehung haben werden wie er mit Dean. Dass er eines Tages sterben wird und ich ihn nicht als Welpe gekannt habe.«

Victoria und ich wechseln einen bestürzten Blick.

»Seht ihr? Ihr haltet mich für verrückt. Vielleicht hat Dean recht. Was, wenn es ein Zeichen dafür ist, dass mein Hormonhaushalt zusammenbricht?«

»Tut er nicht.« Victoria geht zu ihr, stützt den Ellbogen auf den Schreibtisch und legt Chelsea die Hand auf die Schulter. »Das ist alles ganz normal. Als ich mit Jade schwanger war, habe ich geheult, weil Pete mir statt eines Erdbeershakes einen Bananenshake mitgebracht hat.«

»Da wäre ich auch sauer gewesen. Mit diesen Gelüsten ist nicht zu spaßen. Dean musste gestern Abend um zehn noch los, um mir was von Chick-fil-A zu holen.«

»Hatten sie noch geöffnet?«, fragt Victoria, als wäre sie auch schon mal spätabends da gewesen und enttäuscht worden.

»Nein. Er kam an, als sie gerade die Türen zugemacht haben. Der verdammte Geschäftsführer hat nicht mit sich reden lassen. Und ratet mal, was dann passiert ist.«

»Du hast geweint?«, frage ich.

Chelsea nickt, und schon wieder kommen ihr die Tränen.

Ding ding, richtige Antwort.

»Eure Geschichten machen einem nicht unbedingt Lust, selbst schwanger zu werden.« Ich stehe auf und streiche meinen Rock glatt.

»Warte, bis du ihn oder sie kennenlernst. Die ganzen verrückten Gefühle sind es allemal wert. Das verspreche ich dir.« Wie die Mutter, die sie nun mal ist, küsst Victoria Chelsea die Stirn. »Sag Dean, dass er nicht so überreagieren soll. Er hat noch viel vor sich.«

Chelsea lacht, und die Tränen versiegen. Ich will keine Arschlochchefin sein, aber sie muss dringend einen Veranstaltungsort für mich klarmachen. Am liebsten heute. Die ganze Nacht habe ich darüber nachgedacht, ob mir noch irgendjemand einen Gefallen schuldet. Doch die Hälfte meiner Kontakte ist in dem Moment verschwunden, als ich die Scheidungspapiere unterzeichnet habe, die Liste an Leuten ist daher deutlich geschrumpft.

»Oh, Hannah, ich warte auf Rückrufe von einigen Locations. Keine Sorge, ich werde ihnen am Telefon nichts vorheulen.«

»Super, halt mich auf dem Laufenden.« Ich verlasse ihr Büro und frage mich, wie die nächsten sechs, sieben Monate ihrer Schwangerschaft wohl verlaufen werden.

Victoria folgt mir. »Ich habe dir heute Morgen ein paar Nachrichten auf den Schreibtisch gelegt. Reed meinte, er würde sich umhören und schauen, ob sich etwas machen lässt, aber er ist heute die meiste Zeit im Gericht.«

»Sag ihm danke von mir, aber er hat sowieso genug zu tun.«

»Er freut sich, wenn er helfen kann.« Sie setzt sich an den Schreibtisch und legt sofort die Hände an die Tastatur. Jeden Tag bin ich dankbar dafür, dass Jagger mich angerufen und mir gesagt hat, dass seine Assistentin umzieht.

Als ich mein Büro betrete, hebt die weiß-goldene Einrichtung ein wenig meine Stimmung. Der unkonventionelle Stil erinnert mich daran, dass ich jetzt mein eigener Boss bin und mich nicht mehr den Wünschen anderer anpassen muss.

Als ich die Räume für RISE angemietet habe, habe ich beschlossen, auf keinen Fall langweiliges Schwarz, Grau und Braun zu nehmen. Ich wollte etwas Lebendiges, Neues … etwas, woran ich endlich wieder Freude haben konnte. Jemand meinte mal, die weibliche Ausstattung würde meine Macht untergraben, wenn Gäste ins Büro kämen. Dass sie ausstrahlen würde, ich sei zu weich und man könne alles mit mir machen.

Okay, nicht irgendjemand – mein Vater. Aber RISE gehört mir. Ich bin diejenige, die jeden Tag an diesem Schreibtisch sitzen und die Wände ansehen muss. Und ich will verdammt noch mal glücklich sein.

Ich nehme den Papierstapel vom Schreibtisch und gehe die Nachrichten durch, alle von Leuten, die ich gefragt habe, ob sie für die stille Auktion spenden würden. Ich bin kein bisschen enttäuscht, dass keine Nachricht von Roarke Baldwin dabei ist, denn ich will auf gar keinen Fall, dass er mich kontaktiert.

Nope. Kein Stück.

