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DAS STANDARDWERK über das Leben von Amelia Earhardt. Nach dem 1960 erschienen Buch von Paul L. Briand, Jr. Amelia Mary Earhardt (* 24. Juli 1897 in Atchison, Kansas) war eine US-amerikanische Flugpionierin und Frauenrechtlerin. Als erste Frau überquerte sie den Atlantik Nonstop. 1928 noch als Begleiterin, wagte sie das Abenteuer 1932 erneut als Solo-Pilotin: Fünf Jahre nach Charles Lindbergh überquerte sie als erste Frau den Atlantik im Alleinflug. Bei ihrem Versuch, die Welt längst des Äquators zu umrunden, verschwand sie am 2. Juli 1937 spurlos im Pazifischen Ozean und wurde am 5. Januar 1939 für tot erklärt. Ihr Schicksal, um das sich immer wieder zahlreiche Legenden ranken, bleibt bis heute ein Rätsel. Was das Buch zum wohl wichtigsten Werk über diese Pionierin der Luftfahrt macht, liegt in den Eigenschaften des Originalautors, der beste Verbindungen in der Sache hatte. Im 2. Weltkrieg dient er in der Luftwaffe und wurde ausgezeichnet. Später wurde er Englischlehrer an der Militärakademie in West Point. Seine Recherchen haben ihn über lange Zeit auf unzählige Reisen über Tausende von Meilen quer durch die Vereinigten Staaten geführt. Er hat zahlreiche Dokumente und Berichte durchforstet und viele Briefe geschrieben, deren Antworten darauf er auch im Buch verarbeitet hat; in dieser Tiefe wäre das alles nur wenigen Personen möglich gewesen. Seine beiden großen Lieben, die Fliegerei und die Literatur, konnte er in diesem Werk vereinen. Es gelingt ihm, immer wieder zwischen dem Leben von Amelia Earhardt und den wichtigsten fliegerischen Ereignissen hin und her zu springen, was ihre Motive besser verständlich macht. Es ist kein reiner Roman, keine reine Biografie, kein rein wissenschaftliches Werk, sondern das Wesentliche aus allen Bereichen. Persönliche, auch intimere Details aus dem Leben von 'AE', wie Amelia Earhardt kurz genannt wurde, verbinden sich mit den Fakten der Fliegerei. Der Autor nennt seinen Ansatz 'die erzählerisch-dramatisch-expositorische Technik des modernen Biografen' um seine Geschichte zu erzählen. Er sagt: Während ich viele der Mittel des objektiven Gelehrten nutzte, um mein Material zu sammeln, zu ordnen und seine Richtigkeit zu belegen, versuchte ich, auch das Interesse des Romanciers an Hintergrundeinflüssen, an verborgenen Motiven und an der komplexen Natur des Charakters zu zeigen. Kurz gesagt, ich wollte eine faszinierende Frau aus der Sicht der Luftfahrt in menschliche Begriffe übersetzen.
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Seitenzahl: 372
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Anmerkungen des Autors
Einführung von Hilton H. Railey
TEIL EINS: DER FRIENDSHIP-FLUG
1. Sozialarbeiterin in Boston
2. Mädchenjahre in Kansas
3. Halifax und Trepassey
4. Der wilde Mädchen aus Atchison
5. Über den Atlantik
6. Medizinisches Vorstudium and der Columbia Universität
7. Land!
8. Ein Sack Kartoffeln
9. In den Augen der Öffentlichkeit
TEIL ZWEI: DIE WELT DES FLIEGENS
1. Wohlstand und Unabhängigkeit
2. Vagabundin der Lüfte
3. Die Kinner Canary
4. Luftfahrt Redakteurin
5. Das erste Frauen-Flugrennen
6. Entwicklung von Flugesellschaften
7. George Palmer Putnam
8. Heirat
9. Allein über den Atlantik
10. Andere 'Atlantiks'
11. Fliegen in Kalifornien
12. Das Mädchen und die Maschine
13. Eine wahre Heldin
14. Alleinflug von Hawaii nach Kalifornien
15. Schwesternhelferin in Toronto
16. Wieder zu Hause
17. Solo von Kalifornien nach Mexico
18. Solo from Mexico nach New Jersey
19. Purdue Universität
TEIL DREI: DER LETZTE FLUG
1. Bruchlandung in Hawaii
2. Neue Route, neue Vorbereitungen
3. Von Miami nach Afrika
4. Von Afrika nach Indien
5. Von Indien nach Australien
6. Von Neuguinea zur Howland-Insel
7. Das Verschwinden und die Suche
8. Der Nebel der Gerüchte
9. Im Licht der Tatsachen: Ein Rätsel gelöst?
Nachsatz des Übersetzers
Rekordflüge
Auszeichnungen und Orden
Bildmaterial aus dem Originalbuch
Der Autor: Captain Paul L. Briand, Jr
Mut ist der Preis, den das Leben verlangt, wenn es Frieden mit dir schließen soll …
Amelia Earhart
Für Margaret, meine Frau, die es erlaubt hat, dass eine andere Frau in mein Leben tritt – Amelia Earhart
Paul L. Briand, Jr.
Es gibt viele Frauen, die sich wünschen, ein Mann zu sein, und nur wenige Männer, die sich wünschen, eine Frau zu sein. Amelia Earhart wollte kein Mann sein – sie war der Inbegriff der Weiblichkeit, aber sie wollte viele der Dinge tun, die Männer tun können – und ein paar der Dinge, die Männer nicht tun können. Für sie war die größte Herausforderung in der Welt der Männer, die Fähigkeit zu fliegen, und diese Fähigkeit von 'AE' (wie sie gerne genannt wurde) war das Aufblühen einer Einstellung, die schon in ihrer frühen Kindheit Wurzeln geschlagen hatte.
Nachdem sie das Fliegen erlernt hatte, gab sie sich jedoch nicht damit zufrieden, einfach nur fliegen zu können; sie wollte 'die Erste sein, die es tat' – beim Aufstellen neuer Rekorde – und damit beweisen, dass Frauen Dinge ausprobieren können, wie sie auch Männern versucht hatten.
Amelia Earhart war eine der großen Heldinnen Amerikas; ihr Leben war in vielerlei Hinsicht besonders. Sie war einzigartig, und das Gewebe ihres Lebens war aus Fäden gemacht, die nur selten hergestellt werden: Sie hatte eine unstillbare Neugier auf alles, was es im Leben gibt – Ideen, Bücher, Menschen, Orte, mechanische Dinge.
Sie liebte alle Arten von Sport und Spielen, vor allem jene, die 'nur für Jungs' gedacht sind. Sie war von einer unerbittlichen Unruhe erfüllt, zu experimentieren und neue Dinge auszuprobieren; sie strotzte vor Lebensfreude, die paradoxerweise mit einer nagenden und allgegenwärtigen Sehnsucht nach Einsamkeit einherging, und schließlich grübelte sie mit einem Fatalismus über den Tod, dem sie mit einem enormen Lebenswillen gegenübertrat.
So war sie gemacht, die öffentliche und in der ganzen Welt gefeierte Person – die Frau, der so unglaubliche Leistungen wie die Alleinflüge über den Atlantik und den Pazifik gelang und die sich dann über die damit verbundene Publicity ärgerte – das Mädchen, das einfach nur etwas tun wollte, um die Gleichheit seines Geschlechts mit dem des anderen in allen Bereichen konstruktiver Bemühungen zu demonstrieren. Aber was sie tun wollte, konnte nicht so einfach getan werden, und in dieser Komplexität liegen das Geheimnis einer menschlichen Seele und die Faszination einer Frau, welche sich in die Macht dieser Seele wagte.
