Tod zwischen den Zeilen - V. M. Burns - E-Book

Tod zwischen den Zeilen E-Book

V. M. Burns

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  • Herausgeber: Lübbe
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Der erste Kriminalfall mit der sympathischen Buchhändlerin Samantha Washington aus dem idyllischen Kleinstädtchen North Harbor am Michigansee

Eine Krimibuchhändlerin unter Mordverdacht - Schon lange träumt Samantha Washington von einer eigenen Buchhandlung für Kriminalliteratur. Nun steht im beschaulichen North Harbor endlich die Eröffnung ihres Ladens bevor. Doch dann geschieht ein Mord im wahren Leben: Im Garten ihres Hauses wird ein zwielichtiger Makler tot aufgefunden. Und die örtliche Polizei hält Samantha für die Mörderin! Mehr als entschlossen setzt sie nun alles daran, den wahren Täter dingfest zu machen. Unerwartete Hilfe erhält sie dabei von ihrer rüstigen Großmutter und deren aufgeweckten Gefährtinnen aus dem Seniorenheim ...

Nominiert für den AGATHA AWARD 2017 in der Kategorie BEST FIRST NOVEL

»Liebenswerte Charaktere, zwei quirlige Pudel, viel Atmosphäre und die perfekte Mischung aus Spannung und Humor« PUBLISHERS WEEKLY

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmung12345678910111213141516171819202122232425Danksagung

Über dieses Buch

Von jeher hat Samantha Washington von einer eigenen Krimibuchhandlung geträumt. Und als im beschaulichen North Harbor die Eröffnung bevorsteht, nimmt ein weiterer Herzenswunsch Gestalt an – selbst einen Krimi zu schreiben. Doch noch während Sam ihrer energischen Romanheldin Lady Penelope den Weg weist, geschieht das Unvorstellbare in ihrem wahren Leben: Im Garten ihres Hauses wird ein zwielichtiger Makler tot aufgefunden, und die Polizei hält Samantha für die Mörderin. Begleitet von ihren Pudeln Snickers und Oreo und unterstützt von ihrer rüstigen Großmutter und deren aufgeweckten Gefährtinnen aus dem Seniorenheim ist sie mehr als entschlossen, den wahren Täter dingfest zu machen …

Über die Autorin

Valerie M. Burns wurde in Northwest Indiana geboren, verbrachte einen Großteil ihres Lebens an der Küste des Michigansees und lebt heute in Tennessee. Sie studierte Urbanistik, Politik- und Literaturwissenschaft. Tod zwischen den Zeilen ist ihr Debüt als Romanautorin und wurde 2017 in der Kategorie »Best First Novel« für den Agatha Award nominiert. Burns lebt als freie Schriftstellerin und ist Mitglied mehrerer literarischer Organisationen wie International Thriller Awards, Mystery Writers-of-America und Sisters in Crime.

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Angela Koonen

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2017 by Valerie Burns

Titel der englischen Originalausgabe: »The Plot Is Murder«

Originalverlag: Kensington Publishing Corp., New York

Published by Arrangement with Kensington Publishing Corp.,

New York, NY 10018 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Dieses Werk wurde vermittelt durch dieLiterarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Einband-/Umschlagmotive: © iStock/Getty Images Plus: Iuliia Zavalishina | LElik83 | aklionka | zizar2002 | Ekaterina Skorik | SENRYU

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-2070-0

luebbe.de

lesejury.de

Dieses Buch widme ich meiner Mutter, Elvira Burns.Ich vermisse dich jeden Tag.

1

North Harbor, Michigan

»Victor Carlston, findest du es nicht schändlich, hier zu sitzen und dich zu amüsieren, während dein teuerster Verwandter sich an der Schwelle des Todes befindet?«

»Das ist ein guter Anfang.« Ich sagte es laut, obwohl außer mir niemand da war. »Bin mir nur bei Carlston nicht sicher. Klingt nicht britisch genug. Vielleicht Worthington? Weatherby? Oder Parkington? Ich glaube, mir gefällt Worthington.« Mit dem Klang des Namens im Kopf scrollte ich hoch, um ihn zu ändern, und las mir den Satz noch einmal vor.

»Victor Worthington, findest du es nicht schändlich, hier zu sitzen und dich zu amüsieren, während dein teuerster Verwandter sich an der Schwelle des Todes befindet?«

»Hmmm … ist Worthington vielleicht zu britisch? Sollte ich besser etwas Einfaches nehmen wie Brown?« Ich wollte gerade einen weiteren Namen an meinem Helden ausprobieren, als es klingelte. Meine Zwergpudel, die eben noch zusammengerollt auf dem Sitzkissen geschlafen hatten, sprangen bellend die Treppe hinunter, um den Besucher zu begrüßen.

