Tochter der Welt - A.L. Knorr - E-Book

Tochter der Welt E-Book

A.L. Knorr

5,0

Beschreibung

Georjie weiß, dass sie die schwarze Hexe Daracha nicht allein besiegen kann. Daher wendet sie sich an die Königin von Elfland, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Aber Feen sind bestenfalls wankelmütige Verbündete. Soll Georjie stattdessen ihre übernatürlichen Freundinnen um Hilfe bitten? Und was ist mit Georjies Vergangenheit? Ihr Vater könnte eine Fee gewesen sein, aber ihre Mutter weigert sich ihr Details zu verraten. Wenn Georjie die Wahrheit herausfinden will, dann bleibt ihr nur eine Wahl: Sie muss eine Nummer anrufen, die sie seit Jahren versucht hat zu vergessen.

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
EPILOG
Nachwort

Impresssum:

Titel: Tochter der Welt(en)

Originaltitel: Heart of the Fae

Autor: Abby L. Knorr

Verlag: VVM

Cover: Damonza

Deutsche Erstveröffentlichung: Berlin 2021

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

EPILOG

Nachwort

Kapitel 1

Vor mir erstreckte sich der Thronsaal voller Leute in edlen Gewändern.

Wenn ich mich in Blackmouth Castle befunden hätte, wäre diese Halle kalt und karg gewesen. In dieser Welt aber war der Saal prunkvoll eingerichtet, und die Leute, die an den Wänden standen, waren keine Menschen, sondern Feen. Zwischen ihnen flogen auch kleine Feen umher, die im Sonnenlicht funkelten, das durch die hohen Fenster strömte. Bunte Seidenfahnen hingen von der Decke des Saals und verliehen ihm etwas Festliches.

„Tritt näher.“ Königin Elphame thronte auf einem Marmorhocker. Sie trug ein fließendes Gewand, das so weiß war, dass es fast wehtat, es anzusehen.

Alle Augen waren neugierig auf mich gerichtet. Ich holte tief Luft und ließ Fyfas Hand los, die neben mir stand.

„Sprich deutlich“, flüsterte Fyfa mir zu. „Sei du selbst.“

Ich konnte ein ironisches Grinsen nicht unterdrücken. Wenn ich ich selbst sein sollte, warum hatte sie mich dann in ein Kleid aus grüner Seide gesteckt? Mein Haar war hoch aufgetürmt und mit so vielen Blüten geschmückt, dass mein Nacken vom ungewohnten Gewicht schmerzte. Echter Efeu umschlang meine Arme vom Handgelenk bis zur Schulter und schlängelte sich über meine Schlüsselbeine und meinen Rücken hinunter. Meine Wangenknochen und mein Kinn waren mit Perlglanzpuder bestäubt und Neroliöl wärmte meine Haut und erfüllte meine Nase mit einem hellen, grünen Duft. Wie Fyfa mich geschminkt hatte, war bezaubernd, das musste ich zugeben. Aber jetzt, da ich in Königin Elphames Schloss stand, wünschte ich mir, ich würde Jeans und einen Pferdeschwanz tragen. Das Kostüm und die Frisur gaben mir das Gefühl, eine Hochstaplerin zu sein, und untergruben mein Selbstvertrauen.

Fyfas Hand ruhte einen Moment lang auf meinem unteren Rücken. Dann gab sie mir einen kleinen Schubs nach vorne. Meine Beine bewegten sich unsicher. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, als ich an den Feen vorbeischritt. Einige reckten die Hälse, um mich genau zu beäugen, während andere hinter ihren eleganten Händen flüsterten. Viele hatten hauchzarte Flügel und unmöglich große Augen. Ihre Haarkreationen erinnerten mich an Hochzeitstorten und die Skulpturen darauf.

Ich schluckte meine Nervosität hinunter und sagte mir, dass es keine Rolle spielte, was die Feen von mir dachten. Wichtig war nur, dass Königin Elphame mir half Daracha aufzuhalten. Wenn die Königin von Elfland – wie das Reich in den Sagen hieß – sich bereit erklärte einzugreifen, würde selbst Darachas Macht zerbröckeln. Jedenfalls hoffte ich das.

Während ich mich dem Thron näherte, hielt ich meinen Blick fest auf die Königin gerichtet. Das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, waren ihre Haare strahlend weiß gewesen. Jetzt hingegen waren ihre Haare schwarz und bildeten einen starken Kontrast zu ihrer hellen Haut, ihrem trägerlosen Kleid und den weißen Federn auf ihren Schultern und Armen, die so fest an ihrer Haut klebten, als gehörten sie zu ihrem Körper. Ein funkelnder Diamant saß rechts neben ihrer Oberlippe wie ein Schönheitsfleck oder eine Träne. Sie sah atemberaubend aus, nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern vor allem wegen ihrer Ausstrahlung.

Ich merkte, dass ich instinktiv den Atem angehalten hatte.