Meine Nachforschungen über das Leben von Amelia Earhart ließen mich in viele andere Leben hineinsehen und die Zeit, in der sie gelebt wurden. Sie führten mich auch Tausende von Meilen quer durch die Vereinigten Staaten und veranlassten mich zu Hunderten von Briefen mit Anfragen.
Ich habe Bücher, Zeitschriften und Zeitungen durchforstet und aus ihnen die Grundzüge des Lebens der Fliegerin entnommen, aber es waren die Menschen, die ich interviewt und angeschrieben habe, die meine vielen und hartnäckigen Fragen beantworteten und mir ihre privaten Briefe, Bilder und andere Erinnerungsstücke zur Verfügung stellten, was das Schreiben dieser Biografie letztendlich zu einem angenehmen Unterfangen gemacht hat.
Der Grund, dass ich die erzählerisch-dramatischexpositorische Technik des modernen Biografen gewählt habe, um meine Geschichte zu erzählen, war einfach: Während ich viele der Mittel des objektiven Gelehrten nutzte, um mein Material zu sammeln, zu ordnen und seine Richtigkeit zu belegen, versuchte ich, auch das Interesse des Romanciers an Hintergrundeinflüssen, an verborgenen Motiven und an der komplexen Natur des Charakters zu zeigen. Kurz gesagt, ich wollte eine faszinierende Frau aus der Sicht der Luftfahrt in menschliche Begriffe übersetzen.
Paul L. Briand, Jr. Captain, Unites States Air Force (pensioniert) Akademie der Luftwaffe der Vereinigten Staaten Colorado
***
Amelia Earharts Lockheed Electra 10E. Dieses Bild wurde am 20. März 1937, kurz vor dem Unfall beim Start in Luke Field, Hawaii, aufgenommen.
Es war das besondere Ergebnis meines zufälligen Gesprächs mit George Palmer Putnam, dass es die Karriere von Amelia Earhart in eine neue Richtung brachte – ihre Entwicklung von der Sozialarbeiterin in einem Bostoner Waisenhaus zu einer weltbekannten Figur der Luftfahrt.
Ohne dieses Gespräch mit Mr. Putnam wäre Amelia Earhart wahrscheinlich trotzdem zu einem wichtigen Faktor in der Branche geworden, der sie sich so sehr verschrieben hatte – und sie würde heute noch leben.
Im Frühjahr 1928 suchte ich Putnam in New York auf. Er erzählte mir, dass Commander Byrd kürzlich seine dreimotorige Fokker an eine 'wohlhabende Frau, die den Atlantik überfliegen will'*, verkauft hatte. Er kannte weder ihren Namen noch irgendetwas anderes darüber, außer dass er glaubte, das Flugzeug würde auf dem Flughafen von East Boston mit Schwimmern ausgestattet.
[* Anm.: Hier geht es um den ersten Nonstop-Flug über den Atlantik, bei der eine Frau lediglich als Begleitung/Passagierin mitfliegen würde]
»Es wäre doch amüsant, so ein Wagnis zu managen«, bemerkte er. »Finden Sie alles heraus, was Sie können. Lokalisieren Sie das Flugzeug. Quetschen Sie die Piloten aus.«
In Boston bedrängte ich Wilmer (Bill) Stultz, den Piloten und Lou Gordon, seinen Co-Piloten und Mechaniker. Stultz gab zu, dass er sich auf einen Transatlantikflug vorbereitete, behauptete aber, er kenne nur den Anwalt seines Geldgebers, David T. Layman.
Einige Tage später setzte ich mich in New York mit ihm in Verbindung und erfuhr, dass Mrs. Frederick E. Guest aus London und New York, deren Mann Staatssekretär für Luftfahrt im Kabinett von Lloyd George gewesen war, die geheimnisvolle Käuferin ist, die als Erste ihres Geschlechts den Atlantik überfliegen wollte. Ihre Familie, so Mr. Layman, zeigte sich sehr besorgt, deshalb war man sich bald einig, dass Mrs. Guest zurücktreten würde, wenn ich die 'richtige Art von Mädchen' finden könnte, um ihren Platz einzunehmen.
Als ich nach Boston zurückkehrte, rief ich den pensionierten Konteradmiral, Reginald K. Belknap, an. »Ich kenne eine junge Sozialarbeiterin, die fliegt«, sagte er. »Ich bin mir nicht sicher, wie viele Stunden sie schon geflogen ist, aber ich weiß, dass sie sich sehr für die Luftfahrt interessiert und ein durch und durch netter Mensch ist. Rufen Sie im Denison House an und fragen Sie nach Amelia Earhart.«
Als sich Miss Earhart am Telefon meldete, erkundigte ich mich vorsichtig, ob sie an einem wichtigen, aber gefährlichen Flug teilnehmen wolle. Ich musste damit herausrücken, denn sie hatte ein Interview abgelehnt, bevor ich ihr nicht die Art meines Anliegens mitgeteilt hatte. An diesem Nachmittag erschien sie in Begleitung von Frau Marion Perkins, der Leiterin von Denison House, in meinem Büro.
Beim ersten Anblick davon überzeugt, dass sie als Person, wenn nicht sogar als Pilotin, qualifiziert war, fragte ich sofort:
»Wie würde es Ihnen gefallen, die erste Frau zu sein, die den Atlantik überfliegt?«
Sie fragte nach Details – all das, was ich ihr darüber sagen durfte. Miss Earhart hatte mehrere Flugzeuge besessen und war mehr als fünfhundert Stunden geflogen.
Sie sagte, die Rolle des Passagiers gefalle ihr nicht besonders, und sie hoffte, dass sie, wenn die Wetterbedingungen es zuließen, einmal selbst am Steuer sitzen könnte. Zu diesem Zeitpunkt war sie jedoch nicht in der Lage allein mithilfe von Instrumenten zu fliegen, und ihre Erfahrungen mit dreimotorigen Flugzeugen waren recht unzureichend.
Im Lichte der nachfolgenden Ereignisse und im tragischen Schatten der letzten Episode, zitiere ich einen Brief, den Miss Earhart am 2. Mai 1928 an mich gerichtet hatte:
'Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich, soweit es Ihnen möglich ist, über die Entwicklung des geplanten Fluges auf dem Laufenden zu halten. Wie Sie sich vorstellen können, ist meine Spannung in der Tat groß.'
'Bitte denken Sie jedoch nicht, dass ich Sie in irgendeiner Weise für meine eigene Verunsicherung verantwortlich mache. Mir ist klar, dass Sie jetzt und von Anfang an nur als Mittelsmann in der Kommunikation zwischen mir und der Person oder den Personen sind, die das Unternehmen finanzieren. Zu Ihrer eigenen Beruhigung möchte ich an dieser Stelle hinzufügen, dass Sie nichts weiter getan haben, als mir den Sachverhalt darzulegen. Ich weiß Ihre Geduld zu schätzen, indem Sie nicht versuchen, die Idee zu 'verkaufen', und möchte Sie wissen lassen, dass ich die volle Verantwortung für alle damit verbundenen Risiken übernehme.'