Ich spähte über das Treppengeländer und sah durch das Schaufenster meine Schwester Jenna. Ich überlegte, sie zu ignorieren und zum Schreibtisch zurückzuschleichen, doch da vibrierte mein Handy. Meine Familie und die Borg aus Star Trek hatten viel gemeinsam. Sie forderten vollständige Anpassung, und Widerstand war zwecklos.

»Verflixt und zugenäht.«

Meine Schwester würde mir keinen Moment Frieden gönnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie mich aufgespürt hätte wie ein Bluthund.

Ich wappnete mich, während ich die Treppe hinunterging, und öffnete ihr.

Wie ein stürmischer Herbstwind fegte Jenna Rutherford herein und sofort die Treppe hoch, wobei sie redete wie ein Wasserfall.

»Hast du mit deiner Mutter gesprochen? Wieso hast du so lange gebraucht? Hast du Tee da?« Auf der obersten Stufe blieb sie stehen und drehte sich zu mir um.

Widerstand war wirklich zwecklos. Ich schloss die Ladentür zu und folgte Jenna hinauf. Sie saß bereits am Frühstückstresen, um auf ihren Tee zu warten. Ich ging mit dem Kessel zur Spüle.

»Hallo, Jenna.«

»Deine Mutter. Wann hast du sie das letzte Mal angerufen?«

Es hieß immer »deine Mutter«, wenn Mom nervte.

»Erst heute Morgen habe ich mit ihr gesprochen«, antwortete ich langsam und betont. Ich wusste, welche Richtung das Gespräch nehmen würde.

»Ach. Nun ja, deine Mutter hat mich ziemlich aufgeregt angerufen.«

»Hmhm.« Zu dieser Unterhaltung brauchte ich wenig beizusteuern. Jenna war gerade in Fahrt. Ich stellte den Wasserkessel auf den Herd und nahm die Teebeutel aus dem Schrank.

»Sam, es sind jetzt sechs Monate. Du musst mal damit aufhören.«

Das war die alte Leier, die ich schon x-mal gehört hatte, aber diesmal platzte mir der Kragen.

»Sechs Monate. Gibt es da etwa eine Frist? Leon und ich waren dreizehn Jahre verheiratet. Er war mein bester Freund.«

Möglicherweise spürte Jenna, dass das Eis dünn wurde, denn ich redete leiser und sprach jedes Wort sehr deutlich aus. Während die meisten Leute lauter wurden, wenn sie sich ärgerten, wurde ich leiser und artikulierte jede Silbe präzise.

»Sind sechs Monate etwa die Höchstdauer für Trauer?« Ich musste mehrmals tief durchatmen, um mich zu beruhigen. »Jenna, du meinst es sicher nur gut. Alle meinen es gut mit mir.«

Weder meine wohlmeinende Schwester noch die übrige Familie verstand, dass Trauern im Grunde tröstlich war.

»Im ersten Monat nach Leons Tod habe ich gar nichts gefühlt. Der Schmerz war so stark, dass ich unter Schock stand; ich war wie betäubt. Und es gab so vieles zu regeln, zu entscheiden. Da blieb mir keine Zeit, um mal zu mir selbst zu kommen. Ich hatte kaum einen Moment zum Luftholen. Und definitiv keine Zeit zu trauern.« Redend ging ich hinter dem Frühstücktresen auf und ab.

Zum Glück saß Jenna still da und hörte mir zu, was sie selten tat, wenn es um mich ging.

»Als der Schockzustand nachließ, setzte der Schmerz ein. Es fühlte sich an, als hätte man mir einen Körperteil amputiert. Erst jetzt, sechs Monate später, kann ich richtig trauern. Ich lasse es endlich zu, etwas zu fühlen, und die bleierne Schwere, die Trauer finde ich tröstlich.«

Jenna war anzusehen, dass sie das nicht nachvollziehen konnte.

»Das hört sich vielleicht verrückt an, aber es ist wie mit einem eingeschlafenen Fuß. Zuerst fühlt er sich taub an, und du bewegst ihn, damit das Blut wieder zirkuliert. Dann fängt er an zu kribbeln, und schließlich kehrt das normale Gefühl zurück.«

Sie starrte mich an, doch wenigstens redete sie nicht. Ich sollte ihr nicht böse sein. All das war nicht ihre Schuld.

