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"Wenn man denkt, dass das Leben nicht besser werden kann, kommt Blake Pierce mit einem weiteren Meisterwerk an Spannung und Geheimnis daher! Dieses Buch ist voller Wendungen und am Ende gibt's eine überraschende Enthüllung. Sehr empfehlenswert für die Dauerbibliothek eines jeden Lesers, der einen sehr gut geschriebenen Thriller zu schätzen weiß." --Books and Movie Review (über 'So Gut Wie Vorüber') TOD (UND APFELSTRUDEL) ist das zweite Buch der charmanten, neuen Cosy-Krimi-Reihe des #1 Bestsellerautors Blake Pierce, dessen Buch 'Verschwunden' über 1.500 Fünf-Sterne-Rezensionen bekommen hat. Die Serie beginnt mit MORD (UND BAKLAVA) – BUCH #1. Als London Rose, 33, von ihrem langjährigen Freund einen Heiratsantrag erhält, wird ihr klar, dass sie einem stabilen, vorhersehbaren, vorherbestimmten (und leidenschaftslosen) Leben gegenübersteht. Sie flippt aus, rennt in die andere Richtung - und nimmt stattdessen einen Job jenseits des Atlantiks an, als Reiseleiterin auf einer europäischen High-End-Kreuzfahrtlinie, die täglich durch ein anderes Land fährt. London ist auf der Suche nach einem romantischen, ungeschriebenen und aufregenden Leben, von dem sie sich sicher ist, dass es irgendwo da draußen existiert. London ist begeistert: Die europäischen Flussstädte sind klein, historisch und charmant. Jeden Abend sieht sie einen neuen Hafen, probiert eine endlose Reihe von neuen Gerichten und trifft einen Strom interessanter Leute. Es ist der Traum eines Reisenden - und alles andere als vorhersehbar. In Buch 2, TOD (UND APPELSTRUDEL), führt sie die Kreuzfahrt nach Wien und Salzburg, der Heimat Mozarts und dem Geburtsort der Musik. Alles scheint einem Bilderbuch zu entstammen. Bis ein Tourguide tot auftaucht, nachdem sie den Passagieren eine Führung durch Mozarts Theater gegeben hat. Der Verdacht fällt auf die Fahrgäste. Wer könnte sie getötet haben? Und warum? Zum Lachen komisch, romantisch, liebenswert, voller neuer Sehenswürdigkeiten, Kultur und Essen: TOD (UND APPELSTRUDEL) bietet eine lustige und spannende Reise durch das Herz Europas, verankert in einem faszinierenden Mysterium, das euch bis zur allerletzten Seite in seinen Bann ziehen wird. Buch #3 (VERBRECHEN UND LAGERBIER) ist jetzt ebenfalls erhältlich.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
T O D
(U N D A P F E L S T R U D E L)
London Roses Europareise, Band 2
B L A K E P I E R C E
Aus dem Englischen von Oliver Hoffmann
Blake Pierce
Blake Pierce ist die Autorin der RILEY-PAGE-Bestsellerreihe, die siebzehn Krimis um die FBI-Spezialagentin umfasst. Aus ihrer Feder stammt außerdem die vierzehnbändige MACKENZIE-WHITE- Krimiserie. Darüber hinaus sind von ihr die Krimis um AVERY BLACK (sechs Bände), KERI LOCKE (fünf Bände), die Krimiserie das MAKING OF RILEY PAIGE (sechs Bände), die KATE-WISE- Krimiserie (sieben Bände), die Psychothriller um JESSIE HUNT (vierzehn Bände), die Psychothriller-Trilogie AU PAIR, die ZOE-PRIME-Krimiserie (bislang fünf Bände), die neue Krimireihe um ADELE SHARP und die Cosy-Krimi-Reihe LONDON ROSES EUROPAREISE, deren erster Band hier vorliegt, erschienen.
Als begeisterte Leserin und lebenslanger Fan des Krimi- und Thriller-Genres freut sich Blake immer, von ihren Leserinnen und Lesern zu hören. Bitte besuchen Sie www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben
Copyright © 2020 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jacket image Copyright Feel good studio
BÜCHER VON BLAKE PIERCE
LONDON ROSES EUROPAREISE
MORD (UND BAKLAVA) (Band #1)
TOD (UND APFELSTRUDEL) (Band #2)
ADELE SHARP MYSTERY-SERIE
NICHTS ALS STERBEN (Band #1)
NICHTS ALS RENNEN (Band #2)
NICHTS ALS VERSTECKEN (Band #3)
NICHTS ALS TÖTEN(Band #4)
NICHTS ALS MORD (Band #5)
DAS AU-PAIR
SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)
SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)
SO GUT WIE TOT (Band #3)
ZOE PRIME KRIMIREIHE
GESICHT DES TODES (Band #1)
GESICHT DES MORDES (Band #2)
GESICHT DER ANGST (Band #3)
GESICHT DES WAHNSINNS (Band #4)
GESICHT DES ZORNS (Band #5)
JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE
DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)
DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)
DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)
DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)
DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)
DER PERFEKTE LOOK (Band #6)
DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)
DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)
DIE PERFEKTE NACHBARIN (Band #9)
DIE PERFEKTE VERKLEIDUNG (Band #10)
CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE
NEBENAN (Band #1)
DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)
SACKGASSE (Band #3)
STUMMER NACHBAR (Band #4)
HEIMKEHR (Band #5)
GETÖNTE FENSTER (Band #6)
KATE WISE MYSTERY-SERIE
WENN SIE WÜSSTE (Band #1)
WENN SIE SÄHE (Band #2)
WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)
WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)
WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)
WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)
