Tochter der Erde - Fantasy Bestseller - A.L. Knorr - E-Book

Tochter der Erde - Fantasy Bestseller E-Book

A.L. Knorr

4,8

Beschreibung

Band 3 der preisgekrönten Urban Fantasy Serie aus Kanada endlich auf Deutsch! Kann unabhängig von Band 1 und 2 gelesen werden Im Land der Feen   Weil ihre Freundinnen alle verreisen und ihre Mutter sich lieber um ihre Firma, als um ihre Tochter kümmert, entscheidet Georjayna den Sommer bei ihrer Familie in Irland zu verbringen. Doch Irland ist anders, als sie es sich vorgestellt hat. Als Georjayna erfährt, dass es in dem alten Landhaus ihrer Familie kein W-Lan gibt, will sie am liebsten gleich wieder ihre Koffer packen. Auch ihr unglaublich attraktiver Adoptivcousin Jasher würde sie wohl gerne loswerden. Er verachtet Georjayna für ihre angebliche Technologiesucht und schreit sie an, als sie ein Foto von einigen Pflanzen machen will. Doch Georjayna beißt die Zähne zusammen und bleibt. Während sie Unkraut jätet und langsam ihre Liebe zu Natur und Pflanzen entdeckt, begreift sie, dass hinter Jashers schroffer Art ein uraltes Geheimnis verborgen liegt, und dass dieses Geheimnis mit ihrem eigenen Schicksal verwoben ist. Denn Georjayna ist eine Tochter der Natur. Die Tochter der Erde.

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Tochter der Erde

Die Töchter der Elemente Band 3

A. L. Knorr

Impresssum:

Titel: Tochter der Erde

Originaltitel: Born of Earth

Autor: Abby L. Knorr

Verlag: VVM

Cover: Damonza

Deutsche Erstveröffentlichung: Berlin 2020

Impresssum:

Titel: Tochter der Erde

Originaltitel: Born of Earth

Autor: Abby L. Knorr

Verlag: Winterfeld Verlag

Cover: Damonza

Deutsche Erstveröffentlichung: Berlin 2020

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Epilog

Nachwort

Kapitel 1

Ich schloss die Haustür und lehnte mich für einen Moment seufzend dagegen. Ich war allein. Einen Augenblick lang drängte es mich, die Haustür wieder zu öffnen und meinen Freundinnen nachzulaufen. Ich seufzte. Schließlich gab ich mir einen Ruck, durchquerte unser Foyer und ging vorbei an unserer restaurantgroßen, fast unbenutzten Küche und durch die vierfachen Schiebetüren hinein in unseren perfekt gepflegten Garten.

Ich leerte die Eiswürfelreste aus den Gläsern, aus denen wir Eistee getrunken hatten, stapelte sie und faltete die noch warmen Decken zusammen. Ich dachte an meine drei Freundinnen – Targa, Saxony und Akiko. Die drei würden den Sommer über verreisen. Heute Abend hatten wir uns alle verabschiedet.

Diese drei Mädchen waren meine Familie. Nur sie wussten, dass ein Video von einem Pferd, das in Zeitlupe lief, genügte, um mich zum Weinen zu bringen. Nur sie wussten, wie man mich so zum Lachen bringen konnte, dass ich Krämpfe bekam. Nur sie wussten, dass ich in der vierten Klasse anonyme Liebesbriefe in Gregory Handlers Schuh hinterlassen hatte.

Meine Knie wurden weich. Das vertraute Gefühl der Einsamkeit stieg in mir auf und ich ließ mich auf einen der Liegestühle niedersinken. Der Himmel, der in Anwesenheit meiner Freundinnen so prachtvoll gefunkelt hatte, sah nun aus, als würde er mich mit seiner Finsternis verschlingen. Ich richtete meinen Blick auf die Glut im Feuer. Sie spendete keine Wärme mehr, sondern erstarb langsam. Ich saß so lange reglos da, dass ich mich schon fragte, ob ich vielleicht die Kontrolle über meinen Körper verloren hatte.

Dann hörte ich das knirschende Summen unseres Garagentors. Liz war nach Hause gekommen.

Liz würde sich über das freuen, was ich ihr zu sagen hatte.

Denn welche Mutter freute sich nicht, wenn ihre Tochter das Land verließ?

Da Targa überraschend die Gelegenheit bekommen hatte, mit ihrer Mutter nach Polen zu gehen, gab es nun niemanden mehr, mit dem ich den Sommer hier verbringen konnte. Also musste ich ebenfalls verreisen. Nach Irland. Ich hatte eigentlich nicht hinfahren wollen. Es war zwölf Jahre her, sei ich meine Tante Faith zuletzt besucht hatte. Sie war praktisch eine Fremde. Andererseits kam mir Liz, meine Mutter, auch wie eine Fremde vor. Also wo lag der Unterschied? Vermutlich würde ich so oder so den lieben langen Sommer im Bett liegen und Serien auf meinem Laptop gucken, warum also zu Hause in Saltfort und nicht auf der Grünen Insel?

