Tod und Spiele - Malachy Hyde - E-Book
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Tod und Spiele E-Book

Malachy Hyde

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Beschreibung

Mord an heiliger Stätte – und ein sympathisches Ermittler-Trio: Der historische Krimi »Tod und Spiele« von Malachy Hyde jetzt als eBook bei dotbooks. Nicht schon wieder eine Leiche! Kleinasien im Jahre 42 vor Christus. Er war der beste Ermittler Roms – nun hat Silvanus Rhodius genug von Mord und Totschlag: Ein ruhiger Verwaltungsposten im Gefolge des großen Marcus Antonius, mehr braucht er nicht zum Glück. Aber schon kurz nach seiner Ankunft im Osten des römischen Reichs stolpert er bei einer Wallfahrt über einen Toten. Und weil es sich ausgerechnet um einen Priester des Apollon-Tempels handelt, bleibt Silvanus keine andere Wahl: Er muss erneut auf Mörderjagd gehen. Unerwartete Hilfe bekommt er dabei von den Freundinnen Laelia und Illica … doch warum, beim Zeus und allen Furien, scheinen diese ungehörig schlauen Frauen ihm oft einen Schritt voraus zu sein? »Ein aufregender Kriminalfall, atmosphärisch dicht, spannend und brillant erzählt, voller überraschender Einfälle und sehr nah an den historischen Quellen. Und eben einmal ganz anders als alle Krimis, die wir kennen.« Kölnische Rundschau Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Tod und Spiele« von Malachy Hyde ist der erste historische Kriminalroman um Silvanus Rhodius, den Hercule Poirot der Antike, und seine überaus schlauen Partnerinnen Illica und Laelia. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 557

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Über dieses Buch:

Nicht schon wieder eine Leiche! Kleinasien im Jahre 42 vor Christus. Er war der beste Ermittler Roms – nun hat Silvanus Rhodius genug von Mord und Totschlag: Ein ruhiger Verwaltungsposten im Gefolge des großen Marcus Antonius, mehr braucht er nicht zum Glück. Aber schon kurz nach seiner Ankunft im Osten des römischen Reichs stolpert er bei einer Wallfahrt über einen Toten. Und weil es sich ausgerechnet um einen Priester des Apollon-Tempels handelt, bleibt Silvanus keine andere Wahl: Er muss erneut auf Mörderjagd gehen. Unerwartete Hilfe bekommt er dabei von den Freundinnen Laelia und Illica … doch warum, beim Zeus und allen Furien, scheinen diese ungehörig schlauen Frauen ihm oft einen Schritt voraus zu sein?

»Ein aufregender Kriminalfall, atmosphärisch dicht, spannend und brillant erzählt, voller überraschender Einfälle und sehr nah an den historischen Quellen. Und eben einmal ganz anders als alle Krimis, die wir kennen.« Kölnische Rundschau

Über Malachy Hyde:

Malachy Hyde ist das Pseudonym des Autorenduos Karola Hagemann und Ilka Stitz.

Karola Hagemann, Jahrgang 1961, studierte Geschichte, Anglistik und Diplompädagogik und arbeitet heute bei der Polizei Niedersachsen; sie lebt in Hannover. Ilka Stitz, Jahrgang 1960, studierte Kunstgeschichte, Germanistik und klassische Archäologie und arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Künstlerin; sie lebt in Köln. Mehr Informationen über Ilka Stitz finden sich auf der Website www.ilkastitz.de.

Unter dem Pseudonym Malachy Hyde erschienen bei dotbooks die vier Romane der Silvanus-Rhodius-Krimireihe: »Tod und Spiele«, »Eines jeden Kreuz«, »Wisse, dass du sterblich bist« und »Gewinne der Götter Gunst«; unter der Autorenmarke Hagemann & Stitz veröffentlichten die Autorinnen bei dotbooks zwei Krimis aus der Römerzeit: »Das Geheimnis des Mithras-Tempels« und »Jung stirbt, wen die Götter lieben«

***

eBook-Neuausgabe Mai 2021

Copyright © der Originalausgabe 1999 Eugen Diederichs Verlag, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Stefan Hilden, hildendesign.de, unter Verwendung eines Bildmotivs von Shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-461-9

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Malachy Hyde

Tod und Spiele

Ein Fall für Silvanus Rhodius – Kriminalroman

dotbooks.

Wie Smaragde schimmerten die Fliegen in der Sonne. Trotz der frühen Morgenstunde war es heiß. Der schwere Duft von Salbei lag wie eine dumpfe Decke auf der Erde. Die Sonne würde im Laufe des Tages den dürren Boden weiter austrocknen. Eine kleine Ratte huschte aus dem Unterholz, schnupperte vorsichtig. Gestört summten die Fliegen auf, kreisten kurz. Die Ratte beanspruchte ihren Teil. Nur das Schnarren der Zikaden war zu hören.

Kapitel I

Der große Tag war endlich da. Der Tag, dem die Bürger von Milet mit Schrecken, aber auch mit Andacht stets entgegensahen, der letzte Tag des größten Festes, das die Stadt kannte. Einmal im Jahr kamen Tausende von Gläubigen hierher, um nach den Feiern zu Ehren Apollons den langen Marsch nach Didyma anzutreten. Ziel der Prozession: der gigantische, wenn auch noch nicht vollendete Apollon-Tempel, das bedeutendste Orakelheiligtum Kleinasiens, eine der wichtigsten Kultstätten der Welt.

In diesen Tagen bevölkerten mehr Menschen die Stadt, als Gasthöfe und Herbergen aufnehmen konnten. So waren nicht nur die Quartiere hoffnungslos überfüllt – bis zu zehn Personen hatten die geschäftstüchtigen Wirte in eine Kammer gepfercht –, sondern auch auf den Straßen und Plätzen drängten sich die Massen. Allerlei zwielichtige Gestalten lungerten herum und nutzten die aufgeregte Stimmung für ihre Zwecke. So mancher Pilger wachte des Morgens auf und sah sich seiner Habe beraubt. Doch heute konnten die Bürger aufatmen. In aller Frühe, noch vor Tagesanbruch, würde die Prozession aufbrechen.

Die Priester aus Milet und Didyma hatten am vorigen Tage alles für die Prozession vorbereitet. Jetzt versammelten sie sich auf den Stufen des Delphinions, des milesischen Apollon-Heiligtums, und sprachen die letzten Einzelheiten ab. Dieser Marsch würde etwas Besonderes sein, denn hoher Besuch hatte sich angesagt. Marcus Antonius, der Sieger von Philippi und neue Herr des römischen Ostens, hatte seine Teilnahme angekündigt. Während er sein Herrschaftsgebiet bereiste, wollte er die günstige Gelegenheit nutzen, durch die Prozession das Wohlgefallen der Götter, insbesondere Apollons, zu gewinnen. Apollon war in dieser Gegend von größter Bedeutung, so hielt es Marcus Antonius aus politischen Gründen für unerläßlich mitzugehen. Außerdem war er bekannt dafür, daß er dem griechischen Geist, der hier herrschte, mit Wohlwollen begegnete, und dieser Haltung wollte er durch seine Teilnahme an den Festlichkeiten Nachdruck verleihen.

Ungeduldig warteten die Priester auf das Erscheinen von Antonius. Der Zeitpunkt, an dem der Zug üblicherweise aufbrach, war schon überschritten. Erste helle Streifen am Horizont kündigten an, daß die Sonne bald aufgehen würde. Wenn sie noch weiter warten mußten, würden sie das kleine Heiligtum, das die Hälfte des Weges markierte, nicht mehr vor der größten Mittagsglut erreichen. Aufgeregt flüsterten die Priester miteinander und beobachteten besorgt die Menschenmenge. Jedes Jahr waren es mehr, die den Weg auf sich nahmen, und in jedem Jahr waren es mehr, die den Strapazen nicht gewachsen waren. Endlich ging ein Raunen durch die Menge, und ehrerbietig traten die Menschen zur Seite. Begleitet von einer Eskorte hielt ein hochgewachsener Mann in Toga stolzen Schrittes auf das Heiligtum zu. »Salvete!« grüßte er die Priester. »Ich bitte meine Verspätung zu entschuldigen, aber in den Straßen herrscht ein solches Gedränge, daß selbst ich Schwierigkeiten hatte durchzukommen.«

Die Priester gaben das Zeichen zum Aufbruch. Zusammen mit Marcus Antonius und seinen Begleitern schritten sie dem Zug voran, gefolgt von den Aristokraten und Beamten der Stadt. Die Gehilfen der Priester mit den drei Schafen für das Abschlußopfer in Didyma, der Chor und die Festgesandtschaften reihten sich ein, schließlich das Volk. Es war ein langer Zug, der sich nach Didyma aufmachte. Die ersten erreichten schon das heilige Tor, als die letzten erst vom Delphinion aufbrachen.

Der Weg war breit und befestigt, die morgendliche Kühle angenehm. Gebete sprechend passierte man Grabmäler und Gedenksteine, die die Straße jenseits der Stadtmauer säumten. Allmählich wurde die Bebauung spärlicher. Nur noch hier und da erinnerten Denkmäler an fromme Pilger, die sich auf diese Weise dem Vergessen entziehen wollten.

Der Weg stieg nun leicht an und führte durch ein schattiges Pinienwäldchen. Marcus Antonius registrierte den reichen Baumbestand und hatte bereits die Flotte vor Augen, die er aus diesem Holz würde bauen können.