WENN SIE HÖRTE (Band #7)
DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
BEOBACHTET (Band #1)
WARTET (Band #2)
LOCKT (Band #3)
NIMMT (Band #4)
LAUERT (Band #5)
TÖTET (Band #6)
RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
VERSCHWUNDEN (Band #1)
GEFESSELT (Band #2)
ERSEHNT (Band #3)
GEKÖDERT (Band #4)
GEJAGT (Band #5)
VERZEHRT (Band #6)
VERLASSEN (Band #7)
ERKALTET (Band #8)
VERFOLGT (Band #9)
VERLOREN (Band #10)
BEGRABEN (Band #11)
ÜBERFAHREN (Band #12)
GEFANGEN (Band #13)
RUHEND (Band #14)
GEMIEDEN (Band #15)
VERMISST (Band #16)
AUSERWÄHLT (Band #17)
EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE
EINST GELÖST
MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE
BEVOR ER TÖTET (Band #1)
BEVOR ER SIEHT (Band #2)
BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)
BEVOR ER NIMMT (Band #4)
BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)
EHE ER FÜHLT (Band #6)
EHE ER SÜNDIGT (Band #7)
BEVOR ER JAGT (Band #8)
VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)
VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)
VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)
VORHER NEIDET ER (Band #12)
VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)
VORHER SCHADET ER (Band #14)
AVERY BLACK MYSTERY-SERIE
DAS MOTIV (Band #1)
LAUF (Band #2)
VERBORGEN (Band #3)
GRÜNDE DER ANGST (Band #4)
RETTE MICH (Band #5)
ANGST (Band #6)
KERI LOCKE MYSTERY-SERIE
EINE SPUR VON TOD (Band #1)
EINE SPUR VON MORD (Band #2)
INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREIßIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
KAPITEL VIERUNDDREISSIG
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
KAPITEL NEUNUNDDREISSIG
Ein lauter Ruf riss London Rose aus ihren Gedanken.
„London!“
Sie wusste, dass diese Stimme immer Ärger bedeutete.
Gerade hatte sie noch mit einem angenehmen Gefühl des Erfolgs beobachtet, wie Amir, der Fitnesstrainer, auf dem offenen Rondodeck des schnittigen Schiffs seinen Wasseraerobic-Kurs gab. Die Passagiere hatten offenbar Spaß, und mehr als einer hatte London am Morgen für die Organisation des Kurses gedankt.
Das blau geflieste Schwimmbecken an Deck war so klein, dass man darin nicht ordentlich Bahnen ziehen konnte, aber ideal geeignet für eine kurze Abkühlung, Spiele und solche niedrigschwelligen Sportangebote. Die frische Luft, die warme Sonne und die fröhlichen Passagiere hatten für einen guten Start der Fahrt der Nachtmusik von Györ nach Wien gesorgt.
Aber nun erklang diese scharfe Stimme erneut.
„London! Wir haben ein Problem!“
Es war Amy Blassingame, die Concierge des yachtartigen Flusskreuzfahrtschiffes Nachtmusik.
Sie liebt es einfach, mit Problemen zu mir zu kommen, dachte London.
Widerwillig drehte sie sich um und sah ihre Kollegin besorgt an. Amy war ein paar Zentimeter kleiner als London mit ihrem Meter fünfundsiebzig und kräftiger gebaut. Sie trug ihr glattes, dunkles Haar zu einer Art Helm frisiert und konnte deshalb fast militärisch wirken, wenn sie sich einer Sache annahm.
Die Concierge gab sich keine besondere Mühe, den Anflug eines Grinsens zu verbergen.
„Sie werden diesen Hund loswerden müssen“, verkündete Amy.
London verspürte einen Anflug von Beunruhigung.
„Nein“, antwortete sie. „Ich bin sicher, dass dieses Thema erledigt ist.“
Zumindest dachte sie das. Nach dem Tod seiner Besitzerin hatte sie die Erlaubnis bekommen, Sir Reggie zu behalten.
„Ich fürchte, da irren Sie sich“, triumphierte Amy. „Es hat sich nämlich ein Passagier beschwert. Er hat Kabine 108 – direkt neben Ihrer. Das Kläffen Ihres Hundes stört ihn.“
Amy verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf.
„Oh, London“, sagte sie. „Sie hätten wissen müssen, dass das nicht funktionieren würde. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie an Bord dieses Schiffes keinen Hund halten können. Sie hätten auf mich hören sollen.“
London unterdrückte den Drang, mit „Sie haben nichts dergleichen gesagt“ zu antworten.
Tatsächlich hatten sie überhaupt nicht über dieses Thema gesprochen.
Aber sie war nicht überrascht, dass Amy ihre Notlage genoss. Erst am Vortag hatte sie praktisch im Alleingang den geheimnisvollen Tod einer Passagierin und das Verschwinden einer kostbaren antiken Schnupftabaksdose aufgeklärt. Ihre improvisierte Tätigkeit als Amateurdetektivin hatte dazu geführt, dass die Polizei in Györ den Schuldigen hatte festnehmen können.
Es war Amy immer noch peinlich, dass sie sich in den Täter – oder zumindest in eine seiner vielen Persönlichkeiten – verliebt und ihn sogar an Bord eingeladen hatte. Amy hatte sich bis über beide Ohren in eine der Tarnidentitäten des Schurken verknallt.
London hatte diesen Fehler publik gemacht, als sie das Verbrechen gelöst hatte.
Wobei Amy und ich von Anfang an nicht das beste Verhältnis hatten.
„Wie wollen Sie damit umgehen?“, verlangte Amy zu wissen.
„Ich weiß es nicht“, gestand London.
„Brauchen Sie Hilfe?“
Ihre Hilfe ist das Letzte, was ich brauche, hätte London beinahe gesagt.
„Nein. Sie haben doch sicher schon genug zu tun“, entgegnete sie stattdessen.
„Sie werden den Hund natürlich loswerden müssen“, wiederholte Amy.