Inzwischen ist es sechzehn Uhr. Da Chelsea bisher mit keiner neuen Location um die Ecke gekommen ist, schätze ich, ihr Feen-Zauberstab ist zerbrochen.

Es klopft an der Tür, als ich gerade das Telefonat mit Lennon Banks beende, der Frau, die in San Francisco eine Zweigstelle von RISE eröffnen will. Aber wie soll ich mich darum kümmern, wenn ich nicht mal weiß, wie es in nächster Zeit in Chicago laufen wird? Wir haben es geschafft, an fünf Schulen Nachmittagsprogramme zu starten, darunter auch an Jades Schule, also der von Victorias Tochter. Aber damit bin ich noch nicht zufrieden. Wir brauchen mehr. Unser Ziel ist es, Mädchen beizubringen, selbstbewusst ihre Stimme zu erheben und für sich einzustehen.

»Herein«, rufe ich und schiebe ein paar Unterlagen beiseite.

Mit gesenktem Kopf öffnet Chelsea die Tür. Normalerweise erhellt sie mit ihrem ansteckenden Lächeln und scharfen Witz jeden Raum. Hoffen wir mal, dass die Schwangerschaft für ihr Stimmungstief verantwortlich ist und nicht die Tatsache, dass sie keinen Veranstaltungsort für die Gala finden konnte.

Sie lässt sich mir gegenüber auf den Stuhl plumpsen. »Es tut mir leid, Hannah. Ich habe versagt.«

Ich drücke den Knopf der Sprechanlage. »Victoria, kannst du bitte in mein Büro kommen?«

Keine Sekunde später kommt Victoria herein und setzt sich stirnrunzelnd neben Chelsea. Sie weiß wohl schon Bescheid.

»Ich habe es überall probiert, Hannah. Na ja, außer beim Days Inn und beim Budget Motel. Aber da kann ich auch noch anrufen, wenn du willst.« Hoffnungsvoll sieht sie mich an.

Ich stütze die Ellbogen auf den Schreibtisch und reibe mir die Schläfen. Denk nach, Hannah, denk nach. Du kennst genug Leute.

»Ich bin sicher, du hast alles probiert«, sage ich und versuche, ihr ein gutes Gefühl zu geben.

Chelsea nickt und zählt an den Fingern ab, welche Hotels sie angerufen hat. »Das Ritz, das Westin, das Hilton, Four Seasons, das Drake, das Swissôtel. Ich habe alle durchtelefoniert. September ist wohl der neue Hochzeitsmonat, zumindest war das das Einzige, was ich von den Eventkoordinatoren zu hören bekommen habe.«

»Wie wäre es mit dem Lake Geneva? Wir könnten ein ganzes Wochenende daraus machen«, wirft Victoria ein. Die Idee ist super, aber alle Gäste mit nur einem Monat Vorlauf aus der Stadt rauskriegen? Keine Chance.

»Das wäre zu schön. Ist aber zu weit. Gibt’s irgendwas am Stadtrand?«

»Ich habe ganz Oakbrook abtelefoniert. In Schaumburg ist auch alles ausgebucht.«

»Wie sieht’s im Norden aus?«, frage ich.

»Tut mir leid, Hannah, nichts. Ich stehe auf jeder Warteliste, aber alles, was sich ergeben könnte, würde in allerletzter Minute passieren.«

Victoria kaut auf ihrer Unterlippe herum.

Chelsea blickt drein, als hätte sie eben erfahren, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt.

»Geht nach Hause. Alle beide.« Ich winke ab.

»Und wie sieht jetzt der Plan aus?«, fragt Victoria, die nur noch auf der Stuhlkante sitzt.

»Ich weiß noch nicht. Ihr zwei geht jetzt nach Hause, und ich lasse mir etwas einfallen.«

Chelsea, eigentlich eine Kämpfernatur, steht auf ohne zu widersprechen. Wahrscheinlich will sie nur noch ins Bett und zu ihrem Verlobten Dean. »Ich versuche es morgen weiter«, murmelt sie und verlässt das Büro. »Tut mir wirklich leid, Hannah.«

»Setz sie ins Taxi. Oder ruf Dean an«, sage ich zu Victoria.

Sie nickt. »Soll ich danach noch mal zurückkommen?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein. Geh nach Hause und ruh dich aus. Irgendwie wird es schon klappen. Das tut es doch immer.«

Seufzend lehne ich mich zurück. Ich hoffe bloß, dass ich meine Seele nicht an den Teufel – aka Roarke Baldwin – verkaufen muss.