Einige Wochen, nachdem Mrs. Guest sich zugunsten von Miss Earhart zurückgezogen hatte, sprach meine Frau, die täglich mit unseren geheimen Vorbereitungen in Berührung kam, das Thema an und forderte sie von Frau zu Frau auf, einen Rückzieher zu machen, wenn sie sich auch nur im Geringsten unwohl fühlen würde. Ihre Antwort war bezeichnend:
'Nein, ich sehe das so: Meine Familie ist versichert, ich muss nur an mich denken. Und wenn einem ein großes Abenteuer angeboten wird, schlägt man es nicht aus, das ist alles.'
Auf Mrs. Guests Bitte hin erklärte sich Mr. Putnam bereit, als 'Sponsor' des Fluges zu fungieren. Es war vor allem auf Miss Earharts Bitte hin, dass ich mich selbst bereit erklärte, sie durch den Tumult in Europa zu begleiten. Etwa Mitte Mai brach ich nach London auf. Mrs. Guest war uns vorausgefahren.
Stultz und Gordon, so glaubte die Presse, waren Byrds* Männer, die dabei waren die riesige Fokker, die von Mrs. Guest den Namen 'Friendship' erhielt, für die Reise zum Südpol vorzu bereiteten.
[* Richard E. Byrd, US-amerikanischer Polarforscher, Konteradmiral und Flugpionier]
Gegen Mittag des 17. Juni hatte die Friendship das Pech, das sie auf ihren Pontons mehr als zwei Wochen lang in der Bucht von Trepassey, Neufundland, herumdümpeln musste. Die Nachricht vom darauffolgenden Abheben ging um die Welt.*
[* der Flug hatte seine Ausgangsposition in dieser in Kanada gelegenen Bucht]
Am nächsten Morgen erfuhren wir, dass die 'Friendship' die einige Hundert Meilen entfernte 'S.S. America' umrundet hatte, um sich zu orientieren; die Stille während der Nacht hatte nur bedeutet, dass ihr Funkgerät außer Betrieb war. Nach einigen Stunden erhielt ich eine direkte Nachricht von Gordon, dass sie sicher in Burry Port, Wales, gelandet waren. Ich telegrafierte ihnen, dass sie an Bord bleiben sollten, bis ich mit dem Flugboot aus Southampton eintreffen würde.
[Anm.: Es war die erste Nonstop Atlantiküberquerung einer Frau, Amelia Earhardt, als Begleitung/Passagierin (Pilot Wilmer Stultz, Mechaniker Lou Gordon). AE besaß aber selbst eine Pilotenlizenz]
Als ich an diesem Nachmittag in der Nähe der Friendship landete, sah ich Miss Earhart in der Tür des Flugzeugrumpfes sitzen.
»Hallo!«, sagte sie.
Nach einem Flug von zwanzig Stunden und vierzig Minuten waren sie alle hundemüde, aber in Miss Earharts Gesichtsausdruck war noch etwas anderes zu erkennen – Enttäuschung.
»Was ist denn los?«, fragte ich. »Sind Sie nicht aufgeregt?«
»Aufgeregt? Nein. Es war ein großartiges Erlebnis, aber ich habe nur auf dem Bauch gelegen und Fotos von den Wolken gemacht. Vom Meer haben wir nicht viel gesehen. Bill ist die ganze Zeit geflogen – er musste es. Ich war nur ein Gepäckstück, wie ein Sack Kartoffeln.«
»Was solls? Sie sind immer noch die erste Frau, die über den Atlantik geflogen ist, und noch dazu die erste Pilotin.«
»Na ja, vielleicht versuche ich es eines Tages allein.«
Am nächsten Morgen gingen wir an Bord der Friendship und flogen nach Southampton, wo Miss Earhart zum ersten Mal Mrs. Guest begegnete, die Frau, der sie die Position verdankte, die sie später, gestärkt durch ihre eigene ruhige Hand, so glänzend ausfüllen sollte.
Als Begleiter von Miss Earhart empfand ich zunehmend Stolz auf ihre natürliche Art, die von Humor und Anmut geprägt war. Ob sie mit Dutzenden von Kameraleuten konfrontiert wurde, die sie immer wieder aufforderten 'ein großes strahlendes Lächeln, bitte!', oder ob sie gebeten wurde, der Menge zuzuwinken (eine Geste, die sie sparsam einsetzte), ob sie einen Kranz am Ehrenmal oder vor einer Statue von Edith Cavell niederlegte, ob sie mit dem Premierminister und Lady Astor im Unterhaus Tee trank oder sich mit Winston Churchill unterhielt, sie blieb sie selbst, ernsthaft, offen und ohne jeden Nonsens in ihrer Erscheinung.
Schon damals ahnte ich, dass sie trotz ihres bescheidenen Auftretens ein Drama in den Himmel schreiben würde. Ihre Schlichtheit würde die Menschen überall fesseln, ihre Charakterstärke würde sie auf ihrem Weg halten. In der ruhigen Verfolgung eines Ziels, das nicht nur auf sie selbst bezogen war, würde sie Großes erreichen. Vor allem aber besaß sie eine Qualität von fantasievoller Kühnheit, die sie wie ein Pfeil beflügeln würde.
An Bord des Bootes des Bürgermeisters, Macom, während der Begrüßung von Miss Earhart im Hafen von New York, erzählte mir Commander Byrd, dass er Hilfe bei der Finanzierung seiner geplanten Expedition in die Antarktis benötige, und drängte mich, dass ich zu ihm kommen sollte, sobald ich mich von der 'Show' um die Friendship losreißen könnte. Nach ein oder zwei Tagen tat ich das.
In den folgenden Jahren verfolgte ich mit Stolz und dem sicheren Wissen um Amelia Earharts Beweggründe, wie sie sich in der Luftfahrt einen Namen machte, aber auch mit einem Hauch von Angst vor dem Ausgang.
Sie nahm die ihr zuteilgewordenen Ehrungen eher als Tribut an ihr Geschlecht als zu ihrer eigenen Verherrlichung an, denn die Beteiligung von Frauen an der Luftfahrt, die sie stets zu fördern und voranzutreiben suchte, war die Obsession, die sie bis in den Tod lockte.
Nachdem sie als erster weiblicher Passagier den Atlantik überflogen hatte, war es unvermeidlich, dass sie versuchen würde, ihn allein zu überqueren. Nachdem sie dies getan und eine Reihe von transkontinentalen Rekorden aufgestellt hatte, blieb noch der Pazifik.
Lange bevor sie es erwähnte, wusste ich, dass als Nächstes und vielleicht mit tödlichem Ausgang ihr Abenteuer der Weltumrundung kommen musste. Warum hat sie diese gefährliche Expedition unternommen, obwohl es ihr selbst nur als ein Kunststück ohne konstruktiven Nutzen für die Luftfahrtindustrie erscheinen musste?
Sie musste es tun. Sie geriet in die Fänge des Heldentums, das sie zu immer dramatischeren Rekorden zwang, zu größeren und mutigeren Leistungen, die ihr automatisch die nötige Publicity verschafften, um ihre Position als führende Pilotin der Welt zu behaupten. Sie war ein Opfer der Ära der 'spannungsgeladenen' Luftfahrt, die mit Colonel Lindbergh und Admiral Byrd begann und die 'wissenschaftliche' Expeditionen über Kontinente, Ozeane und Polarregionen durch Darstellung Einzelner in nie da gewesener Weise hervorbrachte.