Der Geruch von Wurzeln, feuchter Erde und Blumen erfüllte die Halle, dazu kam ein Hauch von Rauch und irgendeine fruchtige Note. Fyfa hatte mir erklärt, dass so Feenmagie roch.

Ich blieb vor dem Podest der Königin stehen und machte einen tiefen Knicks, so wie Fyfa mich angewiesen hatte. Ich richtete mich auf, hielt meinen Blick aber weiter gesenkt.

„Die Weise, die versucht hat, mich zu bestehlen“, bemerkte Königin Elphame.

Ich linste zu ihr auf. Sie sah äußerst desinteressiert aus. Obwohl ihre Augenlider halb gesenkt waren, funkelte sie mich an, und ich vermutete, dass ihre unbekümmerte Art nur gespielt war, damit ich mich unwichtig und unsicher fühlte. Nun, es funktionierte.

Aus der Menge ertönte missbilligendes Raunen und Tuscheln. Ich hielt meinen Kopf immer noch gesenkt. Ich hoffte, sie würde es als ein Zeichen der Reue deuten. Die Königin hatte etwas Gefährliches an sich, aber auch etwas Verführerisches und sogar Mütterliches. Ich dachte an die Nacht, in der ich versucht hatte, sie zu bestehlen, und fragte mich, was wohl passiert wäre, wenn Laec mich angewiesen hätte, sie einfach um Hilfe zu bitten.

„Ich hätte abgelehnt.“ Königin Elphames Stimme klang sanft, sogar süß.

Überrascht zuckte mein Kopf hoch. Sie konnte Gedanken lesen? Eine Entschuldigung drängte sich mir auf, aber ich biss die Zähne zusammen und erinnerte mich an Fyfas Anweisung, nicht zu sprechen, bis ich dazu aufgefordert wurde.

„Meine Elixiere sollen nicht in die Welt draußen gelangen. Aber wenn eine meiner eigenen Töchter mich um einen Gefallen bittet ...“ Königin Elphame deutete ein Achselzucken an.

Zum zweiten Mal war ich überrascht. Fyfa hatte mir das Elixier gegeben. Ich hatte angenommen, dass sie es gestohlen hatte, doch anscheinend hatte sie Königin Elphame darum gebeten. Ich wünschte, Fyfa hätte mir die Wahrheit gesagt.

„Ich habe meiner Tochter befohlen, nicht darüber zu sprechen“, sagte die Feenkönigin. „Und am Ende wurde ein Preis für den Verrat bezahlt, nicht wahr, Laec?“

Ich hatte Laec nicht mehr gesehen, seit er zugestimmt hatte, Lachlans Fahrzeug zurück nach Blackmouth zu bringen. Ich widerstand nur schwer dem Drang aufzublicken und den Feenmann in der Menge zu finden. Welchen Ausdruck würde ich in seinem Gesicht sehen?

„Sicher doch, Majestät“, ertönte Laecs Stimme von rechts hinter mir. Er klang gelangweilt – typisch Laec.

Emotionen wirbelten in meiner Brust wie ein Staubsturm. Scham, weil ich angenommen hatte, Laec hätte mich absichtlich in Gefahr gebracht. Dankbarkeit, dass er mir so oft geholfen hatte, meistens ohne gefragt zu werden. Verwirrung über die Königin. Sie hatte Laecs Daumen abschneiden lassen. Das schien eine barbarische Strafe zu sein, die nicht zu einer Feenkönigin, die angeblich eine berühmte Heilerin war, zu passen schien. Selbst wenn Laecs Daumen nachwuchsen.

Ich war mir schmerzlich bewusst, dass Elphame genau wusste, was ich gerade über sie dachte. Ich biss die Zähne zusammen..

„Sieh mich an“, befahl die Königin.

Endlich durfte ich den Blick heben, und ich hoffte, dass der stählerne Trotz, den ich fühlte, sich nicht in meinen Zügen widerspiegelte. Trotz würde mich nicht weiterbringen.

Königin Elphame erhob sich, und die Feen im Raum gaben entzückte Laute von sich, als sie ihr Kleid in voller Pracht bewundern konnten. Die Königin legte ihre langen Finger auf ihre Hüften. „Warum belästigst du mich erneut, kleine Weise?“

Ich hob mein Kinn und mein Puls beschleunigte sich. Meine Handflächen fühlten sich klamm an, und ich presste sie gegen meine Oberschenkel. „Majestät, eine dunkle Hexe ist zum Leben erwacht. Sie ist eine Bedrohung nicht nur für meine Welt, sondern auch für die Eure. Wenn sie ihre Ziele erreicht, könnte das bedeuten, dass der Schleier zwischen unseren Welten zerstört wird, und sie begehrt Euren Thron.“

Meine Worte hallten durch den Saal und hinterließen knisternde Stille. Sogar die kleinen Feen unterbrachen ihr Spiel, um die Reaktion der Königin zu beobachten.

Königin Elphames amethystfarbene Augen schimmerten kühl und berechnend. Dann stieß sie ein leichtes, trockenes Lachen aus. Die Halle füllte sich mit Kichern und Glucksen.