Zehn Minuten später sind die Mädels weg, und ich lasse meiner Panik endlich freien Lauf. Jetzt, da ich allein bin, springe ich auf und gehe in meinem Büro auf und ab. Dann hechte ich in den Pausenraum, wo noch das Willkommenspaket der Bäckerei steht, die vor Kurzem nur einen Block von uns entfernt eröffnet hat. Es juckt mich in den Fingern, nach dem Zuckerzeug zu greifen, doch stattdessen öffne ich den Kühlschrank und nehme mir eine Diät-Limo.

Zurück in meinem Büro schlüpfe ich aus meinen High Heels und gehe noch eine Weile auf und ab. Irgendwann fällt mein Blick aus dem Fenster. Die Sonne scheint. Ich liebe den Sommer und die endlos langen Sommernächte.

Wieder muss ich an Roarke denken. Wenn Chelsea nichts finden kann, wie zum Teufel soll mir dann Roarke behilflich sein? Fast bin ich geneigt, es darauf ankommen zu lassen. Wahrscheinlich waren es nur leere Versprechungen. Und was will er überhaupt von mir?

Wir haben nicht darüber gesprochen, was er damit gemeint hat. Stattdessen wollte er mich dazu überreden, ihn Roarke zu nennen. Wahrscheinlich denkt er, ich würde mich bereitwillig opfern, wenn ich seinem Angebot zustimmen würde.

Die Vorstellung, nackt auf seinem Bett zu liegen, ist leider nicht so abstoßend, wie sie eigentlich sein sollte. Um ehrlich zu sein ist sie sogar ziemlich verlockend. Aber das würde ich niemals zugeben.

»Meine Güte, Han, reiß dich zusammen«, murmle ich vor mich hin.

Plötzlich sitzt ein kleiner imaginärer Engel auf meiner rechten Schulter. Roarke Baldwin ist ein böser, böser Mann. Der kleine Teufel erscheint auf meiner linken Schulter. Und du bist ein böses Mädchen. Wie wird er dich wohl bestrafen?

»Halt die Klappe, du verdammter Teufel«, rufe ich.

Die Tür zu RISE öffnet sich.

Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Habe ich ihn etwa heraufbeschworen? Der Bösewicht erscheint immer dann, wenn sein Opfer am schwächsten ist.

Bin ich schwach? Vielleicht ein bisschen. Immerhin herrscht zwischen meinem Kopf und meiner Muschi Krieg – und mein feuchter Slip verrät mir, wer gewinnen wird.

»Ms. Crowley, tut mir leid. Normalerweise ist um die Uhrzeit keiner mehr hier.« Misty, die Putzfrau, steckt den Kopf zur Tür herein.

Gott sei Dank.

»Ich wollte gerade gehen.« Ich ziehe meine High Heels wieder an, fahre den PC herunter und schnappe mir meine Tasche. »Einen schönen Abend, Misty.« Ich lächle sie an.

»Seien Sie vorsichtig da draußen. Die Sonne geht schon unter.«

Ich blicke durch das Fenster neben Victorias Schreibtisch, die Sonne macht sich wirklich bereits an ihren Abstieg. »Das werde ich. Danke.«

»Sobald es dunkel wird, kommt der Teufel zum Spielen heraus.« Sie kippt den Inhalt von Victorias Abfalleimer in einen großen Müllsack.

»Manchmal erscheint er auch bei Tageslicht. Im maßgeschneiderten Anzug und mit Budapestern.«

Sie hebt die Augenbrauen. »Männerprobleme, Ms. Crowley?«

»Guten Abend, Miss.«

Ich verlasse das Büro und fahre ganz allein im Aufzug nach unten. Erst als ich auf die Straßen Chicagos hinaustrete, wird mir klar, dass mein Teufel nicht wie ein Dieb aus einer dunklen Gasse auftaucht. Er sitzt in seinem Penthouse oder Eckbüro und gibt sich als einer der erfolgreichsten Männer Chicagos aus. Er ist der Teufel im grauen Anzug. Und wenn ich nicht vorsichtig bin, vergesse ich es womöglich.

Kapitel 4

Während ich darauf warte, dass die Hotelmanagerin zurück ans Telefon kommt, klopfe ich ungeduldig mit meinem Stift auf der Tischplatte herum. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass sie so früh schon arbeitet und meinen Anruf entgegengenommen hat, aber sie sieht jetzt schon seit zehn Minuten in ihrem Kalender nach. Ich will die Location nicht in drei Jahren buchen. Das Event findet in sechs Wochen statt.

»Ms. Crowley«, ertönt ihre zittrige Stimme.

Sie ist bestimmt neu.

»Ja.«

Tip. Tap. Wie eine Wippe schlägt mein Stift gegen den weißen Schreibtisch.

»Es tut mir leid. Ich dachte, wir hätten eine Stornierung gehabt, aber heute Morgen hat die Braut angerufen und uns mitgeteilt, dass die Hochzeit doch stattfindet. War wohl eine kleine Unstimmigkeit.« Nun klingt ihre Stimme lieblich, als wäre sie froh, dass die Hochzeitsfeier nicht abgesagt wurde.