„Schauen wir mal“, versetzte London und dachte verzweifelt über eine Alternative nach.
Während Amy sich entfernte, wanderte Londons Blick zurück zum Schwimmbecken. Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wasseraerobic-Kurses hatten offenbar Spaß. Dasselbe galt für ein paar andere Passagierinnen und Passagiere, die an der Reling standen und auf die schöne, blaue Donau hinausblickten, deren beider Ufer von dicht bewaldeten Hügeln gesäumt waren.
Sie war froh, so viel Zufriedenheit zu sehen. In den letzten paar Tagen war viel zu viel passiert, angefangen mit Mrs Klimowskis geheimnisvollem Tod. Dann war das Schiff voller Polizei gewesen, und die Ermittlungen hatten dazu geführt, dass sie einen Tag zu spät Richtung Wien abgelegt hatten. Die ganze Episode hatte an den Nerven aller Personen an Bord gezehrt. London wusste, dass es für sie noch viel zu tun gab, bis sich diese Reise wieder wie eine fröhliche, sorglose Flusskreuzfahrt in Europa anfühlte.
Aber was mache ich mit Sir Reggie?, fragte sich London, während sie sich abwandte und zum Aufzug eilte. Sie konnte ihn natürlich in Wien im Tierheim abgeben, aber …
Nein, das geht nicht, erkannte sie.
Das geht auf keinen Fall.
Es muss eine andere Möglichkeit geben.
London stieg auf dem untersten Passagierdeck des Schiffs, dem Allegrodeck, aus dem Aufzug. Die „klassischen“ Kabinen hier waren die preiswertesten auf dem gesamten Schiff. Nichtsdestoweniger waren sie sehr bequem und geschmackvoll ausgestattet. London war überrascht und erfreut gewesen, als man ihr eine dieser Kabinen zugewiesen hatte. Als sie den Job übernommen hatte, war ihr nicht klar gewesen, dass die Position des Social Directors einen gewissen Status mit sich brachte.
Aber natürlich war das ganze Schiff viel eleganter als die großen Ozeanriesen, auf denen London zuvor gearbeitet hatte. Die Nachtmusik war gebaut wie andere Flussschiffe, aber kleiner, moderner und konnte Wasserstraßen befahren, für die konkurrierende Schiffe zu groß waren. Tatsächlich fühlte sie sich im Grunde an wie eine große Yacht.
Als London den Korridor entlangging, war zunächst alles still. Doch sobald sie sich ihrer Kabine näherte, hörte sie das Kläffen. Sie öffnete die Tür und stand dem winzigen, teddybärartigen Hund gegenüber.
Reggie hörte auf zu bellen, setzte sich hin und sah zu ihr auf. Wie die meisten Yorkshireterrier hatte er eine Schulterhöhe von unter zwanzig Zentimetern, aber die Persönlichkeit eines Riesen.
„Reggie, du musst aufhören, einen solchen Lärm zu veranstalten“, flüsterte London. „Sonst kriegst du echt Ärger.“
Reggie wedelte aufgeregt mit dem Schwanz und trabte auf den Korridor hinaus. London hob ihn hoch und drohte ihm mit dem Finger.
„Alles klar“, sagte sie. „Du magst es nicht, wenn ich dich in der Kabine alleinlasse. Du würdest gerne überall mit hingehen. Tatsächlich wäre mir das auch am liebsten, weil ich deine Gesellschaft wirklich mag, aber …“
Mit einem Kloß im Hals fuhr sie fort: „Aber ich muss arbeiten. Ich kann dich nicht überall mit hinschleppen. Hier hast du dein Futter und dein Klo. Ich kann nicht ständig hierher rennen, um dich in die Kabine zu bringen und wieder rauszulassen.“
Reggie winselte resigniert, als London ihn in der Kabine wieder absetzte. Sie stand da und sah ihn an, und er erwiderte ihren Blick mit fast menschlicher, sehnsuchtsvoller Miene.
London verspürte einen Anflug tiefen Mitleids.
Er hat etwas Besseres verdient, dachte sie.
Bei Mrs Klimowski hatte er es nicht besonders gutgehabt. Da er nicht einmal fünf Kilo wog, hatte die Frau ihn in einer engen, unbequemen Lederhandtasche überall mit hingeschleppt. Jetzt, wo er diese Tasche endlich los war, wollte er natürlich noch mehr Freiheiten – und mehr menschliche Gesellschaft.
Der Kloß in Londons Hals wurde noch größer.
Sir Reggie war nicht nur süß und klug, er hatte sich auch als Held erwiesen – und als fast so guter Detektiv wie London selbst. Er hatte mit einem scharfen Kläffen den Mörder identifiziert und ihn dann tapfer verfolgt, als er zu entkommen versucht hatte.
Sein Mut hätte beinahe sein Ende bedeutet. Er hatte sich auf der Gangway des Schiffs ins Hosenbein des Flüchtenden verbissen und ihn zum Stolpern gebracht, sodass die Polizei ihn festnehmen konnte. Doch dabei war er in den Fluss geschleudert worden, und London war hinterher gesprungen, um ihn zu retten.
Beinahe hätte sie ihn verloren. Jetzt stiegen ihr Tränen in die Augen, als sie sich daran erinnerte, wie jämmerlich und leblos er am Ufer gelegen hatte, das damals ungeschorene Fell triefnass und schlammverschmiert. Er hatte alle vier Füßchen in die Luft gestreckt. Sie wusste noch, wie sie vor Erleichterung aufgekeucht hatte, als er Wasser ausgespuckt und wieder zu atmen begonnen hatte.
„Ich kriege das irgendwie hin“, versprach ihm London. „Aber bis dahin sei bitte still.“
Sie schloss ihn wieder in ihrer Kabine ein, und er begann zumindest nicht sofort wieder zu kläffen. Aber sie wusste, sie durfte nicht darauf hoffen, dass er dauerhaft still sein würde.