»Jenna, es geht mir gut«, sagte ich ruhig. Als ich ihre Skepsis sah, gab ich ihr seufzend recht. »Okay, es geht mir nicht gut. Aber das ändert sich wieder.«

Sie blickte mir in die Augen, als wäre die Wahrheit hinter der Iris erkennbar. Wer weiß, vielleicht war es so.

»Na gut. Doch du bist uns wichtig, und wir sind besorgt, besonders deine Mutter.«

»Ich weiß, und das tut mir leid. Ich will nicht, dass ihr euch um mich Sorgen macht.«

Der Kessel pfiff. Ich goss kochendes Wasser in die Tassen und reichte meiner Schwester die Dose mit dem Rohrzucker, den sie bevorzugte und den ich eigens für sie kaufte.

»Übrigens, womit warst du gerade beschäftigt?«, fragte sie.

Ich setzte mich auf den Hocker neben ihren und schlürfte meinen Tee.

»Mit Schreiben«, bekannte ich zaghaft. Dass ich mich tatsächlich an einem Roman versuchte, war ein sorgsam gehütetes Geheimnis, von dem nur ganz wenige Leute wussten. Bis vor Kurzem waren meine Schwester und mein Mann die Einzigen gewesen, denen ich meinen Traum anvertraut hatte. Darüber zu sprechen war mir noch immer unheimlich.

Leon war wie ich ein großer Krimi-Fan gewesen. Wir hatten uns damals in der Krimi-Abteilung einer großen Buchhandlung kennengelernt. Leon stand auf die harten Privatdetektivromane, ich dagegen mehr auf britische Wohlfühlkrimis. Aber wir mochten alle Ausprägungen des Genres.

Sogar unsere Lebensträume drehten sich um Kriminalromane. Ich wollte schon immer eine erfolgreiche Krimiautorin werden, während Leon gern eine Buchhandlung besessen hätte, spezialisiert auf Kriminalliteratur. Unzählige Stunden malten wir uns das aus, Ziele, die Lichtjahre entfernt zu sein schienen. Er arbeitete als Koch in einem Diner, ich als Englischlehrerin an der örtlichen Highschool. Wir schufteten, lebten jedoch von der Hand in den Mund und von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck. Uns war klar, dass unsere Träume eben das bleiben würden: Träume.

Als die Ärzte den Krebs fanden, die Ursache der Schmerzen, über die Leon monatelang ständig geklagt hatte, war es zu spät. Wenige Wochen vor seinem Tod nahm er mir ein Versprechen ab: Ich sollte das Backsteinhaus kaufen, an dem wir allwöchentlich vorbeigegangen waren und das wir »eines Tages« oder »wenn wir mal im Lotto gewinnen« herrichten würden, um darin unsere Buchhandlung zu eröffnen. Ich musste ihm versprechen, es mit dem Geld aus seiner Lebensversicherung zu kaufen und mein Buch zu schreiben.

Ich verkaufte das Vier-Zimmer-Haus, das wir vor über zehn Jahren erworben und renoviert hatten. Es barg zu viele Erinnerungen. Jeder Raum erzählte eine Geschichte über unser gemeinsames Leben. Meine Familie und Freunde hatten mir die große Veränderung ausreden wollen. Ich würde eines Tages bereuen, das Haus verkauft zu haben, meinten sie. Doch die Idee stammte von Leon. Er hatte mich besser gekannt. Ihm war klar gewesen, dass ich nie nach vorn blicken könnte, wenn ich in der Vergangenheit lebte.

»Erde an Sam.«

Ich kehrte ins Hier und Jetzt zurück. »Entschuldige. Was hast du gesagt?«

»Ich habe gefragt, wie du beim Schreiben vorankommst.« Jenna nahm sich einen Scone von der Etagere und inspizierte ihn.

Mir war klar, wonach sie suchte. »Keine Sorge. Da sind keine Rosinen drin.«

Sie bestrich ihn mit Rahm und Erdbeerkonfitüre, biss ab und stöhnte entzückt.

»Mit dem Plot komme ich gut voran, aber mit dem Schreiben fange ich gerade erst an. Da habe ich noch viel vor mir. Meine Hauptcharaktere stehen, Penelope und Daphne Marsh und Victor Carlston – oder Worthington. Ich weiß nicht, welcher Name mir besser gefällt.«

»Ich finde Carlston gut«, sagte Jenna mit vollem Mund.