Zu schade, dass ich es anders sehe.

»Trotzdem danke. Könnten Sie mir bitte sofort Bescheid sagen, falls sich doch noch etwas ändert?«, frage ich mit honigsüßer Stimme. »Bitte notieren Sie, dass ich bereit bin, fünfzig Prozent mehr zu zahlen.«

Ich musste auf die harte Tour lernen, wie ich das bekomme, was ich will. Honig und Geld sind wesentlich effektiver, wenn man sie kombiniert.

»Das ist sehr nett von Ihnen, aber wir haben fixe Preise.«

Wir verabschieden uns und legen auf. Mein Blick schweift aus dem Fenster. Wie kalter Regen kriecht das Gefühl der Ausweglosigkeit in meine Poren. Wir werden das Entertainment umbuchen müssen, die Caterer, die Tischdecken – einfach alles. Mein Telefon klingelt. Da sonst noch keiner hier ist, gehe ich ran.

»RISE Foundation.«

»Hannah?«, begrüßt mich die energische Stimme meiner besten Freundin aus Kindheitstagen, Gwen Turner.

»Gwen?«

»Wer sonst?« Sie lacht. »Sorry, dass ich so früh anrufe.«

»Du hast im Büro angerufen. Schon in Ordnung.«

»Habe ich?« Sie hält kurz inne. »Ach du Scheiße. Ich bin wohl nicht mehr ganz bei Trost. Zu wenig Schlaf, zu viel Sex, zu viel Alkohol … zu viel Spaß.«

Es raschelt in der Leitung.

»Was ist los? Du klingst, als wärst du abgelenkt.«

Wieder kichert sie. »Bin ich auch, sorry. Mein Manager meinte, er würde für mich noch einen Auftritt klarmachen, wenn ich sowieso schon in den Staaten bin. Ich habe ihm gesagt, dass ich für das Wochenende vom fünfzehnten September bereits gebucht bin, richtig?«

Ich atme laut aus. Wenn Gwen nicht als Rednerin auftreten kann, gibt es keinen Grund, die Gala überhaupt zu veranstalten. Sie ist die prominenteste Person, die ich eingeladen habe und der größte Anreiz für die Gäste, Geld springen zu lassen.

»Ja, richtig. Gibt es ein Problem?«, frage ich.

»NEIN!«, kreischt sie. »Ich habe ihm gesagt, er soll mich gefälligst in Ruhe lassen. Dass ich mein Mädchen unmöglich enttäuschen kann.«

»Danke.« Der Druck, eine neue Location zu finden, wird immer größer und plättet mich wie einen Pfannkuchen.

»Er wollte mir sogar vorrechnen, wie viel Geld ich dadurch verliere. Dieser Kerl hat keine Ahnung, was wahre Freundschaft bedeutet, weißt du?«

Noch mehr Schuldgefühle. Es ist nicht so, als wäre Gwen arm. Im Gegenteil. Sie ist reich. Nicht so reich wie ich, aber dafür hat sie ihr Geld selbst verdient. Ich hingegen habe meins geerbt. Das ist ein Unterschied. Ein großer Unterschied.

»Oh, Gwen, ich will aber nicht …«

»Ruhe, Montana. Du bist es mir wert. Deine Wohltätigkeitsorganisation ist es wert, ein paar Tausender zu verlieren. Mein Manager kann mich mal.«

Sie benutzt den Spitznamen, den ich so sehr hasse. Montana. Damit meint sie nicht den Bundesstaat, sondern Hannah Montana. Es ist das Einfallsloseste, was sie je zustande gebracht hat.

»Aber gern doch. Soll ich?« Eine männliche Stimme mischt sich in das Gespräch.

Gwen kichert.

»Das ist aber nicht dein Manager, oder?«, frage ich.

Ihr Kichern wird lauter, und ich befürchte, dass er ihr tatsächlich gerade an die Wäsche geht.

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Sie neckt ihn wie damals ihren Professor, mit dem sie während ihres kurzen Collegeaufenthalts geschlafen hat.

»Gwen, was hat es nur mit dir und Autoritätspersonen auf sich?«

Den Vaterkomplex kann sie nicht als Ausrede benutzen. Ihr Dad ist der fürsorglichste und liebevollste Mann der Welt. Er lässt sie alles machen, mischt sich nie ein, hilft ihr aber, kluge Entscheidungen zu treffen, damit nicht plötzlich irgendwo ein Sextape von ihr auftaucht.