Ich nahm die gefalteten Decken und ging nach drinnen. „Liz?“ Ich schloss die Terrassentür mit meinen Zehen.

„Hier drin, Püppchen“, antwortete sie von ihrem Heimbüro aus.

Püppchen, und das in ihrem aristokratischen englischen Akzent. Liz hätte eigentlich einen irischen Akzent haben sollen wie meine Tante Faith, aber sie hatte Kurse belegt, um sich einen britischen Klang anzutrainieren.

Ich warf die rauchigen Decken in den Wäschekorb und stapfte unseren mit dickem Teppich ausgelegten Flur hinunter, lautlos wie ein Panther. Man könnte hier eine Leiche die Treppe hinunterwerfen und würde nichts hören. Targa zog manchmal ihre Socken aus, nur damit sie mit ihren Zehen die Weichheit unseres Teppichs spüren konnte. Ich konnte mich nie dazu bringen, dasselbe zu tun, ich hasste das Gefühl von nackten Füßen. Meine Sohlen waren zu empfindlich. Jedes kleine Stückchen Dreck, jede Teppichfaser und jeder Grashalm war mir zu viel.

„Hey.“ Ich steckte meinen Kopf in Liz’ Büro.

Sie tippte einhändig auf ihrem Laptop, einen Aktenordner in ihrer anderen Hand, die Prada-Bifokalbrille auf ihrer Nasenspitze. Ihre Haare sahen aus, als hätten sie sich nicht mehr bewegt, seit Liz heute Morgen um 5:45 Uhr aus dem Haus gegangen war.

„Hast du eine Minute Zeit?“

„Was gibt's denn?“ Sie schaute nicht von der Tastatur auf, und ihre Finger flogen noch schneller, wenn das überhaupt möglich war. Ich erwartete halb, dass die Tastatur jeden Moment in Flammen aufgehen würde.

„Ich werde doch den Sommer über nach Irland reisen. So wie du es wolltest.“

Das erregte ihre Aufmer

ksamkeit. Falten zeigten sich auf ihrer Stirn, als sie mich über ihre Brille hinweg anschaute, und ihre Finger hielten kurz inne. „Was ist passiert? Ich dachte, du und Targa würdet zusammen abhängen, campen, sowas in der Art. Ist das nicht, was du letzte Woche gesagt hast?“

„Nein. Ich hasse campen.“

Sie nahm ihre Brille ab und schob sich den Bügel in den Mund. Ich konnte sehen, wie sich die Zahnräder in ihrem Kopf drehten, wie sich die Schubladen in ihrem Gehirn öffneten und schlossen, während sie nach den aktuellsten Informationen suchte. „Hatten du und Targa einen Streit?“

Targa und ich stritten nie. Wenn Liz uns jemals zusammen beobachtet oder mich jemals etwas über meine beste Freundin gefragt hätte, hätte sie das gewusst.

„Nein. Targa reist nach Polen. In letzter Minute. Es ergibt keinen Sinn, wenn ich den ganzen Sommer allein im Haus herumhänge. Freust du dich nicht, dass ich gehe?“

Ich trat ein und setzte mich in einen der beiden Ledersessel, die ihrem Schreibtisch gegenüber standen. Ich schlug die Beine übereinander und faltete meine Hände im Schoß, als wäre ich eine Klientin, aber mein körperlicher Sarkasmus entging ihr völlig.

„Natürlich freue ich mich, Püppchen. Das ist großartig. Ruf Denise am Montag an, damit sie die Flüge bucht. Sie hat deinen Reisepass bereits aktualisiert, also bist du startklar.“ Sie setzte ihre Brille auf und hackte wieder auf ihre Tastatur ein. Denise war Liz’ Sekretärin. Sie passte auf, dass ich keine Zahnreinigung, keinen Haarschnitt und keine Maniküre verpasste – nur Pediküre machte ich nicht mit, igitt.

„Musst du noch mit Tante Faith reden? Ich meine, sie hat doch schon gesagt, dass ich kommen kann, oder?“

„Natürlich, Püppchen. Denise wird nächste Woche alles mit ihr klären. Sie wird dich sicher vom Bahnhof abholen. Faith, nicht Denise, natürlich.“

„Ich muss einen Zug nehmen?“

„Flug nach Dublin, Zug nach Anacullough. Du erinnerst dich nicht mehr?“ Tipp, tipp, tipp.

„Ich war ein Kind.“

„Denise wird es dir erklären, es ist einfach. Irlands öffentliche Verkehrsmittel sind hervorragend.“

„Ausgezeichnet.“ Ich sah ihr beim Tippen zu. Schließlich räusperte ich mich.

