The Wild Ones - M. Leighton - E-Book
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The Wild Ones E-Book

M. Leighton

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Beschreibung

Leidenschaft, so heiß wie Mitternacht in den Südstaaten

Camille »Cami« Hines ist die über alles geliebte Tochter des Vollblutpferdezüchters Jack Hines, der die Champions des Südens hervorbringt. Abgesehen davon, dass sie sich manchmal ein wenig eingeengt fühlte, war Cami bislang eigentlich recht zufrieden mit ihrem Freund, ihrem Leben und ihrer Zukunft – das war, bevor sie Patrick Henley kennenlernte. »Trick« verwischt die Grenzen zwischen dem, was Cami will, und dem, was von ihr erwartet wird, und stürzt sie in einen Strudel aus Leidenschaft, Verpflichtungen und grenzenlosem Begehren.

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Seitenzahl: 387

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ZUM BUCH

Camille »Cami« Hines ist die über alles geliebte Tochter des Vollblutpferdezüchters Jack Hines, der die Champions des Südens hervorbringt. Abgesehen davon, dass sie sich manchmal ein wenig eingeengt fühlt, ist Cami bislang eigentlich recht zufrieden mit ihrem Freund, ihrem Leben und ihrer Zukunft. Doch das war, bevor sie Patrick Henley kennenlernte. »Trick« verwischt die Grenzen zwischen dem, was Cami will, und dem, was von ihr erwartet wird. Er ist eine »Hilfskraft«, und Hilfskräfte sind – wenn es nach ihrem Vater geht – verbotene Früchte. Ganz zu schweigen davon, dass Trick in hohem Bogen hinausfliegen würde, sollte er Cami verführen. Dabei braucht er die Arbeit, dringend sogar, denn seine Familie ist auf ihn angewiesen. Aber das Herz will nun einmal, was das Herz will …

ZUR AUTORIN

M. Leighton wurde in Ohio geboren und lebt heute im Süden der USA, wo sie den Sommer am Meer verbringt und im Winter regelmäßig den Schnee vermisst. Leighton verfügt bereits seit ihrer frühen Kindheit über eine lebendige Fantasie und fand erst im Schreiben einen adäquaten Weg, ihren lebhaften Ideen Ausdruck zu verleihen. Sie hat bereits 13 Romane geschrieben. Derzeit arbeitet sie an weiteren Folgebänden, wobei ihr ständig neue Ideen, aufregende Inhalte und einmalige Figuren für neue Buchprojekte in den Sinn kommen. Verführung ist der Auftakt zu ihrer erfolgreichen THE-WILD-ONES-Serie.

LIEFERBARETITEL

Addicted to you – Atemlos

Addicted to you – Schwerelos

Addicted to you – Bedingungslos

M. Leighton

VERFÜHRUNG

Roman

Aus dem Amerikanischen

von Kathleen Mallett

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel

The Wild Ones bei Berkley.

Taschenbucherstausgabe 6/2015

Copyright © 2012 by M. Leighton

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion: Melike Karamustafa

Umschlaggestaltung: yellowfarm gmbh, S. Freischem

unter Verwendung eines Fotos von © Greg Daniels/ImageBrief.com

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-16277-1

www.heyne.de

1

Cami

Ich nehme einen Schluck Bier und schaue mich um. Wenn nicht schon die Honkytonk-Musik, die aus den Deckenlautsprechern schallt, mehr als eindeutig ist, dann ist es definitiv das Meer von Cowboyhüten um mich herum, das nur allzu laut Country Bar schreit. Lächelnd rücke ich meinen eigenen schwarzen Stetson zurecht. Ich liebe es, inkognito zu sein. Selbst wenn jetzt zufällig ein Bekannter in diese verrauchte Kaschemme stolperte, würde er nicht erkennen, wer ihm da unter der breiten Krempe entgegenblickt.

Irgendetwas stößt an meinen Barhocker – und zwar heftig –, als ich gerade mein Glas an die Lippen hebe. Eiskaltes Bier läuft mein Kinn hinunter direkt in meinen Ausschnitt. Ich halte die Luft an.

»’tschuldigung«, grummelt eine tiefe Stimme dicht an meinem Ohr. Zwei Hände fassen meine Oberarme und ziehen mich nach hinten, damit ich nicht vom Hocker falle. Ich schaue auf meine durchweichte Jeans und das klebrige T-Shirt hinunter. Die Hände verschwinden, und eine halbe Sekunde später erscheint das dazugehörige Gesicht in meinem Blickfeld. »Tut mir echt leid. Sehr schlimm?«

Meine Finger vergessen, den nassen Baumwollstoff weiter von meiner Brust fernzuhalten, während ich starre. Sehr direkt, sollte ich noch hinzufügen. Ich bin sprachlos. Buchstäblich sprachlos. Das passiert mir sonst nie. Wirklich nie.

Mich blicken die fantastischsten Augen an, die ich jemals gesehen habe. Sie sind von einem blassen Graugrün, umrahmt von pechschwarzen Wimpern, und blicken sehr besorgt drein.

Ein scharfer Schmerz an meinem Schienbein lässt mich die Luft schlagartig wieder ausstoßen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich zu atmen vergessen hatte. Hinter dem Gesicht des geheimnisvollen Fremden erscheint das meiner besten Freundin, Jenna. Ich weiß, dass sie mich gerade getreten hat, um unauffällig meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber ich kann meinen Blick einfach nicht lange genug von diesen Augen lösen, um sie böse anzufunkeln.

Mein Gott, diese Augen! Noch nie hat ein Paar Augen dafür gesorgt, dass ich gleichzeitig keuchen, kichern und an Ort und Stelle einen Striptease aufführen will. Aber die hier schon!