»Ach Montana, schlüpf aus deinem biederen Businesskleid und lass dich flachlegen. Todd hat dich bestimmt nie richtig rangenommen. Es ist an der Zeit, endlich einen Mann zu finden, der weiß, wie es geht.«

Roarke Baldwin erscheint vor meinem geistigen Auge. Wie er wohl unter seinem Anzug aussieht? Er wirkt immer so kontrolliert, sein Haar ist stets perfekt gestylt, seine Bartstoppeln so makellos getrimmt, dass ich bei seinem Anblick ein feuchtes Höschen bekomme. Wie er wohl im Bett ist? Ein Biest? Eine Maschine? Könnte ich ihn genauso um den Verstand bringen wie er mich?

Ich schüttle den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen. »Du lebst in einer Märchenwelt.«

»Du solltest mich dort mal besuchen. Du wirst nie wieder gehen wollen, das verspreche ich dir.« Noch mehr Kichern und Rascheln in der Leitung.

Wie der Knall eines Champagnerkorkens leite ich das Ende unseres Telefonats ein. »Okay, Gwen. Zeit aufzulegen, damit du endlich zu deinem Orgasmus kommst. Danke, dass du mich dafür benutzt hast, deinen Manager hinzuhalten und die Explosion seiner Rakete hinauszuzögern.«

»Dein Humor ist wieder da, Montana. Ich vermisse dich.«

»Ist es diese Stiftung wirklich wert, fast eine Million zu verlieren?«, fragt eine tiefe Stimme.

Ich umklammere den Hörer so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten.

»Hör auf, immer nur ans Geld zu denken, und gib mir endlich, was ich will.« Gwens lautes Seufzen reicht von Paris bis Chicago, und mir wird klar, dass ich tatsächlich mal wieder flachgelegt werden muss. Es ist schon eine ganze Weile her.

Auch nach dem Gespräch werde ich das ungute Gefühl im Bauch nicht los. Falls ich die Gala tatsächlich absagen muss, ist Gwen auch gearscht.

Zum hundertsten Mal muss ich an Roarke Baldwins Vorschlag denken, den er mir gestern Abend im Torrios unterbreitet hat.

»Was genau hat er gemeint, als er gesagt hat, dass er mich will?«

»Er meinte damit, dass er dich fesseln will. Oder vielleicht hat er bei sich zu Hause ein rotes Zimmer des Schmerzes.« Victoria betritt mein Büro und setzt sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch.

»Mein Leben ist kein Film.«

Sie lächelt süß und zuckt mit den Schultern. »Warum bist du so früh schon hier?«

Schulterzuckend klopfe ich mit dem Stift auf die Tischplatte.

»Reed hat ein paar Leute angerufen. Alles ausgebucht. Genau wie bei Chelsea. Hochzeiten.«

Ich kaue auf der Innenseite meiner Lippe herum. »Bitte sag ihm danke von mir.«

»Mache ich. Und jetzt?«, fragt sie und rutscht vor bis zur Stuhlkante.

Victoria ist jemand, der alles immer in Ordnung bringen will. Das Wort »Niederlage« gehört nicht zu ihrem Wortschatz. Genau deshalb ist sie eine so gute Mitarbeiterin und Freundin.

»Ich werde einen Pakt mit dem Teufel eingehen müssen«, sage ich mit einem Enthusiasmus, der gegen null strebt.

Ihr Lächeln erstirbt augenblicklich. »Nein. Es muss noch eine andere Möglichkeit geben.«

Kopfschüttelnd lasse ich den Stift auf den Schreibtisch fallen. »Da bin ich nicht so sicher. Vielleicht will er ja nur, dass ich ihn zu irgendeinem großen Event begleite. Den Mädchen zuliebe würde ich es tun.«

»Das gefällt mir nicht. Ich finde, wir sollten die Gala verschieben. Wir könnten ein Winterwunderland organisieren. Heizpilze für draußen mieten. Die Deko für drinnen gestalten wir in Weiß, Silber und Blau. Das wäre wunderschön.«

Ihre Idee gefällt mir. Vor Gwens Anruf wäre ich sofort mit an Bord gewesen. Aber unser Gespräch hat mich daran erinnert, dass schon so viele Redner zugesagt und sich extra Platz in ihren vollen Terminkalendern freigeschaufelt haben. Sie wollen mir helfen, weil sie herzensgute Menschen sind. Ich kann sie jetzt unmöglich hängen lassen.

Chelseas Cousine und ihre Freunde kommen extra aus ihrem Trainingslager in Neuseeland hergeflogen, um ein Auktionspaket zu vergeben, das ein Wochenende in Park City mit ihnen als Tourguides beinhaltet.

»Hör auf, so dreinzublicken, als hätte ich dir gerade gesagt, dass Reed eine geheime Zweitfrau hat. Ich werde nicht meinen Körper verkaufen, Victoria.« Ich google Roarke Baldwins Namen, der Mistkerl von Anwalt, notiere seine Telefonnummer und schiebe Victoria den Zettel zu. »Hier. Ruf bitte dort an und sag ihnen, dass ich dringend mit der Schlange sprechen muss.«

»Das gefällt mir alles nicht. Nur damit du’s weißt«, sagt sie, bevor sie aufsteht.