„Du wirst Spaß haben. Jasher wird auch da sein, dein Cousin. Du wirst einen Freund haben, mit dem du spielen kannst.“

Wahnsinn. Hatte sie wirklich gerade gesagt, dass ich einen Freund zum Spielen haben würde?

„Jasher, hm. Und wie ist er so?“

Sie runzelte die Stirn. „Ich habe ihn nie getroffen, woher soll ich das wissen? Ich bin sicher, er ist reizend.“

„Nun, wie alt ist er? Ich weiß, er ist älter als ich, aber wie viel älter? Was macht er so? Ist er ein Baseball-Typ oder ein Filmfreak?“

Sie war auf diese Fragen nicht vorbereitet. Liz hasste es, nicht vorbereitet zu sein.

„Ah“, machte sie dann und öffnete eine ihrer vielen Schreibtischschubladen. Sie wühlte und zog einen Stapel Umschläge heraus, die mit einem Gummiband umwickelt waren. Sie warf sie auf den Tisch. „Bitte sehr.“

„Was sind das für Umschläge?“ Ich beugte mich vor und nahm den Stapel entgegen. Briefe. Die Handschrift war elegant und die Stempel aus Irland.

„Von deiner Tante Faith. Wenn du die gelesen hast, wirst du alles wissen, was auch ich über Jasher weiß.“ Sie winkte mit den Fingern, als würde sie zaubern.

„Sieht so aus, als würde ich dann mehr wissen als du, Liz. Die Hälfte dieser Briefe sind ungeöffnet.“ Ich blätterte den Stapel durch.

„Gut!“ Sie sah auf und schenkte mir ein Lächeln.

„Gut“, wiederholte ich. Ich stand einen Moment lang da und lauschte wieder ihrem Tippen. In ihrem Kopf war ich schon weg. „Ok, ich werde dann in mein Zimmer gehen und Drogen nehmen.“

Sie blickte nicht auf. „In Ordnung, Püppchen. Ich wünsche dir viel Spaß.“

Ich ging, vollkommen geräuschlos dank des Teppichs.

Kapitel 2

Mein Zimmer sah aus, als wäre eine Bombe darin explodiert. Ich saß auf dem Boden, der Koffer stand offen, um mich herum stapelten sich meine Kleidungsstücke in drei Haufen: ja, nein und vielleicht. Ich prüfte seit einigen Tagen ständig das Wetter in Irland und versuchte, angemessen zu packen. Aber scheinbar war der irische Sommer so vorhersehbar wie der Aktienmarkt.

Der Stapel Briefe auf meiner Kommode fiel mir ins Auge. Ich war ohnehin schon vom Packen ermüdet, also stand ich auf und entfaltete meine Storchenbeine, wie Saxony sie immer nannte. Mit dem Papierstapel brach ich in die Küche auf, um mir einen Cappuccino zu machen. Liz hatte die Kaffeemaschine aus Neapel importiert.

Ich setzte mich in unsere helle, luftige Küche, und nachdem der Lärm der Kaffeemaschine verklungen war, leistete mir nur der Klang der tickenden Uhr Gesellschaft. Ich nahm einen Schluck von meinem schaumigen Getränk und zog das Gummiband vom Briefstapel. Es riss und schnippte gegen meine Finger. Diese Briefe mussten eine Weile in der Schublade gelegen haben. Kein Wunder, dass Faith irgendwann aufgehört hatte zu schreiben. Warum sich die Mühe machen? Liz las die Briefe ja nicht einmal.

Ich begann zu lesen. Anfangs erzählte Faith hauptsächlich von ihrer Arbeit als Krankenschwester, von ihren Kämpfen mit dem Gesundheitssystem und ihren Vorgesetzten, von ihrem Wunsch den Beruf zu wechseln. Sie wollte moderne Technologie und alte Weisheit zusammenbringen. Was auch immer sie damit meinte.

Sie hatte auch ein Foto ihres Anwesens in Irland beigefügt. Es sah genau so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Das viktorianische Haus, das Faith und Liz als Sarasborne bezeichneten, war alt, aber gut erhalten, weiß mit Salbeibesatz und wegen der tadellos gestutzten Bäume und Sträucher und sorgfältig gepflegten Blumenrabatte hatte es fast einen Hauch von Landadel. Laut Liz war meine Großmutter Roisin (ausgesprochen Rosheen) so zwanghaft reinlich gewesen wie mein Großvater Padraig (Patrick) penibel als Gärtner, so dass er wie ein Diktator über das Fleckchen Natur geherrscht hatte, das ihm gehörte. Das zeigte sich in der Perfektion jedes Details des Hofes. Das Datum auf der Rückseite des Fotos stammte aus dem Jahr, in dem mein Großvater gestorben war. Unsere Familie war zu diesem Zeitpunkt noch ganz gewesen und wir zusammen zur Beerdigung nach Irland gereist. Ich konnte mich an nichts von der Reise erinnern. Das nächste Mal waren wir zur Beerdigung meiner Großmutter hingeflogen. Ich hatte meine Großeltern nicht gut genug gekannt, um ihnen ernsthaft nachzutrauern, aber traurig war ich nichtsdestotrotz gewesen, weil mein Vater uns gerade verlassen hatte. Liz und Brent hatten sich scheiden lassen, sich aber auf ein gemeinsames Sorgerecht geeinigt. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass mein Vater nicht einmal das wollte, denn in weniger als einem Jahr war er verschwunden und hatte nur eine Handynummer für Notfälle hinterlassen. Liz war danach nie mehr dieselbe gewesen. Eine Zeit lang hatte sie versucht, eine gute Mutter zu sein. Aber dann fing sie an, richtig Karriere zu machen und das war's dann mit unserem letzten Stückchen Familiengefühl.