Hinter dem Wald öffnete sich ein herrlicher Ausblick über ein weites Plateau. Deutlich sichtbar zog sich die breite, befestigte Straße durch die Hochebene. Sie führte durch fruchtbares Land, überall arbeiteten Sklaven auf den Feldern. Angelockt von dem Klang der Instrumente und dem Gesang hielten sie in ihrer Arbeit inne und drängten sich am Straßenrand, um den Zug aus der Nähe zu sehen.

Das Frühjahr war bis jetzt ungewöhnlich trocken gewesen, der heutige Tag machte keine Ausnahme. Da die Mittagsstunde nahte, schien die Sonne fast senkrecht von einem wolkenlos klaren Himmel herab. So sahen die Pilger mit großer Freude das kleine Heiligtum vor sich liegen, das sich an die sanfte Anhöhe zur Rechten der Straße schmiegte. Erschöpfung beherrschte die Stimmung, nur die wenigsten achteten darauf, wie harmonisch sich das Heiligtum in die Landschaft einfügte. Umgeben vom Bergland bot sich von hier ein atemberaubender Ausblick über die Ebene, die im Dunst der Ferne mit dem Meer zu verschmelzen schien.

Wie üblich hatten am Tag zuvor beflissene milesische Gastwirte ihre Sklaven mit Wagen hergeschickt, voll beladen mit Wasser und Wein, die nun den Pilgern zum Kauf angeboten wurden. Vor den Opferhandlungen blieb noch genügend Zeit, um einen kühlen Trunk zu genießen, was viele auch freudig taten.

Die Strecke von Milet nach Didyma konnte von geübten Wanderern in rund vier Stunden zurückgelegt werden, die Prozession aber mußte sich dem langsamen Gang der Opfertiere anpassen und hatte in der gleichen Zeit gerade die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht. Auch würde nun die immer müder werdende Schar der Pilger ein schnelleres Fortkommen verhindern. Sieben Stationen lagen am Weg, gemäß der heiligen Zahl Apollons, die vierte war jetzt erreicht, drei weitere lagen noch vor ihnen.

Zunächst jedoch dachte niemand daran, den Weg fortzusetzen. Zimbeln erklangen, das Zeichen für den Beginn der Zeremonie. Der Chor stimmte einen Hymnus zu Ehren Apollons an, und die Opferungen begannen. Danach ließ man sich im Halbdunkel des Heiligtums nieder, und so mancher hielt im Schatten der Säulen auf dem kühlen Boden ein Nickerchen.

Die Hitze hatte kaum nachgelassen, als die Prozession vom Heiligen Bezirk aufbrach. Allen voran schritt der Prophetes Vigolos, Vorsteher des Apollon-Heiligtums in Didyma. Ein Mann von schlanker Gestalt und hohem Wuchs, das Gesicht jetzt rot und schweißbedeckt von Anstrengung und Hitze. Die kurzen gelockten Haare mit ersten grauen Strähnen klebten feucht an seinem Kopf. Ihm zur Seite Chares, seine rechte Hand. Dieser war nicht mehr der Jüngste, und der üppige Lebenswandel hatte seine Spuren hinterlassen. Seine unförmige Gestalt wirkte neben dem schlanken Oberpriester, dem er kaum bis zur Schulter reichte, geradezu lächerlich. Mit zunehmendem Leibesumfang immer kurzatmiger geworden, fiel Chares der Fußmarsch von Jahr zu Jahr schwerer, und die Aussicht, gerade erst gut die Hälfte des Weges zurückgelegt zu haben, trug nicht dazu bei, seine Stimmung zu heben.

Marcus Antonius sah man die Strapazen des Marsches nicht an, er war von ausgezeichneter Konstitution, von zahlreichen Feldzügen gestählt. An seiner Seite schritt Silvanus Rhodius, vor kurzem aus Rom in Kleinasien eingetroffen und auf eine blühende Karriere hoffend, trotz der Pause erschöpft von der ungewohnten körperlichen Anstrengung.

Vigolos stimmte einen Hymnus an, die Menge nahm die Melodie auf und setzte sich unter den Klängen der Zimbeln und Trommeln langsam in Bewegung.

Endlich näherte sich der Zug der Menschen seinem Ziel, dem weithin sichtbaren Apollon-Tempel. Schon lange hatten Statuen und Grabmäler rechts und links der Straße das Heiligtum angekündigt, die Säulenhallen, die das letzte Stück des Weges säumten, rückten näher.

Lauter erschallten jetzt die Preislieder auf Apollon. Es waren Tausende, die da singend die Heilige Straße entlangzogen, erschöpft und verschwitzt nach dem langen Fußmarsch, aber voller Freude auf die Feierlichkeiten, die den Tag der heiligen Prozession abschlossen. Und ab morgen die Spiele! Sie waren immer der Höhepunkt des jährlichen Marsches von Milet nach Didyma. Rund um den Tempel stritten Athleten, Dichter und Sänger zu Ehren Apollons und zur Freude der Anwohner, Besucher und Pilger.

Schon von weitem sahen die vorne Schreitenden etwas Weißes hinter einem der marmornen Löwen schimmern. Der Gesang erstarb abrupt. Unruhe breitete sich wie ein Lauffeuer in der gesamten Prozession aus.

»Was ist das?« fragte einer der Priester.

»Da liegt einer«, glaubte ein anderer zu erkennen.

»Was ist da los?« Marcus Antonius blieb stehen und wandte sich Vigolos zu. Der zuckte ratlos mit den Schultern.

»Ist das Teil eurer Feierlichkeiten?« fragte Marcus Antonius mit erwartungsvoll hochgezogenen Augenbrauen, »versteckt ihr vielleicht ein paar Krüge Wein neben der Straße, um eure Gäste zu erfreuen? Nach diesem Marsch würde uns allen ein kleiner Schluck sicher guttun. Sehen wir nach, was es da so Erstaunliches gibt.« Diese Aufforderung richtete er an Silvanus Rhodius, der neben ihm stand und einem guten Tropfen genausowenig abgeneigt war wie er.

Antonius erkannte schnell, daß es keine Weinvorräte waren, sondern daß Schwierigkeiten bevorstanden. Ein Mann im langen, weißen Chiton der Apollon-Priester lag dort reglos auf dem Boden.

»Bei Apollon, der ist tot«, murmelte der Priester, der als nächster an der Stelle ankam. Bald standen alle im Kreis um den Toten herum, keiner wagte, ihn anzurühren. Betroffen flüsterten sie, welch schlechtes Omen das sei. Ein Toter auf der Heiligen Straße, an diesem Festtag, am Anfang der Regierung von Marcus Antonius, Apollon sei ihm nicht gesonnen. Das Geraune mischte sich mit dem Gesumm der Fliegen, die sich nicht stören ließen.

»Mist«, murmelte Marcus Antonius. Der Mann war tot, daran gab es keinen Zweifel. Er lag in einer Lache geronnenen Blutes, die von einem Schwarm dicker grüner Fliegen bedeckt war. Antonius war der Tod ein vertrauter Begleiter, nach seinen zahlreichen Schlachten schritt er oft die Reihen der Gefallenen ab, auf der Suche nach einem vertrauten Gesicht. Er umrundete den Leichnam und betrachtete ihn von allen Seiten. »Kennt ihr ihn?« fragte er. Keiner der Umstehenden fühlte sich angesprochen. Betreten erforschten die Schaulustigen ihre schmutzigen Füße in den ausgetretenen Schuhen.

Antonius schob die Spitze seines Stiefels unter die Hüfte des Toten und rollte ihn auf den Rücken. Dabei entfuhr der Leiche ein kräftiger Rülpser. Scharfer Verwesungsgeruch erfüllte die Luft. Mit einem erstickten Aufschrei sprang der Feldherr zurück. »Bei Jupiter«, entfuhr es ihm, und Zornesröte über seine mangelnde Selbstbeherrschung überzog sein Gesicht. Die umstehenden, ohnehin bleichen Priester wurden noch eine Spur bleicher. Einer drehte sich um und gab den Wein, dem sie an der letzten Station reichlich zugesprochen hatten, in einem Schwall wieder von sich. Das Gemurmel in der Menge wurde lauter und drohender.

Der Tote war jung. Sein Gewand, ursprünglich rein und weiß, war an der Brust von Blut getränkt. Bereits getrocknet hatte dieses die Farbe von reifen Kastanien.

»Bei Apollon, das ist Antigonos«, flüsterte einer der Priester. »Einer von uns. Wahrlich ein schlechtes Omen!«

Marcus Antonius hatte sich sofort wieder im Griff. Er sah sich nach Silvanus um, den er neben sich wähnte. Sein Blick schweifte suchend über die Menge.

Silvanus Rhodius ahnte nichts Gutes. Nach kurzem Hinsehen hatte er versucht, sich unauffällig rückwärts durch die nachdrängenden Pilger zu schieben. Er war noch nicht weit gekommen, als die befehlsgewohnte Stimme des Imperators über die Köpfe der Menschen hinweg hallte, »Silvanus, zu mir!« Silvanus’ Gesicht wurde blaß, seine Kehle trocken, die Hände feucht. ›O ihr Götter! Nicht schon wieder.‹ Als einer der Tresviri Capitales in Rom hatte er mehr als genug Leichen gesehen. Unfälle, Morde, Selbstmorde – es hatte ihm gereicht. Er war zu Marcus Antonius gegangen, weil er etwas anderes tun wollte, als die Straßen und Kerker Roms zu überwachen. Vielleicht ein paar kleine Schiebereien und Steuerhinterziehungen in den Provinzen aufdecken, dem Herrscher des römischen Ostens helfen, die Truhen zu füllen, das schon, aber doch nicht schon wieder ein Toter. ›Ich kann das nicht mehr ertragen‹, dachte er, während Übelkeit langsam in ihm hochstieg. Schwer schluckend rieb er seine schweißnassen Hände über die Hüften und folgte langsam der Stimme des Imperators.