Eine Antwort spare ich mir, denn es gibt nichts weiter dazu zu sagen.

Durch die Milchglastür beobachte ich ihre Bewegungen. Sie hebt den Telefonhörer ab, und ich höre sie murmeln, doch sie legt auf, ohne einen Anruf zu mir durchzustellen.

Wahrscheinlich ist er gerade im Gericht und haut jemanden übers Ohr.

Als sie von ihrem Schreibtisch aufsteht, verengt sich mein Hals. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so nervös war. Es trägt nur dazu bei, dass ich Mr. Baldwin noch mehr verachte.

Sie betritt mein Büro und legt mir einen Klebezettel auf den Tisch. »Er hat seiner Assistentin gesagt, dass du ihn auf dem Handy anrufen sollst. Das Bürotelefon ist nur für Klienten, und du bist keine Klientin.«

Ich zerknülle den Zettel in meiner Faust.

»Was für ein Drecksack!« Ich werfe das rosafarbene Papierknäuel quer durch den Raum.

»Mir gefällt das nicht. Ich finde, wir sollten die Gala verschieben.«

Ich rutsche mit dem Stuhl nach hinten, stütze die Hände auf die Tischplatte und stehe auf, um den zerknüllten Zettel aufzuheben. »Nein. Wenn Mr. Baldwin unbedingt spielen will, dann spielen wir eben. Eingebildete Raubtiere wie er unterschätzen ihre Beute gern. Roarke Baldwin ist der arroganteste Arsch, der mir je begegnet ist. Ich sage dir, er unterschätzt jede Frau, mit der er zu tun hat. Auch mich.«

»Jetzt machst du mir fast ein bisschen Angst«, sagt Victoria und macht einen Schritt rückwärts. »Darf ich die Tür einen Spalt offen lassen, damit ich lauschen kann?« Sie grinst.

Lachend scheuche ich sie mit einer Handbewegung aus meinem Büro. Chelsea muss gerade angekommen sein, denn einen Moment später nehme ich zwei Schatten wahr, die ihre Ohren gegen meine Tür pressen.

Kapitel 5

Mit zitternden Fingern wähle ich die Nummer, führe den Hörer ans Ohr und atme tief durch.

Bereits nach dem ersten Klingeln geht er ran. »Ich dachte, wir wären Freunde? Lassen Ihre Assistentin bei meiner Assistentin anrufen. Tststs, Ms. Crowley.«

Wut lässt alle Zellen meines Körpers zu einer undurchdringlichen Wand verschmelzen. »Erstens sind wir keine Freunde. Und zweitens würde ich lieber über das Geschäftstelefon mit Ihnen sprechen.«

Es folgt ein kurzer Moment des Schweigens. Wahrscheinlich wird ihm gerade klar, dass ich ihn von meinem Bürotelefon aus angerufen habe.

»Ahh … dann haben Sie jetzt meine Nummer, aber ich nicht Ihre. Das ist aber unfair.«

»Ich wusste nicht, dass Ihnen Fairness so wichtig ist.« Ich lehne mich zurück und schlage die Beine übereinander.

»Sie wissen nicht sonderlich viel über mich. Vor allem nichts Intimes.« Er senkt die Stimme und betont das letzte Wort.

Ich verdrehe die Augen. Zum Glück unterhalten wir uns nicht von Angesicht zu Angesicht, sonst würde er sehen, wie ich rot werde.

»Sie wissen vielleicht, dass ich im Gerichtssaal der Boss im Ring bin, aber über mein Privatleben wissen Sie nichts. Sie wissen nicht, ob ich mir lieber Thriller oder Komödien ansehe. Ob ich lieber Sorbet oder Eis esse. Ob ich Boxershorts oder Slips bevorzuge.«

»Ich muss das alles gar nicht wissen«, erwidere ich frustriert und schließe die Augen, um das Bild von ihm in engen schwarzen Boxershorts in meinem Kopf loszuwerden.

»Aber Sie wollen es wissen.« Die sexuelle Anspielung trifft mich direkt zwischen die Schenkel.

»Woher wollen Sie bitte wissen, was ich will?« Ich greife nach meinem Stift und beginne, Unterlagen durchzublättern. Irgendwas, um mich von dem ziehenden Schmerz abzulenken.

»Ich weiß nicht nur, was Sie wollen. Ich weiß, was Sie brauchen, Ms. Crowley.«

Mit der flachen Hand schlage ich auf den Tisch. »Okay, Sie Macho. Lassen Sie uns jetzt über die Location sprechen, die Sie angeblich im Angebot haben und das Gespräch über Unterwäsche auf ein andermal verschieben.«

Ein Piepen unterbricht unsere Unterhaltung.