Ich las weiter. Faith bot Liz moralische Unterstützung nach der Scheidung an, und dass sie zurückzukommen und zu Hause leben könne. Sie schlug vor, dass sie mich zusammen in Irland aufziehen könnten. Sie gab zu, einsam zu sein. Zwar schien es ein paar Verehrer zu geben, aber keiner sei „der Eine.“

Ich stützte den Kopf in die Hände und wurde trotz des Cappuccinos langsam schläfrig. Im vierten oder fünften Brief schrieb Faith endlich etwas Interessantes. Sie sei Zeuge eines medizinischen Wunders geworden. Eine Patientin war offenbar bei der Geburt gestorben, aber das Baby hatte gerettet werden können.

„So etwas habe ich noch nie gesehen“, schrieb sie. „Dieses Kind sollte nicht am Leben sein.“ Sein Vater taufte den kleinen Jungen Jasher. Da war er – die erste Erwähnung meines Adoptivcousins. Doch wenn er einen Vater hatte, wieso war er dann bei meiner Tante gelandet? Ich las weiter. Aber Jasher wurde in den Briefen der nächsten Jahre nicht mehr erwähnt.

Dann rutschten mir aus einem Brief zwei Fotos in den Schoß. Das erste zeigte Faith, die auf dem Rasen hockte und einen kleinen Jungen hielt. Auf der Rückseite des Fotos stand Faith & Jasher, Sommer 2006. Ich betrachtete den Jungen. Er war mager, dunkelhäutig, dunkeläugig und dunkelhaarig. Und er hatte einen Gesichtsausdruck, als hätte gerade jemand seinen Welpen erschossen. Kein Lächeln, der Mund ein fester Strich.

Das zweite Foto zeigte Jasher allein. Er wirkte etwas älter, immer noch dürr, und immer noch mit gequälten Augen stand er neben einem Brunnen.

„Ich weiß, du wirst bis ins Mark schockiert sein, Liz. Aber ich habe die Entscheidung getroffen, Jasher zu adoptieren. Sein Vater hat sich nie wirklich von dem Verlust von Maud erholt und scheint nach eigener Aussage unfähig zu sein, den Jungen großzuziehen. Er und ich müssen noch den Papierkram erledigen, was anstrengend sein wird, aber Jasher lebt bereits bei mir und scheint in besserer Stimmung zu sein.“

Faiths Tonfall blieb förmlich während sie berichtete, dass Jasher eine schwere Zeit auf der Schule in Anacullough durchmachte. Er fand nicht leicht Freunde. Er schlief nicht, und er schien Angstzustände zu haben. Faith nahm ihn schließlich für ein Jahr aus der Schule und stellte eine Lehrerin ein, die ihn zu Hause unterrichtete. Sie schrieb, dass sich Jashers Gesundheitszustand verbesserte und er glücklicher zu sein schien, auch wenn sie sich über seine Zurückgezogenheit Sorgen machte. Er sei immer im Freien und arbeitete im Hof, aber das Grundstück verlasse er nur ungern.

Schließlich kam ich zum letzten Brief. Auf der Rückseite des Umschlags befand sich die Zeichnung einer Fee. Sie hatte gelbes Haar und gelbe Flügel, die feucht und zerknittert aussahen. Ich schaute näher hin und fuhr mit dem Daumenballen darüber. Die Zeichnung war wahrscheinlich mit Buntstiften gemacht worden, und sie war sehr gut. Das kleine Feengesicht wirkte sehr realistisch, in keiner Weise karikaturhaft. Faith hatte also eine künstlerische Ader.

Ein weiteres Foto fiel zwischen den beiden Seiten heraus und landete mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Auf der Rückseite war in der sauberen Handschrift von Faith Jasher Sheehan, Sommer 2013, gekritzelt. Er trug also nun offiziell den Namen Sheehan. Im Jahr 2013 wäre er sechzehn Jahre alt gewesen. Ich drehte das Foto um.

