Tod in der Atacama - Roberto Ampuero - E-Book

Tod in der Atacama E-Book

Roberto Ampuero

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Beschreibung

Ausgeraubt und ermordet - so lautet zumindest die offizielle Version der Polizei zum Tod des deutschen Entwicklungshelfers Willi Balsen. Doch war es wirklich nur ein einfacher Raubmord oder verbergen sich hinter der Tat andere Motive als reine Geldgier? Hängt Balsens Tod mit seinem umstrittenen Bewässerungsprojekt in der Oase San Pedro de Atacama zusammen? Jedenfalls hat er sich damit sowohl bei den dörflichen Gemeinden als auch bei den reichen Unternehmern unbeliebt gemacht. Bei seinen Nachforschungen findet Cayetano Brulé heraus, dass Balsen mit Abgeordneten des chilenischen Parlaments verkehrte, und kommt außerdem dem Handel mit gefälschten Kunstgegenständen auf die Spur. Der Kreis der Verdächtigen weitet sich aus und droht den Ermittler in ein undurchschaubares Geflecht aus Politik, Wirtschaft und Entwicklungshilfe zu führen.

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Roberto Ampuero

TOD IN DER ATACAMA

Roman

Aus dem Spanischenvon Carsten Regling

Für Ximena Lucrecia und Ignacio Roberto

Und nun, möge Gott dich behüten und mir Geduld zukommen lassen, all das Üble zu ertragen, was mehr als vier feine gezierte Narren von mir sagen werden. Lebe wohl!

Miguel de Cervantes Saavedra, Moralische Novellen

Las Tacas, Sonntag, der 5. April, 11:17 Uhr

Nie zuvor in deinem Leben, mein ehrenwerter Abgeordneter Mariano Patiño, hast du eine solche Angst verspürt.

Nie zuvor.

Bis zu diesem verdammten Augenblick.

Dem Augenblick, in dem du erschrocken in der Sonntagszeitung liest, dass der Deutsche tot ist.

Der Deutsche, murmelst du fassungslos vor dich hin, der Deutsche. Eine Schlagzeile und eine aus fünf Absätzen bestehende Kolumne, verfasst in San Pedro de Atacama, informieren in knappen, aber anschaulichen Worten über den Todesfall: Am Samstagnachmittag wird er in seinem Schlafzimmer tot aufgefunden, niedergestreckt von zwei Schüssen. Jemand flieht mit einer großen Summe Bargeld.

Die Furcht lässt dich tief und schmerzhaft aufschnauben, als wollte sie dir den Atem rauben. Unruhig windest du dich im Lehnstuhl deines Penthouses in Las Tacas. In der vagen Hoffnung, dich getäuscht zu haben, liest du die Nachricht ein zweites Mal. Nein. Du hast richtig gelesen. Du weißt jetzt nicht nur, dass es sich bei dem Deutschen in der Oase um Willi Balsen handelt, dir wird auch klar, dass von nun an auch dein eigenes Leben in Gefahr ist.

Sie haben ihn aus dem Weg geräumt, daran gibt es nichts zu rütteln. Das Blut schießt dir in dein schmales Gesicht, du gerätst in Panik. Du musst auf der Stelle handeln, irgendetwas tun. Deine zitternden, schweißnassen Hände falten den Mercurio zusammen, während du überlegst, vor die Presse zu treten und alles ans Licht zu bringen. Selbst wenn du dafür deine Karriere an den Nagel hängen musst. Noch heute wirst du die Cessna nehmen, um gleich am Montag in der Früh eine Pressekonferenz einzuberufen. Durch den Tod des Deutschen verliert alles seinen Sinn, sogar das Wochenende mit deiner Sekretärin.