Ich fühlte mich, als hätte ich einen Stein verschluckt. Wenn Königin Elphame wirklich Gedanken lesen konnte, wusste sie ganz genau, worum ich bat, und auch, dass ich nicht log. Warum lachte sie? Die Härchen auf meinen Unterarmen stellten sich auf, und die Temperatur fühlte sich an, als sei sie um ein paar Grad gesunken. Ich unterdrückte den Drang, meine Arme schützend vor mir zu verschränken.

„Der Schleier kann nicht zerstört werden“, antwortete sie voller Spott. „Schon gar nicht von einer menschlichen Hexe. Und sollte sie jemals die Fähigkeit erhalten, in unsere Welt zu gelangen, würde sie feststellen, dass ich mit Kreaturen wie ihr auf meine eigene Art umgehe.“ Ihre Nägel drückten sich in den Stoff ihrer Robe und bildeten Falten.

„Königin Elphame.“ Ich holte tief Luft und betete, dass sich die Angst, die in meinem Bauch aufstieg, legen würde. Ich hoffte, dass die Neuigkeiten, die ich mitteilen wollte, nicht nach hinten losgehen würden. Fyfa hatte mir eigentlich geraten, Gilbarta nicht zu erwähnen.

„Diese Hexe – Daracha Goithra – ist für den Tod einer eurer Töchter verantwortlich.“

Königin Elphames Augen verengten sich, als ich die Hexe beim Namen nannte. Sie kannte sie.

Ermutigt fuhr ich fort: „Daracha hat die Menschen in Dundee manipuliert, damit sie Gilbarta auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Die Hexe hat die Asche Eurer Tochter in einem Zauberspruch benutzt und Gilbartas Kräfte absorbiert, die Kräfte einer Weisen. Mit dieser Kraft kann Daracha von den Toten zurückkehren. Sie ist am Leben und beabsichtigt, zwei weitere Weise zu finden, deren Asche sie nutzen kann, um noch mächtiger zu werden. Die Asche von drei Weisen wird es ihr ermöglichen, den Schleier zwischen unseren Welten zu zerreißen. Wenn sie genug Macht erlangt, wird sie hierherkommen.“

Sollte ich versuchen Königin Elphame zu schmeicheln? Ich könnte sagen, dass nur die Macht der Königin so etwas Schreckliches verhindern könnte, ihre Güte und Barmherzigkeit und so weiter. Aber nicht nur waren mir solche Worte zuwider, die Königin würde vermutlich durchschauen, dass sie gekünstelt waren. Also schloss ich meinen Mund.

Königin Elphame betrachtete mich nachdenklich. Hinter mir gab niemand einen Laut von sich, denn die Feen wollten offenbar abwarten, wie die Königin reagierte, ehe sie selbst reagierten. Ich schluckte den Groll hinunter, den ich gegenüber den Feen empfand, die so schwach waren, dass sie es nicht wagten sich eine eigene Meinung zu bilden.

Königin Elphame sank langsam wieder auf ihren Hocker.

„Der Tod von Gilbarta war bedauerlich“, antwortete sie ruhig.

Ich blinzelte sie an. „Bedauerlich? Eure Tochter wurde verbrannt und ihre Asche für einen dunklen Zauber verwendet!“

Gezische ging durch die Menge, und ich presste die Lippen zusammen. Ich musste mich besser beherrschen.

Königin Elphames Blick erstarrte für einen Moment, bevor sie den Kopf zurücklegte und mich grimmig ansah. „Ich hatte Hunderte von Kindern, kleine Weise. Ich habe Gilbarta zur Welt gebracht, ja, aber ich habe sie nie kennengelernt. Die Weisen waren ein Geschenk Stavarjaks an eure hoffnungslose Welt. Vor Tausenden von Jahren wurden unsere Weisen von den Menschen geliebt, geschätzt und beschützt. Sie durften tun, wozu sie geboren worden waren: die Erde heilen und ihr Licht in eine dunkle Welt bringen. Doch die Menschen haben unser Geschenk nicht zu schätzen gewusst. Glaubst du, Gilbarta war die einzige Weise, die von den Menschen auf diese Weise hingerichtet wurde?“

Ich öffnete erschüttert den Mund, aber mir fehlten die Worte. Ich hatte mich schon einmal gefragt, ob einige der Opfer der Hexenprozesse nicht in Wahrheit Weise gewesen waren.

„Dein Volk und das unsere bildeten einmal eine Gemeinschaft. Ich besuchte eure Welt früher regelmäßig, brachte Kinder beider Völker zur Welt und erschuf sichere Orte, an denen sie aufwachsen konnten.“ Königin Elphame beugte sich vor, ihre Stimme hob sich ein wenig. „Ich habe dafür gesorgt, dass meine Kinder lernen, wer und was sie sind, dass sie ihren Platz in der Welt finden und das tun, wozu sie geschaffen wurden. Nämlich Freude, Heilung und Schönheit zu verbreiten. Und wie wurde es meinen Kindern gedankt?“

Irgendwie war es in dem Saal noch stiller geworden als zuvor. Ich glaubte, dass ich nicht die Einzige war, die den Atem anhielt.