»Ich auch. Vielleicht bleibe ich bei dem.« Ich griff nach meinem vierten Scone an diesem Tag.

»Und wann findet die große Eröffnung statt?«

»Wahrscheinlich in zwei Wochen.«

»Wieso ›wahrscheinlich‹?«

»Es fehlen noch ein paar Regale. Ich habe kistenweise Bücher, die inventarisiert und eingestellt werden müssen, und mein neues Kassensystem funktioniert noch nicht. Ich warte auch noch auf die Erlaubnis vom Gesundheitsamt, die Teestube zu eröffnen.«

»Na, die Teestube hat doch noch Zeit. Du musst nicht alles auf einmal schaffen. Du kannst zuerst die Buchhandlung eröffnen. Wenn die läuft, nimmst du in aller Ruhe die Teestube in Angriff.«

Meine Schwester nahm immer einen belehrenden Ton an, wenn sie mit mir sprach. Das ärgerte mich. Dass sie recht hatte, machte es noch ärgerlicher.

Zwei Scones und zwei Tassen Tee später ging sie. Ich liebte meine Schwester, aber nach einem Treffen mit ihr fühlte ich mich immer seelisch erschöpft.

Nach Schreiben war mir jetzt nicht mehr zumute. Ich setzte mich an den Computer und las, was ich bisher zustande gebracht hatte. Vielleicht würde mir das die nötige innere Ruhe zurückbringen.

Wickfield Lodge, Landsitz von Lord William Marsh, 1938

»Victor Carlston, findest du es nicht schändlich, hier zu sitzen und dich zu amüsieren, während dein teuerster Verwandter sich an der Schwelle des Todes befindet?«

Victor Carlston hätte Daphnes Bemerkung mit einem gewissen Ernst begegnen können, doch er lachte schallend. Jener ach so teure, sterbenskranke Verwandte war Lord William Marsh. Victor war kein herzloser Mensch und lachte keineswegs über die Erkrankung, die seinen Verwandten etwa alle drei Monate »an die Schwelle des Todes« brachte. Lord William überstand sie jedes Mal. Seine Krankheit stellte sich immer ein, nachdem er einen Abend lang reichhaltigem Essen und dem Erzeugnis seiner Weinfelder allzu sehr zugesprochen hatte.

Nein, Victor lachte vielmehr über Daphnes dramatische Art. Sie machte einen Wirbel darum und benahm sich so nervös, als würde sie gleich hysterisch werden. Vielleicht war das die Gelegenheit für ihn.

Daphne war betörend schön, und er war den ganzen Abend kaum zwei Augenblicke lang mit ihr allein gewesen. Charles Parker, dieser unerträgliche Amerikaner, kam immer wieder dazwischen. Er war aalglatt, selbstsicher und dreist, und sein Frack war unpassend. Daphne schien das alles nichts auszumachen.

Wenn man vom Teufel sprach. Parkers »Wie wär’s mit einem Tanz, altes Mädchen?« war mehr eine Forderung als eine Frage. Ehe sie antworten konnte, zog der Amerikaner sie vom Sessel hoch in seine Arme und drehte sich mit ihr über die Tanzfläche, die man im Salon frei gemacht hatte.

Verflucht! Wieder hatte er die Gelegenheit verpasst, und nun tanzte Daphne mit Parker und lachte, als raunte er ihr köstliche Witze ins Ohr. Wo war ihre Sorge um Lord William geblieben? Victor saß grübelnd da und rauchte.

»Wenn du nicht so offensichtlich verliebt in sie wärst, würde sie dich ernster nehmen.« Erst jetzt, da Penelope ihn ansprach, fiel Victor auf, dass sie in dem gerade frei gewordenen Sessel Platz genommen hatte.

»Bin ich so leicht zu durchschauen?«

»Selbst ein Blinder würde das erkennen.«

Penelope hielt ihm ihre Zigarette hin, worauf er ihr Feuer gab. Ein paar Augenblicke lang rauchten sie schweigend, dann nahm sie den Faden wieder auf. »Weißt du, was dein Problem ist, Victor?«

»Nein. Lass mal hören.«

»Du verschenkst deine Liebe zu leicht. Daphne braucht dich nicht zu erobern.«

»Erobern?« Victor lachte. »Du sprichst von der Liebe, als müsste man dabei ein Spiel oder einen Kampf gewinnen.«

»Sie ist ein Spiel und ein Kampf. Ist dir das etwa neu?« Penelope lehnte sich selbstgefällig lächelnd zurück und betrachtete ihn mit einem trägen Blick aus dunklen Augen.