Ein gelber Kissel-Roadster* mit offenem Verdeck und einem grinsenden Mädchen mit zerzausten Haaren am Steuer bog um die Ecke, raste die Tyler Street in Boston hinunter und kam quietschend vor dem Denison House zum Stehen. Bevor das Mädchen ein Bein aus dem Auto setzen konnte, versammelte sich ein Schwarm von Kindern aus der Wohlfahrtseinrichtung um ihre Lieblingslehrerin. Von allen Seiten wurde sie von einem bunten Haufen gegrüßt.
[* Kissel Motor Car Company, US-amerikanischer Hersteller von Automobilen]
»Miss Earhart«, sagte einer der älteren italienischen Jungen, »sind Sie geflogen?« Seine schwarzen Augen funkelten. »Verdammt, ich wünschte, ich könnte fliegen!«
Amelia Earhart lächelte den Jungen an und zog ihm die Mütze über die Augen. »Deine Mutter würde dich zurück nach Italien schicken, wenn du das tust.«
Die anderen lachten und folgten der hochgewachsenen, schlanken Englischlehrerin durch die Vordertür, eine polyglotte Mischung aus armenischen, syrischen, griechischen, chinesischen, jüdischen und italienischen Kindern. Sie drängte sie in den Flur und trieb sie dann in eines der Klassenzimmer.
Als sie dort schließlich zur Ruhe gekommen waren, lauschten die Kinder den vereinfachten Erklärungen zur englischen Grammatik. Sie verzogen ungläubig das Gesicht und kniffen die Augen in hilfloser Verwirrung zusammen.
Der italienische Junge mit der Mütze schaute seinen kleinen Bruder an, um zu sehen, ob er es verstanden hatte; das hatte er nicht. Der ältere Junge hob seine Hand.
Miss Earhart schaute ihn an. »Ich und Gino«, sagte er und fingerte an seinem dichten schwarzen Lockenhaar herum, »wir verstehen … «
»Gino und ich«, korrigierte Amelia ihn.
»Gino und Sie?«
Amelia strich ihr Haar mit einer schnellen Handbewegung zurück. »Nein, nein. Du und dein Bruder. Du solltest sagen … «
Mitten hinein in diesen Nachmittag im April 1928 wurde AE zum Telefon gerufen.
»Ich bin gerade zu beschäftigt, um ranzugehen«, sagte sie. »Sagen Sie demjenigen, der es ist, er soll später zurückrufen.«
»Aber er sagt, es sei wichtig.«
Widerwillig ging Amelia zum Telefon und nahm den Hörer ab.
»Hallo«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Mein Name ist Railey, Captain Hilton Railey.«
»Ja, Captain Railey?« Sie konnte den Namen nicht zuordnen.
»Ich wollte mit Ihnen über eine sehr wichtige Angelegenheit sprechen.« Seine Stimme war tief und kräftig.
»Was könnte das sein?«, antwortete Amelia kurz.
»Sie interessieren sich für die Fliegerei, nicht wahr?«
»Ja, Sir!« Ihr Interesse war geweckt.
»Würden Sie gerne etwas für die Sache der Luftfahrt tun?«
»Das klingt nach einer großen Angelegenheit.«
»Nun, würden Sie?« Raileys Tonfall klang herausfordernd.
Amelia drehte die lange Perlenkette, die an ihrem Hals hing. »Ja!«, sagte sie.
»Es könnte gefährlich werden«, fügte er hinzu.
Kapitän Railey lehnte es ab, am Telefon die genaue Art des bestehenden Risikos mitzuteilen, und bat Miss Earhart, sich zunächst in seinem Büro in der Federal Street 80 in der Innenstadt von Boston zu melden.
Amelia fragte ihn nach Referenzen; sie wollte sichergehen, dass es sich nicht um einen Scherz handelte.
Railey nannte das First Army Hauptquartier und den Namen von Commander Byrd. Für den Moment war sie zufrieden. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme von Amelia hatte sie sich auserbeten, dass Marion Perkins, die leitende Angestellte von Denison House, sie als Anstandsdame und Beraterin in Raileys Büro begleiten würde.
Am späten Nachmittag, als sie bereits vor Neugierde fast platzte, fuhr AE mit ihrer 'gelben Gefahr' noch schneller als sonst. Sie ärgerte sich darüber, dass sie auch nur einem einzigen Auto durch die engen Straßen der Stadt hinterherfahren musste. Miss Perkins, die starr und ruhig neben ihr saß, warnte mit matronenhafter Autorität vor zu hoher Geschwindigkeit.
Das Kissel-Automobil parkte; Amelia steckte ihr Haar unter den selten getragenen Glocken-Hut und eilte zu Raileys Büro, aber nur in dem Tempo, welches das Anstandsgefühl von Marion Perkins erlaubte.
Als die beiden Frauen Captain Railey kennenlernten, erfuhren sie, dass er ein Zivilist war, der während des Krieges als Captain in der Armee gedient hatte. Jetzt war er Präsident einer Public-Relations-Firma mit Büros in Boston, New York und Philadelphia. Zu seinen Kunden zählten bekannte Luftfahrtgrößen wie Richard Byrd, Clarence Chamberlin, Sir Hubert Wilkins, Lincoln Ellsworth und Ruth Nichols.
Hilton Railey, ein dunkelhaariger, gut aussehender Mann, setzte sich mit den beiden Frauen an den Rand seines Schreibtisches. Ihm gefiel das Aussehen der bescheidenen Sozialarbeiterin, die, wie er erfahren hatte, eine Privatpilotenlizenz besaß und mehr als fünfhundert Flugstunden absolviert hatte. Was ihm vor allem gefiel, war ihre verblüffende Ähnlichkeit mit dem größten amerikanischen Helden – Charles Lindbergh. Vor ihm stand, wenn ihn seine Augen nicht täuschten, eine 'Lady Lindy'. Wie Lindbergh war sie schüchtern und bescheiden. Sie wusste es noch nicht, aber sie war gerade entdeckt worden.
»Miss Earhart«, fragte Railey, »haben Sie jemals von Mrs. Frederick Guest gehört?«
»Nein, ich fürchte nicht«, antwortete Amelia. Sie saß auf der Kante des Stuhls, den Rücken gerade, die Beine fest zusammengedrückt.
»Vor einiger Zeit hat Mrs. Guest eine dreimotorige Fokker von Commander Byrd gekauft. Sie wollte die erste Frau sein, die den Atlantik überfliegt.«
Railey wartete auf eine erste Regung des Mädchens und fuhr fort. »Sie war zwar mutig, aber sie ist auch Mutter, und ihre Kinder haben es ihr ausgeredet.«
Marion Perkins, misstrauisch wie eine beschützende Tante, unbeugsam wie ein Ladestock, beäugte Railey kalt.
Amelia ahnte, in welche Richtung das Gespräch gehen würde, und freute sich über den Gedanken, der ihr durch den Kopf ging. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
»Das ist zu schade für sie«, sagte sie.
Hilton Railey warf der jungen Frau einen ernsten Blick zu, dann warf er einen verstohlenen Blick auf ihre langen, geraden Beine. AE errötete. »Miss Earhart«, fuhr er fort, »Mrs. Guest möchte immer noch, dass eine Frau als Passagier auf diesem Flug ist. Möchten Sie die erste Frau sein, die über den Atlantik fliegt?«
Amelia wurde rot vor Aufregung. Trotz des damit verbundenen Risikos dachte sie, dass dies eine seltene Gelegenheit war. Es gab nicht mehr als ein Dutzend Frauen im Land, die eine Fluglizenz hatten, und das schien eine der Voraussetzungen zu sein. Vielleicht standen ihre Chancen gut. Sie fasste einen Entschluss.