Mit einem Handgriff riß Antonius das Gewand des Toten auf. »Er ist erstochen worden«, sagte er leise zu Silvanus.

»Sieht so aus«, murmelte dieser.

»Ich weiß zwar nicht, wie du das beurteilen willst, wenn du gar nicht hinsiehst, aber es stimmt zweifellos.« Marcus Antonius sah den bleichen Silvanus mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Ich glaube, ich beginne zu verstehen, wieso du so erpicht darauf warst, hierher versetzt zu werden. Aber wie dem auch sei, reiß dich jetzt zusammen. Sieh dir mal sein Gewand an, er war nicht wie die anderen für die Prozession gekleidet. Hat ihn keiner vermißt?«

»Er war gestern abend für den Dienst im Tempel eingeteilt«, mischte sich Vigolos ein. »Er sollte die Opferfeier für heute abend vorbereiten. Darum war er nicht unter uns. Erst beim Artemis-Heiligtum, es liegt dort vor uns, wollte er sich anschließen.«

»Ein schlechtes Omen, in der Tat.« Antonius trat näher an Silvanus heran. »Wir müssen handeln, und zwar schnell. Du wirst die Aufklärung dieses Falles übernehmen.«

Silvanus holte tief Luft.

»Keine Widerrede – das ist ein Befehl!« Mit lauter Stimme wandte sich der Imperator nun an die Umstehenden: »Priester, Pilger und Bürger Kleinasiens! Ein schweres Verbrechen ist geschehen. Dieser junge Mann, Priester des Apollon, wurde ermordet. Und doch hat der Gott der Weisheit und des Lichtes es gefügt, daß ich, Marcus Antonius, den Toten finde. Und ich, Marcus Antonius, werde dafür sorgen, daß der Mörder gefaßt und der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Auf daß Apollons Wille erfüllt werde. Ich werde Apollons Vertrauen nicht enttäuschen, ihm ein Opfer darbringen und seinem Tempel neben meinen Weihegaben noch einen ansehnlichen Geldbetrag zur Verfügung stellen, damit die Bauarbeiten weiter fortschreiten können. Zudem soll die Inschrift auf einer Säule immer daran erinnern, daß Marcus Antonius den Mörder des Antigonos, Priester des Apollon, entlarvt und mit dem Tode bestraft hat. Dazu hat mir der alles voraussehende Gott diesen Mann zur Seite gestellt, Silvanus Rhodius«, mit einer weit ausholenden Geste wies er auf den neben ihm stehenden Silvanus, »der sich schon in Rom auszeichnete bei der Aufklärung von gemeinen Verbrechen und der jetzt in meinem Auftrag und mit allen Vollmachten ausgestattet auch den niederträchtigen Mörder dieses heiligen Mannes entlarven wird!«

Silvanus zog die Schultern hoch und wurde noch eine Spur blasser.

»Silvanus Rhodius ist bei seiner Arbeit jegliche Unterstützung zu gewähren und seinen Anweisungen – als seien es die meinen – Folge zu leisten! Kann jemand Hinweise zur Aufklärung des Verbrechens geben, so soll es sein Schaden nicht sein.« Der Imperator blickte in die Runde und sah, daß sich das Entsetzen in den Gesichtern in Anerkennung und Erwartung gewandelt hatte.

Er wandte sich Silvanus zu, dessen Miene einen Anflug von Sorge zeigte. »Nun denn«, sagte er leise, »du weißt, was hier auf dem Spiel steht – für mich und für dich! Klärst du den Fall auf, ist deine Karriere gesichert. Schaffst du es nicht, bist du erledigt! Dann wird dir nicht einmal mehr Octavian, der Schwächling, ein Amt verschaffen können. Du wirst den Rest deines Lebens in irgendeiner unwirtlichen Gegend verbringen: die Garnison in Judäa wäre doch reizvoll, nicht wahr? Aber ich denke, ich habe auf den richtigen Mann gesetzt. Deine Referenzen sind ausgezeichnet, und mein persönlicher Eindruck bestätigt das – bis jetzt.« Er lächelte aufmunternd. Gerade wollte er sich seiner Leibgarde zuwenden, als er innehielt und sich Silvanus noch einmal vertraulich zuneigte. »Sage mal, Silvanus, warum hat der Kerl eigentlich diesen verdammten Laut von sich gegeben, wo er doch offensichtlich tot ist?«

Silvanus, gegen ein flaues Gefühl im Magen kämpfend, schluckte. ›Du mußt dich beherrschen‹, dachte er, ›reiß dich zusammen und konzentriere dich.‹

»Ja, hm, das passiert schon mal. Wenn noch Luft in den Lungen ist, und man den Körper bewegt. Ich selbst habe es einmal bei einem Erhängten erlebt. Ein Kollege schnitt ihn ab, ich fing ihn auf. Dabei habe ich ihm wohl auf den Brustkorb gedrückt, so daß die Luft geräuschvoll entwich. Ich erschrak so sehr, daß ich den Toten weit von mir schleuderte. Wir hätten ihn ebensogut auch gleich fallen lassen können ... .«

»Kann ich mir vorstellen«, lächelte Marcus Antonius, »ich habe viele Tote auf dem Schlachtfeld gesehen, aber so etwas habe ich nie zuvor erlebt. Nun geh und führe aus, was ich dir aufgetragen habe. Ich sehe dich später.« Antonius ordnete zwei Männer seiner Eskorte ab, gab Befehl, Silvanus in allem zu unterstützen und rief laut der Menge zu: »Laßt uns nun die Prozession fortsetzen, Apollon zu Ehren.« Erhobenen Hauptes schritt er zurück auf die Heilige Straße, dem Tempel des Apollon von Didyma entgegen.

***

Silvanus Rhodius konzentrierte sich. Er wies Antonius’ Männer an, das Gelände großzügig abzusperren und es nach Spuren abzusuchen. Zu seinem Glück hatte die entsetzte Menge sich nicht ganz an die Leiche herangewagt. So war die unmittelbare Fundstelle nur von Antonius und ihm betreten worden.

Er verspürte die wohlbekannte Übelkeit, die ihn in letzter Zeit beim Anblick von Leichen immer häufiger überkam. »Nun ja«, seufzte er, »das ist der Preis, den man zahlen muß, wenn man etwas werden will im Römischen Reich.« Er sah sich den Körper genauer an. Der Tote war jung – vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt und gutaussehend. Dunkle Locken umrahmten das Gesicht, die Nase wie gemeißelt, mit einem kleinen Haken. Die nun ins Leere starrenden Augen waren einst von einem angenehmen Braun. Das aufgerissene Gewand gab den Blick auf einen athletischen Körper frei – jetzt von häßlichen, rotlila schimmernden Leichenflecken bedeckt. Lange, kräftige Beine, keine Unze Fett zuviel an Bauch und Hüften, wohlgeformte Schultern. Abermals seufzte Silvanus, denn neben dem Brechreiz bemerkte er ein anderes Gefühl. ›Neid?‹ dachte er ungläubig, ›bei Jupiter, du bist neidisch auf einen Toten!‹ Dieser Mann hatte lebend so ausgesehen, wie er, Silvanus Rhodius, es sich immer gewünscht hatte. Diese Nase, diese Locken – Silvanus’ Nase war gar nicht römisch, seine Haare hatten sich früh zu lichten begonnen und waren zudem von einem, wie er fand, langweiligen Hellbraun. Sie bedeckten nur noch den Hinterkopf vollständig, auf der Stirn zeigte sich eher spärlicher Wuchs, und das im Alter von zweiunddreißig Jahren. Dafür waren Schultern, Arme und Brust um so mehr davon bedeckt. Sein Oberkörper war kräftig, sehr kräftig – darauf war er besonders stolz, aber der Bauch... Dieser war ziemlich gewachsen in den letzten Jahren, er konnte gar schon einen Becher Wein darauf abstellen – im Sitzen; das hatten sie bei seinem Abschiedsgastmahl in Rom ausprobiert, und damals (ach, wie lange schien das schon her, dabei waren es gerade ein paar Wochen) hatten er und seine Freunde so sehr gelacht, daß der Becher herunterfiel und seine beste Toga ruinierte. Lucida, seine Frau, hatte das Ganze nicht so lustig gefunden. Sie nörgelte sowieso ständig an ihm und besonders an seinem Bauch herum. Auch das war ein Grund, warum er zu Marcus Antonius nach Kleinasien gegangen war.

Aber deutlich größer als die meisten Römer war er, größer sogar als Marcus Antonius. Und dieser war von ansehnlicher Gestalt.

Er fing sich. Genug des Selbstmitleids. Was hatte diesem jungen Schönling sein Aussehen genutzt? Nichts! Jetzt war er tot. Wahrscheinlich Mord aus Eifersucht oder so etwas. Das kam davon. Er zwang sich, den Körper noch einmal anzusehen. Zahlreiche kleinere Verletzungen an beiden Seiten des Körpers – Tierfraß? Und das Wichtigste: drei Einstiche unterhalb der Rippen auf der linken Seite. Sie stammten nicht von einem Schwert, dafür waren die Stiche zu klein. Aber, wie es schien, von einem stattlichen Messer. Oder einer Lanze. Darüber hinaus keine weiteren sichtbaren Verletzungen. Nach den Leichenflecken zu urteilen, lag der Tote vielleicht einen Tag, nicht länger. Die Leichenstarre war voll ausgeprägt, die Gasbildung im Körper hatte eingesetzt.