Sein Blick senkt sich und lässt meinen gerade lange genug los, damit ich die Reste meines Verstandes zusammensuchen kann. Auch wenn nicht mehr viel von ihm übrig ist, befürchte ich. Diese Augen haben ihn in tausend Teile zerlegt und um mich herum verstreut. Als er mich wieder ansieht, sehe ich kleine Fältchen in seinen Augenwinkeln. Er lächelt. Und – heilige Scheiße – was für ein Lächeln das ist!

»Wäre es sehr unverschämt zu erwähnen, dass mir dein T-Shirt jetzt besser gefällt als vorher?«

Ich schaue auf meine Brust hinunter. Mein dunkelrosa BH zeichnet sich unter dem papierdünnen, klitschnassen, blassrosa T-Shirt deutlich ab – ebenso wie meine steif aufgerichteten Brustwarzen. Vor lauter Scham laufe ich feuerrot an.

Wie konnte ich nur so blöd sein, einen dunkelrosa BH unter ein hellrosa T-Shirt anzuziehen?

Weil man den BH schließlich nicht sieht, solange das T-Shirt trocken ist, du Idiotin!

Ein Daumen fährt über meine rechte Wange. »Das ist verdammt sexy«, flüstert er. Gegen meinen Willen fliegt mein Blick zu seinem Gesicht zurück. Sein Lächeln ist zu einem schiefen Grinsen mutiert – das Urbild der Zerknirschung. »Bei mir ist bis jetzt noch nie ein Mädchen rot geworden.«

Ich lache nervös, verzweifelt bemüht, meine Sprache und meine Würde wiederzufinden. »Irgendwie glaube ich das nicht ganz«, erwidere ich leise.

»Wow! Haare wie ein Teufelchen, Gesicht wie ein Engel, und jetzt noch eine Stimme wie von der Telefonsex-Hotline. Du bist wirklich die perfekte Frau.«

Zu meinem eigenen Entsetzen brennen meine Wangen nun noch heißer. Warum habe ich auch so eine verdammt blasse Haut!

Der heiße Fremde zieht ein paar Geldscheine aus der Tasche und schiebt sie über den Tresen. »Noch mal das Gleiche für …«, er zögert, schaut mich fragend an und wartet ganz offensichtlich, dass ich die Lücke fülle.

»Cami«, sage ich und versuche mein Grinsen zurückzuhalten. Guter Trick, um meinen Namen rauszukriegen. Ein Punkt für den heißen Fremden.

»… Cami.« Er wendet sich wieder mir zu, ein spitzbübisches Funkeln in seinen graugrünen Augen. »Tut mir leid um dein Bier. Um das T-Shirt allerdings weniger …«, gibt er offen zu.

Ich zwinge mich, nicht schon wieder rot zu werden, und lege den Kopf schräg. »Wie sieht’s aus – haben tollpatschige Fremde in dieser Bar auch Namen, oder heißen sie alle nur Elefant im Porzellanladen?«

Wieder das schiefe Grinsen. »Patrick. Meine Freunde nennen mich Trick.«

»Trick? Wie zu Halloween? Trick or treat – Süßes oder Saures? Diese Art von Trick?«

Er lacht, und in meinem Magen flattert es. Tatsächlich, es flattert. »Genau. Die Art von Trick.« Er wird ernst und beugt sich vor. »Cami, kann ich dich um einen Gefallen bitten?«

Schon bleibt mir wieder die Luft weg. Er steht so dicht vor mir, dass ich jede einzelne der Bartstoppeln, die wie dunkler, goldener Staub auf seinen gebräunten Wangen liegen, zählen kann. Eine Sekunde lang setzt sich sein sauberer männlicher Geruch gegen den Zigarettenrauch und den Bierdunst der Kneipe durch.

Mir stockt der Atem – schon wieder –, und ich nicke nur.

»Nimm Süßes, nicht Saures. Um Himmels willen, bitte nimm Süßes.«

Stumm wie eine Idiotin, bringe ich kein Wort über meine Lippen. Ich sitze immer noch wie gebannt da und starre ihn nur bescheuert an. Wie eine – eine Idiotin eben.

Ein enttäuschtes Schnalzen kommt über seine Lippen, dann schüttelt er den Kopf. »Schade. Wäre meine Rettung gewesen heute Abend.«

Er richtet sich auf, tritt einen Schritt zurück und lächelt mich wieder an. »Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Cami«, sagt er, dreht sich um und verschwindet in der Menge.

»Erde an Cami!«

Ich reiße meinen Blick von Tricks breitschultrigem, schmalhüftigem Rücken los, der sich langsam von mir entfernt, und drehe mich zu Jenna um. »Was?«

»Mehr hast du nicht zu sagen? Nur ›Was?‹«, grinst sie.

»Was soll ich denn sagen?« Ich bin immer noch ein bisschen verwirrt. Oder sollte ich besser sagen, überwältigt?

»Also, ich würde gerne deinen Plan dafür hören, wie du deinen lahmen Hintern von diesem Barhocker heben, da drüben hingehen und deine Süßigkeiten einsammeln willst!«

»Hast du etwa mitgehört?«

»Hör mal, er hat praktisch auf meinem Schoß gesessen, während er dich angemacht hat. Was sollte ich machen?«

»Weggehen!«

Jenna schnaubt. Kein sehr nettes Geräusch, aber bei ihr klingt es niedlich und mädchenhaft. »Und diese Aussicht aufgeben? Ich war schon von seinem Anblick praktisch gelähmt. Der heißeste Typ aller Zeiten, Cam!«

Ich kichere. »Du solltest dich mal hören! Du hast einen Freund. Oder hast du praktischerweise vergessen, dass wir hier noch mit anderen Leuten verabredet sind?«

»Ich hab’s nicht vergessen. Wie steht’s mit dir?«

Ich nicke ihr zu. »Punkt für dich, Süße.«

Dabei hatte ich es wirklich vergessen. Nach dem ersten Blick in Tricks Augen habe ich keine Sekunde mehr an Brent gedacht. Das kann nichts Gutes bedeuten. Brent hat in mir noch kein einziges Mal die Gefühle geweckt, die dieser fremde Typ in nur drei Minuten in mir hervorgerufen hat.