»Ja, Sir«, sagte sie schließlich, »ich würde es auf jeden Fall tun.«
Kapitän Railey erhob sich, um ihr die Hand zu schütteln. Er freute sich, dass er eine so charmante Kandidatin gefunden hatte. »Sie müssen mit mir nach New York gehen«, sagte er ihr, »um die Geldgeber des Fluges zu treffen. Es werden auch noch andere Fliegerinnen in Betracht gezogen.«
Er machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Übrigens, Miss Earhart, hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie wie Lindbergh aussehen?«
In New York wurden gerade die Pläne für den Flug fertiggestellt. George Palmer Putnam war von Mrs. Guest beauftragt worden, eine Fliegerin zu finden, die ihren Platz einnehmen sollte. Er hatte jeden angerufen, den er kannte und der eine geeignete Kandidatin nennen konnte.
Die ehrenwerte Mrs. Frederick Guest aus London, ehemals Amy Phipps aus Pittsburgh, hatte die Absicht, das für die englisch-amerikanischen Beziehungen zu tun, was Charles Lindbergh für die französischamerikanischen Beziehungen getan hatte.
Unter den mehreren Frauen, die bereits für den Flug in Betracht gezogen worden waren, befand sich auch Ruth Nichols* aus Rye, New York, die eine berühmte Fliegerin wurde. Ihr Karriere verlief parallel zum ganzen Weg von AE.
[* Ruth Nicols war die einzige Frau, die Rekorde in allen drei Disziplinen hielt, Geschwindigkeit, Höhe und Distanz]
In New York wartete eine ausschließlich männliche Jury auf die Befragung von AE. Sie bestand aus George Palmer Putnam, dem Verleger, David T. Layman, Jr. dem Anwalt von Mrs. Guest und John S. Phipps, einem Bruder von Mrs. Guest.
Amelia hatte noch nie eine so ernst dreinblickende Gruppe gesehen. Nachdem Kapitän Railey sie einem nach dem anderen von ihnen vorgestellt hatte, begannen sie damit, sie auszufragen.
War sie bereit, den Atlantik zu überfliegen? Würde sie von ihr im Falle einer Katastrophe aus der Verantwortung entlassen? Welche Ausbildung hatte sie? Wie stark war sie? Wie willig? Welche Flugerfahrung hatte sie? Was würde sie nach dem Flug tun? War sie darauf vorbereitet, nicht bezahlt zu werden, obwohl die beiden Männer im Flugzeug Geld erhalten würden?
Die zurückhaltende Bostoner Sozialarbeiterin 'überlebte' die Befragung. Später erinnerte sich Amelia an diese Erfahrung: 'Ich befand mich in einer seltsamen Situation. Wenn sie mich überhaupt nicht mochten oder mich in zu vielerlei Hinsicht für unzulänglich hielten, würde mir die Reise verwehrt werden. Wenn sie mich zu sehr mochten, würden sie mich vielleicht nur ungern ertränken. Ich musste also eine Haltung der undurchdringlichen Mittelmäßigkeit bewahren. Anscheinend habe ich das getan, denn ich wurde ausgewählt.'
Trotz der 'undurchdringlichen Mittelmäßigkeit' entdeckte der Ausschuss in dem Mädchen viel von dem, was er suchte. Sie war groß und schlank und sah knabenhaft aus. Sie war bescheiden und wortkarg. Die Männer konnten nicht anders, als Railey zuzustimmen: Sie sah tatsächlich aus wie Charles Lindbergh und verhielt sich auch wie er.
Amelia war aufgeregt, weil man sie für den Flug ausgewählt hatte. Mit unbändigem Enthusiasmus verfolgte sie die Vorbereitungen.
Man hatte beschlossen, vom Bostoner Hafen aus zu starten, denn wenn die Presse von dem Projekt erfahren würde, konnte jeder behaupten, dass der Bostoner Commander Byrd eine weitere Arktis-Expedition vorbereitete und dass das Flugzeug ihm gehörte.
Als AE nach Denison House zurückkehrte, war bereits viel erledigt worden. In Vertretung von Mrs. Guest hatte Commander Byrd den Piloten ausgewählt. Es war Wilmer L. 'Bill' Stultz, der seinerseits die Mechaniker auswählen konnte. Stultz entschied sich für Lou 'Slim' Gordon, der in Monroe, Louisiana, tätig war.
Für den Fall einer Notsituation hatte Byrd auch einen Ersatzpiloten, Lou Gower, bestimmt. Stultz jedoch, ein außergewöhnlicher Pilot, musste nie ersetzt werden, obwohl es Zeiten gab, in denen dies durchaus hätte geschehen können.
Das Flugzeug, das von Mrs. Guest den Namen 'Friendship' [Freundschaft] erhielt, wurde in einen Hangar in East Boston gebracht, um umgebaut zu werden. Wegen der Risiken, die ein langer Flug über Wasser mit sich bringt, und der immer gegebenen Möglichkeit einer Notlandung, wurde beschlossen, die Räder der Fokker durch Pontons zu ersetzen.
Um die Reichweite zu erhöhen, wurden zwei große Benzintanks, die 900 zusätzliche Gallonen Benzin fassen konnten, am vorderen Rumpfspant in der Kabine des Flugzeugs angebracht. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme wurden neue Fluginstrumente und Funkgeräte eingebaut. Nach Abschluss der Arbeiten führten Stultz und Gordon zahlreiche Testflüge durch, bevor sie das Flugzeug für einsatzbereit erklärten.
Die Presse erfuhr nie, was vor sich ging. Gemäß der Vereinbarung hielten alle, die mit dem Flug zu tun hatten, Stillschweigen darüber. Amelia erzählte nicht einmal ihrer Familie, die im nahe gelegenen Medford lebte, davon. Sie vertraute sich jedoch Samuel Chapman an, einem guten Freund, der wiederum ihre Familie nach dem Abflug informieren sollte.
Über Samuel Chapman ist nur wenig bekannt. Er war ein Anwalt, der in der Bostoner Niederlassung der Edison Company arbeitete. Einigen Berichten zufolge lernte Amelia ihn in Los Angeles kennen, als sie das Fliegen lernte. Einige behaupteten, dass Amelia mit ihm verlobt war.
Wenn es eine Verlobung gegeben hatte, dann musste wohl etwas vor, während oder nach dem Friendship-Flug geschehen sein, um sie zu lösen. Wann immer Amelia nach dem Flug nach Chapman gefragt wurde, war sie vage und ausweichend. Sie sagte, dass sie nicht wisse, wo er sei, dass sie ihn nicht gesehen habe und dass sie nicht vorhabe, ihn zu sehen. Sie schaffte es, über Samuel Chapman genauso geheimnisvoll verschwiegen zu bleiben, wie sie es über die Vorbereitungen der Friendship gewesen war.
Mitte Mai 1928 erklärten Stultz und Gordon das Flugzeug für flugbereit. Wetterinformationen wurden gesammelt, koordiniert und aufgezeichnet. Berichte von Schiffen auf See gingen beim Wetteramt ein; britische Berichte wurden ausgewertet und nach New York gekabelt. Dr. James H. Kimball, der große Freund der Piloten, sammelte, studierte und machte Beratungen von seinem New Yorker Büro des United States Wetterbüros aus.