Silvanus prägte sich den Anblick ein, ganz bewußt, um sich später an jede Einzelheit erinnern zu können. Dies war eine der Eigenschaften, die ihm zu seinen Erfolgen in Rom verholfen hatten. Er konnte sich die Dinge wie ein Gemälde wieder vor Augen rufen.

Jetzt die andere Seite des Toten, der Rücken. Er rief einen der Legionäre heran, damit der die Leiche umdrehte. Sie selbst zu berühren, scheute er sich. »Nimm das Gewand, und verwahre es sorgfältig, wir werden es später untersuchen«, sagte er, und ließ den Blick den perfekten Körper abwärts wandern. Außer weiteren bißartigen Verletzungen waren hier keine Wunden zu sehen.

Silvanus wußte, daß er den Leichnam eigentlich genauer ansehen mußte. Kopfverletzungen, Einstiche, Verfärbungen im Mund ... Statt dessen befahl er dem Soldaten, in den Ort zu laufen. »Sorge dafür, daß die Leiche abtransportiert wird. Und suche einen Arzt. Wenn sie dort keinen haben, nimm dir ein Pferd, und reite nach Milet! Egal woher, ich brauche einen Arzt. Aber einen, der Erfahrung mit Toten hat, einen guten. Los, beeile dich!«

»Natürlich, Herr!« rief der Legionär schon im Gehen.

Silvanus wandte sich jetzt der näheren Umgebung zu. Bis auf drei Meter hatten sich die Neugierigen der Leiche genähert, weiter nicht. Gab es Spuren eines Kampfes? Irgend etwas, was ihn auf den Täter hinweisen konnte? Aufmerksam suchte er den Kreis ab. Nein, kein aufgerauhter Boden, keine niedergetretenen Halme, keine Blutspuren außer der Lache. Schleifspuren? Fußspuren? Dafür war die Erde zu hart, zu ausgetrocknet. Und sonst – nichts.

Silvanus Rhodius war erleichtert. Er hatte seine Arbeit hier getan. Später würde er mit dem Arzt sprechen und sich – je nachdem, wie er sich fühlte – die Leiche mit ihm zusammen noch einmal ansehen. Er konnte jetzt eigentlich gehen und sich ein wenig ausruhen. Immerhin war es ein anstrengender Tag gewesen, früh aufstehen, der Marsch von Milet bis fast nach Didyma. Und dann dieser Auftrag. Ach, er hatte sich ein wenig Ruhe verdient. Nur noch abwarten, bis der Arzt da war, und dann auf nach Didyma. Oh, eine Sänfte! In Rom hätte er jetzt eine Sänfte bestellt, wäre in die Thermen gegangen, hätte sich von einer schönen Sklavin ein wenig massieren lassen ... Aufblickend sah er eine Gruppe Männer näherkommen, zwei mit einer Trage, neben ihnen ein älterer, hagerer Mann mit olivbrauner Haut und einem silbrig glänzenden Bart. Ihnen folgte ein Sklave mit einer Tasche. ›Aha‹, dachte Silvanus, ›der Arzt.‹

***

Die Sonne senkte sich, als Illicia die schwere Eichentür der Taberna Bibuli mit Schwung aufriß. Ihr Blick versuchte den Dunst der zahlreichen Öllämpchen zu durchdringen, die den Schankraum erhellten. Um diese Zeit war es noch leer, die ersten Gäste würden erst nach der Opferfeier den Weg in die Taverne finden. Illicia eilte an einen Tisch am Ende des Raumes. Dort, das wußte sie, würde ihre Freundin Laelia auf sie warten.

Diese schaute erfreut von ihrer Schreibtafel auf. Illicia setzte sich neben sie und versuchte, erst einmal zu Atem zu kommen. »Hast du schon gehört, was an der Heiligen Straße passiert ist?« keuchte sie. »Ich komme gerade von dort, es ist ganz schrecklich, ein schlechtes Omen, sagen alle.«

Laelia schüttelte den Kopf. »Ich war den ganzen Tag mit dieser Übersetzung für Demetrios beschäftigt. Zur Prozession habe ich es nicht geschafft, denn sie muß in drei Tagen fertig sein, da hat er einen Geschäftstermin mit den Parthern. Wenn ich da ...«

Illicia fiel ihr ins Wort. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe, etwas Schreckliches ist passiert!«

»Was denn?« Laelia lehnte sich zurück.

»Antigonos ist tot – ermordet.«

Laelia sah ihre Freundin entsetzt an. »Tot?«

»Ja«, schluchzte diese und steckte eine vorwitzige Haarsträhne wieder zurück in ihre wirr zusammengebundenen Locken. »Ich wollte zum Tempel, mir die Prozession ansehen. Da hörte ich Theophrastos etwas über ein schlechtes Omen sagen, daß an der heiligen Straße ein Toter gelegen habe. Antigonos.«

»Was?« Laelia schüttelte heftig den Kopf. »Antigonos? Das kann doch nicht sein!« Verstört kaute sie auf ihrem Griffel. »Wann ist das denn passiert? Antigonos war doch gestern noch hier, das wollte ich dir gerade erzählen.«

Illicia schaute ihre Freundin fassungslos an. »Was sagst du da? Er war gestern hier? Aber er ist doch bei mir gewesen.«

Laelia nickte wissend. »Ich kann mir denken, daß er danach zu dir gerannt ist. Er war ja ziemlich aufgebracht, nach unserem Gespräch.«

»Ach, jetzt wird mir manches klar. Du hast ihm das Messer auf die Brust gesetzt«, Illicia stockte, »oh, entschuldige, so habe ich es natürlich nicht gemeint, du hast, du wolltest ...«, sie schaute Laelia an, die schuldbewußt den Kopf senkte. »Ja, Laelia, er hat mich wüst beschimpft, gestern abend. Er sagte etwas von einer anderen, und daß ich ihn wohl bespitzeln lassen würde. Ich habe überhaupt nicht verstanden, was er meinte. Aber du kannst mir das ja offensichtlich erklären!«

Laelia begann, geschäftig kleine unsichtbare Männchen auf die Tischplatte zu zeichnen. »Ja, wie soll ich dir das sagen?« Sie richtete sich auf und schaute Illicia direkt ins Gesicht. »Ich habe ihn gesehen, gestern abend, mit einer anderen. Als er anschließend hierherkam, habe ich ihn beiseite genommen und zur Rede gestellt. Er war ziemlich aufgebracht und ist nach dem Gespräch direkt wieder gegangen.«

»Aufgebracht! Er hat gekocht vor Wut, als er bei mir ankam. Angeschrien hat er mich. Ich würde dich gegen ihn aufhetzen. Ich solle mich endlich mal entscheiden, ob ich ihn nun will oder nicht. Ich solle nicht annehmen, daß er ewig auf mich warten würde. Er wäre halt auch nur ein Mann.« Geknickt wischte sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht. »Ich dachte, er wäre betrunken, und habe ihn nach Hause geschickt, um seinen Rausch auszuschlafen. Oh, wenn ich das geahnt hätte. Du hast ihn wirklich gesehen? Mit einer anderen? Aber mit wem denn? – Und ich hatte mich schon so gut wie entschlossen. Und jetzt ...« Illicia brach in Tränen aus. Laelia nahm ihre Hand, stand auf und drückte die Freundin an sich.

»Was ist denn mit euch los?« fragte eine volltönende Stimme hinter ihnen. »Was ist das für ein Geheule?«

»Ach, Vater, hast du es denn noch nicht gehört? Antigonos ist tot. Ermordet worden, wie man sagt. Man hat ihn vorhin an der Prozessionsstraße gefunden.«

»Was sagst du da? Ich bin soeben erst aus Ephesos zurück. Darum also der Aufruhr da draußen. Ich habe mich schon gewundert.« Er ließ sich auf einem Hocker nieder. »Thabea, bringe uns Wein! Ich glaube, wir brauchen eine kleine Stärkung auf diese Neuigkeiten. Aber erzählt doch mal, was wißt ihr darüber?«

»Nichts weiter, außer daß Antigonos an der Heiligen Straße tot aufgefunden wurde. Alle reden jetzt von einem schlechten Omen.« Laelia stutzte kurz. »Wollte nicht Marcus Antonius an der Prozession teilnehmen, ich meine, ich hätte so etwas gehört.«

Illicia nickte traurig. »Ja, Sylphides hat es mir gestern erzählt. Der Triumvir ist vor kurzem hier eingetroffen, das Fest ist eine gute Gelegenheit für ihn, die Götter gnädig zu stimmen – zu Beginn seiner Amtszeit. Aber dieser Vorfall ist nicht gerade ein gutes Vorzeichen. Einige reden sogar schon davon, daß der Leichnam absichtlich an die Prozessionsstraße gelegt worden sei, um Antonius zu schaden. Ein Pilger hat mir erzählt, daß der Imperator, nachdem er Antigonos gefunden hatte, sofort eine Rede hielt, in der er ankündigte, sich persönlich um die Aufklärung des Verbrechens zu kümmern. Ich habe ihn vor dem Tempel während des Opfers gesehen, er sieht so aus, als ob er tut, was er sagt. Vielleicht kommt er ja mal hierher, schließlich ist die Taberna Bibuli das erste Haus am Ort.«

Die Sklavin Thabea stellte einen Krug mit Wein, eine Kanne Wasser und drei Becher auf den Tisch. Laelia griff den Krug und füllte die Becher mit dem aromatischen Falerner, für den die Taverne in der ganzen Umgebung berühmt war. Sich und ihrer Freundin fügte sie noch etwas Wasser hinzu. Mit einem besorgten Blick reichte sie Illicia, die sich mit ihrem Chitonzipfel die Augen wischte, den Becher. Schweigend tranken sie.