Königin Elphame klatschte mit einer Hand auf den Marmor ihres Hockers: „Wie?!“

Ich zuckte zusammen. Ihre Stimme war plötzlich so laut, dass sie magisch verstärkt sein musste. Ich senkte den Blick vor der Wut in diesen violetten Feenaugen.

Schon wurde ihre Stimme ein wenig leiser. „Niemals wieder werde ich die Welt draußen aufsuchen, um mit menschlichen Männern zu liegen. Nie wieder werde ich Weise für die Menschheit erschaffen. Dein Volk befindet sich auf dem Pfad der Selbstzerstörung. Die Tage, in denen sich unsere Welten vermischt haben, sind vorbei.“ Sie schnippte in meine Richtung. „Du bist ein Überbleibsel einer vergangenen Zeit. Du gehörst nicht an diesen Ort. Keine deiner Schwestern lebt mehr draußen.“

Ich bekam es mit der Angst zu tun. Würde sie mir befehlen, niemals in meine Welt zurückzukehren? Fyfa hatte mich gewarnt, dass diese Möglichkeit bestand. Ich spannte mich an und bereitete mich darauf vor, durch den Schleier zu gehen und augenblicklich in meine Welt zurückzukehren, sollte Königin Elphame vorhaben, mir meine Wahlmöglichkeit zu nehmen. Ich wusste, dass es schlimme Folgen haben könnte, wenn ich mich einem direkten Befehl der Feenkönigin widersetzte, aber ich würde auf keinen Fall zulassen, dass sie mich daran hinderte, nach Hause zu gehen und meine Freunde zu beschützen.

„Du würdest gut daran tun, dir hier ein Zuhause zu schaffen“, sagte Königin Elphame sanft. Ihre Wut schien vorerst verraucht. „Aber wenn du dich dafür entscheidest, in diese Kloake zurückzukehren, in der du aufgewachsen bist, und dich einer schwarzen Hexe zu stellen und die Seelen von Verdammten zu retten, dann ist dir nicht zu helfen.“

Meine Schultern sackten sowohl vor Erleichterung als auch vor Enttäuschung zusammen. Mein Ansuchen war gescheitert, aber zumindest war ich nicht gezwungen worden, mir die Königin zum Feind zu machen.

„Du kannst gehen“, sagte Königin Elphame.

Ich machte einen unbeholfenen Knicks und machte ein paar Schritte rückwärts, bevor ich mich umdrehte und noch einmal an der Menge vorbeischritt. Ich erhaschte einen Blick auf Laec, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte und an einem Grashalm kaute. Seine Augen waren von einer Kapuze bedeckt, seine Haltung desinteressiert.

Ich beschleunigte mein Tempo, weil ich unbedingt den neugierigen Blicken entkommen wollte. An der Tür schloss mich Fyfa in ihre Arme und flüsterte: „Hier entlang.“

Sie lenkte mich durch ein Foyer zu einem schmalen Flur.

„Geh ganz bis zum Ende.“ Sie legte ihre Hände auf meine Schultern und küsste mich auf die Wange. „Es tut mir leid, dass ich nicht mit dir kommen kann.“

Ich blickte mich verwirrt um. „Wovon sprichst du?“

Sie drückte meine Nackenmuskeln zusammen. „Du wirst gleich die Audienz bei der Königin haben, die ich dir versprochen habe.“

Ich riss überrascht meine Augen auf. „Und was war das dann gerade eben?“

Fyfa lächelte. „Das war eine Show. Jetzt geh.“

Kapitel 2

Ich schritt über einen dicken, moosartigen Teppich, der meine Schritte dämpfte. Die Geräusche von Gesprächen aus dem Thronsaal hinter mir wurden immer schwächer.

Ein Feenmann tauchte am Ende des Flurs auf und winkte mir ungeduldig zu. Als ich näherkam, deutete er auf eine Treppe, die sich rechts des Flurs auftat. Ich stieg hinauf und erhaschte durch die Fenster einen Blick auf die Gärten und die Wälder dahinter. Zwei weitere Feenmänner wiesen mich an, weiter in die dritte Etage hinaufzusteigen. Als ich mich an der Aussicht auf den Hof orientierte, erkannte ich, dass ich mich an der Stelle befand, an der in unserer Welt Gavins Bibliotheksturm stand. Doch wieder einmal war die Welt von Königin Elphame viel schöner als unsere.

In dem kreisrunden Raum befand sich eine bequeme Sitzbank, die um den gesamten Raum herumlief und auf der unzählige Kissen und Decken Komfort boten. Fackeln säumten die Fenster und flackerten in verschiedenen Farben: violette, blaue, grüne und orangefarbene Flammen.