Ich musste gestehen, dass ich innerlich ein 'Wow' ausstieß. Faith und Jasher posierten vor einem hölzernen Pavillon. Er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Zum ersten Mal zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. Der Mann auf dem Foto sah wie eine ganz andere Person aus als der Junge der früheren Fotos. Er trug ein schlichtes weißes T-Shirt und Jeans, seine Füße waren nackt. Mir fiel auf, wie hübsch seine gebräunte Hand auf dem Holzpfosten war und dass er die athletische Figur von jemandem hatte, der sich viel bewegte. Eine nach hinten gedrehte Baseballmütze bedeckte dicke braune Locken. Seine Augen waren halb geschlossen. Seine weißen Zähne strahlten in seinem gebräunten Gesicht. Der Schatten eines Bartes verdunkelte sein Kinn. Er sah aus wie Mitte zwanzig, nicht wie unfertige sechzehn.

Das war also der Typ, mit dem ich den Sommer verbringen würde. Ich schluckte. Auch wenn ich nicht so oberflächlich sein wollte, schüchterte mich sein Aussehen extrem ein. Und dieses Foto war schon drei Jahre alt. Wie würde er jetzt aussehen? Das letzte Foto von Jasher und Faith draußen lassend, stapelte ich die Briefe wieder so, wie sie gewesen waren, band ein neues Gummiband darum und brachte sie zurück in die Schublade in Liz’ Büro. Das Foto steckte ich in die Ecke meiner Pinwand in meinem Zimmer und schaute es mir nachdenklich an. In mir wuchs der Wunsch, diese Leute kennenzulernen und herauszufinden, warum meine Mutter sich so sehr von ihrer Familie distanziert hatte.

Wie ich Liz kannte, hatte sie sich vermutlich nicht die Mühe gemacht, Faith je zurückzuschreiben. Vielleicht hatte sie ein paar von den frühen Briefen beantwortet, aber sicherlich keinen mehr, seit sie Partnerin geworden war. Allerhöchstens hatte sie eine digitale Weihnachtskarte verschickt ... aber das war’s auch schon.

Jasher wusste bestimmt, dass ich existiere, aber mehr auch nicht. Wie fand er es, dass seine Cousine den Sommer über bei ihnen wohnen würde? War er immer noch schmerzlich schüchtern, so wie Faith ihn in seiner Jugend beschrieben hatte? Würden wir miteinander auskommen?

Ich wandte mich wieder meinem Koffer zu. Ein hübsches blaugrünes Sommerkleid, das ich auf den Nein-Haufen geworfen hatte, weil es eher für ein tropisches Reiseziel taugte, hielt ich jetzt wieder hoch. Es sah wirklich süß an mir aus, vielleicht sogar sexy. Ich faltete es und legte es auf den Ja-Haufen.

Kapitel 3

Ich stieg aus dem Zug und auf die sonnenwarmen Steine der Station Anacullough. Die Luft war feucht und reich an Gerüchen. Ich rollte mein Gepäck rasch weg von der Zugtür, um sicherzugehen, dass ich keine aussteigenden Passagiere blockierte. Doch ich war die Einzige, deren Reise hier endete.

Ein heller Schacht aus Sonnenlicht strömte zwischen Zug und Bahnsteigdach herab. Ich zog meine Sonnenbrille aus meiner Handtasche. Anscheinend würde ich sie brauchen. Sonne in Irland, wer hätte das gedacht? Ich faltete die Regenjacke zusammen, die ich getragen hatte, und steckte sie in die Vordertasche meines Koffers.

„Anas Station“ war eine süßer, altmodischer Bahnhof mit lackierten Eisenbänken und passenden Eisenpfosten, geschmückt mit Efeublättern. Bis auf das Dach über dem Bahnsteig war die Station offen. Eine Brise strich mir sanft die Haare aus der Stirn.

Ich sah mich nach Tante Faith um. Ein Mann saß auf einer Bank und versteckte sein Gesicht hinter einer Zeitung. Ein Bahnhofsangestellter fegte Staub, Kaugummipapier und totes Laub in einen tragbaren Mülleimer. Tante Faith war nirgendwo zu sehen. Ich begann mir die Steifheit aus den Hüften zu strecken, erinnerte mich an mein Versprechen, meine Freundinnen auf dem Laufenden zu halten, und zog mein Handy heraus, um in den Gruppenchat mit Targa, Saxony und Akiko zu schreiben. Saxony war bereits in Italien, also war sie mir eine Stunde voraus. Akiko musste auf der Durchreise nach Kyoto zum japanischen Teil ihrer Familie sein, und ich hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es für sie war. Targa steckte in Polen, also war es für sie ebenfalls eine Stunde später. Vielleicht hatte ich Glück und Targa und Saxony waren gerade online.