Das Wetter wurde das große Hindernis.
Drei Wochen des Wartens auf das geeignete Wetter zerrten an den Nerven. Weil sie bei den örtlichen Flughäfen so gut bekannt war, mied Amelia East Boston und den Hangar. Sie und George Palmer Putnam (von allen GP genannt) waren oft bei den Byrds in der Brimmer Street zu Besuch, wo sie die umfangreichen Vorbereitungen für die bevorstehende Antarktis-Expedition des Kommandanten durchsahen.
An guten Tagen unternahm Amelia mit Hilton Railey oder GP lange Fahrten mit dem gelben Kissel ins Grüne. Jeden Abend aßen sie in einem anderen Restaurant, das auf ausländische Gerichte spezialisiert war, und nach dem Essen besuchten sie eines der seriösen Theater in Boston.
Bill Stultz und Slim Gordon wohnten im Copley-Plaza, wo sie sich ein Zimmer teilten. Stultz, der Mann der Tat, die seltene Kombination aus großem Piloten, Navigator, Instrumentenflieger und Funker, wurde mit den Tagen immer unruhiger. Eine düstere Melancholie begann sich in seine Wartezeiten einzuschleichen. Er wandte sich dem Schnaps zu, um seine Langeweile und Unruhe zu lindern. Sein täglicher Rausch wurde für Amelia, Putnam und Railey zu einem akuten Problem. Gordon, der selbst an einer Fleisch-Vergiftung erkrankt war, wusste jedoch, dass sich für sie beide alles zum Besseren wenden würde, wenn sie endlich aus Boston in die Luft kämen.
Die Stimmung war während der langen, grauen Tage getrübt. Wenn das Wetter in Boston günstig war, war der Mittelatlantik abweisend; wenn der Mittelatlantik günstig war, war Boston in Nebel gehüllt; wenn der Atlantik und Boston günstig waren, bot der Hafen nur eine unzureichende Windstille, die es dem schweren Flugzeug unmöglich machte, abzuheben.
Amelia schrieb, 'Popping off letters' [Abschiedsbriefe, hier ironisch 'abhauen, schnell verschwinden' gemeint], wie sie diese nannte. Einen für ihren Vater in Los Angeles und einen für ihre Mutter in Medford; der eine war fröhlich und sehr gelassen, der andere war ernst und etwas grimmig. [Die Briefe waren für den Fall gedacht, dass die Mission gescheitert war].
[Anm.: Die Eltern lebten nach der Scheidung getrennt. Alkoholismus des Vaters führte zum Verlust mehrere Arbeitsstellen und zum wirtschaftlichen Niedergang und dem Zerfall der Familie. Amelia lebte danach mit ihrer Schwester bei der Mutter]
Der Brief an ihren Vater lautete:
20. Mai 1928
'Liebster Papa, ein Hoch auf das letzte große Abenteuer! Ich wünschte, ich hätte gewonnen, aber es hat sich trotzdem gelohnt. Das weißt du. Ich glaube nicht, dass wir uns irgendwo wiedersehen, aber ich wünschte, wir könnten es. Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Glück und alles Gute.
In Zuneigung, deine Tochter! 'Mill' [Amelia]'
An ihre Mutter schrieb sie: 'Auch wenn ich verloren habe, hat sich das Abenteuer gelohnt. Unsere Familie neigt dazu, zu sicher zu sein. Mein Leben war wirklich sehr glücklich, und es machte mir nichts aus, mittendrin über sein Ende nachzudenken.'
Gegen Ende Mai schien alles bereit zu sein. Doch zwei Startversuche waren erfolglos. Zu wenig Wind und zu viel Nebel meuterten gegen den menschlichen Willen und das startklare Flugzeug.'
Um drei Uhr dreißig am Morgen eines weiteren Tages verließ die Gruppe das Copley-Plaza und trat hinaus in das Grau einer weiteren Morgendämmerung.
Wieder wurden Sandwiches geschmiert, Thermosflaschen mit Kaffee und Kakao gefüllt, die Ausrüstung vorbereitet und gepackt. Wieder kletterten sie in die wartenden Autos und fuhren durch die nassen, menschenleeren Straßen zur T Wharf [eine der Schiffsanlegestellen in Boston], wo sie an Bord des Schleppers Sadie Ross kletterten. Sie tuckerten noch einmal hinaus zum Jeffrey Jacht Club in East Boston und hin zum verankerten Flugzeug. Die Friendship wirkte wie ein planloser Vogel, dessen goldene Flügel und roter Körper vom Morgentau überzogen waren. Es war Sonntag, der dritte Juni.
Der Nebel war nicht allzu dicht. Der Wind kam fast perfekt von rechts, blies aus Südost und wirbelte Wellen auf, die gegen die Pontons schlugen und die Außenbordmotoren bespritzten.
Es gab keine Verabschiedung, dafür waren es schon zu viele. Slim Gordon nahm die Planen von den drei Motoren ab. Bill überprüfte das Funkgerät und die Instrumente im Cockpit. Slim hüpfte von Ponton zu Ponton, kurbelte die Motoren an und kletterte dann auf den Sitz des Co-Piloten.
Das Flugzeug begann aus dem Hafen zu treiben. Amelia stand zwischen den beiden großen Tanks in der Kabine und blickte auf den Geschwindigkeitsmesser.
Lou Gower hockte im hinteren Teil des Flugzeugs und hoffte, dass das zusätzliche Gewicht seines Körpers helfen würde, die Nase des Flugzeugs für den Start aufzurichten. Der Versuch schlug fehl.
Ein Fünf-Gallonen-Kanister mit Benzin wurde über Bord geworfen, aber das half nicht. Das Flugzeug war immer noch zu schwer. Lou Gower [der Ersatzpilot] hatte gehofft, bis nach Neufundland [Ausgangspunkt des Atlantikflugs] mitzukommen, doch als er das Unvermeidliche erkannte, packte er seine Sachen zusammen und gab dem Schlepper ein Zeichen, ein Boot zu holen. Er wünschte der Besatzung viel Glück und verließ das Flugzeug.
Die Friendship trieb wieder den Hafen entlang, die Propeller surrten in der Gischt, die Pontons schnitten durch die Schaumkronen. Der Schlepper folgte dem Flugzeug in der schäumenden Gischt.
In der Fokker beobachtete Amelia die Nadel der Fluggeschwindigkeitsanzeige, während sie den Start versuchten. Der Zeiger auf dem Instrument bewegte sich langsam – auf dreißig, auf vierzig, dann über die notwendigen fünfzig, auf fünfundfünfzig und schließlich auf sechzig. Die drei Motoren röhrten und schnarrten und strengten sich an. Die Pontons kamen schrittweise hoch und hoben sich dann schnell vom Meer ab. Endlich kamen sie weg.
Amelia warf einen Blick auf ihre Uhr, es war 6:30 am Morgen. Sie schaute aus dem Fenster in der Seitentür. Boston und die Schlepper und Fischerboote begannen im Nebel zu verschwinden, als das Flugzeug auf Reiseflughöhe stieg. Die Sonne brach über den Rand des Hafens. Sie waren auf dem Weg entlang der Küste Neuenglands nach Nova Scotia und Neufundland.