Ansonsten war das Zimmer leer.

Ich sah mich um und fragte mich, ob ich vielleicht versehentlich an den falschen Ort gegangen war. Doch als ich mich umwandte, sah ich Königin Elphame in der Tür stehen.

„Du bist schon hier“, sagte die Königin lässig, während sie die Hände zu ihrem Haar hob und mehrere Nadeln und Klammern aus ihrer Frisur entfernte. „Gut. Setz dich irgendwo hin.“

Eine Flut von schwarzem Haar fiel über ihre Schultern herab. Sie legte die Nadeln auf ein Fensterbrett und schüttelte ihr Haar aus. Da verblasste das Schwarz langsam zu Grau, wurde dann silbern und schließlich weiß.

Ich ließ mich staunend auf das nächstgelegene Kissen sinken.

Die Königin bewegte sich zu einer Gruppe kleiner runder Podeste in der Nähe der Wand. Ein silberner Wasserkrug und Gläser standen dort.

„Ich brauche einen Drink.“ Sie schaute über ihre Schulter zu mir. „Möchtest du auch etwas?“

„Wasser“, krächzte ich.

Sie lächelte und wandte sich ab. „Ein bisschen langweilig, aber manchmal geht es nicht anders.“ Sie goss Sprudelwasser aus dem Krug in ein Glas. Als sie das zweite Glas begoss, war die Flüssigkeit diesmal blassgolden und sah verdächtig nach Weißwein aus. Sie stellte den Krug ab und reichte mir das Glas mit Wasser.

„Danke.“

Sie seufzte wieder und sank anmutig neben mich. „Genieße es, meine Liebe. Nicht viele in meiner Welt – und sicherlich noch weniger in deiner – werden jemals von einer Feenkönigin bedient werden.“ Sie stieß ihr Glas an meines. „Was sagt man in eurer Welt? Prost?“

„Oder cheers, wenn man aus Kanada kommt.“ Ich nahm einen Schluck und stieß einen Seufzer aus. Das Wasser war kühl und frisch und schmeckte lebendig, als wäre es aus einer unterirdischen Quelle, in die Minzpflanzen ihre Wurzeln streckten. Ich senkte das Glas und sah, dass Königin Elphame mich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen beobachtete. Ihr Ausdruck war voller Neugierde und Zuneigung. Sie hob die Hand und entfernte ein paar der Ranken und Blüten aus meinen Haaren. Meine Hochsteckfrisur fiel in sich zusammen. Die Erleichterung, die mein Nacken und meine Kopfhaut verspürten, trat sofort ein. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie viele kleine Muskeln nötig waren, um einen Haufen Haare und Dekoration zu halten. Ich fragte mich, wie die Showgirls in Las Vegas das Nacht für Nacht schafften.

„Majestät.“ Ich leckte mir einen Tropfen des köstlichen Wassers von der Unterlippe. „Ich bin verwirrt.“

„Natürlich bist du das. Du hast nicht die geringste Ahnung davon, wie wir die Dinge hier angehen.“ Königin Elphame lehnte sich zurück, stützte ihr Glas auf ihren Oberschenkel und fuhr mit einem Finger über den Rand. Eine leuchtend rosafarbene Flüssigkeit rann an der Innenseite ihres Glases hinunter und folgte ihrem Finger. Sie schwenkte ihr Glas, kostete die Flüssigkeit und lächelte zufrieden. „Ich mag einen Hauch von Blumenessenz in meinem Wein.“ Sie sah mich an und beugte sich vor. „Möchtest du auch etwas davon in deinem Wasser?“

Instinktiv zog ich mich zurück. „Danke, ich bin zufrieden.“

Sie gluckste. „Meine Liebe, wenn ich vorhätte dich zu vergiften oder dir anderweitig zu schaden, hätte ich es getan, als du beim Stehlen erwischt wurdest.“

Ich entschloss mich diese Bemerkung zu ignorieren. „Majestät ... warum bin ich hier?“, fragte ich stattdessen.

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das hier ist die Audienz nach der Audienz. Manchmal gebe ich sie, wenn ich an einem Thema interessiert bin, und du hast mein Interesse geweckt.“

„Die erste Audienz ist nur eine Show für Eure Untertanen? Welchen Grund habt Ihr, sie glauben zu lassen, Ihr würdet mir nicht helfen wollen?“

„Es ist nichts Persönliches. Es hat damit zu tun, dass ich mein Volk davon abhalten will, auf ähnliche Gedanken zu kommen. Ich habe einen Erlass verfügt, der besagt, dass Feen keine Zeit in der Welt der Menschen verbringen sollen. Was ich im Thronsaal gesagt habe, war die Wahrheit. Ich möchte nicht, dass noch mehr Weise zugrunde gehen.“

„Aber wenn die Weisen die Macht haben zu heilen, zu nähren und einer von Verschmutzung erstickten Welt Hoffnung zu geben, dann ist jetzt nicht die Zeit, Eure Gaben zurückzuziehen.“ Ich begann mich ein wenig zu entspannen. „Wenn überhaupt, dann sollten die Feen ihre Anstrengungen in der Menschenwelt verdoppeln.“

Elphame warf mir einen Blick zu, als wäre ich eine native Idiotin. „So idealistisch, so hoffnungsvoll. Dabei kennst du die Menschen doch besser.“

„Es ist noch nicht zu spät, oder?“

Sie zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht, und es ist mir auch gleichgültig. Unsere Bande wurden vor langer Zeit gekappt, und ich werde sie nicht wiederherstellen.“ Königin Elphame nahm einen Schluck und beobachtete mich über den Rand ihres Glases hinweg.