»Egal«, sagt sie und winkt mit einer Hand ab, während sie mit der anderen ihr Bierglas hebt. »Denk nicht mehr dran. Wenn du ihn anschaust, ist das, als ob man in die Sonne starrt. Man sieht bunte Flecken und ist ein bisschen benommen, aber das geht auch wieder vorbei.«

Ich frage mich im Stillen, ob ich überhaupt will, dass es vorbeigeht. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas wie eben schon einmal gefühlt zu haben.

Ich kann mir nicht helfen, ich muss wieder in die Menge starren. Ich suche den endlosen Ozean aus Cowboyhüten ab, bis mein Blick an einem dunklen Haarschopf hängen bleibt. Das Haar ist ziemlich lang und leicht gewellt. Ich weiß sofort, dass es Trick ist. Natürlich ist er der Einzige in diesem Schuppen, der keinen Stetson trägt.

Als ob er spüren könnte, wie meine Blicke und Gedanken sich auf ihn richten, dreht er sich um. Sein Blick erwidert meinen, als ob der Raum zwischen uns nicht voller Menschen wäre. Wir starren einander mehrere Sekunden lang an, dann erscheint langsam wieder dieses Grinsen.

Guter Gott, er hat Grübchen! Ich sterbe!

Prompt spüre ich wieder die heiße Röte in meine Wangen steigen. Auf ein Neues …

Sein Grinsen verwandelt sich in ein Lächeln, und er zwinkert mir zu. Ich bin mir sicher, dass meine Zehen jetzt taub sind. Ich sehe zu, wie er sich abwendet. Bevor sein Kopf völlig verschwindet, fällt mir wieder ein, was Jenna gerade gesagt hat. Vielleicht sollte ich doch hingehen und meine Süßigkeiten abholen.

Ich zucke zusammen, als eine Hand an meinem Hals das Haar zurückstreicht. »Suchst du mich?«

Ich erkenne die Stimme. Es ist Brent. Ich seufze. Es ist nicht in Ordnung, dass ich jetzt enttäuscht bin. Meine Zeit für unüberlegte Abenteuer ist vorbei. Diese Tür wurde offiziell geschlossen – von Brent.

Ich drehe mich auf meinem Barhocker um und lächele ihn an. Brent Thomason, mein Freund. Er hat alles, was sich ein Mädchen von einem Jungen erhofft, und auf jeden Fall alles, was sich mein Vater von einem Schwiegersohn erhofft. Aber er hat noch nie ein Feuer in mir zum Lodern gebracht; etwas, das mir noch nie aufgefallen ist. Bis jetzt.

Was sein Äußeres angeht, muss sich Brent keineswegs verstecken. Sein sandfarbenes Haar hat diesen gewollt zerzausten Look, und seine dunkelbraunen Augen haben etwas Exotisches an sich, das mir immer sehr gefallen hat. Aber als ich jetzt seinen Blick erwidere, sehe ich unwillkürlich graugrüne Augen vor mir.

»Hast du mich schon gesucht?«, fragt er wieder.

Ich umgehe die Frage, indem ich ihn spielerisch gegen die Brust stupse. »Du kommst spät!«

»Ich kann ja auch nicht zu perfekt sein. Du sollst dich schließlich nach mir verzehren.« Er küsst mich auf die Nasenspitze und streift dann sanft mit seinen Lippen über meine.

»Hast du die Corvette wieder zum Laufen gebracht?«, frage ich und lehne mich zurück.

»Immer noch nicht. Deswegen bin ich ja zu spät. Ich habe gerade mit dem Mann gesprochen, der sie sich anschauen soll. Weil ich sie nicht mal bis hierher bekommen habe, haben wir ausgemacht, dass er sie sich morgen Abend mal vornimmt. Bis nach da draußen kriege ich sie schon, und wenn ich sie abschleppen lassen muss«, knurrt er entschlossen.

Wie immer macht mich Brents Leidenschaft für seinen Wagen durchaus an. Oldtimer sind eine Leidenschaft meines Vaters. Wir haben eine ganze Garage voll davon, und ich weiß genug darüber, um zumindest so zu klingen, als verstünde ich etwas davon.

»Bis wohin ›draußen‹ eigentlich?«

Er zuckt mit den Schultern. »Irgendwo auf dem Acker. Du weißt ja, wie die Leute auf dem Land so sind.«

Ich spüre, wie sich meine Stirn runzelt, kann aber nichts dagegen tun. Ich weiß, dass Brent die Bemerkung nicht böse gemeint hat, aber ich ärgere mich trotzdem darüber. Anders als die meisten meiner Freunde weiß ich, wie es ist, wenn man von ›da draußen‹ kommt und kein Geld hat. Das ist zwar lange her, aber es gibt Sachen, die eine Frau nie vergisst.

Sexy Augen geistern durch meinen Kopf …

»Ich will die Kiste endlich wieder in Gang kriegen, damit ich dich rumfahren und mit dir angeben kann. Äh, ich meine, die Kiste rumfahren und damit angeben kann.« Er grinst. Ich grinse zurück. Das Traurige daran ist, dass er mit dem letzten Satz der Wahrheit wohl ziemlich nahegekommen ist.

2

Trick

Winzige Hände klopfen auf die bloße Haut meines Rückens. Ich spüre den Nachhall bis in meinen vor Schmerzen pulsierenden Kopf.