»Vater, jetzt erzähle du doch mal, wie war es in Ephesos?« Laelia konnte die betretene Stille nicht mehr ertragen.

»Ach, Kind, du weißt doch, wie das ist. Den ganzen Tag war ich damit beschäftigt, hinter der Weinlieferung her zu rennen. Kroton hat mich mal wieder im Stich gelassen. Jedesmal dasselbe Theater. Ich müßte mich wirklich nach einem anderen Lieferanten umsehen, aber er beschafft nun einmal den besten Wein. Erst gestern abend habe ich ihn dann endlich erwischt. Dabei wußte er doch, wie dringend ich den Wein gerade jetzt zu den Spielen brauche. Glücklicherweise hatte er noch ein paar Amphoren auf Lager, ich habe sie gleich alle genommen.« Er griff zum Becher. »Heute morgen habe ich ein paar alte Rechnungen beglichen und mich dann direkt auf den Weg gemacht.«

Plötzlich durchdrangen schrille, aber melodische Töne den Raum. Die drei zuckten zusammen und drehten sich nach der Quelle des Lärms um. Laelia verdrehte stöhnend die Augen. »Oh nein, Rubingetorix, die gallische Pfeife. Das hat uns gerade noch gefehlt.«

Ein untersetzter Mann schwankte durch die Tür, eine Flöte an den Lippen, der er die schrillen Klänge entlockte. Mit seinen langen roten Haaren und immer bleichem Gesicht wirkte der stämmige Gallier, als sei er soeben von einem fremden Stern herabgefallen. Strahlend winkte er den Mädchen zu und setzte sich an einen der Tische. Er war nun seit fünf Jahren mit Laelias Schwester Offilia verheiratet, und dieser Ehe war eine Brut von bisher fünf Kindern entsprungen. Trotzdem sprach er noch immer so gut wie kein Wort Lateinisch oder Griechisch.

Angelockt von der Musik kam nun auch Offilia in den Schankraum, ein kleines Kind auf dem Arm. Ihr folgte eine Schar mehr oder weniger rothaariger Kinder. Sie stürzten sich brüllend auf ihren Vater, der diesem Ansturm nicht gewachsen war. Mit großem Gepolter fiel er von seinem Stuhl und lag, wild mit den Armen rudernd, auf dem Boden. Bedeckt von zahlreichen strampelnden Kinderkörpern tastete er in dem Durcheinander nach seiner Flöte.

Bibulus stand auf, ließ seine Faust auf den Tisch niederdonnern und brüllte: »Ruhe hier!« Er ging zu dem Menschenknäuel, schnappte sich das erste beste Wesen am Schlafittchen, schüttelte es, stellte es beiseite und griff sich das nächste. Eine untypische Reaktion von Bibulus, der sonst eher ein stiller, liebenswerter Charakter war. Kurze Zeit später war nur noch ein unterdrücktes Schluchzen aus den verschiedenen Kinderkehlen zu hören, und Offilia hatte alle Hände voll zu tun, ihren Nachwuchs zu trösten.

Bibulus kehrte an seinen Tisch zurück und setzte sich wieder zu den Mädchen. »Wie sie das aushält, ist mir ein Rätsel!« murmelte er und schüttelte den Kopf.

»Vor allem, wo sie sich doch überhaupt nicht verstehen, oder kann Offilia inzwischen Gallisch? Kannst du nicht Gallisch?« wandte Illicia sich an Laelia, die sofort heftig verneinte. »Das ist eine der Sprachen, unzivilisiert übrigens, wenn du mich fragst, die ich nicht kann und auch nie lernen werde! Höre dir doch nur die Laute an, die dieser Fremdling ausstößt: barbarbar – das ist doch keine Sprache.« Angewidert wandte Laelia sich ab. »Außerdem habe ich das Gefühl, daß Offilias Gefühle für Rubidings in letzter Zeit nicht mehr so stürmisch sind, oder, Vater? Hast du nicht auch so etwas gesagt? Ich meine, ich hätte einmal jemanden aus ihrer Kammer kommen sehen, als Rubi in den anderen Tavernen unterwegs war.«

»Rede nicht immer so schlecht über deine Schwester und ihren Mann!«

»Es stimmt doch! Ich habe heute nacht eine Gestalt aus ihrer Kammer schleichen und hier durchhuschen sehen. Ich mußte gerade mal nach draußen. Rubi lag noch sturzbetrunken in der Ecke. Komm, Vater, du kannst Gallier doch auch nicht leiden!«

Bibulus stellte seinen Becher ab, um ihn neu zu füllen. »Das tut nichts zur Sache, es ließ sich damals nicht ändern, das weißt du doch genau. Sollte deine Schwester mit dem Kleinen allein dastehen, welche Schande wäre das gewesen. Sieh du lieber zu, daß du auch endlich jemanden für dich erwärmen kannst, sonst sehe ich mich doch noch für dich um!« Laelia musterte betreten den feuchten Kreis, den ihr Becher auf dem Tisch hinterlassen hatte. Ihr Vater hatte einen wunden Punkt getroffen.

»Aber jetzt noch mal ernsthaft. Antigonos ist tot, sagst du, Illicia. Das ist ja schrecklich! Wolltet ihr nicht heiraten? Ich meine, Laelia hätte mir so etwas gesagt. Er war doch ein aufstrebender junger Mann mit glänzenden Aussichten. Dein Vater hätte sich doch sicherlich gefreut, wenn ihr zusammengekommen wäret.«

»Er konnte ihn nicht ausstehen. Das war doch auch einer der Gründe, warum ich mich noch immer nicht entschieden hatte. Und jetzt ...«, wieder mußte sie schluchzen, »und jetzt ist es zu spät!« Leise vor sich hin weinend griff sie nach ihrem Becher.

Inzwischen kamen die ersten Gäste, setzten sich an die leeren Tische und riefen laut nach Wein. Thabea stellte ihnen die Weinkrüge auf den Tisch und pries die Gerichte des Tages an: Hühnchen Didyma, Seezunge Panormos und Lammragout Grion waren heute im Angebot.

Illicia stand auf und begab sich in den hinteren Raum, der eine geräumige Küche beherbergte. Laelia folgte ihr, denn jetzt mußten die Mädchen Bibulus zur Hand gehen. An Festtagen wie diesen halfen sie ihm aus. Einen Teil des guten Rufes, den die Taberna Bibuli nicht nur bei den Stammgästen aus Didyma, sondern auch bei den Besuchern des Ortes genoß, verdankte sie schließlich Illicias Kochkünsten. Diese genoß das Lob, das viele der Gäste ihr freimütig aussprachen. Und Bibulus war es nur recht, daß Illicia ihm regelmäßig ihre Kochkunst anbot. Natürlich freute er sich auch, daß seine Tochter Laelia in ihr eine so treue Freundin hatte. Darum hatte er damals nicht lange gezögert, Illicia am Unterricht seiner Tochter teilnehmen zu lassen. Ihr Vater, ehemaliger Priester des Apollon, hätte ihr eine so gute Ausbildung nie ermöglichen können.

»Willst du wirklich in der Küche arbeiten?« fragte Laelia besorgt. Illicia schneuzte sich geräuschvoll, nickte aber. »Das wird mich etwas ablenken. Sonst würde ich ja doch nur immer wieder darüber nachdenken.«

In der Küche stand alles zum Besten. Illicia hatte die Waren, die Monoculos morgens auf dem Markt gekauft hatte, schnell griffbereit geordnet und wartete auf die ersten Bestellungen. Inzwischen wies sie den Sklaven an, die kleinen lästigen Arbeiten zu verrichten: den Salat zu waschen und das Gemüse zu putzen. Monoculos war der Sklave ihrer Freundin. Laelias Vater hatte ihn vor Jahren auf der Straße aufgelesen, sehr krank und verdreckt, und seiner Tochter übergeben. Laelia gelang es, ihn gesund zu pflegen. Da sich kein Besitzer meldete, behielten sie ihn, wenn auch die Krankheit unauslöschliche Spuren hinterlassen hatte. Der arme Kerl hatte sein Augenlicht nahezu vollständig eingebüßt, ein Auge war der Krankheit gänzlich zum Opfer gefallen, das andere überdeckte ein grauer Schleier. Am Anfang hatte man daran gezweifelt, ob er sich in der Küche zurechtfinden würde, dann aber schnell gemerkt, daß er ein intelligenter Bursche war und sein mangelndes Augenlicht durch seine Handfertigkeit mehr als wettmachte.

Es herrschte Hochbetrieb. Während Laelia die Schüsseln mit den Speisen füllte, brachte Thabea immer neue Bestellungen. Illicia griff mit gerunzelter Stirn zu einem großen Messer, um weiteres Lammfleisch zu zerteilen. »Weißt du, wie Antigonos zu Tode gekommen ist?« fragte sie Laelia, die Schüsseln auf einem Tablett anordnete und Thabea damit hinausschickte.