„Wenn Ihr mir nicht helfen wollt, warum verschwendet Ihr dann Eure Zeit mit einer zweiten Audienz?“, fragte ich.

„Ich kann sehen, dass du nicht die Absicht hast, hier zu bleiben, wo du sicher und willkommen bist“, erwiderte sie.

„Könnt Ihr in meinen Gedanken lesen?“, fragte ich unwohl.

Sie gluckste. „Das ist nur ein Trick.“ Sie senkte ihre Stimme. „Ich kann den letzten Gedanken vor einer Pause aus der Luft pflücken. Fragen sind besonders leicht herauszupicken. Aber ich kann deine Gedanken nicht so gründlich lesen, wie es vielleicht den Anschein gehabt hat.“

Dieses Eingeständnis machte mich stutzig. „Ein Trick?“ Für mich klang ihre Fähigkeit immer noch beeindruckend.

„Ja eine einfache Illusion. Es erfordert ein wenig Konzentration, aber mit etwas Übung ist es ganz einfach.“

Mir fiel ein, dass auch Daracha die Fragen in meinem Kopf beantwortet hatte.

„Kann jeder diesen Trick lernen?“

„Jeder, der seine Magie einigermaßen beherrscht.“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Auch eine Weise?“

„Das ist schwer zu sagen. Die Gaben der Feen sind bei ihren mit Menschen vermischten Nachkommen sehr unterschiedlich, einige von ihnen entdecken ihre Magie nie. Sie leben und sterben, ohne ihr wahres Erbe zu kennen. Andere entdecken ihre Gaben erst spät im Leben. Die Glücklichsten entdecken Stavarjak und lassen sich dauerhaft hier nieder.“

„Ihr habt gesagt, es gibt keine Weisen mehr in meiner Welt. Wisst Ihr das mit Sicherheit?“

Die Königin runzelte die Stirn. „Ich habe meinem Volk vor über einem Jahrhundert verboten, Weise zu zeugen, und ich selbst habe ein Jahrhundert davor damit aufgehört. Weise, die zu dieser Zeit geboren wurden, sind längst tot, und die, die noch leben, müssen in Stavarjak bleiben, um ihre volle Lebenszeit zu genießen.“

„Aber wenn es doch noch andere Weise gibt – wie mich“, sagte ich und erinnerte sie daran, dass ich ein klarer Beweis dafür war, dass ihre Annahme fehlerhaft war, „dann könnte Daracha sie finden. Sie könnte weitere Opfer finden, selbst wenn ich hier bleiben würde.“

Die Königin nahm einen weiteren Schluck und beobachtete mich immer noch.

„Wenn Ihr mir helfen würdet sie aufzuhalten, dann müsste keine von uns sich jemals wieder Sorgen um Daracha machen.“

„Ich mache mir keine Sorgen, Georjayna. Georjie.“ Sie lächelte. „So nennt dich Fyfa doch, oder?“ Ihr Gesicht wurde weicher. „Das ist niedlich.“

Ich ergriff die Gelegenheit. „Ihr wisst, dass Fyfa glaubt, dass Daracha sie verflucht hat?“

Königin Elphame verstummte, und in ihren Zügen flackerte etwas Unangenehmes auf. Sie blinzelte langsam.

„Ihr wusstet es nicht?“, fragte ich.

Königin Elphame sah aus, als würde ihr Gewand jucken – sie rieb an der Haut unter dem Stoff an ihrer Brust. „Fyfa leidet an einer Blutkrankheit, die sie draußen aufgeschnappt und nie ganz auskuriert hat.“

„Und wenn es mehr als eine Krankheit ist?“

Die Muskeln in ihrem Kiefer spannten sich an, und ihre seltsamen violetten Augen verhärteten sich. „Du hast Zeit bis zum nächsten Vollmond.“

Mein Herz pochte vor Überraschung. „Was?“

Königin Elphame machte eine elegante, wirbelnde Bewegung mit ihren Fingern. Ein kleines Stück grünes Licht erschien vor ihrer Handfläche. Noch mehr Wirbeln und das Licht verdunkelte sich und verfestigte sich zu einer Form. Einer Frucht. Einer ... Hagebutte?

Königin Elphame fing die Hagebutte mit ihren Fingerspitzen auf und reichte sie mir.