Du lässt die Zeitung auf den Boden fallen und richtest deinen Blick auf die kleine Bucht, die der Pazifik um diese Uhrzeit mit seinen kühlen, grauen Händen umschmeichelt. Du gehst zur Bar, wo du dir einen doppelten Hennessy einschenkst, den du hastig hinunterstürzt. Leise betrittst du das im Halbdunkel liegende Zimmer – die Fensterläden sind noch immer geschlossen –, in dem Solange Farías schläft. Man hat dich reingelegt, denkst du, während ein angenehm tröstendes Brennen durch deine Eingeweide strömt, man hat dich betrogen, und jetzt wird sich zeigen, ob der Angriff, so wie im Krieg oder in der Politik, immer noch die beste Verteidigung ist. Du beugst dich zu der Frau im Bett hinunter und küsst mit einer väterlichen Geste ihre Augenlider.

»Wohin gehst du?«, fragt sie schläfrig. Ein paar lange, dunkle Haarsträhnen sind ihr in das Gesicht mit der Adlernase gefallen, zwischen den Laken schaut ein straffer, appetitlicher Oberschenkel hervor, während sich ihr Hintern auf prächtige Weise unter der Bettdecke abzeichnet.

»Schwimmen«, flüsterst du, bevor du das stille, in Dämmerlicht gehüllte Zimmer verlässt und auf die Terrasse hinaustrittst, wo du deine Glieder streckst und dein verschwommenes Spiegelbild in der Fensterscheibe betrachtest. Du siehst schlank aus, drahtig, hast etwas von einem Jagdhund. Die Angst hat noch keine Spuren in deinem Gesicht mit den hellen Augen, der geraden, fast griechisch anmutenden Nase und den zarten Lippen hinterlassen, einem Gesicht, das dein größter Trumpf bei den Frauen ist. Bedächtig lässt du den Blick über die Spuren der letzten Nacht streifen: Reste einer Pizza Marinara, zwei halbleere Gläser mit Margarita, ein Rock, der sich auf magische Weise in einen weichen Ring auf dem glänzenden Boden aus italienischem Marmor verwandelt hat. In diesem Augenblick erscheint plötzlich mit der Flüchtigkeit eines Blitzes das Bild von Solange vor deinem geistigen Auge. Solange, die mit entblößtem Busen und fest auf deine Brust gestützten Händen ungestüm auf deinen Hüften reitet und ihr spitzes Stöhnen in der Nacht erklingen lässt. Du liegst regungslos auf dem Rücken, eingeschüchtert von der pulsierenden Lebenskraft dieser Frau, unfähig, ihre hemmungslose Leidenschaft zu zähmen, während du ihren halboffenen Mund betrachtest, aus dem sich eine Zunge windet und die fülligen Lippen befeuchtet, Lippen, die nicht müde werden zu flüstern, diese Nacht möge niemals zu Ende gehen.

Der laute Schrei einer Möwe reißt dich mit einem Schlag wieder in die Wirklichkeit dieses verfluchten Sonntagmorgens zurück. Als würde deine Angst es verscheuchen, löst sich das Bild von Solange in Luft auf. Morgen wirst du vor die Presse treten müssen. Dir bleiben nur wenige Stunden, um zu entscheiden, was du deiner Partei und der Öffentlichkeit erklären wirst. Mach dir nichts vor, du weißt genau, keiner deiner Kollegen wird dir zur Seite stehen. Du kannst dir gut vorstellen, wie einige von ihnen sogar Moralpredigten halten werden, um dich von deinem Stuhl im Parlament zu stoßen.

Du verlässt die Wohnung, steigst die Treppe hinab und gehst mit eiligen Schritten an den Palmen und ockerfarbenen Gebäuden mit spanischen Ziegeldächern entlang, während du dir sagst, dass du mit allergrößter Besonnenheit vorgehen musst. Der Strand ist menschenleer. Du weißt, du bist von grenzenloser Einsamkeit umgeben. Du erreichst das Ufer, wo das sanfte Rauschen der Brandung zu hören ist, atmest den salzigen Duft ein, als wolltest du alle Luft dieses hohen, klaren und transparenten Himmels in dich einsaugen, und wirfst das Handtuch, das gerade noch deine Schultern bedeckte, in den Sand. Dann tauchst du fröstelnd in das Wasser ein, und dein Körper schaukelt sanft auf den Wellen, fern den parlamentarischen Ausschüssen, dem ständigen Zigarettenqualm und den aufdringlichen Interviews. In der Weite des Pazifiks zu treiben und zu wissen, dass Solange ganz in deiner Nähe ist, hilft dir, dich von dem Schrecken zu erholen.