Laelia schüttelte den Kopf.

»Ich habe gehört, er sei erstochen worden!« Ein Schauer überlief sie, während sie so verbissen auf das Fleisch einschnitt, als hätte sie den Täter vor sich. »Wer kann so etwas tun? Warum kann jemand seinen Tod gewollt haben?«

»Genau das ist die Frage!« antwortete Laelia und wischte sich müde über die Stirn. »Das ist die Frage«, wiederholte sie noch einmal nachdenklich. »Du weißt doch auch, daß Antigonos bei seinen Kollegen nicht gerade beliebt war.« Laelias Gedanken wurden unterbrochen. Thabea kam herein und erzählte beiläufig, daß Hani Rami, ortsansässiger Arzt und guter Freund der Familie, mit einem Fremden angekommen sei. Laelia ging, ihn zu begrüßen. Sich die Hände an einem Tuch abwischend folgte ihr Illicia bis zur Tür und musterte den Unbekannten. Ganz offensichtlich ein Römer. Die Augen wegen des Dunstes zusammenkneifend beobachtete sie, wie die Männer sich abseits an einen der Tische setzten, Laelia ihnen einen Krug Wein holte und ihr der Fremde, der sich hoch aufrichtete, vorgestellt wurde. Hoffentlich kam Laelia bald zurück. Sie brannte darauf, zu erfahren, wer der Unbekannte war, den Hani Rami mitgebracht hatte.

Es schien Illicia eine Ewigkeit zu dauern. Je länger sie wartete, um so verbissener hackte sie auf das wehrlose Fleisch ein. Thabea kam mit weiteren Bestellungen in die Küche, lehnte sich abwartend an den Türrahmen und schaute Illicia zu.

»Sag mal, Thabea, sitzt Laelia noch immer bei Hani Rami und dem Römer?« fragte Illicia ganz nebenbei und streifte das gewürfelte Fleisch in die Pfanne.

»Ja. Sie unterhalten sich ganz angeregt.« Die kleine Sklavin stemmte ihre Fäuste in die molligen Hüften. Thabea war schon seit mehreren Jahren im Besitz von Bibulus. Sie war eine gute Bedienung und nahm auch das eine oder andere derbe Wort nicht übel. Ursprünglich stammte sie aus Macedonien, von dort hatte Bibulus sie auf einer seiner Einkaufsreisen mitgebracht. Klein, rundlich und immer guter Laune kamen viele Gäste sicher auch ihretwegen in die Taverne. Mit ihren großen dunklen Augen und üppigen braunen Locken bot sie durchaus einen netten Anblick, und dem konnten sich auch die heiligsten Männer Didymas nicht immer entziehen.

Illicia verzog das Gesicht. »Laelia sollte sich lieber mal um die anderen Gäste kümmern!« Mit einer Schöpfkelle füllte sie schwungvoll vier Suppenschüsseln. Thabea zuckte mit den Schultern, ergriff das Tablett mit den Suppenschalen und begab sich wieder in den Schankraum zurück.

***

Laelia hatte den beiden Männern Wein eingeschenkt und sich dann zu ihnen an den Tisch gesetzt. Hani Rami stellte sie vor. »Dies ist Laelia, Tochter des Bibulus, ihm gehört dieses Haus.«

»Ave Laelia. Oh, ein Becher Wein, das ist genau das, was ich brauche«, sagte Silvanus, wischte sich nach einem kräftigen Zug den Mund ab und wandte sich mit einem strahlenden Lächeln an das Mädchen. »Bei Jupiter, das ist der beste Falerner, den ich seit meiner Abreise aus Rom getrunken habe.«

»Mein Vater kauft ihn in Ephesos.« Sie senkte den Blick, nie zuvor hatte sie so blaue Augen gesehen. Überhaupt, der ganze Mann, diese aufrechte Haltung, die breiten Schultern und – die Stimme. Eine tiefe, warme Stimme.

»Du hast bestimmt von Antigonos’ Schicksal gehört«, sagte Hani Rami zu Laelia. »Silvanus Rhodius soll den Mord aufklären. Marcus Antonius hat ihn beauftragt. Er wird in Didyma bleiben müssen, habt ihr noch ein Zimmer für ihn?«

»Aber natürlich«, Laelia lächelte Silvanus zu, »ich werde es sofort für dich richten lassen. Wie lange wirst du bleiben?«

»So lange, bis ich den Mörder habe.« Er erwiderte ihr Lächeln ganz ungehemmt. »Hani Rami empfahl mir eure Herberge als die beste Adresse im Ort. Daß hier so schöne Mädchen zu finden sind, erwähnte er nicht. Von gutem Essen aber sprach er – ich sterbe fast vor Hunger.«

»Oh«, Laelia blickte verlegen nach unten. Lüsterne Blicke und zweideutige, alkoholschwangere Komplimente war sie durchaus gewohnt, aber dies war irgendwie anders. »Wir haben heute im Angebot ...«

»Laß gut sein«, unterbrach Silvanus sie freundlich, »bring mir, was du empfehlen kannst.«

Laelia wollte bereits gehen, als sie sich an Hani Rami erinnerte. »Möchtest du auch etwas essen?« Der Arzt schaute sie gutmütig an. »Nein danke, mein Kind, geh nur, ich bin nicht hungrig.« Laelia ging zurück in die Küche, tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Dieser Ägypter! Wie konnte er sie vor dem Fremden ein Kind nennen. Sie war vierundzwanzig! Gut, er kannte sie von Kindesbeinen an, sie half ihm auch heute noch bei kleineren Eingriffen und der Zubereitung seiner verschiedenen Heilmittel. Trotzdem. – Das Zimmer! Sie hatten natürlich kein Zimmer frei, zu den Festlichkeiten war immer alles belegt. Dann mußte eben der gallische Flötenmann mal wieder bei seiner Frau einziehen, immerhin waren sie ja verheiratet. Offilia würde einen ihrer hysterischen Anfälle bekommen, weil Rubingetorix schnarchte und nach Wein roch, aber das war ihr in diesem Moment egal.

»Illicia, weißt du, mit wem Hani gekommen ist? Rate mal!«

»Nein«, brummte diese beleidigt.

»Sei doch nicht so!« sagte Laelia und legte freundschaftlich einen Arm um ihre Schulter. »Stell dir vor, das ist der Mann, den Marcus Antonius beauftragt hat, den Mord aufzuklären. Er heißt Silvanus Rhodius. – Monoculos! Räume schnell Rubis Sachen aus ...«

»Hör mal, Laelia«, Illicia rührte mit grimmigem Gesicht in einem Topf. »Was soll der Aufstand? Wegen dieses Römers!«

»Ich erkläre es dir gleich, liebste Illicia, also Monoculos, bring Rubis Sachen in Offilias Zimmer, und richte seines für den Gast her. Beeile dich!« Erst jetzt sah Laelia ihre Freundin richtig an und bemerkte die Tränen in ihren Augen.

»Laelia«, sagte Illicia, »was soll das? Antigonos ist tot, und du machst hier so einen Wirbel wegen eines Fremden. Und warum schickst du Monoculos fort, wer soll jetzt die Pilze schneiden?«

Laelia nahm die Freundin liebevoll in den Arm. »Es tut mir leid, Illicia, du hast ja recht.« Sie griff ein Messer und zerschnitt ungeschickt die bereitliegenden Pilze – die Arbeit in der Küche machte ihr nicht gerade die größte Freude. »Er will hier wohnen, so lange, bis er den Mord aufgeklärt hat, stell dir vor. Hani hat uns empfohlen, besonders die gute Küche«, schmeichelte sie. »Und er hat Hunger und will das Beste, was wir haben.«

Illicia hatte sich gefangen. »Ist ja schon gut, ich gebe mir Mühe mit dem Ragout. Beauftragt von Marcus Antonius, sagst du?«

»Ja, vielleicht treffen sie sich ja hier«, spann Laelia den Gedanken ihrer Freundin fort, »und, sag mal ehrlich, sieht er nicht gut aus?«

»Wer, Marcus Antonius?«

»Ach, du weißt ganz genau, wen ich meine! Der Römer draußen, Silvanus Rhodius natürlich!«

»Wie soll ich das wissen, wenn ich hier die ganze Zeit in der Küche stehen muß und nichts mitbekomme«, schmollte Illicia. Sie ging zur Tür und warf einen Blick in die Taverne. »Na, ich weiß nicht, mein Geschmack wäre er nicht. Ziemlich dicker Bauch, wenn du mich fragst, trotz der Toga. Aber du hattest ja schon immer einen seltsamen Geschmack.«

»Oh, du mußt seine Stimme hören«, begann Laelia zu schwärmen, als Offilia wutschnaubend in die Küche stürmte.

»Bist du verrückt?« schrie sie, »was fällt dir ein, Rubi bei mir einzuquartieren? Du weißt doch genau, daß ich nicht mit ihm in einem Zimmer schlafen kann!«

»Ach, aber Kinder machen, das geht, ja?« Laelia sah ihre ältere Schwester abfällig an. Diese war genauso beleibt wie ihr Ehemann, klein und mit einem mächtigen Busen ausgestattet. Offilia war von hitzigem Temperament, konnte aber ungeheuren Charme entfalten – wenn sie wollte! Viele Männer fielen darauf herein. Ihre hervorstechendste Eigenschaft aber war ihr ausgeprägter Egoismus.