Zögerlich, sie zu berühren, studierte ich die Frucht. Sie sah normal aus, rund und dick und voller Samen.

„Nimm sie“, befahl die Königin.

Ich nahm die Frucht entgegen und drehte sie in meiner Handfläche.

„Lock diese schwarze Hexe zum nächsten Vollmond in das Gartenlabyrinth hinter eurer Version von Blackmouth Castle. Trage diese Frucht die ganze Zeit bei dir. Wenn du tust, was ich sage, dann werde ich dir um Mitternacht meine Hilfe anbieten. Diese Hagebutte wird dir helfen, deine Anwesenheit vor Daracha zu verbergen. Du wirst bis zum Vollmond sicher vor Daracha sein, solange du in der Burg bleibst.“

Mein Atem fühlte sich an wie eine heiße Murmel, die in meiner Kehle stecken blieb. „Und wenn ich es nicht schaffe, sie um Mitternacht des nächsten Vollmondes auf die Burg zu locken?“

Sie lehnte sich zurück und warf ihren Arm lässig über die Lehne der Bank. „In diesem Fall solltest du dich von den wichtigen Menschen in deinem Leben verabschieden.“

Ich starrte sie an.

Sie ignorierte meinen Gesichtsausdruck. „Wenn du dich gut anstellst, wirst du die Unterstützung der mächtigsten Fae in Stavarjak bekommen. Wenn nicht, wird die Hexe mit Sicherheit die Oberhand gewinnen, denn keine Weise kann mit der Macht, über die Daracha jetzt verfügt, mithalten.“

Was die Königin wollte, konnte mir nur auf eine Weise gelingen. Ich musste mich selbst als Köder anbieten. Doch Daracha hatte bereits bewiesen, dass es für sie ein Leichtes war, die Kontrolle über mich zu erlangen. Nein. Es musste einen anderen Weg geben.

Ich hielt Elphame die Hagebutte hin. „Nehmt sie zurück. Was Ihr verlangt, ist unmöglich.“

Die Königin grinste. „Zu spät, du hast sie bereits berührt. Der Handel ist abgeschlossen.“

Ich starrte sie an. „Ihr habt mich reingelegt“, sagte ich fassungslos.

Sie zwinkerte mir zu. „Du hast nicht viel Erfahrung mit Feen, oder?“

Kapitel 3

Stimmen und das ferne Läuten der Rathausuhr von Blackmouth drangen durch die Ritzen meiner Schlafzimmertür. Ich zählte neun Glockenschläge.

Es war der Tag vor Ostern, und ich hatte verschlafen. Ich blinzelte, gähnte und setzte mich auf. Kühle Luft strich mir über den Nacken, ich fröstelte und kämpfte gegen den Drang an, wieder unter die Decke zu kriechen. Stattdessen zwang ich meinen nackten Fuß auf den kalten Boden und zuckte zusammen. Dann den anderen. Im Flur ertönten Maisies süße und Ainslies befehlende Stimme. Ich hatte viel zu lange geschlafen.

Die Hagebutte, die Königin Elphame mir gegeben hatte, lag auf dem Nachttisch neben meiner Uhr. Ich verzog das Gesicht, als ich sie sah.

Fröstelnd und verwundert darüber, dass mein Zimmer noch kälter war als sonst, stieg ich aus dem Bett und zog mich an. Ich kämmte mein Haar und putzte mir die Zähne, bevor ich die Hagebutte in meine Tasche steckte und in einen noch kälteren Flur trat. Ich konnte beinahe meinen Atem sehen.

Jashers Schlafzimmertür war geschlossen, aber die anderen Türen waren nur angelehnt. Die Stimmen von Ainslie und Maisie hallten aus einem der leeren Gästezimmer.

Ich kehrte zu meinem Kleiderschrank zurück, um einen Pullover zu holen und mir einen Schal um den Hals zu wickeln. Dann trat ich hinaus und rieb mir die Arme. Als ich an den offenen Flügeltüren vorbeikam, erkannte ich, warum es so frisch war. Alle Fenster standen offen.

„Georjie ist wach“, hörte ich Maisie sagen. „Endlich.“

„Ausgezeichnet.“ Ainslies Stimme war gedämpft, und sie klang ein wenig außer Atem. „Das erspart uns die Mühe, sie zu wecken. Könntest du sie bitten, die Fenster im Wohnzimmer zu schließen? Das ist genug frische Luft für den Moment.“

Ich spähte in den Raum und sah Maisies rosige Wangen und das feine Haar, das ihr um den Kopf wehte. Das kleine Mädchen hatte eindeutig auf ihrem Pferdeschwanz geschlafen, und der Effekt war hinreißend. Sie schaute auf, erkannte mich und kam zu mir herüber. Sie neigte ihren Kopf ganz nach hinten, um mit mir zu sprechen.

„Guten Morgen, Georjie. Ainslie bittet ...“

Ich lächelte die Kleine an und berührte ihre Nase. „Ich habe es gehört und bin dabei. Es ist kühl hier drin. Aber es riecht wundervoll.“

In der Nacht hatte es geregnet. Der Geruch von feuchter Erde erfüllte die Stube.