»Bitte keine Anrufe durchstellen, Kristen.« Dann kurzes Schweigen. »Tut mir leid, aber Sie wissen ja, wie beschäftigt ich bin.«

»Ja, es kostet sicher eine Menge Zeit, das Leben anderer Leute zu zerstören. Lassen wir also die sexuellen Anspielungen und kommen zum Geschäftlichen.«

»Wir sollten uns heute Abend treffen. Sie sind oft im Torrios, ich ebenfalls. Lassen Sie uns etwas Verrücktes tun und zusammen einen Drink einnehmen.«

»Ich brauche keinen Drink, Mr. Baldwin. Ich brauche einen Veranstaltungsort für meine Gala. Jetzt nennen Sie mir Ihre Forderungen und die Details zu der Location, die Sie mir angeblich klarmachen können. Bevor Sie mir nicht die nötigen Informationen liefern, werde ich mich nicht mit Ihnen treffen.« Ich nehme das Bein herunter und stelle mit Nachdruck den Fuß ab.

»So bestimmend. Das mag ich.« Im Hintergrund höre ich das Rascheln von Papier. »Ich sage meiner Assistentin, dass sie Ihrer Assistentin die Details zukommen lassen soll. Ich bin sicher, die Location wird Ihnen gefallen. Heute Abend treffen wir uns dann im Torrios. Punkt sieben. Betrachten Sie es als unsere private Happy Hour.«

»Ich lasse mich auf nichts ein, bevor ich die Location nicht gesehen habe.«

»Wir sehen uns dann um sieben.« Es klickt in der Leitung, und ich starre den Telefonhörer an.

»Arschloch«, murmle ich.

Es klopft an meiner Tür.

»Herein.«

Die zwei fallen förmlich zur Tür herein. »Gut zu wissen, dass so etwas wie Privatsphäre in diesem Büro nicht existiert«, sage ich und lasse den Stift auf den Schreibtisch fallen.

»Wir haben nur Bruchstücke gehört.« Mit einem Muffin in der Hand kommt Victoria herein.

»Hab ein wenig Nachsicht mit uns. Wenigstens haben wir uns nicht in meinem Büro versteckt und versucht, uns in die Leitung einzuklinken.« Chelsea setzt sich. Heute wirkt sie viel fröhlicher. Keine roten Augen, keine fleckige Haut, und sie lächelt strahlend.

»Du bist heute gut drauf«, bemerke ich.

Ihr Lächeln wird noch breiter.

»Oh, lass mich raten. Dean hat sich gestern Abend um die unkontrollierbaren Hormone gekümmert«, sage ich kichernd.

Sie zuckt mit den Schultern und verdreht die Augen.

»Schön für dich.«

»Warte, bis du im fünften Monat bist. Dann kriegst du das Grinsen überhaupt nicht mehr aus dem Gesicht.« Victoria wackelt mit den Augenbrauen und stellt mir den Muffin hin.

»Sag der Bäckerei, dass sie aufhören sollen, ständig Kostproben zu schicken. Meine Güte, wollen die etwa, dass mein Hintern so groß wird wie der Michigansee?« Ich schiebe den Muffin von mir. Schuld an meinem Verhalten ist der Mistkerl, den ich eben am Telefon hatte.

»Ich werde es ihnen ausrichten.« Schnell nimmt Victoria den Muffin weg – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich mich gerade aufführe wie eine Zicke. Ich greife nach der verführerischen Köstlichkeit. »Schon okay. Tut mir leid. Aber dieser Kerl treibt mich in den Wahnsinn.«

»Gib ihn mir wieder. Ich glaube, sie denken, wir wollen alles mal probieren. Schließlich sind wir ein reines Frauenbüro.«

Chelsea wirft die Hände hoch. »Sag ihnen bloß nicht, dass sie aufhören sollen, Sachen zu schicken. Hallo?« Sie deutet auf ihren Bauch. »Die nächsten sieben Monate kann ich essen, was ich will, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.«

Victoria gibt den Muffin Chelsea, die herzhaft hineinbeißt. Krümel rieseln auf ihren Schoß.

»Dann gehen wir heute Abend alle ins Torrios?«, fragt Chelsea mit vollem Mund.

»Nein. Ich gehe allein. Mr. Baldwins Assistentin wird dir die Infos zur Location schicken, Vic. Sag Bescheid, sobald du sie bekommen hast.«

»Du triffst dich mit ihm auf einen Drink?«, fragt Chelsea und sieht Victoria an. »Bei gedämpftem Licht, das forschende Hände und heimliche Küsse verspricht?«

»Nein, Chelsea. Ich gehe ins Torrios, wo hauptsächlich Geschäftstreffen stattfinden, keine romantischen Dates. Wo uns – wie immer – Lincoln bedienen wird. Wir werden eine Vereinbarung treffen, mit der ich einverstanden bin, und dann werde ich wieder gehen. Allein.«

Chelsea steht auf und wirft das Muffinpapier in meinen Mülleimer.