Zunächst musste sie mit ihrem wütenden Nachbarn sprechen.
Seinen Namen hatte sie der Passagierliste entnommen: Stanley Tedrow, Kabine 108. Aber sie erinnerte sich nicht mehr, wie er aussah. Er hatte zweifellos an keiner der Touren nach Budapest oder Györ teilgenommen und auch nicht an einer anderen Aktivitäten, die sie beobachtet hatte. Sie fragte sich, wie er die Reise bisher verbracht hatte.
Im Versuch, so würdevoll wie möglich auszusehen, strich London ihre Uniform glatt und fuhr sich mit den Fingern durch das kurze, strubbelige, kastanienrote Haar.
Dann ging sie zu Kabine 108 hinüber und klopfte an.
Aber was soll ich sagen?,
„Wer ist da?“, knurrte eine raue Reibeisenstimme auf Londons Klopfen hin.
„London Rose, der Social Director des Schiffs“, entgegnete sie.
Sie hörte jemanden grummeln, dann öffnete sich die Tür. Ein kleiner, altersgebeugter Mann mit Hakennase und verkniffenem Blick stand vor London und funkelte sie an. Er trug einen Pyjama, einen Morgenmantel und Hausschuhe.
„Ich vermute, Sie sind wegen dieses Hundes nebenan hier“, sagte Tedrow.
London nickte.
„Haben Sie mit seinen Besitzern über den Lärm geredet, den er veranstaltet?“, erkundigte er sich.
London schluckte schwer.
„Äh, Mr Tedrow – der Hund gehört mir.“
„Ihnen?“, fragte Tedrow.
„Ja, wissen Sie, ich … nun ja, ich habe die Kabine nebenan, und seit Mrs Klimowskis Tod gibt es niemanden mehr, der sich um den Hund kümmert.“
„Es ist jemand gestorben?“, hakte Tedrow überrascht nach.
London war verblüfft. Vegetierte der Mann so isoliert hier in seiner Kabine vor sich hin, dass er nicht mitbekommen hatte, was in den letzten Tagen vor sich gegangen war? Hatte er nicht einmal den Brief gelesen, in dem sie die Passagierinnen und Passagiere von Mrs Klimowskis Tod informiert und den sie in alle Postfächer gelegt hatte?
Offenbar nicht, erkannte sie.
Es schien ihn auch nicht besonders zu interessieren.
„Nun, ich schätze, das geht mich nichts an“, fuhr er achselzuckend fort. „Wichtig ist jetzt, dass Sie etwas wegen dieses Hundes unternehmen.“
„Mr Tedrow, Sir Reggie ist nur ein kleiner Hund. Ist er Ihnen wirklich zu laut? Wenn er sich an seine neue Umgebung gewöhnt hat, beklagt er sich sicher nicht mehr so viel. Ich nehme Sie mal mit rüber und stelle Sie ihm vor. Ich bin sicher, Sie werden ihn mögen.“
„Aber ich brauche Frieden und Ruhe“, beharrte Tedrow. „Wieso bellt er überhaupt?“
„Er mag menschliche Gesellschaft. Außerdem rennt er gerne herum. Aber ich kann ihn nicht überall mit hinnehmen. Manchmal muss ich ihn in meiner Kabine lassen.“
„Warum?“
London war überrascht von dieser abrupten Frage.
„Können Sie nicht verstehen, dass er nicht so eingesperrt sein möchte?“, fügte Tedrow hinzu. „Warum darf er sich nicht frei auf dem Schiff bewegen?“
London wollte gerade erklären, dass Sir Reggie Zugang zu seinem Futter und seinem Hundeklo brauchte, als ihr plötzlich aufging, dass die Frage gar nicht so unberechtigt war.
Warum durfte er sich denn nicht frei auf dem Schiff bewegen?
Vielleicht ließ sich das sogar umsetzen.
„Ich werde sehen, was ich tun kann“, versprach sie.
„Tun Sie das“, antwortete Tedrow. „Solange der Hund die Klappe hält, bin ich zufrieden. Mir ist egal, wer neben mir wohnt.“
Er setzte sich an einen altmodisch wirkenden Computer auf seinem Tisch und wollte offensichtlich so schnell wie möglich weiterarbeiten.
London schaute sich in der Kabine um. Wie die meisten anderen auf dem Allegrodeck sah sie fast genauso aus wie ihre.
Sie war bei weitem nicht so luxuriös und geräumig wie die Kabinen auf den oberen Decks aber dennoch deutlich hübscher als die engen Unterkünfte, die sie als Gästebetreuerin auf großen Kreuzfahrtschiffen mit anderen Mitarbeiterinnen geteilt hatte. Ihre war in grauen und blauen Pastelltönen gehalten, Mr Tedrows Kabine hingegen in Erdtönen. Der Computer und ein kleiner Drucker nahmen den Großteil des Tischchens ein, und auf seinem Doppelbett waren ein paar Bücher verstreut.
Es war eine sehr hübsche Kabine. Aber die Einsamkeit ihres Bewohners machte ihr Sorgen.
„Äh, Mr Tedrow – ist sonst alles zu Ihrer Zufriedenheit? Abgesehen von meinem Hund, meine ich?“
„Warum fragen Sie?“, wollte er wissen, ohne den Blick von seinem Computerbildschirm zu wenden.
London schluckte unbehaglich.
„Nun, als Social Director des Schiffs ist es meine Pflicht, mich um die Zufriedenheit aller Passagierinnen und Passagiere der Nachtmusik zu kümmern.“
„Keine Sorge, ich bin vollkommen zufrieden“, knurrte Tedrow. „Besser gesagt, ich werde es sein, wenn Sie die Sache mit dem Hund geklärt haben.“
London musterte ihn neugierig, er aber starrte weiter auf den Computerbildschirm.