Maisie folgte mir und beobachtete vom Türrahmen aus, wie ich alle Fenster schloss und verriegelte. Es waren eine ganze Menge. Als ich das letzte geschlossen hatte, drehte ich mich um und musterte das Mädchen. Sie sah irgendwie besorgt aus.

„Hast du etwas auf dem Herzen?“, fragte ich.

„Magst du uns nicht mehr?“, platzte Maisie heraus, und ich erschrak, als ich das Glitzern einer Träne sah.

Ich durchquerte den Raum und kniete mich vor sie hin. „Natürlich mag ich euch! Ich mag euch sehr. Wie kommst du darauf?“

Ihr Gesichtsausdruck war gebrochen, und ihre Stimme schwankte. „Du schläfst fast gar nicht mehr hier, und du hast mir schon lange nicht mehr vorgelesen.“

„Oh, Schatz.“ Ich ergriff Maisies Hand und drückte sie. „Ich war nur beschäftigt.“

Ainslie erschien hinter Maisie. Sie hatte einen entschuldigenden Gesichtsausdruck. „Maisie, eines Tages wirst du verstehen, wie es ist, verliebt zu sein“, sagte Ainslie.

Die Haushälterin legte ihre Hände auf die Schultern des kleinen Mädchens und lenkte sie zurück in den Flur. Ich hoffte, niemand bemerkte die Röte, die meine Wangen erhitzte. Die Kleine warf mir einen weiteren herzzerreißenden Blick zu. Ich schluckte, führte einen stillen inneren Kampf gegen den Ansturm der Schuld – und verlor.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Georjie über Ostern ein wenig mehr hier sein wird.“ Ainslie führte Maisie behutsam ins Gästezimmer. „Nun komm schon. Wir haben noch zu tun. Der Staub wischt sich nicht von selbst weg.“

Ich begriff nicht ganz, was ihr Kommentar über Ostern bedeutete. Aber Ainslie hatte recht. Ich würde in der Burg bleiben, um mich vor Daracha zu verstecken.

Neugierig folgte ich den beiden und sah zu, wie sie den Raum aufräumten und ein Bett mit frischen Laken bezogen.

„Zieh die Seite so zu, wie ich es dir gezeigt habe, Maisie.“ Ainslie beugte sich vor und bezog ihre Seite des Bettes mit flinken Bewegungen, die von vielen Jahren des Bettenmachens zeugten. „Sehr gut!“

„Bereitet ihr euch auf die Touristensaison vor?“ Ich holte ein Kissen und einen sauberen Kissenbezug aus einem Wäschekorb voller gefalteter Wäsche hervor. Während ich das Kissen in den Bezug steckte, beobachtete ich Maisie dabei, wie sie die Ränder des unteren Lakens unter die Matratze schob. Ich widerstand dem Drang, sie zu korrigieren. Ich hatte eigentlich noch nie gesehen, dass Maisie Ainslie bei der Hausarbeit half. Normalerweise kam Ainslie zu mir, wenn sie Hilfe brauchte.

Ainslie warf mir vom Kopfende des Bettes, wo sie eine Lampe mit einem zur Tagesdecke passenden Schirm bedeckte, einen verschmitzten Blick zu. „So in etwa.“

Das Geräusch von klirrendem Metall unterbrach uns. Wir spähten in den Flur hinaus.

Gavin kniete ganz am Ende des Flurs und arbeitete an etwas, das ich nicht sehen konnte. Ich näherte mich und sah, dass er einen Werkzeuggürtel trug und an der offenen Platte eines Aufzugs bastelte.

„Morgen, Gavin.“

„Morgen, Georjie.“ Gavin schenkte mir ein verschmitztes Grinsen. Sein Haar sah aus, als wäre er gerade aufgestanden, sein Flanellhemd war falsch zugeknöpft, der Saum zerknittert. Alle Leute schienen heute Morgen direkt aus dem Bett und in die Hausarbeit gestürzt zu sein. Ich bekam das deutliche Gefühl, dass Ainslie und Gavin etwas wussten, das ich nicht wusste.

Ich beobachtete ihn, wie er an einer elektronischen Schalttafel mit einer Unmenge von Kabeln herumfummelte, und hoffte, dass er sich keinen Stromschlag zuzog. „Ich wusste nicht, dass Blackmouth Castle einen Aufzug hat.“

„Aye. Ich habe ihn über den Winter abgeschaltet, solange keine Gäste da waren.“ Gavin nahm ein paar Einstellungen vor, setzte die Metallabdeckung wieder auf und begann sie festzuschrauben. Geübt drehte er den Schraubenzieher, und bald war das Gewirr von bunten Drähten wieder verborgen.

„Es sind doch noch anderthalb Monate, bis die Burg für Gäste geöffnet wird, oder?“ Ich schloss meine Strickjacke fester um meinen Körper.