»Uuuuuuuaaaaaah«, stöhne ich ins Kissen.

Ein Kichern. »Du klingst wie ein Monster.«

Ich stöhne wieder, diesmal lauter. Wieder Kichern. Grace mag es, wenn ich lange schlafe. Sie freut sich immer diebisch, wenn sie mich wecken kann.

»Ich braaauuuche was zu eeessen«, grolle ich mit meiner überzeugendsten Monsterstimme. Dann werfe ich mich, so schnell es nur geht, wenn man gerade erst mit einem Riesenkater aufgewacht ist, herum, schlinge meinen Arm um ihre schmale Hüfte und werfe sie aufs Bett.

Ich packe ihren Fuß und kitzele ihn gnadenlos. Sie zuckt und krümmt sich, wälzt sich auf dem Bett herum und kichert die ganze Zeit.

»Aufhören! Aufhören! Hör auf! Das kitzelt!«, ruft sie atemlos.

»Du weißt doch, was passiert, wenn man den schlafenden Riesen weckt.«

»Tut mir leid! Tut mir leid! Das wollte ich nicht!«

Ich lasse ihren Fuß los und strecke meine Beine über den Bettrand. »Diesmal lasse ich es gelten, aber nur, weil du das Zauberwort gesagt hast.«

»Tut mir leid?«, fragt sie, setzt sich auf und streicht sich die dunkelbraunen Haarsträhnen aus den Augen.

»Nein, das sind ja drei Wörter. Das Zauberwort ist Hippopotamus.«

Sie grinst. »Das habe ich nicht gesagt, Dummkopf.«

»Nicht? Na dann …« Ich greife nach ihr, aber sie rutscht quiekend vom Bett und läuft, immer noch quiekend, aus dem Zimmer.

Ich setze mich auf. Mein Kopf hämmert. Das Studentenwohnheim im College hatte zwei große Vorteile: Dort gab es keine zehnjährigen Schwestern, und die Tür hatte ein funktionierendes Schloss.

Nicht daran denken. Zu spät.

Ich mühe mich aus dem Bett und schleppe mich ins Bad.

Wenigstens kann ich hier abschließen. Ein Glück!

Nachdem ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt habe, ist der vergangene Abend wieder da. Ich sehe ein Paar fantastischer blauer Augen mit einem Stich ins Violette vor mir und direkt danach ein Erröten, das mir eine Erektion beschert, wenn ich nur daran denke.

Cami. Sie sah so großartig aus!

Verdammt!

Sowieso egal. Solche Mädchen haben immer einen Freund. Und zwar einen eifersüchtigen, der weiß, was er an ihnen hat, und bereit ist, es mit allen Mitteln zu verteidigen. Ich würde das jedenfalls tun. Sie ist die Art Mädchen, für das man sein Leben riskiert.

Verdammt!

»Beeil dich mal, du fauler Sack. Das Frühstück ist fast fertig.«

Ich höre Graces Füßchen eilig von der Tür wegtrappeln; ohne Zweifel glaubt sie, dass ich gleich herausgestürmt komme, um sie zu jagen. Ich lächele in den Spiegel über dem Waschbecken. Obwohl sie mich manchmal bis zur Weißglut reizt, liebe ich sie über alles. Zum Teufel, ich habe sie praktisch aufgezogen. Ich bin der einzige Mann in ihrem Leben, die einzige Vaterfigur, die sie je gehabt hat. Zumindest die Einzige, an die sie sich noch erinnert.

Sofort werden meine Gedanken düster, und Wut macht sich in mir breit, also spritze ich mir lieber noch ein bisschen mehr kaltes Wasser ins Gesicht, bevor ich in die Küche gehe. Ein umfangreiches, selbst gemachtes Frühstück ist einer der Vorteile, wenn man nicht aufs College geht.

»Guten Morgen, mein Schatz«, ruft Mom mit einem strahlenden Lächeln.

»Morgen«, antworte ich und setze mich auf den Platz, den sie für mich gedeckt hat. Früher hat mein Vater dort gesessen. »Ich habe dir doch gesagt, du musst mir kein Frühstück machen, Mom. Ich kann das selbst.«

»Nein, kannst du nicht. Nicht so eins.«

Ich grinse. »Zugegeben.«

Ihr Lächeln verblasst, als sie sich vor ihren eigenen Teller setzt. Sie mustert mich aus den Augenwinkeln.

»Hast du gestern Abend wieder getrunken?«

Ich seufze. »Schon. Und?«

»Ich will gar nicht meckern. Kommt mir nur so vor, als ob du das ziemlich oft machst, seit du nach Hause zurückkommen musstest.«

»Mom, ich musste nicht nach Hause kommen. Ich wollte nach Hause kommen.«

Wir schauen beide zu Grace hinüber, die so tut, als höre sie uns nicht zu.

»Ich weiß, du hattest dir das alles anders vorgestellt, und ich fühle mich …«

»Bitte nicht. Mach dir keine Vorwürfe. Ich wollte es so, Mom. Du und Grace – ihr seid alles, was ich habe. Es ist einfach richtig so.«

Ihr Lächeln kehrt zurück. »Ich habe immer gewusst, dass du mal so ein Mann werden würdest. Ich bin so stolz auf dich, Patrick. Ich hätte mir nur gewünscht …«

»Mom, das College läuft ja nicht weg. Ich kann jederzeit wieder dahin zurück. Im Moment ist das hier wichtiger.«

Das Lächeln wird traurig, als sie nickt. Ich weiß, dass sie sich sehr wohl Vorwürfe macht, dass sie mein Leben ruiniert hat, als sie damit herausrückte, dass die Lebensversicherung die Zahlungen eingestellt hatte. Anfang des letzten Jahres habe ich das auch erst so gesehen. Aber ich meine es ernst: Grace und meine Mutter sind meine ganze Familie. Wenn ich mich nicht um sie kümmere, wer dann?