Als offizielle Protokollantin für den Flug holte AE ihren Stenoblock hervor, der als Logbuch diente. Sie setzte sich auf einen Wasserkanister und schrieb:
'96 Meilen unterwegs (1 Stunde). 7:30 Uhr. 2.500 Fuß. Bill zeigt mir auf der Karte, dass wir uns in der Nähe von Cash's Ledge befinden. Wir können nichts sehen (wenn es überhaupt etwas zu sehen gibt), denn der Dunst macht die Sicht schlecht. Die Sonne blendet im Cockpit und wird es noch einige Zeit lang tun. Bill hockt in der Luke und macht seine Beobachtungen'.
Eine Stunde und fünfzehn Minuten später sichteten sie Nova Scotia und Fear Island. Das Flugzeug sank auf 2.000 Fuß, damit sie einen genaueren Blick werfen konnten.
Der Dunst hatte sich gelichtet. Weiße Möwen flogen über die Häusergruppen auf dem grünen Land und über die Wellen hinweg, die ein einsames Boot am Ufer schaukelten. Ein felsiger Vorsprung verzierte den Rand der Insel. Der Hafen von Pubnico lag direkt darunter.
Die Friendship, deren Motoren leise brummten, hatte seit dem Verlassen von Boston einen Durchschnitt von 114 Meilen pro Stunde erreicht.
Amelia tauschte ihren Sitz gegen einen Benzinkanister und schaute durch die Luke nach unten. Ein grün getupftes Ufer kam in Sicht. Das Flugzeug raste schnell durch die Wolken und wühlte sich durch den wieder aufkommenden Dunst. Gelangweilt, weil es nichts mehr zu sehen gab, legte sich AE nun auf den Boden des Rumpfes und zog den Pelzkragen ihres übergroßen Lederfluganzugs hoch. Sie fühlte sich wohlig und warm. Neben ihr, entlang des Schotts, quietschten die Benzinkanister in den schweren Spannseilen.
'Ich habe eine quietschvergnügte Zeit', sagte Amelia zu sich selbst und erinnerte sich an die anderen quietschvergnügten Zeiten, die sie einst als Kind in Atchison, Kansas, hatte.
*
Großvater Otis stand vor dem Kamin in dem langen Wohnzimmer seines Hauses. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wippte hin und her, wobei seine schwarzen, breitkappigen, handgefertigten Schuhe auf dem harten Holzboden quietschten. Er war ein großer, breitbrüstiger Mann, und selbst im Ruhestand war er noch ganz der Richter, der er einmal war, bevor seine beiden Enkelinnen geboren wurden.
Seine Frau Amelia saß im Schaukelstuhl und stopfte einen schwarzen Kniestrumpf. Der Stuhl knarrte beim Schaukeln und hielt unwillkürlich den Takt mit dem Wippen von Absatz zu Zehen der dicken schwarzen Schuhe ihres Mannes.
Zwei kleine Mädchen, die einzigen Kinder ihrer Tochter Amy, saßen auf dem steifen Rosshaarsofa und tauschten wissende Blicke aus. Das ältere Mädchen, Amelia, die nach ihrer Großmutter benannt war, beugte sich vor und flüsterte ihrer Schwester Muriel etwas ins Ohr. 'Eine quietschvergnügte Zeit!' Sie kicherten. Sie wünschten sich, sie hätten auch Schuhe, die quietschten.
Die Mädchen liebten ihren Großvater, weil er sie oft mit Geschichten über seine frühen Tage in Kansas unterhielt. Richter Otis war einer der ersten Siedler in Atchison gewesen. Kurz nach dem Bürgerkrieg, als er sein Studium an der Universität von Michigan abgeschlossen hatte, kam er mit der Postkutsche von Kalamazoo nach Chicago, fuhr mit einem Flachboot nach St. Louis, dann den Missouri flussaufwärts und ging in Atchison an Land, um sich niederzulassen.
Er baute dort ein großes zweistöckiges Haus aus Ziegeln und Fachwerk auf einem Grundstück mit Blick auf den Fluss und fügte eine große Scheune und einen Holzschuppen hinzu.
Nach Abschluss der Arbeiten schickte er nach seiner Braut, die bei ihrer Quäkerfamilie in Philadelphia wohnte.
Amelia Otis fand das Land nahezu wild vor. Die Bahngleise, die nach Atchison führten, waren mit Büffelknochen übersät, und die sogenannten 'freundlichen' Indianer jagten ihr eine Heidenangst ein. Sie waren zu freundlich. Wann immer sie in der Stadt einkaufen ging, befingerten die neugierigen Indianer ihr Kleid und stocherten in ihrem Einkaufskorb. Großvater Otis schmunzelte, als er diese Geschichte über seine Frau erzählte, denn sie erinnerte ihn immer daran, dass sie die Zivilisation von Philadelphia und die Gesellschaft der Freunde vorgezogen hätte.
Die Earhart-Mädchen mochten ihren Großvater, aber er ersetzte nie ihren Vater, der, wie es schien, ständig auf Geschäftsreise war. Eine von Amelias frühesten Erinnerungen an ihre Kindheit war das Warten auf ihren Vater, wenn er am Wochenende nach Hause kam, um zu sehen, welche Geschenke er mitbringen würde, und vor allem, um tagsüber mit ihm zu spielen und abends seinen Geschichten zu lauschen. Er hatte ihnen einen Baseball und einen Schläger sowie einen Basketball gekauft und ihnen gezeigt, wie man damit spielt, trotz der Proteste einiger Mütter aus der Nachbarschaft.
Wenn es Zeit war für die Mädchen zu Bett zu gehen, schickte er sie nicht nach oben in ihr Zimmer, sondern setzte sich in den Stuhl mit der aufrechten Lehne am Kamin, schlug die langen Beine seiner schlanken Gestalt übereinander und erzählte ihnen Geschichten aus seiner Familie und seiner Jugendzeit.
Edwin S. Earhart wurde ein paar Meilen von Atchison entfernt als jüngstes von zwölf Kindern geboren. Sein Vater David und seine Mutter Mary hatten viele Stunden auf der harten Erde von Kansas geschuftet und dabei mit Missernten, Dürre, Staubstürmen und Heuschreckenplagen zu kämpfen gehabt.
Sein Vater, David Earhart, war Missionsprediger für die lutherische Kirche, und obwohl er manchmal sechzig Meilen weit reiste, um eine Predigt zu halten, hatte seine Gemeinde nie mehr als zwanzig Mitglieder. Während der großen Dürre von 1860 wäre seine Familie verhungert, wenn David nicht zwei Geldgeschenke in Höhe von insgesamt 250 Dollar erhalten hätte.
Um sich ein – wenn auch nur geringes – Einkommen zu sichern, wurde David danach Lehrer. Schließlich wurde er zu einem der Studienleiter des State College in Lawrence ernannt. Die größte Persönlichkeit in der Familie Earhart war zweifellos Davids Onkel John Earhart, der als Gefreiter in General Washingtons Armee diente und in der Schlacht von Germantown fiel. Alle zwölf Kinder waren stolz auf Onkel John, einen Helden.
Edwin Earhart machte 1895 seinen Abschluss in Rechtswissenschaften an der Universität von Kansas und heiratete im selben Jahr Amy Otis. Er arbeitete bei der Eisenbahn als Schadensregulierer und war oft tagelang, gar wochenlang, von zu Hause und seiner Familie getrennt. Großvater Otis, damals Richter am Bezirksgericht, hatte seinem Schwiegersohn immer wieder geraten, eine Anwaltskanzlei in Atchison zu eröffnen, aber Edwin war stur. Ihm gefiel die Arbeit in der Schadensregulierung, und er reiste gern.