Er klingt ganz und gar nicht so, dachte sie.
Sie empfand es als ihre Aufgabe, ihn aus der Reserve zu locken, ein wenig mit ihm zu plaudern.
„Wie fanden Sie Györ?“, fragte sie.
„Warum, haben wir dort angelegt?“
London riss überrascht die Augen auf.
„Ja“, antwortete sie. „Wir haben erst gestern Abend wieder abgelegt.“
„Nun, ich weiß, dass das Schiff seit unserer Abfahrt in Budapest die meiste Zeit irgendwo vor Anker gelegen hat, aber ich habe unseren Reiseplan mehr oder weniger vergessen. Ehrlich gesagt ist er mir auch ziemlich egal.“
Was ist Ihnen denn nicht ziemlich egal?, fragte sich London.
Sie versuchte, ihre Besorgnis hinter einem professionellen Lächeln zu verbergen.
„Ich hoffe, Sie haben wenigstens ein paar der Annehmlichkeiten an Bord der Nachtmusik genossen.“
„Annehmlichkeiten?“, wiederholte er, als kenne er dieses Wort nicht.
„Sie wissen schon – die Ausstattung, die Aktivitäten, die Unterhaltungsangebote.“
„Zum Beispiel?“
London sah ihn mit wachsender Sorge an – und mit wachsender Neugier.
„Nun, sie waren doch sicher schon im Restaurant Habsburg oben auf dem Romanzedeck. Oder im Schwimmbecken und bei den Freiluftaktivitäten auf dem Rondodeck. Oder in der Amadeus-Lounge auf dem Menuettdeck. Wissen Sie, in der Lounge gibt es seit neuestem auch ein kleines Casino …“
„Tut mir leid, kein Interesse“, beschied Tedrow sie und winkte ab, ohne den Blick von seinem Computerbildschirm zu wenden.
London war verblüfft. Mr Tedrow hatte zweifellos am Begrüßungsrundgang teilgenommen. Aber seither …
Hat er diese Kabine auch nur ein einziges Mal verlassen?
Sie vermerkte ein Tablett mit Frühstücksresten, das ebenfalls auf dem Tisch stand, an dem er arbeitete. Vielleicht hatte er seit Budapest nur in seiner Kabine gegessen. Plötzlich wurde London klar, dass ein Passagier sehr wohl die gesamte Donaukreuzfahrt in seiner Kabine verbringen konnte.
Aber warum sollte das jemand tun – und war es nicht ihre Aufgabe, einen solchen Passagier dazu zu bringen, auch mal rauszugehen?
Aber Mr Tedrow war offenbar kratzbürstig, weshalb sie besser vorsichtig mit ihm umgehen sollte.
„Mr Tedrow, wenn ich fragen darf …“
Tedrow knurrte, als dürfe sie tatsächlich nicht fragen.
London fuhr fort: „Was haben Sie an Ihrer Reise bisher am meisten genossen?“
„Die Ungestörtheit“, antwortete er mit finsterem Blick. „Zumindest über weite Strecken. Nun ja, und die Ruhe – zumindest, wenn ich in der Lage war, Ruhe zu finden.“
„Was noch?“
Er deutete auf das hohe, offene Fenster.
„Die gute Seeluft“, sagte er.
London kniff verdattert die Augen zusammen. Zweifellos wusste Mr Tedrow ganz genau, dass die Nachtmusik sich auf einer Flusskreuzfahrt befand und dass das Schiff seit dem Aufbruch in Budapest kein einziges Mal auf hoher See gewesen war.
Jetzt versucht er, mich zu nerven, dachte sie.
Sie war entschlossen, ihm diesen Gefallen nicht zu tun.
„Mr Tedrow …“, begann sie.
„Wenn Sie nichts dagegen haben, Miss Geselligkeit, würde ich gerne wieder meine Einsamkeit genießen.“
Er wandte den Blick nach wie vor nicht von dem Computerbildschirm.
„Kümmern Sie sich einfach um diesen Hund, ja?“, brummte er und trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
„Natürlich, Mr Tedrow“, verabschiedete sich London und verließ seine Kabine.
Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, stand sie auf dem Gang und versuchte, diesen seltsamen Besuch zu verarbeiten. Dann fiel ihr etwas ein, das er gesagt hatte.
„Keine Sorge, ich bin vollkommen zufrieden.“
Hatte er das vielleicht trotz seines griesgrämigen Tonfalls ernst gemeint? War es möglich, dass Mr Tedrow die Flusskreuzfahrten tatsächlich auf seine ganz persönliche Art und Weise genoss? Vielleicht, dachte London, fragte sich aber zugleich, ob er dann nicht genauso gut hätte zu Hause bleiben können.
Rasch rief sie sich ihr berufliches Motto ins Gedächtnis.
„Der Kunde hat vielleicht nicht immer recht, aber er ist immer der Kunde.“
Es war definitiv nicht ihre Aufgabe, Mr Tedrow aus seiner selbst gewählten Einsamkeit zu locken. Das war seine Entscheidung. Sie konnte ihn ja auch schlecht gegen seinen Widerstand zu all den Unterhaltungsangeboten, Zeitvertreiben und Ablenkungen schleifen, die ein Luxuskreuzfahrtschiff zu bieten hatte.
Außerdem hatte London im Augenblick dringendere Probleme. Sie kehrte in ihre Kabine zurück, wo Reggie sie hocherfreut begrüßte.