»Versprich mir aber, dass du etwas sagst, wenn es dir zu viel wird. Sonst trinkst du irgendwann so viel, dass …«

»Mom!«, unterbreche ich sie streng und schicke schnell ein besänftigendes Grinsen hinterher. »Mir geht’s gut. Wirklich. Wir hatten nur ein bisschen Spaß gestern Abend, ich und die Jungs. Keine große Sache. Was soll man hier schon sonst anfangen?«

Sie zuckt mit einer Schulter und erwidert mit meiner Antwort von eben: »Zugegeben.«

3

Cami

Der Duft gebratenen Schinkens reißt mich aus meinem Traum. Mein erster Gedanke: Wo bin ich? Als mir klar wird, dass der Betthimmel über mir derselbe ist, den ich seit meiner Kindheit kenne, folgt der zweite: Drogheda macht Frühstück.

Ich lächle. Mit das Beste daran, den Sommer zu Hause zu verbringen, ist Drogheda, die Haushälterin, meine älteste Vertraute, die auch noch wunderbar kochen kann.

Ich liege immer noch im Bett und genieße den vertrauten Duft, als der dritte Gedanke angestürmt kommt und den morgendlichen Frieden zerstört. Er kommt als Bild daher, mit zwei zwinkernden graugrünen Augen und einem sexy Grinsen.

Trick.

Ich sollte nicht an ihn denken. Wirklich nicht. Aber irgendwie ist mir dieser Kerl unter die Haut gekrochen. Richtig tief.

›Nimm Süßes, nicht Saures. Um Himmels willen, bitte nimm Süßes.‹

Schon allein der Gedanke an seine Worte lässt meinen Magen Purzelbäume schlagen. Was ist es nur, das er an sich hat und mich nicht mehr loslässt?

Ein lautes Klirren aus der Küche. Ich lächle. Immer, wenn ich länger schlafe, als ich sollte, fängt Drogheda an, rein »zufällig« Sachen in der Küche fallen zu lassen. Immer mehr, und immer lauter, bis ich aufstehe und zum Frühstück hinunterkomme. So verschlagen ist sie.

Ich schlage die Decke zurück und strecke mich, dann schleiche ich auf Zehenspitzen an die Tür und öffne sie. Schon seit ich zwölf bin, spielen Drogheda und ich am ersten Ferientag ein Katz-und-Maus-Spiel, bevor sie sich daran gewöhnt hat, dass ich den Sommer über zu Hause bin. Ich gebe mir an diesem ersten Tag immer viel Mühe, unerwartet aufzutauchen und sie zu erschrecken.

Das haben wir während der Vorbereitungsschule fürs College so gehalten, und auch als ich im College war. Es ist eine der Traditionen, die ich, wie kindisch sie auch sein mag, nie aufgeben werde, und die mir immer viel bedeuten wird.

Heute Morgen verliere ich keine Zeit. Ich schleiche mich durch den Hintereingang in die Küche, indem ich geräuschlos die Teeküche des Butlers durchquere. Ich spähe um die Ecke und entdecke Drogheda, die mit dem Rücken zu mir am Herd steht. Sie summt leise vor sich hin, wie so oft, wenn sie kocht. Sie ist gerade dabei, die Pfannkuchen zu wenden.

Ich warte bis zum vierten und letzten. Als sie den Pfannenwender beiseitelegen will, schlage ich zu. Mit drei langen Schritten bin ich hinter ihr und schlinge die Arme um sie.

»Drogheda!«, rufe ich, umarme sie fest und küsse ihre runde, karamellfarbene Wange.

Drogheda kreischt und greift hinter sich, um mir einen Klaps auf den Po zu geben. Sie lässt eine Tirade in ihrer Muttersprache auf mich niedergehen, bevor sie mit starkem Akzent etwas sagt, das auch ich verstehen kann. »Chica, du erschreckst eine alte Frau zu Tode!«

»Ach was, du liebst es doch, und das weißt du auch!« Ich greife um sie herum und nehme mir ein Stück Schinken, das auf einem Küchenpapiertuch zum Abtropfen liegt. »Freust du dich nicht, dass ich da bin?«

Drogheda dreht sich zu mir um, in einer Hand immer noch den Pfannenwender, die andere in die Hüfte gestemmt. »Natürlich freue ich mich, dass du da bist. Das Haus ist so leer ohne meine picara, meine poca diabla.«

Ich höre auf zu kauen und zeige mit dem angebissenen Schinkenstreifen anklagend auf sie. »Mein Spanisch ist zwar etwas eingerostet, aber hast du mich gerade eine kleine Teufelin genannt?«

»Ich?« Drogheda spielt die Unschuldige. »Nein, chica. Das musst du falsch verstanden haben. Ich würde ein so süßes, unschuldiges Kind doch niemals so beschimpfen.«

Ich schnaube. Sie schnappt mir den Schinken weg und steckt ihn sich selbst in den Mund, dann zeigt sie mit dem Pfannenwender auf mich.

»Eine Dame schnaubt nicht.«

Ich grinse. »Jawohl, Ma’am.«

»Setz dich hin. Es gibt gleich Frühstück.«

Während Drogheda sich eine Tasse Kaffee eingießt und sich damit zu mir an den Tisch setzt, denke ich an früher zurück, als Mom das alles noch für mich getan hat – Essen kochen, mit mir reden, mir zuhören, an meinem Leben teilhaben. Aber seit aus Daddy der berühmte Jack Hines geworden ist, muss Mom Cherlynn Hines sein, die Gattin des berühmten Jack Hines. Dazu gehört leider auch, dass sie sehr viel mehr Zeit im Country Club als mit mir beim Frühstück verbringt. Das würde mich sehr verbittern, wenn sie mir nicht die meiste Zeit einfach nur leidtäte. Es ist nicht immer leicht, mit meinem Vater verheiratet zu sein.