Ich schrieb: Mitten im Nirgendwo. Ich, ein paar Ruinen, eine Menge Grünzeug und ein Haufen alter Leute, die komisch reden.

Targa schrieb beinahe augenblicklich zurück: Ich bin froh, dass du lebendig angekommen bist, jetzt hör auf zu jammern und genieße es.

Saxonys Antwort folgte ein paar Minuten später: Schick mir Bilder von deinem Cousin!

Ich: Kannst du meine Familie aus deinen Fantasien rauslassen?

Saxony: Ich möchte ein Foto von ihm beim Reinigen des Pools, bitte. Danke. Und jetzt muss ich weiterschlafen. Hast du eine Ahnung, wie früh es hier ist?

Ich: Ist es nicht schon Mittag?

Saxony: Eben! Viel zu früh.

Ich lachte laut. Ich: Dann träum mal schön.

„Georjayna?“ Eine leise, irische Stimme erschreckte mich von hinten.

Ich fuhr herum, Handy und Sonnenbrille in der Hand.

Meine Tante sah genau so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ein breites Grinsen, eingeklemmt zwischen weiche Wangen und ein Tuch, das ihr lockiges blondes Haar bedeckte. Sie streckte die Arme aus, um mich an sich zu drücken, und ich erschnupperte einen angenehmen Kräuterduft an ihr.

„Ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte sie. Ihre irische Sprechmelodie war Musik in meinen Ohren. „Himmel! Du bist so ...“

„Groß?“

„Ich wollte hübsch sagen, aber ja, das auch. Wie war deine Reise?“

„Gut, danke.“

Während wir uns unterhielten, machten wir uns auf den Weg zu ihrem Hybridfahrzeug und traten hinaus unter die Sonne. Ich hatte vergessen, wie üppig grün Irland war. Ein Kind bemerkt solche Dinge nicht, oder vergisst sie schnell wieder. Ich verlud mein Gepäck und klappte mich auf dem engen Beifahrersitz zusammen. Meine Knie ragten so hoch wie das Handschuhfach.

„Macht es dir etwas aus, wenn wir auf dem Heimweg am Lebensmittelladen anhalten? Ich brauche ein paar Dinge“, fragte Faith.

„Überhaupt nicht.“ Wir fuhren los, aber der Motor war so leise, dass ich nicht einmal merkte, dass er lief.

„Ich bin Ende Juli für ein paar Wochen auf einem Kurs in Aberdeen. Glaubst du, du kommst allein zurecht? Ich habe es schon deiner Mutter erzählt und sie sagte, dass du daran gewöhnt seist, allein zu sein. Aber Jasher wird da sein.“

„Keine Sorge, ich komme zurecht. Worum geht es in dem Kurs?“

„Es ist ein Reflexologiekurs. Ich habe das vor fast einem Jahrzehnt studiert. Ich brauche eine Auffrischung in einem speziellen Bereich.“

„Als ich das letzte Mal hier war, hast du als Krankenschwester gearbeitet, richtig?“

„Das ist richtig. Ich bin immer noch im Gesundheitswesen tätig, aber ich bin von der Krankenpflege zur ganzheitlichen Pflege übergegangen. Kräuterkunde, etwas Meridianarbeit, aber hauptsächlich Reflexologie.“

„Was ist das genau?“, fragte ich höflich.

„Es ist eine Therapie, die die Reflexpunkte im Körper nutzt. Indem ich Druck ausübe und diese Punkte stimuliere, kann ich jemandem helfen, zu heilen. Meistens durch Punkte in den Füßen.“ Sie sah zu mir hinüber, ihre Augen leuchteten. „Wusstest du, dass deine Füße ein Tor zum Rest deines Körpers sind? Es ist wirklich gut für dich, barfuß durch Gras zu laufen, all die Energie und die hilfreichen Bakterien im Boden fördern unsere Gesundheit.“

Hilfreiche Bakterien? Ich wand mich auf dem Beifahrersitz. „Das wusste ich nicht, Tantchen“, sagte ich. Das Letzte, was ich tun würde, wäre barfuß im Dreck herumzutrampeln. Allein der Gedanke daran brachte mich dazu, meine empfindlichen Füße unter mir zusammenzuziehen.

Faith verlangsamte das Auto. „Da wären wir.“ Sie fuhr auf einen Parkplatz vor einem kleinen Lebensmittelladen. „Willst du mit reinkommen?“

„Sicher.“ Ich schnallte meinen Sicherheitsgurt ab. „Ich habe sowieso schon zu viel gesessen.“

Ich folgte meiner Tante durch den Laden und guckte mir die Klatschblätter und Modezeitschriften an. Faith war mit ihrer Einkaufstüte schnell fertig, da es keine anderen Kunden im Laden gab.

Doch eben als wir auf die Straße hinaustraten, stieß Faith mit einem riesigen Mann mit einer schwarzen Schiebermütze zusammen. Ein Laib Brot fiel aus Faith's Tasche.