„Ich habe eine Idee“, verkündete sie. „Wir beide müssen jetzt etwas erledigen.“
Während sie eine Leine an seinem Halsband befestigte, fügte sie hinzu: „Ich werde versuchen, dieses Problem so zu klären, dass wir beide zufrieden sind. Aber du musst ein perfekter kleiner Gentleman sein, so süß, wie du nur kannst. Das schaffst du doch, oder?“
Sir Reggie kläffte leise. Es klang wie eine Bestätigung. Sie führte ihn auf den Gang, wo er vor ihr Richtung Aufzug trippelte. Sie fuhren wieder hinauf in die frische Luft des Rondodecks.
Sobald sie aus dem Aufzug traten, hörte London zu ihrer Überraschung leisen Applaus. Die Shuffleboard-Spielerinnen und -spieler hatten ihr Spiel unterbrochen und gaben ihrer Freude Ausdruck, Sir Reggie zu sehen.
Als überfordere ihn dieser warme Empfang, sprang Sir Reggie in Londons Arme.
„Da ist ja unser Held!“, schrie eine Frau.
„Der furchtlose Sir Reggie!“, rief ein Mann aus.
Eine andere Frau lachte. „Wir können alle ruhiger schlafen, denn wir wissen, dass Sir Reggie immer da ist, um den Tag zu retten!“
Während sich die Passagierinnen und Passagiere um ihn drängten, schien der arme Reggie gar nicht recht zu begreifen, was der ganze Aufruhr sollte. London hingegen begriff es sehr wohl. Sir Reggies mutiges Verhalten vom Vortag hatte sich auf dem Schiff herumgesprochen, und er war jetzt auf der ganzen Nachtmusik ziemlich bekannt.
„Gewöhn dich daran, Kleiner“, murmelte sie ihm zu und kraulte ihm den Kopf. „Du bist jetzt ein Star.“
Unwillkürlich fand sie es erheiternd, dass sie selbst nicht dieselbe Begeisterung hervorrief, obgleich sie das Geheimnis von Mrs Klimowskis Tod ergründet hatte.
Vielleicht, wenn ich einfach nur klein und süß wäre …
Aber sie kam zu dem Schluss, dass es ihr ganz recht war, dass die Leute sie nach wie vor als London Rose, Social Director des Schiffs, sahen und nicht als London Rose, die furchtlose Detektivin. Es erleichterte ihr die Arbeit ungeheuer.
Gleichzeitig fand London die Reaktionen der Passagierinnen und Passagiere auf Sir Reggie tröstlich. Was auch immer sonst passieren würde, er würde nicht von der Nachtmusik fliegen. Angesichts seiner Beliebtheit würde jeder Versuch, ihn loszuwerden, zu schiffsweiten Protesten führen.
Außerdem würde es, wenn sich herausstellte, dass sie Reggie nicht in ihrer Kabine behalten konnte, andere Menschen geben, die sich seiner gerne annehmen würden …
Dieser Gedanke missfiel London plötzlich sehr.
Nein, dachte sie.
Er ist jetzt mein Hund.
Ausschließlich meiner.
Mein Plan muss klappen, dachte sie. Er muss einfach.
Während Sir Reggie all die Aufmerksamkeit offenbar genoss, wusste London, dass sie dafür jetzt keine Zeit hatte. Die Anforderungen ihres Jobs ließen ihr wenig Zeit, um sich um persönliche Angelegenheiten zu kümmern. Sie musste dieses Problem sofort klären, um die Sorge loszuwerden, sie könne ihren Hund verlieren.
Also trug sie Reggie weg von seinen Fans zur verglasten Brücke des Schiffs, die über dem Rondodeck aufragte. Sie erklomm die Stufen zur Brücke und klopfte an.
Wie erwartet öffnete ihr der behäbige Kapitän Spencer Hays, ein Engländer, dessen Walross-Schnurrbart nicht einmal ansatzweise das freudige Lächeln kaschierte, das ihr Besuch bei ihm auslöste.
„Wenn das nicht London Rose ist! Welch unerwartete Freude! Immer herein!“
London fiel auf, dass sie tatsächlich noch nie auf der Brücke der Nachtmusik gewesen war. Sie war ein beeindruckender Anblick. Der afrofranzösische Erste Offizier Jean-Louis Berville beaufsichtigte die drei Crewmitglieder, die die gewaltige Computersteuerung bemannten, während er selbst den Fluss vor ihnen im Blick behielt.
Das Glück meinte es gut mit London. Der Kapitän hatte noch einen weiteren Besucher – den schlaksigen Instandhaltungsleiter des Schiffes, Archie Behnke. Der junge blonde Mechaniker konnte alles reparieren, was über bewegliche Teile verfügte.
Genau den brauche ich jetzt, dachte sie.
Beim Anblick Sir Reggies riss der Kapitän die Augen auf.
„Aber – ach du lieber Gott! Was ist das denn? Haben wir ein neues Tier an Bord?“
London lachte über die Verwirrung des Kapitäns.
„Nein, das ist nach wie vor Sir Reggie“, beruhigte sie ihn.
„Was für eine Verwandlung! Er sieht sich ja überhaupt nicht mehr ähnlich! Was um alles in der Welt ist mit ihm passiert?“
Natürlich hatte Kapitän Hays Sir Reginald Taft erst einmal gesehen, und da war das Fell des Hündchens noch so lang gewesen, dass es auf dem Boden geschleift hatte. Für London hatte Reggie damals ausgesehen wie eine seltsame Perücke mit Augen und einem schwarzen Näschen. Das mochte vielleicht für einen früheren Ausstellungshund angemessen gewesen sein, aber es hatte London nicht gefallen, und selbst Reggie schien sich so nicht wohl gefühlt zu haben. Nachdem er fast ertrunken war, hatte London ihn zur Kosmetikerin der Nachtmusik geschleppt, die ihn gebadet und gründlich geschoren hatte.