»Also, dann erzähl mal, was du diesen Sommer vorhast«, drängt Drogheda.

»Du meinst, außer auf jede Party im Umkreis von hundert Meilen zu gehen und endlich richtig braun zu werden?«

Sie winkt ab. »Oh no! Mi Camille wird keine von diesen nutzlosen, reichen Frauen. Sag mir, was du wirklich vorhast.«

Ich lächle. Drogheda kennt mich ziemlich gut.

»Ich würde eigentlich gerne ein bisschen mehr über das Geschäft erfahren. Etwas dazulernen. Ich meine, ich mochte Pferde schon immer, und wenn Daddy mal zu alt wird, um noch alles selbst zu leiten, muss jemand da sein, der den Betrieb übernimmt.«

»Ha«, lacht Drogheda. »Dein daddy wird nie zu alt dafür sein. Zuerst musst du ihm beweisen, dass du als sein Kompagnon durchhältst. Dann, vielleicht, eines Tages …«

»Das ist ein verdammt weiser Ratschlag von einem schönen, jungen Ding wie dir, Drogheda. Seit wann bist du so klug?« Drogheda ist mit ihren zweiundfünfzig Jahren natürlich nicht mehr wirklich jung, wirkt aber immer noch so. Ihre tiefgoldene Haut ist glatt und weich.

»Was ist mit diesem Jungen? Seid ihr immer noch zusammen?«

Ich lächle. »Drogheda, er heißt Brent, und das weißt du genau. Du bist furchtbar nachtragend!«

Sie zieht eine Schnute. »Ist mir egal. Ich vertraue ihm nicht. Er will etwas von dir.«

Ich grinse verschmitzt. »Ich kann dir genau sagen, was er von mir will.«

Drogheda schaut mich streng an und droht mir mit dem Finger. »Lass dich nicht von ihm verführen, chica! Er ist es nicht wert. Heb dich für jemanden auf, der dich wirklich liebt!«

Jetzt bin ich dran, mit den Augen zu rollen. »Jaja, schon gut. Diesen Vortrag habe ich schon tausend Mal gehört. Dir ist schon klar, dass ich nicht mein Leben lang Jungfrau bleiben kann, oder?«

Wenn sie wüsste, dass diese Frage sowieso schon lange nicht mehr aktuell ist, würde sie mich umbringen.

»Ich sage ja nicht, dein Leben lang. Warte nur noch ein bisschen ab. Warte einfach.«

»Auf was denn?«

»Nicht auf was, sondern auf wen.«

»Aber ich habe dir doch schon gesagt, dass Brent mich liebt.«

»Nein, er liebt dich nicht. Nicht so, wie er sollte. Er ist in dein schönes Gesicht, deinen jungen Körper und die Firma deines Vaters verliebt, das ist alles.«

»Ja, und was sollte er bitte sonst noch lieben?«

»Eines Tages wird jemand kommen, der dich auch lieben würde, wenn du das alles nicht hättest. Du musst ihn nur finden. Wenn die Zeit da ist, wenn der Junge der Richtige ist, dann wirst du es spüren, mi Camille. Vertraue einer alten Frau – dieser Junge, den du jetzt hast, ist nicht der Richtige.«

4

Trick

Ich arbeite mich unter der Motorhaube des Hemi Barracuda hervor und greife nach einer Flasche Wasser.

»Verdammt heiß da drunter!«

»Erst sechs Monate in diesem neuen Job, und schon wirst du zum Weichei«, grummelt Jeff gutmütig.

»Weichei? Von wegen. In einem Stall ist einfach viel mehr Platz, und es ist viel kühler als in dieser gruftigen Werkstatt.«

»Dann such dir das nächste Mal, wenn deine Karre wieder Probleme macht, einfach eine schöne, große Werkstatt für Luxusautos.«

»Wen willst du verarschen? Mein Auto ist tipptopp, Mann! Das macht keine Probleme mehr.«

»Sieht tipptopp aus, willst du wohl sagen. Ich kenne zufällig den Typ, der’s restauriert hat. Verdammtes Weichei. Die Mühle fällt dir vor den Augen auseinander. Kann jede Sekunde so weit sein.«

»Von wegen. Alle sagen, er ist genial.«

»Ein geniales Weichei?«

»Genau.«

»Und bescheiden auch noch. Sagen alle.«

»Mal im Ernst, Rusty«, setze ich an. Jeff Catron, mein bester Kumpel, heißt für mich Rusty, seit er in der dritten Klasse anfing, Sommersprossen zu bekommen. Obwohl man die schon lange nicht mehr sieht, hat sich der Spitzname gehalten. »Ich weiß überhaupt nicht, ob eine Einspritzpumpe bei diesem Motor was bewirkt, und ich glaube, sie passt auch gar nicht rein.«

Rusty murmelt vor sich hin und streicht sich mit der Hand durch die dunkelroten Haare. »Ernsthaft?«

»Du bist der Experte, du weißt es am besten. Vielleicht liege ich auch daneben, aber so sieht’s für mich aus.«

»Ich dachte, wir versuchen’s mal«, seufzt er. »Aber ich glaube auch nicht, dass es klappt. Wenn du’s nicht hinkriegst, schafft’s keiner.«

»Ich, das geniale Weichei?«

Rusty grinst. »Das bescheidene, geniale Weichei.« Er wischt sich die Hände an einem Handtuch ab und lehnt sich neben mir an den Kühlergrill des Barracuda. »Heute Abend soll ich mir für einen Typen seine Karre ansehen. Irgendwo draußen auf dem Land. Kommst du mit?«