Amelia M. Earhart wurde am 24. Juli 1898 im Haus der Familie Otis in Atchison geboren, wo ihre Eltern zu dieser Zeit lebten. Da ihr Vater aufgrund seiner Arbeit bei der Eisenbahn von Ort zu Ort zog, um Ansprüche zu regeln oder nach Topeka zu fahren, um vor dem Obersten Gerichtshof zu plädieren, und ihre Mutter ihn oft auf den längeren Reisen nach Iowa und Illinois begleitete, verbrachten Amelia und ihre Schwester Muriel den größten Teil ihrer Kindheit bei ihren Großeltern.
Als Kind war Amelia ein unbändiger Wildfang. 'Ich war ein schreckliches kleines Mädchen', sagte sie über den Aufenthalt bei ihren Großeltern, 'und ich verstehe nicht, wie sie es mit mir ausgehalten haben, selbst wenn ich nur einen Teil der Zeit da war'. Ein hartes Urteil über sich selbst, aber ihre Mutter und Großmutter waren wegen ihres unorthodoxen Verhaltens oft beunruhigt und besorgt.
AE ca. 1932
AE grinste, als sie auf dem Kabinenboden der Friendship lag und dachte, dass dieser Flug über den Atlantik vielleicht das ungewöhnlichste Ereignis im Leben eines jeden Mädchens war; dann, als Bill Stultz das Gas zurücknahm und das Flugzeug in einen steilen Gleitflug brachte, erwachte sie schnell aus ihrer Träumerei und hielt sich mit beiden Händen an den Halteseilen fest, damit sie nicht nach vorne rutschte. Sie flogen durch den dichten Nebel, der sich gebildet hatte, um sich die Kontrollpunkte an der Küste genauer anzusehen. Das Flugzeug pendelte sich in 500 Fuß Höhe ein. Das Land lag links durch eine Lichtung im Nebel.
Es war Halifax Harbor, der große natürliche Hafen am Atlantik, auf halbem Weg nach Trepassey, dem Startpunkt des Atlantikflugs, und auf halbem Weg entlang der Küstenlinie von Nova Scotia. Bill kreiste zweimal um den Hafen und glitt geschickt zu einer Landestelle hinunter. Die Einheimischen strömten ans Ufer, und einige von ihnen kletterten in die Boote, um ein Begrüßungskomitee zu bilden. Der Nebel hatte sich als zu dicht für die Flieger erwiesen, viel zu dicht für die Navigation auf Sicht.
Bill und Slim gingen an Land, um Wetterberichte einzuholen. Amelia blieb unterdessen in der Kabine und aß eine Orange, eine von mehreren, die GP sorgsam bereitgestellt hatte. Die Stille auf dem Wasser wurde durch die klagenden Töne eines Nebelhorns unterbrochen. Ein leichter Wind kam auf, und AE hoffte, dass er das Ablegen vom Hafen erleichtern würde.
Stultz und Gordon kehrten mit der entmutigenden Nachricht zurück, dass es für den Rest des Fluges nach Trepassey regnen und bewölkt sein würde. Da sie durch die Zeitumstellung eine Stunde verloren hatten, beschlossen sie dennoch, es zu versuchen. Slim startete den Motor und entdeckte dann eine defekte Zündkerze. Sie wollten trotzdem fliegen. Sie starteten um 14:30 Uhr, aber vergeblich.
Es war ein hoffnungsloses Unterfangen, an der Küste entlang navigieren zu wollen. Der Regen und der Nebel waren zu dicht und schwer. Enttäuscht drehten sie um und flogen zurück nach Halifax. Sie wollten nicht das Risiko eines Blindflugs eingehen.
Im Dartmouth Hotel in Halifax begannen die Schwierigkeiten mit der Presse. Die öffentliche Berichterstattung über den Flug war nun unausweichlich, denn in den Bostoner Zeitungen war angekündigt worden, dass die Flieger auf dem Weg über den Atlantik waren. Die drei Flieger hatten keine Gelegenheit, sich die dringend benötigte Ruhe zu gönnen.
Um Mitternacht versuchten zwei Reporter und ein Kameramann immer noch, Bill und Slim zu einem Foto zu überreden, und um halb sechs am nächsten Morgen warteten die Reporter schon, als die drei Reisenden zum Frühstück herunterkamen. Vor, während und nach der Mahlzeit wurde um Interviews und Fotos gebeten und gebettelt. Weitere Reporter und Kameraleute erwarteten sie am Kai. Die Flieger mussten warten, bis 100 Gallonen Benzin, die zwei Stunden zuvor bestellt worden waren, per Schlepper zum Flugzeug gebracht und in die Tanks gefüllt wurden.
Um 9:45 Uhr hoben sie bei ruhiger See ab. Die Sicht war gut und sie flogen in einer Höhe von 2.000 Fuß. Die scharfen Felsen und Felsvorsprünge leuchteten dunkel und hell entlang der Küste unter dem linken Flügel. Die 200 Meilen Nebel, die in der Nacht zuvor vorhergesagt worden waren, traten nicht auf, wohl aber ein dünner Dunst. Um elf Uhr fünfundvierzig befanden sie sich vor Cape Canso, der Atlantikspitze von Nova Scotia.
Amelia und Slim freuten sich über den reibungslosen Verlauf des Fluges und stürzten sich auf die vom Copley-Plaza zubereiteten Sandwiches. AE mampfte hungrig und ging zum Seitenfenster hinüber. Sie zog die Stirn in Falten, als sie über die rollende See blickte. Zwischen den Bissen lächelte Slim über den seltsamen Anblick von Amelia im übergroßen Fliegeranzug, den sie sich von Army Major Woolley in Boston geliehen hatte.
Um 12:15 Uhr flogen sie in einer Höhe von 3.200 Fuß mit 100 mph. Eine dichte Nebelbank zog vom Atlantik her auf der rechten Seite auf. Um zwölf Uhr fünfzig sichteten sie Neufundland, um zwei Uhr fünfzig die St. Mary's Bay. Über der warmen Erde unter ihnen begannen sich kräuselnde Nebelmassen zu bilden. Trepassey, ihr Ziel, kam weit unten in Sicht; es sah aus wie eine offene Landzunge. Bill glitt und kreiste hinunter und landete die Fokker sanft.
Während das Flugzeug hereinkam, kroch Amelia ins Cockpit, um Fotos von dem Empfangskomitee zu machen. Ein Dutzend kleiner Boote war herausgekommen und umkreiste das Flugzeug, wobei jedes versuchte, die Ehre zu erlangen, das Flugzeug als erstes festzumachen und an einem Liegeplatz zu sichern.
Slim Gordon war zu einem der Pontons hinausgegangen. Er fuchtelte mit einem Arm und schrie vergeblich Warnungen über den Lärm der Motoren hinweg: Einer der Begrüßenden warf ein Seil und stieß ihn fast ins Wasser. Stultz am Steuer fluchte, weil er Angst hatte, dass die Boote zu nahe an die Propeller herankommen und sich ein Seil darin verfangen könnte.
Es war unmöglich, ihnen die Tatsache zu vermitteln, dass das Flugzeug aus eigener Kraft zu seinem Liegeplatz gelangen kann, bis ein Kameramann von Paramount die Sache verstanden hatte und den Weg durch die Boote frei machte. Amelia knipste freudig Bilder von dem maritimen 'Rodeo'. Sie hatte eine unterhaltsame halbe Stunde.