Solange könnte deine Tochter sein. Du weißt nicht, warum dir dieser Gedanke gerade jetzt durch den Kopf geht. Vielleicht weil deine Eifersucht dich ständig daran denken lässt, viel zu oft in letzter Zeit. Sie ist dreißig und hat einen fröhlichen, sinnlichen Charakter, den ihre langen Aufenthalte in Medellín mit allen möglichen tropischen Zutaten gewürzt haben. Du brauchst sie. Jetzt mehr denn je. Mehr als einmal ist dir der Gedanke gekommen, dass du keine Sekunde gezögert hättest, dich von Olaya zu trennen, wenn dir Solange etwas früher begegnet wäre. Aber im Moment hast du weder Lust, dich von romantischen Gefühlsausbrüchen leiten zu lassen, noch, an die große Liebe zu glauben. Was jetzt allein zählt, ist, der Öffentlichkeit eine solide Familie zu präsentieren, die deine Karriere sichert.

Du schwimmst zurück und betrachtest den Küstenstreifen. Die Terrassen mit den geschlossenen Fensterläden, den grünen Teppich der Mittagsblumen rund um das Restaurant El Chiringuito, die sanft geneigten Palmen und, über allem, die kargen Hügel mit ihrer primitiven, ursprünglichen Atmosphäre – das schüchterne Vorspiel der Atacamawüste. Dir fällt auf, dass diese Landschaft eine faszinierende Ähnlichkeit mit der nordafrikanischen Küste besitzt.

Du kennst dich aus in der arabischen Welt. Ein Teil der Produktion deiner Konservenfabrik ist für den dortigen Markt bestimmt. Und auch wenn es nicht einfach ist, sich an die muslimische Mentalität zu gewöhnen, so entwickeln sich die Geschäfte doch prächtig, und die Zahlungen erfolgen, wenn auch nicht immer pünktlich. Auf Drängen deiner Frau begannen die geschäftlichen Beziehungen mit der arabischen Welt vor fünf Jahren mit einer bescheidenen Ladung getrockneter Zitronen und kandierter Früchte nach Ägypten. Für die genialen Ideen in deinem Haus war schon immer Olaya zuständig gewesen, die älteste Tochter libanesischer Einwanderer, eine Frau mit großen schwarzen Augen, fein gezeichneten Augenbrauen und dunklem Teint. Dein neuster Plan ist – immer vorausgesetzt, du kommst bei dieser ganzen Geschichte mit dem Leben davon, denkst du, während du spürst, wie dir ein eisiger Schauer über den Rücken läuft –, deine Aktivitäten in die Karibik auszuweiten, vor allem nach Kuba, die Insel, die sich in den letzten Jahren in wirtschaftlicher Hinsicht von einer einfachen Raupe in einen hübschen Schmetterling verwandelt hat.

Du breitest die Arme aus, öffnest ein wenig die Augen und lauschst dem Wellenschlag an deinen Ohren. Du musst an deine Frau denken, die um diese Uhrzeit wahrscheinlich längst wieder, auch heute, am Sonntag, in dem von ihr geleiteten Institut für politische Forschung in Santiago ihrer Arbeit nachgeht.

Olaya träumt davon, eines Tages Abgeordnete zu werden. Mit einem Abschluss an der Sorbonne und einer Promotion in Washington weist sie eine Laufbahn auf, um die sie ihre Kollegen beneiden. Vor Kurzem bot ihr der Präsident den Posten des Botschafters in irgendeinem osteuropäischen Land an, doch sie lehnte mit der Begründung ab, lieber bei ihren zwei studierenden Söhnen und ihrem Ehemann in Chile bleiben zu wollen.