Ich schüttele den Kopf. »Du überredest mich nicht noch mal zu so was.«

»Ich frage nur, falls sich ein Problem ergibt. Wäre schön, wenn du wenigstens dabei wärst. Wenn’s nicht sein müsste, würde ich dich nicht fragen. Das könnte der Einstieg für große Restaurierungsaufträge sein. Der Typ hat Geld. Ich habe einem seiner Freunde geholfen, und jetzt will er es mit mir versuchen. Wer weiß, vielleicht ergibt sich eine große Sache daraus.«

Rusty träumt schon seit seiner Kindheit davon, ein Weltklasseexperte für das Restaurieren historischer Sportwagen zu werden. Ich weiß, dass seine Autowerkstatt ganz gut läuft, aber er träumt von mehr als nur davon, seine Rechnungen bezahlen zu können.

Ich hatte auch mal solche Träume.

»Wenn ich mich da reinziehen lasse, Rus, schuldest du mir aber was. Einen großen Gefallen.«

Rusty nickt. »Abgemacht. Was immer du willst.«

Ich seufze. »Gut, ich bin dabei. Wann?«

»Halb zehn.«

»Wir sehen uns dann.«

Er grinst breit.

Wieso lasse ich mich bloß von ihm zu diesem Scheiß überreden?

5

Cami

»Jenna, du solltest unbedingt so weitermachen, besonders wenn du dir ein bisschen was dazuverdienen möchtest«, sage ich, als sie sich vor mir um die eigene Achse dreht.

Sie bleibt stehen und schaut mich verwirrt an: »Wieso was dazuverdienen?«

»Also, wenn ich ein paar Ein-Dollar-Scheine hätte, würde ich sie dir jetzt sofort in deinen G-String stecken.«

»Oh. Haha«, lacht sie ironisch und dreht sich zu der Spiegelwand hinter ihr um. »Sieht man ihn so deutlich?«

»Meine Güte, Jenna! Dein Röckchen ist so kurz, dass ich von hier aus bis nach London, Paris und Frankreich schauen kann …«

Sie zieht eine Schnute. »Und was ist mit der Bluse?«

»Bluse? Heißt das so?« Die zartrosa Farbe und der Rüschensaum gefallen mir zwar schon, aber das Ganze hat nur etwa fünf Zentimeter Stoff zu viel, um nicht für ein Bikini-Oberteil gehalten zu werden.

»Himmel, seit wann redest du eigentlich wie meine Mutter?«

»Seitdem du dich wie eine Stripperin anziehst.« Ich zwinkere ihr zu.

Jenna lässt die Schultern hängen. »Sieht es wirklich so schlimm aus?«

Sie findet meine Neckereien nicht witzig, was ihr gar nicht ähnlich sieht. Normalerweise zahlt sie es mir einfach mit gleicher Münze heim. »Du weißt genau, dass ich das nicht ernst meine. Es sieht nur – anders aus als das, was du sonst trägst. Schöne Farbe, der Schnitt ist auch gut, und der Rock ist wirklich niedlich, nur ein bisschen kürzer als deine anderen. Mehr nicht. Wen willst du denn bezirzen?«

Sie lässt sich in den Sessel neben mir fallen. »Trevor und ich sind seit unserem ersten Jahr in der High School zusammen. Ich weiß, dass er mich liebt, aber in letzter Zeit spüre ich deutlich, dass ich ihn irgendwie verliere.«

»Und so willst du ihn zurückholen?«

»Na klar! Welcher echte amerikanische Mann kann einer Stripperin widerstehen?«

»Für eine Nacht, ja. Aber für eine echte Beziehung?« Ich schaue sie skeptisch an.

»Du meinst also, ich sollte mich nicht ein bisschen aufbrezeln?«

»Aufbrezeln?«

»Genau. Meine sexuellen Flügel ausbreiten und so.«

»Und wo sitzen diese Flügel bei dir genau?« Ich schaue auf ihr kurzes Röckchen hinunter.

Sie zeigt mir den Mittelfinger.

»Jenna, so meine ich das gar nicht. Du weißt, dass ich die Letzte bin, die dir da einen Ratschlag geben kann. Ich sage nur, wenn es eine vorübergehende Krise ist, okay, versuch es mit Aufbrezeln. Aber wenn du spürst, dass du ihn verlierst, dass seine Gefühle für dich nachlassen, dann wird dir dieses Outfit nicht helfen. Zumindest nicht auf Dauer.«

Sie zieht eine Grimasse und streckt mir die Zunge heraus. In Jennas Gebärdensprache bedeutet das: Du hast recht, Cami.

»Du bist so weise, dass es mich krank macht.« Sie stößt mich mit der Schulter an, nur ganz leicht, wie Freundinnen es machen.

»Hast du denn schon mal mit Trevor darüber geredet?«

Jenna rümpft die Nase und schüttelt den Kopf.

»Solltest du aber.«

»Ich weiß, aber so einfach ist das nicht.«

»Versuch es. Er ist ein netter Kerl. Vielleicht kommt ihr wieder zusammen.«

»Ich hoffe es ja auch«, seufzt Jenna. Sie sitzt noch mehrere Sekunden zusammengesunken in ihrem Stuhl wie ein Häuflein Elend, dann reißt sie sich zusammen und schaut mich an. »Du verstehst genau, was in mir vorgeht.«

»Ja, und ich finde es unheimlich.«

Sie grinst, was immer ein gutes Zeichen ist. »Also, Stripperin ja oder nein?«

Ich lache. »Vielleicht kann ein Abend in diesem Kostüm ja nicht schaden.«

»Und vielleicht wird es ja lustig.« Sie wackelt komisch mit den Augenbrauen.