„Entschuldigung“, sagte der Mann, während er sich bückte, um das Brot aufzuheben. Er hielt es Faith hin, und für einen Moment schien es, als ob sie es nicht annehmen wollen würde. Ich schaute sie neugierig an, konnte ihren Gesichtsausdruck aber nicht deuten. Sie schien ein wenig blasser zu sein als sonst.

„Danke“, sagte Faith schließlich und nahm das Brot. „Wie geht es dir, Brendan?“

„Den Umständen entsprechend“, sagte er. Brendan hatte einen dicht geschnittenen grauen Bart und Falten, die seinen Mund umrahmten. Er nickte mir zu.

„Ich habe gehört, du hast das alte O'Brien-Haus gekauft?“, fragte Faith.

„Die Leute reden zu viel. Aber ja es stimmt.“

Meine Tante wurde noch blasser. „Ich hatte gehofft, dass es nur ein Gerücht wäre.“

„Der Preis stimmte.“

Er sagte es ein bisschen scharf, wie ich fand.

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Faith. „Hast du vor, dort zu leben?“

„Natürlich, warum hätte ich es sonst gekauft?“

„Ich weiß, aber ... dort herrscht eine schlechte Energie, Brendan.“

Ich schaute Faith fasziniert an. Liz hielt überhaupt nichts von spirituellen Dingen. Und ich? Ich konnte zumindest spüren, dass die Energie zwischen Liz und mir keine Positive war. Wenn Faith von schlechter Energie sprach, wusste ich, was das bedeutete.

„Ich lasse mich nicht auf diesen ganzen Unsinn ein“, meckerte Brendan. „Das Haus braucht nur etwas Dünger und etwas richtige Pflege. Es ist siebzig Jahre lang vernachlässigt worden.“

„Wann ziehst du ein?“, fragte Faith, die Lebensmittel auf dem Arm balancierend. Ich streckte die Hand aus, um ihr die Tüte abzunehmen, woraufhin sie mir ein dankbares Lächeln schenkte.

„In zwei Wochen“, sagte Brendan, der bereits an seine Mütze tippte, um sich zu verabschieden.

„Nun, man sieht sich.“ Er verschwand im Laden.

Faith sah ihm nachdenklich nach. „Wer war das, Tante Faith?“, fragte ich.

Sie seufzte und öffnete die Tür auf der Fahrerseite. „Niemand, den du kennen musst.“

Ich blickte zur Ladentür.

Tante Faith zwinkerte auf dieselbe Art wie Liz, wenn sie log.

Kapitel 4

Bei meinem letzten Besuch vor zwölf Jahren war Faiths Haus strahlend weiß gewesen. Jetzt konnte ich es unter all den Ranken und Kletterpflanzen kaum erkennen. Ein kleines Holzschild mit den Worten Sara Rugadh und Sarasborne begrüßte uns an der Ecke, als Faith den Wagen in die Einfahrt lenkte.

„Warum heißt das Haus Sarasborne?“, fragte ich Faith und machte mir nicht die Mühe, die gälische Version auszusprechen.

„Es ist ziemlich wörtlich zu verstehen. Das erste Kind, das in diesem Haus geboren wurde, hieß Sara Sheehan, im Jahre 1823. Wenn man die Geschichte glauben kann“, fügte sie hinzu, „war das Haus noch nicht einmal fertig, bevor das kleine Ding auftauchte. Sie kam mit so wenig Vorwarnung, dass keine Zeit blieb die Bauarbeiter zu verscheuchen. Sie wurde inmitten der Geräusche von Hämmern und Sägen geboren. Rugadh bedeutet früher geboren.“

„Zweihundert Jahre Abstammung“, sagte ich zu mir selbst, als ich auf das Bauwerk starrte. Ich wusste kaum etwas über meine Familie.

„Ja, dieser Ort hat eine lange Geschichte“, sagte Faith.

Zwischen den dicken Vorhängen aus Efeu entdeckte ich Fenster. Eine Garage mit drei Autos war ebenfalls in dem Gewirr von Reben und Blätter zu erkennen. Kleine weiße und orangefarbene Blumen leuchteten im Grün.

Faith parkte. Ich kletterte mit einigen Schwierigkeiten heraus – Autos in Irland kamen mir kleiner vor –, und sah mich um. Eine steinerne Terrasse auf der Rückseite des Hauses war von Bögen gesäumt, von denen violette Blüten hingen. Ihr Duft erfüllte die Luft.

„Wow“, sagte ich. „Ich habe noch nie ein Haus gesehen, das von so viel Natur umgeben ist.“

Ein kleiner Teich mit Karpfen glitzerte neben der Terrasse, auf der Möbel aus Korbgeflecht auf den Steinplatten arrangiert worden waren. Dahinter befand sich ein Pavillon. Auch er würde bald von Grün verschluckt werden – Efeu kroch bereits an seinen Pfosten hinauf.