„Wir haben ihm einen neuen Look verpasst“, erklärte London dem Kapitän. „Man nennt das ‘Welpenschnitt’.“
„Famos!“, urteilte Kapitän Hays. „Steht ihm.“
„Jetzt sieht er aus wie ein Mannschaftsmitglied“, fügte Archie Behnke hinzu.
London lachte und kam dann vorsichtig zum Grund ihres Besuchs.
„Ich habe ihn bisher in meiner Kajüte eingesperrt“, sagte sie. „Aber das ist nicht so gut.“
„Nein?“, fragte der Kapitän.
„Ich kann nicht ständig bei ihm sein“, erklärte London. „Aber er hasst es, allein eingeschlossen zu sein.“
„Natürlich“, nickte Kapitän Hays streng. „Er würde lieber auf dem Schiff herumstreunen und international gesuchte Juwelendiebe dingfest machen. Wir können auf seine Talente hier auf der Nachtmusik nicht verzichten. Ohne ihn kommen wir nicht klar.“
London war erleichtert über den verständnisvollen Tonfall des Kapitäns. Ehe sie die Bitte äußern konnte, die sie auf dem Herzen hatte, ließ sich der Instandhaltungsleiter vernehmen: „Klingt, als bräuchten Sie eine Hundeklappe.“
London hielt kurz den Atem an. Eine Hundeklappe war genau das, worum sie hatte bitten wollen. Aber würde man ihr das erlauben?
„Ja, ich glaube, genau die brauche ich“, pflichtete ihm London etwas nervös bei.
Der Kapitän hob die gewaltigen Augenbrauen.
„Eine Hundeklappe?“, fragte er. „Bitte erklären Sie mir das.“
Archie zuckte die Achseln.
„Oh, ich bin sicher, Sie haben so etwas schon einmal gesehen“, sagte er. „Es ist nur ein rechteckiger Ausschnitt in der Tür, durch den der Hund nach Belieben kommen und gehen kann. Daran kommt eine Klappe, die man nachts verriegeln kann. Für einen Hund von Sir Reggies Größe würde eine sehr kleine Klappe reichen.“
„Ausgezeichnete Idee!“, erklärte der Kapitän.
London sah zwischen Archie und dem Kapitän hin und her. Das klang fast zu schön, um wahr zu sein.
„Glauben Sie, das wäre den Passagierinnen und Passagieren recht?“, erkundigte sie sich.
Natürlich glaubte London die Antwort auf diese Frage bereits zu kennen. Sie konnte nur hoffen, dass der Kapitän das genau so sah.
„Den Passagierinnen und Passagieren?“, wiederholte er. „Die werden sich freuen, ihn zu sehen. Schon der Anblick seines furchtlosen Gesichts wird ihnen ein Gefühl der Sicherheit und Sorglosigkeit vermitteln.“
London hörte das gern, fühlte sich aber verpflichtet, noch etwas anderes zu erwähnen.
„Es ist nur … wie soll ich … ich meine, brauche ich die Erlaubnis von …?“
„Von jemandem, der weiter oben in der Hierarchie der Firma steht?“, höhnte der Kapitän. „Oh, das denke ich nicht. Wir sägen ja nur ein Loch in eine Tür. Schließlich wollen wir kein Leck in die Schiffswand schneiden. Außerdem stehen Sie ja zufällig bestens mit dem Geschäftsführer. Ich bin sicher, Sie haben seine stillschweigende Zustimmung zu so ziemlich allen Ihnen erforderlich erscheinenden Maßnahmen. Ich kann ihn gern bei unserem nächsten Gespräch informieren. Natürlich geht das in Ordnung.“
London lächelte. Sie war sicher, dass der Kapitän recht hatte. Erst am Vortag hatte Jeremy Lapham, der Geschäftsführer von Epoch World Cruise Lines, sie aus den USA angerufen, nachdem sie das Geheimnis um Mrs Klimowskis Tod gelüftet hatte.
„Gratulationen, Jubelrufe und Lobreden sind zweifellos angebracht“, hatte er gesagt.
Natürlich würde er nichts gegen eine einfache Hundeklappe haben.
London spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Alles würde gut werden. Sie durfte den Hund behalten! Von jetzt an würde Sir Reggie ein besseres Leben führen und sie einen vertrauten Gefährten haben.
Archie erhob sich.
„Meine Jungs und ich, wir machen uns gleich an die Arbeit“, verkündete er. „Es ist schön, nach einigen der seltsameren Anfragen, die wir von den Passagierinnen und Passagieren kriegen, mal etwas Einfaches, Normales zu tun zu haben.“
„Sie kriegen seltsame Anfragen?“, hakte London nach.
Archie lachte höhnisch.
„Oh, die meisten sind ganz vernünftig. Aber Ihre Concierge hat mir von einem Typen erzählt, der möchte, dass ich … ach, egal. Das geht nicht, und das habe ich auch gesagt.“
Bei Archies Worten klingelte bei London etwas, als hätte sie über diese Beschwerde schon etwas gehört.
Sie reichte Archie ihre Schlüsselkarte, damit er anfangen konnte, in ihrer Kabine zu arbeiten. Dann verließ sie mit dem Instandhaltungsleiter die Brücke, und ihre Wege trennten sich.
Mit Sir Reginald an ihrer Seite ging London zwei Stockwerke nach unten ins Restaurant Habsburg. Der große Raum im Bug des Romanzedecks verfügte über elegant gedeckte Tische verschiedener Größe und Anordnung zur freien Wahl der Passagierinnen und Passagiere. An den Sitzplätzen an den großen Fenstern hatte man beinahe das Gefühl, im Freien zu essen.
Als Sir Reggie vor ihr das Restaurant betrat, erhielt er erneut Applaus, diesmal von Gästen, die das Langschläferfrühstück genossen. Ein paar davon erhoben sich von ihren Tischen, kamen herüber und näherten sich dem kleinen Hund. Diesmal machte es Sir Reggie offenbar nichts aus, er sprang nicht auf Londons Arme.