»Schon gut. Nur die Ruhe. Wir kommen da jetzt in einen Bereich, der mir Hirnblutungen verursacht.« Ich blocke immer so schnell wie möglich ab, wenn Jenna wieder mal allzu viele Details aus ihrem Liebesleben auspacken will.

»Tu nicht immer so angeekelt, Cam. Nimm mein Leben einfach als negative Vorlage für dein eigenes, als Handbuch, wie man es nicht machen sollte.« Sie wendet sich mir mit einem spitzbübischen Grinsen zu. »Und natürlich noch öfter als Handbuch, wie man es doch machen sollte.«

Ich rolle mit den Augen, als sie wieder in die Ankleidekabine zurückstolziert.

»Das sieht doch fantastisch aus«, meint Jenna, die auf meinem Bett sitzt und zuschaut, wie ich mit dem Lockenstab meine Haare bearbeite. »Wenn du noch mehr machst, ruinierst du’s nur wieder.«

Ich betätige den Griff, der die letzte Locke freigibt, und sie fällt in einer weichen Spirale nach unten. Mein Haar ist von Natur aus gewellt. Es hat weder supertolle Shampoo-Werbung-Locken, noch ist es beneidenswert glatt. Es ist einfach bloß wellig – wellig in dieser nervigen Ich-mache-sowieso-was-ich-will-Art. Im Grunde bleiben mir dadurch genau zwei Möglichkeiten: Lockenstab oder Glätteisen.

»Warum machst du dir überhaupt solche Sorgen, wie deine Haare aussehen? Für Brent gibst du dir doch sonst nie so viel Mühe.«

»Na und … Kann ich mich nicht auch ein bisschen aufbrezeln?«

»Seit wann hat deine Beziehung zu Brent das nötig?«

»Sie hat es nicht nötig. Ich dachte nur, sie könnte ein bisschen …« Graugrüne Augen blitzen in meiner Erinnerung auf. Davon könnte diese Beziehung ein bisschen mehr gebrauchen – von dem Gefühl, das Trick in mir in weniger als fünf Minuten hervorgerufen hat.

»Seit wann?« Jennas stechender Blick trifft mich quer durch das Zimmer. »Oder geht es hier gar nicht um Brent?«

Ich weiche ihr aus. »Ich weiß nicht, was du damit sagen willst.« Natürlich weiß ich es doch – und sie hat recht.

»Camille Elizabeth Hines, denkst du immer noch an diesen Kerl von gestern Abend?«

»Nein! Welchen Typen denn?«

Jenna bleibt der Mund offen stehen; sie bekommt große Augen. »Das ist es also!« Sie rutscht von der Bettkante und kommt, die Hände in die Hüften gestemmt, auf mich zu. »Der heiße Typ aus der Bar geht dir nicht aus dem Kopf.«

»Du spinnst ja. Ich habe …«

»Wie kannst du mich so anlügen? Ich kenne dich viel zu gut, Cami. Die Wahrheit, los!«

Ich drehe mich zu ihr um und lehne mich an den Schminktisch. »Und wenn schon? Ich sehe ihn ja sowieso nie wieder. Das ist ja wohl keine große Sache.«

»Nein, die große Sache ist, dass du endlich jemanden getroffen hast, bei dem es wirklich funkt. Mein Gott, wie viele Jahre warte ich schon darauf, dass mir so etwas passiert.« Jenna faltet die Hände vor dem Mund und neigt den Kopf, die Stirn in dramatische Falten gelegt. »Meine Kleine wird erwachsen.«

Ich werfe die Haarbürste nach ihr. »Hör bloß auf!«

Ihr Ausdruck wird ernst. »Jetzt hör mir mal zu. Du bist meine beste Freundin, und ich habe dich wirklich lieb. Ich sage ja nicht, dass du jemandem nachlaufen sollst, den du fünf Sekunden irgendwo in einer Bar gesehen hast. Aber ich finde, du solltest dir Gedanken darüber machen, Cami. Wenn Brent all das, was du gestern Abend gefühlt hast, nicht in dir wachruft, dann stimmt zwischen euch etwas nicht. Ich meine es nur gut.«

Tief in mir drin weiß ich, dass sie recht hat. Ich liebe Brent, aber bei seinem Anblick werden weder meine Knie weich, noch beherrscht er Tag und Nacht meine Gedanken. Er ist ein toller Kerl, aufmerksam und liebenswert, und mein Vater mag ihn. Und er ist heiß. Wer will schon kein heißes Date zum Küssen?

»Wie auch immer«, fange ich an und strecke den Rücken. »Das alles hat mit unseren Plänen für heute Abend nichts zu tun. Wie sehe ich aus?«

Jenna mustert mich von oben bis unten, von den dunkelroten Locken über die schwarzen Shorts bis zu den Cowboystiefeln.

»Heiß genug, um deine Süßigkeiten abzuholen«, erwidert sie augenzwinkernd.

6

Trick

Sogar im Dunkeln, mit den Lampen rund um die improvisierte Bühne, die früher mal ein Scheunenboden war, als einziger Beleuchtung, erkenne ich sie. In dem Moment, als sie durch das Gatter kommt, zieht sie meinen Blick an wie Honig eine Biene.

Die Haare hängen ihr kunstvoll wild ums Gesicht; ich möchte am liebsten mit den Fingern darin herumwühlen. Sie trägt ein hautenges Top und ein Paar Shorts, in denen die längsten Beine, die ich je gesehen habe, richtig zur Geltung kommen. Ich kann mir nicht helfen, ich muss mir vorstellen, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sich diese Beine um mich schlingen würden. Das Beste ist, dass sie eine Freundin dabeihat, dieselbe wie in der Bar, und nicht ihren Freund.