Angelockt von Offilias Gekeife näherte sich Bibulus und fragte nach dem Grund für das Geschrei. Nachdem Laelia ihm die Sache erklärt hatte, stimmte er ihr zu. »Du hast recht«, sagte er. »Wir können einen Mann aus Marcus Antonius’ Stab nicht abweisen. Und du, Offilia, mußt dich eben einmal in dein Los fügen.«

»Ich denke nicht daran«, schnaubte Offilia und begann laut zu weinen. Das wirkte immer bei Bibulus – und das wußte sie genau. Hilflos umherblickend langte er nach einem Becher Wein und sagte: »Ist ja gut, Kind, dann muß Rubi eben bei mir im Zimmer schlafen, es ist ja nur für ein paar Nächte. Sag Monoculos, er soll die Sachen zu mir hineinbringen.«

»Aber, Vater ...«, begann Laelia, doch Bibulus war schon wieder in der Schankstube verschwunden. Offilia warf den beiden Mädchen einen triumphierenden Blick zu, wischte sich die Tränen vom Gesicht und ging ebenfalls.

»Armer Vater«, sagte Laelia, »das habe ich nicht gewollt. Ich mache mir Sorgen um ihn, er ist zu gutmütig, und er trinkt zuviel.« Ihre Hochstimmung war verschwunden.

»Daß deine Mutter mit dem Baumeister davon ist, macht ihm eben immer noch zu schaffen«, nickte Illicia mitfühlend.

***

Silvanus Rhodius und Hani Rami waren derweil tief ins Gespräch versunken. Als die Legionäre Antigonos’ Leichnam zu ihm brachten, hatte der Arzt den Römer in sein Haus eingeladen. Dort hatte sich Silvanus erfrischt und ein wenig ausgeruht, während Hani Rami gegangen war, um den Toten zu untersuchen. Der Arzt hatte Silvanus angeboten, bei ihm zu wohnen, doch Silvanus hatte dankend abgelehnt, es sei klüger, in einer der Herbergen zu logieren, erfahrungsgemäß konnte man dort interessante Neuigkeiten erfahren. So hatte Hani die Taberna Bibuli vorgeschlagen, das gepflegteste Haus am Orte. Er wollte ihn dorthin begleiten und ihm bei einem Becher Wein erzählen, was er herausgefunden hatte.

»Meine Untersuchungen stimmen zum größten Teil mit dem überein, was du mir schon erzähltest«, sagte Hani Rami, »der Tod ist, nach den Leichenflecken zu urteilen, ungefähr fünfzehn bis achtzehn Stunden vor dem Auffinden der Leiche eingetreten. Also grob gegen Mitternacht. Die Einstiche stammen von einem Messer mit gerader Klinge.«

Silvanus durchzuckte ein bitterer Gedanke. Ein Messer! Und seine Waffe? Er hatte sie in Rom gelassen. Natürlich besaß er ein Schwert, aber das war auffällig und zudem recht schwer. Seinen kleinen Dolch hätte er lieber dabeigehabt. Er war das Geschenk eines Kelten, dem er in Rom einmal behilflich gewesen war. Ein schönes Stück, überaus selten. Jetzt lag die Waffe wohlbehalten daheim in seiner Truhe. Er fühlte sich plötzlich nackt und verletzlich.

Hani Rami bemerkte, daß etwas in Silvanus vorging. »Was hast du? Stimmt etwas nicht? Haben deine Beobachtungen etwas anderes ergeben?«

Silvanus schüttelte den Kopf. »Du hast schon recht mit deinen Feststellungen. Es ist nur – mir ist gerade eingefallen, daß ich selbst gar keine Waffe dabeihabe.«

»Hast du kein Schwert?«

»Sicher, sicher! Aber es ist doch zu unhandlich. Eine kleine Waffe, wie eben ein Messer oder ein Dolch, ist doch sehr viel leichter zu verstecken und erfüllt ebenso ihren Dienst.« Silvanus war ärgerlich. »Ich muß mir etwas Passendes besorgen. Bei einer Morduntersuchung laufe ich nicht gern unbewaffnet herum. Weißt du jemanden, bei dem ich ein Messer oder etwas ähnliches erwerben kann?«

Hani nickte. »Ich kann dir eine Waffe geben, allerdings«, er zögerte, »sie ist zwar klein, aber als unauffällig würde ich sie nicht bezeichnen.«

Erleichtert konzentrierte sich Silvanus wieder auf sein eigentliches Problem. »Du wolltest noch etwas über die Wunden erzählen!«

Hani nickte. »Ja, ein Stich hat das Herz getroffen, die beiden anderen die Lunge. Die Stiche wurden von unten nach oben geführt. Höchstwahrscheinlich war nicht gleich der erste tödlich, denn an der rechten Hand des Toten habe ich Einschnitte gefunden – typische Abwehrspuren.«

Silvanus ärgerte sich. Das hätte er auch herausfinden können, aber die rechte Hand des Toten war von seinem Gewand bedeckt gewesen, und er hatte es nicht anrühren mögen. »Gab es weitere Verletzungen?« fragte er.

»Nein, nichts«, antwortete der Arzt, »außer einigen kleineren Bißspuren, die ihm aber erst nach Eintritt des Todes zugefügt worden sind. Vermutlich von Tieren. Er hatte auch keine Verletzungen am Kopf.«

»Spuren unter den Fingernägeln?«

»Nein, keine Hautfetzen, keine Haare, an der linken Hand auch kein Blut. Ich habe auch nach Anzeichen von Gift im Mundbereich oder im Magen geschaut. Nichts. Ich schnitt ihn auf, um sicherzugehen. Er ist ganz offensichtlich erstochen worden.«

Silvanus griff nach seinem Becher und nahm einen tiefen Schluck. Er mußte zugeben, er war beeindruckt. Neugierig betrachtete er den alten Mann. »Woher weißt du soviel über Tote?« fragte er ihn vorsichtig. Hani Rami lächelte ihn an, breitete seine Arme aus, soweit sein enges Gewand es zuließ, und sagte: »Ach, weißt du, ich bin Ägypter. In meinem Land sind der Tod und das Leben nach dem Tode von größter Bedeutung. Ich bin in Memphis im Tempel des Ptah zum Arzt ausgebildet worden. Du kennst Ptah? In seinem Tempel gibt es ein sogenanntes Haus des Todes, dort werden die Verstorbenen für die Reise in die Ewigkeit hergerichtet. In Ägypten strebt jeder danach, im Leben alles für seinen Tod vorzubereiten – die Grabkammer wird gebaut und kostbar ausgeschmückt, wenn das Geld dafür reicht, aber auch die Armen sparen, um zumindest die Mumifizierungsgebühr bezahlen zu können. Im Tempel des Ptah konnte ich viel über das Sterben und die verschiedenen Todesarten lernen, denn zu uns kamen sie alle, arm oder reich, ermordet oder dahingesiecht – aber genug davon. Meinst du, der junge Priester ist dort, wo wir ihn abgeholt haben, auch ermordet worden?«

»Hm, nach der großen Menge Blut zu urteilen, in der er lag, ja.«

»Haben deine Männer irgend etwas in der Umgebung gefunden?« fragte Hani.

»Nein, wir haben keine Spuren. Nichts, was auf den Täter deutet. Ist dir noch etwas an der Leiche aufgefallen?«

»Ja, allerdings«, erinnerte sich der Arzt, »der Täter hat das Messer von rechts unten nach links oben hineingestoßen, also hat er es mit der rechten Hand geführt.«

»Immerhin etwas«, brummte Silvanus. »Erzähle mir etwas über das Opfer, du kanntest den Jungen doch, nicht wahr?«

»Ja, aber nur flüchtig. Ich hörte, daß er relativ neu im Tempel war. Er stammte aus einer guten milesischen Familie, sein Vater ist Beamter. Böse Zungen behaupten, daß er, äh ...«, der alte Mann zögerte und suchte nach den passenden Worten, »nun ja, daß er nur aufgenommen wurde, weil sein Vater gute Beziehungen zu den Stadtoberen hat. Aber das glaube ich nicht. Wer sich um ein Amt bewirbt, muß sich einer strengen Aufnahmeprüfung unterziehen, und wer nicht bestimmte Voraussetzungen an Bildung und Intelligenz erfüllt, zudem unbescholten ist und einen guten Leumund vorweisen kann, hat trotz eines einflußreichen Vaters wenig Chancen. Allerdings ist es richtig, daß Vigolos, der Prophetes, mit dem Vater gut bekannt ist. Antigonos selber schien mir, nach den wenigen Begegnungen, die ich mit ihm hatte, klug und sehr gläubig zu sein. Wir haben uns nur über Apollon und seine Kulte unterhalten, und ich habe selten einen Menschen, auch keinen Priester, getroffen, der ihm soviel Ehrfurcht entgegenbrachte, und der sich so für die Aufrechterhaltung der überlieferten Gebräuche und Werte engagierte.«

»Wie alt war er?« fragte Silvanus.

»Ich weiß es nicht genau, ich denke Mitte Zwanzig. Da mußt du im Tempel nachfragen!« Silvanus nahm sich vor, diesen morgen aufzusuchen.