»Bist du verrückt?«, rief sie, als du mit ihr über das Angebot reden wolltest. »Ich weiß doch ganz genau, wer alles davon träumt, dass ich in einem dieser trostlosen und rückständigen ehemaligen kommunistischen Länder abtauche. Mir kann keiner was vormachen!«

Womit sie recht hat. Täglich liest du in ihren hübschen, hellwachen Augen, die begierig alles zu verschlingen scheinen, was sie hinter der Versace-Brille erblicken, dass sie über deine Affäre Bescheid weiß, es aber in ihrem besessenen Streben, gewählte Abgeordnete der Republik zu werden, hinnimmt. Sie ist sich bewusst, dass es von Vorteil ist, im Land zu bleiben und ein klares Image von sich zu pflegen, fern der Vetternwirtschaft der traditionellen Politik, fern einer möglichen Scheidung, die die katholische Kirche nach wie vor scharf verurteilt. Und du weißt, Olaya wird ihr Ziel erreichen. Sie verfügt über den Ehrgeiz, die Fähigkeit und die nötigen finanziellen Mittel.

Du machst ein paar kräftige Schwimmzüge, während du dir eingestehen musst, dass sie dir als Parlamentarier überlegen wäre. Du bist ein Mann, der dazu verurteilt ist, eine Region zu vertreten, die nicht die deine ist. Du stammst aus Santiago, vom Norden weißt du nur, was du in der Schule, während der Ausflüge in die Gegend, und aus Solanges eifrigen Berichten gelernt hast, und trotzdem vertrittst du die Bergbauregion im Abgeordnetenhaus. Dir ist klar, dass du diesen Posten nur bekleidest, weil du bei den letzten internen Wahlen auf zahlreiche finstere Machenschaften, Lügen und miese Tricks zurückgegriffen hast, um den Kandidaten aus dem Norden zu besiegen.

Die Kälte zwingt dich, zum Ufer zurückzuschwimmen. Völlig starr tauchst du aus dem Wasser auf, und die sanfte Frühlingssonne empfängt dich. Du läufst über den Sand, greifst hastig nach dem Handtuch und beginnst dich kräftig abzureiben, als wären allein schon diese energischen Bewegungen imstande, deinen Entschluss in die Tat umzusetzen.

»Ich mach sie fertig«, sagst du, während deine Zähne vor Kälte klappern. »Gleich morgen werde ich alles erzählen.«

Es sollte dir nicht gelingen.

Deine Cessna 180, die du erst vor Kurzem einem in Boca Raton lebenden kolumbianischen Millionär abgekauft hattest, gelangte nie an ihr Ziel. Eine Stunde nachdem sie von der Startbahn des kleinen Flugplatzes von Las Tacas abgehoben hatte, zerschellte sie am Boden.

Zwei Tage später wurdest du in der Hauptstadt beigesetzt. Mit allen Ehren, wie es einem Abgeordneten der Republik gebührt.

Valparaíso, Mittwoch, der 6. Mai, 11:35 Uhr

»Und jetzt verkauft dieser Castro das amerikanische Eigentum tatsächlich an die Spanier! So lange mussten sie warten, um sich für die Niederlage von ’98 zu rächen!«, murmelte Cayetano Brulé, legte die Zeitung auf den Berg von Dokumenten auf dem Schreibtisch seines kleinen Büros und strich sich über die Spitzen seines Pancho-Villa-Schnurrbarts.

»Sieht so aus, als hätten die Kubaner statt Big Macs, Coca-Cola und Disneyworld bald nur noch Stierkampfarenen, churros, katalanische Schweinswürste und Kutteln auf Madrider Art, Chef«, erwiderte Suzuki.

»Wenn überhaupt, mein Freund! Wenn das so weitergeht, bleiben meinen Landsleuten bloß die Arenen, aber kein einziges Kalb für den Stierkampf! Nein, nein, Castro kennt kein Pardon, meine Herren. Er hat meine Insel in eine Art Zeittunnel verwandelt, und jetzt befinden wir uns mitten in der Reconquista. Re-con-quis-ta. Was sagst du dazu, Suzukito?«

Der Assistent des Privatdetektivs hörte auf, aus den Zeitungen, die er sich immer abends in den Friseursalons am Hafen besorgte, Artikel auszuschneiden, und ein vorwurfsvolles Grinsen, das seine kleinen, ebenmäßigen Zähne aufblitzen ließ, huschte über sein Gesicht. Seine schmalen asiatischen Augen verwandelten sich in horizontale Striche.