Er fängt langsam an, die ganze Aufmerksamkeit zu genießen, erkannte diese.
Wie London gehofft hatte, saß ihre alte Freundin Elsie Sloan an einem der Tische und genoss eine Tasse Kaffee. Die große, blonde Frau leitete die Amadeus-Lounge und machte gerade eine Pause, nachdem sie mit ihrem Personal die Bar frisch bestückt hatte. Als London und Reggie an ihrem Tisch Platz nahmen, zeigte sie sich amüsiert über all das Getue um den Hund.
„Er stiehlt dir die Show, Süße“, lachte Elsie. „Das doch eine alte Regel im Showbusiness – keine Auftritte mit Kindern oder Hunden.“
Eine vertraute Männerstimme sagte: „Sir Reggie ist kein Tier. Er ist ein Elite-Personenschützer.“
London wandte sich um und sah Bryce Yeaton in seiner weißen Kochmontur auf den Tisch zu kommen. Sie freute sich immer, sein warmes Lächeln zu sehen und fand seine grauen Augen, das Kinn mit dem Grübchen und den Dreitagebart ziemlich attraktiv. Wie viele Mannschaftsmitglieder hatte der attraktive Australier mehr als eine Aufgabe an Bord, er war zugleich Chefkoch und Schiffsarzt. Er hatte sowohl London als auch Reggie vor dem Ertrinken gerettet, während die Polizei den fliehenden Schuldigen in Gewahrsam genommen hatte.
„Mein Fehler, Reggie“, entschuldigte sich Elsie bei dem Hund. „Sag Bescheid, wenn du noch einen Nebenjob als Rausschmeißer brauchst.“
„Benehmen sich irgendwelche Gäste daneben?“, fragte London spöttisch.
„Bisher nicht, aber das ist nur eine Frage der Zeit.“
London wusste, dass Elsie scherzte. Bisher schienen die meisten Passagierinnen und Passagiere dieser Reise recht zufrieden zu sein. Natürlich war es Londons Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das so blieb.
Im Augenblick war sie mit ihrer Leistung recht zufrieden. Am Vortag zum Beispiel hatte sie vorgeschlagen, Elsie sollte doch einen Roulettetisch in der Amadeus-Lounge aufstellen. Am Morgen hatte sie Elsie und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geholfen, dort zusätzlich einen Blackjack-Tisch zu installieren. Ein Teil der Bar wurde gerade in einer Art improvisiertes Casino verwandelt, das überaus populär zu werden versprach.
„Was darf es heute Morgen sein?“, wandte sich Bryce an London.
„Kaffee natürlich. Ich habe schon gefrühstückt, aber vielleicht etwas Süßes dazu?“
Bryce lächelte sie an – ein wenig kokett, wie London fand oder vielleicht hoffte.
„Darf ich unseren Apfelstrudel empfehlen?“, antwortete er. „Der scheint mir jetzt auf dem Weg nach Wien ganz passend.“
„Apfelstrudel wäre toll“, stimmte London zu.
„Kommt sofort“, sagte Bryce. „Was möchtest du zum Mittagessen?“
„Das muss ich vielleicht ausfallen lassen“, antwortete London. „Ich werde den ganzen Tag nur herumrennen.“
„Wie wäre es mit einem Sandwich für unterwegs?“
„Das wäre super.“
Bryce zog ein Beutelchen aus der Tasche und entnahm ihm etwas, das wie ein kleiner Cracker aussah.
„Den habe ich extra für dich gebacken, Sir Reggie“, sagte er und hielt dem Hund das Leckerli hin. „Möchtest du es haben?“
Sir Reggie kläffte einmal, und Bryce warf es ihm hin. Der Hund fing den Cracker mitten aus der Luft auf und verschlang ihn.
Bryce lächelte London an.
„Ich bin allzeit bereit, Gäste aller Art zu verwöhnen“, verkündete er.
London spürte, wie ihr Lächeln breiter wurde, während er in die Küche zurückkehrte.
Elsie beugte sich über den Tisch und fragte London: „Liegt da etwa romantische Spannung in der Luft?“
London verdrehte die Augen.
„Elsie, wann wirst du endlich lernen, deine Nase nicht in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken?“
„Niemals.“
London unterdrückte ein Seufzen.
„Ich weiß es noch nicht. Außerdem …“
„Sag’s nicht, ich weiß schon Bescheid. Außerdem hast du ein Auge auf den deutschen Historiker unseres Schiffs geworfen.“
London merkte, dass sie errötete. Ja, der kultivierte, intelligente Emil Waldmüller hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Außerdem hatte er zur Lösung des Falles beigetragen. Aber er konnte nicht nur charmant, sondern auch seltsam brüsk sein, und London hatte sich noch keine abschließende Meinung über ihn gebildet.
„Ich bin nicht wegen der Romantik an Bord“, beschied sie Elsie. „Sondern zum Arbeiten.“
„Das schließt sich nicht gegenseitig aus“, erwiderte Elsie.
Ehe London das kommentieren konnte, trat ein Mann an den Tisch. Er trug eine Kapitänsmütze und ein buntes Seidenhemd mit breitem Kragen, der auf dem Revers seines Jacketts auflag.
„Sind Sie London Rose, unser Social Director?“, fragte er scharf.
„Ja, wie kann ich Ihnen helfen?“
„Mein Name ist Kirby Oswinkle. Ich möchte mich beschweren.“
London spürte einen Anflug von Sorge. Sie hörte an seinem säuerlichen Tonfall, dass dies keine normale Beschwerde werden würde.
Denk immer daran, rief sie sich ins Gedächtnis. Der Gast ist König.