»Aber er sah sehr gut aus«, fuhr der alte Mann fort, »er war sehr sportlich – ach ja, übrigens, er sollte morgen an den Sportwettkämpfen teilnehmen. Er war der absolute Favorit. Und er hatte sehr viel Erfolg bei den Frauen. Laelia, du weißt, die Tochter des Hauses, die vorhin hier war ...«

»Oh ja, ich weiß«, unterbrach Silvanus, »sie hatte ein Verhältnis mit dem jungen Priester?« Der Gedanke gefiel ihm wenig. Er war seltsam erleichtert, als Hani fortfuhr: »Nein, nein, die nicht. Aber ihre Freundin, Illicia. Obwohl, Verhältnis kann man das wohl nicht nennen, was die beiden verband. Er war sehr verliebt in sie, erzählte mir Laelia. Er wollte sie heiraten, aber Illicia wollte davon nichts wissen. Vielleicht wirst du sie noch sehen, sie kocht manchmal hier bei Bibulus.«

»Sind denn beide noch unverheiratet?« erkundigte sich Silvanus, »so jung erschien mir Laelia gar nicht mehr.«

»Sie sind beide vierundzwanzig, und beide nicht verheiratet.«

»Das kommt mir ungewöhnlich vor«, meinte Silvanus, »bei uns in Rom heiraten die Mädchen mit fünfzehn, spätestens mit achtzehn. Ist das hier anders?«

»Nein«, antwortete Hani, »eigentlich nicht. Aber die beiden sind nicht irgendwelche Mädchen. Laelia und Illicia haben eine ausgezeichnete Bildung genossen. Bibulus – er ist übrigens Römer, allerdings schon eine Ewigkeit hier am Ort – hatte für seine Töchter einen griechischen Lehrer angestellt. Er meinte immer, Bildung zahle sich aus, auch für Mädchen. Trotzdem, bei seiner älteren Tochter Offilia hatte er damit kein großes Glück – die hat übrigens geheiratet. Aber du wirst das schon sehen, wenn du hier wohnst.«

»Und trotzdem arbeiten die Mädchen hier in der Taverne?«

»O nein, Silvanus«, lächelte der Arzt und versuchte, seine Arme abwehrend auszustrecken, wobei ihn sein enges Gewand wieder in seine Schranken verwies. »Sie helfen nur aus, vor allem während solcher Feiertage. Illicia kopiert Manuskripte, und manchmal – ziemlich oft sogar – verbessert sie sie auch. Ich habe den Verdacht, daß sie selber Texte verfaßt. Zuzutrauen wäre es ihr. Sie ist gut. Damit bessert sie die magere Pension ihres Vaters – ehemaliger Priester hier – ein wenig auf. Laelia macht Übersetzungen. Sie spricht neben dem üblichen Griechisch und Latein fließend Parthisch. Sie dolmetscht im Tempel, wenn Ratsuchende aus dem Ausland zu uns kommen. Auch hilft sie mir oft bei meiner ärztlichen Tätigkeit, daher kenne ich sie so gut. Daß sie noch nicht verheiratet sind, liegt daran, daß ihre Väter für sie nichts arrangiert haben, sondern ihnen die freie Wahl lassen, eine außergewöhnliche Haltung. Und sie haben eben noch nichts Angemessenes gefunden.«

»Aber beide kannten Antigonos?« fragte Silvanus gerade, als Laelia mit prall gefülltem Tablett an den Tisch trat: eingelegte Eier als Vorspeise, eine Schüssel mit herrlich duftendem Lammragout, noch dampfendes frisches Brot und die obligatorischen Äpfel als Nachspeise. Die römische Herrschaft hatte auch in der kleinasiatischen Küche ihre Spuren hinterlassen.

Diesmal hielt Laelia sich nicht lange auf. Illicia hatte ihr eingeschärft, sofort zurückzukommen und ihr zu helfen, solange Monoculos mit dem Herrichten der Zimmer beschäftigt war. Noch immer waren viele Tische besetzt, so daß auch Thabea Hilfe gebrauchen konnte. Laelia lächelte den Männern zu – Silvanus etwas intensiver als Hani Rami – und ging zurück in die Küche.

»Sie haben ihn also beide gekannt«, wiederholte Silvanus nachdenklich.

»Ja, dem ist wohl so«, bestätigte Hani Rami. »Aber nun laß es dir schmecken. Illicia kann wirklich gut kochen. Es wäre schade, wenn du dein Lammragout kalt werden ließest.«

Silvanus dachte daran, daß er nach seinen Sachen schicken lassen mußte, dachte an den morgigen arbeitsreichen Tag – auch mit beiden Mädchen würde er sprechen müssen. Dann gab er sich voller Wonne seinem Mahl hin.

Kapitel II

In aller Frühe hatte es ihn zu Hani Rami getrieben. Zum einen wollte er sich noch einmal den Leichnam ansehen, zum anderen brannte er darauf, sich das Messer zu holen, das der Arzt ihm versprochen hatte. Voller Stolz kam Hani mit einer goldenen Messerscheide aus seiner Schlafkammer und reichte sie Silvanus. Der wog das edle Stück in der Hand und betrachtete es von allen Seiten. Es war wunderschön.

»Die Halbedelsteine am Griff stellen das Auge des Horus dar. Damit bist du auf jeden Fall gewappnet. Horus wird auf dich achtgeben, du kannst ganz beruhigt sein. Nur, Silvanus, sei mir nicht böse, aber«, Hani Rami zögerte, es war ihm sichtlich unangenehm, »ich möchte dich bitten, mir das Messer wieder zurückzugeben. Und vor allem, achte gut darauf! Versteh mich nicht falsch, aber es ist ein Opfermesser, eines der wenigen Erinnerungsstücke an meine Heimat. Ich würde es dir wirklich gern schenken, aber es bedeutet mir sehr viel.«

Silvanus war gerührt. Fest drückte er Hani Ramis Hand und versicherte, daß er es hüten werde wie seinen Augapfel. Selbstverständlich werde er es ihm sobald wie möglich zurückgeben.

Sein Verständnis beruhigte den Ägypter. Silvanus änderte sein ursprüngliches Vorhaben, die Leiche noch einmal anzusehen, und zog es vor, sich zu Illicia und ihrem Vater zu begeben, um ihnen ein paar Fragen zu stellen. Hani Rami beschrieb ihm den Weg, wortreich und blumig.

Unschlüssig stand Silvanus hinter dem Tempel, am Rande des Heiligen Hains. Vor ihm schlängelte sich ein Sandweg hinauf und verschwand zwischen den Bäumen eines kleinen Platanenwaldes, rechts führte ein Pfad durch die grünen Felder hindurch. Welchen hatte Hani Rami wohl gemeint? Angesichts des warmen Wetters beschloß er, den Weg durch das Wäldchen zu versuchen, immerhin gab es dort etwas Schatten.

Nachdem er etwa eineinhalb Meilen gewandert war, zahlreiche Flüche auf alle ihm bekannten Götter ausgestoßen hatte und nichts sah als Bäume, drehte er um. Hatte Hani Rami nicht gesagt, das Haus läge hinter den Feldern? ›Ich Dummkopf, dachte er, ›natürlich hätte ich den anderen Weg nehmen müssen.‹ Als er wieder an der Weggabelung angekommen war, stand die Sonne mittlerweile schon hoch am Himmel. Nach einer guten Meile Staub und Hitze sah er endlich ein Haus, gebaut wie ein kleines römisches Landhaus, vor sich liegen, umgeben von einer niedrigen Mauer, die halb zerfallen und von vielen rot und blau blühenden Blumen bewachsen war. Unwillkürlich mußte er an Laelia denken – diese Blume Kleinasiens. Überrascht über sich schüttelte er den Kopf, öffnete das Tor und stand in einem gepflegten und kunstfertig angelegten Garten. Er hielt einen Augenblick inne und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, solche strammen Fußmärsche war er einfach nicht gewohnt.

Silvanus betätigte den Klopfer, einen goldglänzenden Löwenkopf. Nichts rührte sich. Gerade wollte er ein zweites Mal klopfen, als von drinnen eine Mädchenstimme ertönte. Die Worte waren nicht zu verstehen, aber der Tonfall war eindeutig unwillig. Die Tür wurde heftig aufgerissen, und vor ihm stand ein etwas zerzaustes, ziemlich hübsches, nicht mehr ganz junges Mädchen. Die wirren lockigen Haare waren ohne erkennbares System am Hinterkopf befestigt, wogegen sie sich aber hartnäckig zu sträuben schienen. Ihr roter Chiton war vom vielen Waschen ausgeblichen, allerdings verlieh die verblassende Farbe des Gewandes ihr einen blühenden Gesichtston. Verblüfft sah sie ihn an, offensichtlich hatte sie jemanden anderes erwartet.

»Ja bitte?« fragte sie.

Ebenso erstaunt betrachtete Silvanus die junge Frau. Irgendwie sah sie Laelia ähnlich, aber doch auch ganz anders. Sie könnte ihre Schwester sein ... Höflich stellte er sich vor. »Mein Name ist Silvanus Rhodius. Ich bin von Marcus Antonius beauftragt, den Mord an Antigonos aufzuklären ...«, fing er an.

Ruppig unterbrach ihn das Mädchen. »Schon gut, ich weiß. Komm doch rein, oder willst du hier die ganze Zeit in der Sonne stehen? Ich nehme an, du weißt, daß ich Antigonos kannte und willst mir jetzt ein paar Fragen stellen!« Sie drehte sich um und schritt ihm voraus in den Innenhof. Dort bot sie ihm einen der Klappstühle an, sich selbst zog sie unsanft einen Hocker heran, der derart über den Mosaikboden kratzte, daß es Silvanus frösteln ließ.