»Was soll ich schon sagen, wo ich doch keine Ahnung von Politik habe?«, fragte er lächelnd.

»Egal, irgendwas, Hauptsache man hat eine Meinung, mein Freund. Oder willst du vielleicht auch diese berühmte chilenische Gewohnheit annehmen, zu allem zu schweigen, um es sich mit niemandem zu verscherzen?«

»Wenn ich ehrlich sein soll, Chef, mir ist da gerade ein ziemlich beunruhigender Gedanke gekommen.«

»Ich höre.«

Suzuki stand vom Schreibtisch auf, den er sich mit seinem Chef teilte, und begann mit ernster Miene wie ein in einem Käfig eingesperrter Löwe im Zimmer auf und ab zu gehen. Das Büro befand sich in einer Ecke des Dachbodens eines alten, in der Innenstadt gelegenen Gebäudes von Valparaíso, dem Turri. Durch das gardinenlose Fenster konnte man bedrohlich dunkle Wolken sehen, die der Südwind über den Pazifik fegte. Das Meer glitzerte wie ein Becken voll Blei. Suzuki wusste, dass das erste Gewitter des Jahres unmittelbar bevorstand. Bedrückt fragte er: »Kann es sein, Chef, dass Sie planen, für immer nach Kuba zurückzukehren, jetzt, wo sich die Situation dort zu beruhigen scheint? Wie ich Sie einschätze, werden Sie uns von einem Tag auf den anderen verlassen. Aber denken Sie dabei nicht nur an mich, denken Sie auch an Doña Margarita de las Flores. Oder wollen Sie die etwa mit nach Havanna nehmen?«

Schweigend rückte Cayetano seine dicke Brille gerade, strich sich einen Moment lang über die Glatze und sagte dann philosophisch: »Um ehrlich zu sein, Suzukito, eines Tages werde ich wahrscheinlich wirklich auf den grünen Kaiman zurückkehren. Heimat bleibt Heimat, mein Freund, und manchmal vermisse ich mein Land tatsächlich, verdammt noch mal, vor allem, wenn es kalt ist und ich die chilenische Mentalität wieder einmal nicht begreife.«

»Und jetzt beichten Sie mir bestimmt, dass ich die ganzen Jahre für einen Hungerlohn in Ihrer Detektei gearbeitet habe, weil Sie das Geld gespart haben, um sich ein Haus in der Karibik zu kaufen?«

»Du kennst mich wirklich gut«, sagte der Detektiv und erhob sich, um die Flamme des Spirituskochers hinter sich auszudrehen. Auf dem Kocher neben dem Fenster stand eine Espressokanne aus Aluminium, in der der Kaffee zu brodeln begonnen hatte. »Aber was ich spannend finde, ist nicht die Aussicht auf ein Haus in Havanna, sondern die Möglichkeit, das Haus meines Alten zurückzubekommen, auch wenn das ziemlich unwahrscheinlich ist.«

»Ihre Eltern hatten ein eigenes Haus?« Suzuki machte große Augen.

»In Luyanó. Es war klein, mein Freund, mit einem überdachten Eingangsbereich, wo morgens die Sonne hinschien. Meine Eltern – Gott hab sie selig – saßen dort jeden Abend, um sich von der erfrischenden Kühle liebkosen zu lassen.«

»Machen Sie jetzt einen auf Dichter? Ich warne Sie«, sagte Suzuki und versuchte, ernst zu bleiben. »Wir haben in diesem Land schon genug Dichter und Gitarristen.«

»Es gibt Schlimmeres … Verflucht!« Er hatte den heißen Deckel der Espressokanne berührt und zuckte zurück. Schon wieder hatte er sich verbrannt. Wie jeden Tag. »Aber was die Hitze in den Tropen angeht, mein Freund« – er leckte sich über die Fingerspitzen –, »kannst du dir gar nicht vorstellen, wie wertvoll so ein kleiner überdachter Eingangsbereich an den Hundstagen ist. Einfach himmlisch.«

Er goss zwei Tassen mit dem schwarzen, extrem süßen Kaffee auf kubanische Art auf und stellte sie auf den Schreibtisch. Dann nahmen sie wieder Platz.