»Klar. Okay. Klingt, als hättest du einen Plan.« Sie fuchtelt in der Luft herum. »Und danach bist du ganz heiß, sexuell unbefriedigt und wünschst dir, dein Dildo wäre aus Fleisch und Blut.«

Mir fällt die Kinnlade herunter.

»Das sind die Hormone. Die machen einen verrückt«, tritt Victoria für ihre Freundin ein.

Ich bin jedoch überhaupt nicht sauer. Was sie gerade getan hat, ist schließlich einer der Gründe, warum ich sie eingestellt habe. Sie lässt es nicht unkommentiert, wenn Leute Quatsch reden – und gerade rede ich einen Haufen Müll. Zum Schutz werde ich heute Abend einen Hosenanzug tragen. Niemals würde ich zugeben, dass das, was sie eben gesagt hat, meine größte Angst ist, die im Morgengrauen vielleicht Wirklichkeit werden könnte.

»Sag Bescheid, sobald du die Infos bekommst.«

»Klar.« Victoria verlässt den Raum und wirft einen Blick in Chelseas Büro, wahrscheinlich, um sicherzustellen, dass sie wieder an ihrem Schreibtisch sitzt und nicht noch mehr unbequeme Wahrheiten von sich gibt.

Kapitel 6

»Danke, Bernie.«

Ich trete durch die Tür der Speakeasy. Seit Generationen ist meine Familie hier Mitglied. Wenn sie nicht so Arschlöcher wie Roarke hereinlassen würden, wäre es der perfekte Ort für mich, um nach einem langen Arbeitstag abzuschalten.

»Gern geschehen, Ms. Crowley.«

Ich nicke und betrete die Bar, die zu siebzig Prozent mit männlichen Gästen gefüllt ist. Es wäre schön, wenn noch mehr berufstätige Frauen hier wären. Es ist fast lächerlich, dass es immer noch so ist, als wäre man in einem Jungenclub.

Ich lasse den Blick durch den Raum schweifen, halte Ausschau nach dem König aller Jungs und finde ihn sofort. Man kann ihn nicht verfehlen. Während alle anderen ihre Krawatten gelockert und die Jacketts ausgezogen haben, wirkt er, als würde er in seinem perfekt sitzenden, dreiteiligen Anzug gerade frisch in den Arbeitstag starten. Keine Strähne seines grau melierten Haars tanzt aus der Reihe. Alle anderen Männer hängen in lockerer Pose an der Bar oder in einer der Sitzecken und unterhalten sich lachend. Doch Roarke sitzt aufrecht in der Sitzecke gegenüber der Eingangstür und fixiert mich.

Er winkt zwar nicht, sieht mir jedoch direkt in die Augen. Und er lächelt auch nicht, weder herablassend noch freundlich. Ich habe das Gefühl, wieder im Gerichtssaal zu sitzen, wie damals, als er mir einen flüchtigen Blick zugeworfen und Todd etwas zugeflüstert hat.

Ich glaube, das hier ist das Niederste, was ich je getan habe. Mich für eine Location herzugeben. Was zum Teufel ist nur los mit mir?

Ich gehe die zwei Treppen hinab und überbrücke die Distanz zwischen uns. Ich lächle noch ein paar bekannten Gesichtern zu, um meinen drohenden Untergang ein wenig hinauszuzögern.

Er steht auf und stellt sich neben den Tisch, um mich zu begrüßen. Was für ein edler Prinz. Nicht.

»Schön, Sie zu sehen, Ms. Crowley.«

»Das kann ich leider nicht erwidern, Mr. Baldwin.« Ich setze mich in unsere Stammsitzecke, doch diesmal auf Chelseas Platz.

Zum Glück ist Lincoln so aufmerksam wie immer. »Vesper?«, fragt er und legt mir eine Serviette hin.

»Heute nicht. Wie wäre es mit Scotch on the rocks?«

Er nickt und macht sich auf zur Bar.

»Scotch?«, hakt Roarke nach und zieht die Augenbrauen hoch bis zum Haaransatz.

»Ja. Wahrscheinlich halten Sie mich für ein Margarita- oder Daiquirimädchen. Doch da muss ich Sie leider enttäuschen.«

Leise lachend führt er sein Glas an die Lippen. »Sie enttäuschen mich nie.«

Ich verdrehe die Augen. »Lassen Sie uns lieber direkt zur Sache kommen, einverstanden?« Ich lege meine ineinander verschränkten Hände auf den Tisch.