„Schön, oder?“, sagte Faith.

„Wunderschön. Ich hoffe nur, es gibt keine Bienen.“

Sie warf mir einen verwirrten Blick zu. Ich räusperte mich. Ich hatte Angst vor Bienen. „Hat Jasher den gemacht?“, fragte ich und zeigte auf den Pavillon.

„Er hat alles gebaut außer dem Haus. Er war dabei, eine alte Scheune für eines seiner Landschaftsbauprojekte zu säubern, und da durfte er sich alles nehmen. Er baute den Pavillon an einem Wochenende.“

„Unglaublich. Es sieht alles so wild und lebendig hier aus.“

Faith lachte. „Deine Großeltern hätten das Wort wild ebenfalls benutzt, aber weniger anerkennend. Sie würden sich in ihren Gräbern umdrehen, wenn sie das hier sehen könnten.“ Sie öffnete den Kofferraum und holte mein Gepäck heraus.

„Nachdem Mama und Papa gestorben waren“, fuhr sie fort, „zog ich es vor, der Natur ihren Lauf zu lassen. Jasher sorgt dafür, dass uns die Pflanzen nicht in die Ohren wachsen. So, lass uns dein neues Heim einrichten.“

„Wo ist mein mysteriöser Cousin eigentlich?“, fragte ich und rollte meinen Koffer den Plattenweg entlang.

„Er ist bei der Arbeit. Er wird etwas später nach Hause kommen. Er ist fast immer um drei Uhr fertig.“

Ich spielte mit dem Gedanken, vorher ein Nickerchen zu machen. Ranken von Efeu streiften meinen Kopf, als ich mich ins Haus duckte. Gleich hinter dem Eingangsbereich befand sich die Küche. Ein berauschender Kräuterduft erfüllte die Räume. „Was ist das für ein Geruch?“

Sie warf mir einen ungläubigen Blick zu. „Du erkennst Lavendel nicht?“ Sie zeigte auf eine Topfpflanze auf dem Frühstückstisch in der Ecke. Stacheln von violetten Blumen krönten eine Gruppe von kleinblättrigen Stielen. „Ganz ehrlich, hat dir deine Mutter nichts über Heilkräuter beigebracht? Sie und ich sind mit Kräutern aufgewachsen. Ich bin überrascht, dass sie dieses Wissen nicht an dich weitergegeben hat.“

„Nun nein … Es riecht aber toll“, sagte ich, als wir mit meinem Gepäck an der Küche vorbei gingen.

Sie brachte mich in das Zimmer im zweiten Stock, das einmal Liz gehört hatte. Es lag an der hinteren Ecke des Hauses, mit Blick auf den Garten. Es war riesig und hatte einen eigenen Kamin. Ein abgenutzter Teppich schützte den Hartholzboden und ein Himmelbett war das Herzstück des Zimmers. Ein antiker Schreibtisch saß unter einem der drei großen Fenster, der perfekte Ort, um meine Kursarbeiten zu erledigen. Ich hatte mich nämlich für einen Online-Kurs in Fotomontage angemeldet. Ich hatte schon immer Spaß am Fotografieren gehabt und sogar einen Wettbewerb gewonnen mit einem Foto, das ich am Strand von Targa gemacht hatte. Sie war ins Meer gelaufen, aber als sie zurückblickte, flogen ihre dunklen Haare vor ihr Gesicht. Eine Welle hatte sie an den Oberschenkeln getroffen und ihren Körper mit weißer Gischt eingerahmt, die im Sonnenschein glitzerte. Auf dem Bild sah sie aus wie ein Wesen aus einer anderen Welt.

Faith stellte mein Gepäck ab. „Ich weiß, dass du ein Technik-Freak bist ...“

„Hat Liz dir das erzählt?“

„Hat sie. Ich glaube, deine Mutter war besorgt, dass du ohne Internet verschrumpeln und sterben würdest. Aber wir haben kein W-Lan in diesem Haus.“

Mein Gesicht erstarrte. „Ernsthaft?“

Liz hatte mir nichts davon gesagt. Vermutlich aus Angst, dass ich dann nicht mehr hergekommen wäre. Und das wäre ich wahrscheinlich wirklich nicht. Kein Internet zu haben bedeutete von all meinen Freundinnen und von der Welt abgeschnitten zu sein.

„Ich weiß, es ist schwer zu glauben.“ Faith streckte ihre Handflächen nach oben. „Aber du wirst feststellen, dass die Ana County Library und die meisten Cafés in der Stadt W-LAN haben.“

„Du und Jasher seid nie online? Wie überlebt ihr?“ Das war Wahnsinn.

Sie lachte. „Oh, Georjie, es gibt hier so viel zu tun, wir haben keine Zeit für so was.“