»Ich glaube, der Kommunismus ist für die Kubaner das, was die Erdbeben für die Chilenen sind, Chef. Auf Kuba hatte jeder sein Haus oder seine Finca, bis Castro kam und alles enteignete; hier in Chile hatten alle ihr feines europäisches Geschirr, bis irgendein Erdbeben kam und alles in einen Haufen Scherben verwandelte.«

»Oder Höfe, die Allende während der Agrarreform enteignen ließ …«

Genüsslich schlürfte Cayetano seinen Kaffee. Als Kubaner, der vor einem halben Jahrhundert in Havanna geboren worden war, hatte es ihn vor mehr als zwanzig Jahren in den Hafen von Valparaíso verschlagen, mitten hinein in die von Salvador Allendes Regierung ausgelösten politischen Wirren. Er war damals einer sozialistischen Chilenin aus aristokratischem Hause, in die er sich in Florida verliebt hatte, nach Chile gefolgt. Jetzt war er ein reifer Mann, der ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hatte, immer kahler wurde und eine dicke schwarze Brille und einen buschigen Schnurrbart trug. Von seiner damaligen Frau war ihm nichts als eine lästige Erinnerung und das Echo ihrer herrischen Säuferstimme geblieben.

»Hör zu, ich werd dir was sagen«, kündigte er mit erhobenem Zeigefinger an, verstummte aber augenblicklich, als er jemanden zur Tür hereinschauen sah.

Es handelte sich um eine große rothaarige Frau mit blauen Augen und kurzem, borstigem Haar, das ihn an ein Stachelschwein erinnerte. Sie trug einen grauen Mantel, der trotz seiner Länge und des weiten Schnitts ihre üppigen Rundungen nicht verbarg. Sie schien überrascht über das winzige Detektivbüro auf dem kühlen, feuchten Dachboden des Turri-Gebäudes.

»Detektiv Cayetano Brulé?«

Valparaíso, Mittwoch, der 6. Mai, 11:45 Uhr

»Zu Ihren Diensten, Señorita. Nur herein«, antwortete Cayetano Brulé mit kehliger Stimme, während er auf die Frau zuging, um ihr die Hand zu reichen, eine große, lange und kalte Hand. »Nehmen Sie bitte Platz. Das ist Bernardo Suzuki, mein Assistent.«

»Sehr erfreut«, entgegnete sie mit einem zarten Lächeln auf den Lippen. »Ich heiße Cornelia Kratz.«

Sie ließ sich nieder und schlug ihre kräftigen Beine übereinander, die zwischen den Falten des Mantels unter ihrem Rock hervorschauten und wegen der dunklen Nylonstrümpfe, die sie trug, von undefinierbarer Farbe waren. An ihrer Schulter baumelten eine Lederhandtasche und ein Fotoapparat, ihre Füße steckten in klobigen Stiefeln mit dicken Gummisohlen. Auch wenn sie keine ausgesprochene Schönheit war und ihre Haut etwas trocken und faltig aussah, so verliehen ihr das feuerrote Haar, die blauen Augen in ihrem ungeschminkten Gesicht und ihre imposante Statur doch eine ganz eigene Attraktivität – wie die einer europäischen Intellektuellen um 1968.

Cayetanos Stimme zerriss das Schweigen, das sich im Büro breitgemacht hatte.

»Kaffee?«

»Keine schlechte Idee.«

Der Detektiv musterte sie von oben bis unten, während Suzuki ihr eine Tasse Kaffee und eine Zuckerdose reichte. Dann verließ der Assistent diskret das Büro und ließ sie allein. Erneut trat Stille ein, sie saßen sich gegenüber, er über das Chaos auf seinem Schreibtisch gebeugt, während sie ihren Kaffee umrührte und das kleine Zimmer musterte.

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