Er streckte die Beine vor dem Kamin aus. »Spiele, bei denen man gewinnen muss, liegen mir einfach nicht.« Sich auszustrecken tat gut. Er hatte viel zu lange gesessen, und sein Knie, das im Krieg eine Kugel abbekommen hatte, wurde allmählich steif.

»Wenn du Daphne haben willst – oder überhaupt eine Frau, dann musst du dich auf die Spielregeln einlassen.«

»Vielleicht kannst du sie mir beibringen.« Er schluckte den Kloß hinunter, den er im Hals spürte, seit Daphne und Parker aus dem Salon auf die Terrasse geschlüpft waren.

Wickfield Lodge, der Stammsitz von Lord William Marsh, verfügte über eine schöne Terrasse, die einen weiten Blick über den Rosengarten, das Heckenlabyrinth und den Wald bot. Da kein Mond schien, war zu dieser späten Stunde wenig davon zu sehen. Offenbar galt Parkers Interesse nicht der Umgebung.

»Victor, du bist stattlich und siehst gut aus. Du bist reich, was immer ein Plus ist, und du bist intelligent. Das ist mehr, als ich von den meisten Männern deines Alters behaupten kann.«

Angesichts des zweifelhaften Kompliments zog er eine Braue hoch, erhob sich zu einer schwungvollen Verbeugung und setzte sich wieder.

»Benimm dich nicht wie ein Esel«, zischte Penelope.

»Nach den Qualitäten, die du mir zuschreibst, sollte man meinen, ich müsste jetzt mit der schönen Daphne auf der Terrasse stehen, anstatt hier zu sitzen mit …« Er unterbrach sich, aber nicht schnell genug.

Penelope wusste, was er hatte sagen wollen. Das erkannte er daran, wie ihre Augen aufblitzten, und außerdem wurde sie rot. Im ersten Moment glaubte er, sie würde zu weinen anfangen, doch Lady Penelope Marsh war aus härterem Holz geschnitzt.

Es dauerte nur einen Moment, bis sie die Fassung wiedererlangte.

»Ich bin wirklich ein Esel! Es tut mir schrecklich leid. Ich meinte nicht …«

Penelope hob die Hand. »Doch, das meintest du, und es ist in Ordnung. Es ist wahr. Jeder weiß, dass Daphne die Schönheit der Familie ist. Goldblonde Haare, leuchtend blaue Augen und eine Haut wie Sahne. Sie ist eine Göttin. Ich bin nicht naiv. Sie hat die Schönheit, ich habe den Verstand abbekommen. Das ist in Ordnung.«

Victor versuchte es noch einmal. »Ich bedaure es außerordentlich, Penny.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.« Sie sah ihm ins Gesicht. »Mein Verstand wird hier von Nutzen sein. Ich habe nämlich beschlossen, dir zu helfen.«

Er stutzte und begriff erst einen Moment später, was sie gesagt hatte. Schließlich hatte er seine Verblüffung so weit überwunden, dass er nachfragen konnte. »Mir helfen? Was willst du tun? Parker einen Pflock ins Herz rammen? Das ist das Einzige, was mir nützen kann.« Victor stürzte den Inhalt seines Glases hinunter und gab sich düsteren Gedanken hin.

»Ich werde dir helfen, Daphnes Herz zu gewinnen.« Penelope ließ sich von einem Diener nachschenken.

»Und wie willst du das anstellen? Mein Herz gehört Daphne schon lange.« Er ließ sich ebenfalls das Glas füllen und trank einen Schluck. Er hörte selbst, wie verzweifelt er klang. Es war geradezu erschreckend.

»Du sagst es. Keine Frau will etwas, was sie so leicht haben kann. Daphne weiß, dass sie nur mit den Fingern zu schnippen braucht, und schon kommst du angelaufen. Du bist der stets aufrichtige, loyale, verlässliche Victor Carlston.«

Er warf seine Zigarette ins Feuer und versuchte, seinen Ärger zu überspielen, doch sein Ton bekam eine gewisse Schärfe. »Bei dir klingt das, als wäre ich ein Hund.«

»Ganz recht. Warum sollte Daphne ihre Jugend und Schönheit an jemanden vergeuden, der immer da ist? Sie kann dich jederzeit haben. Eine Frau will eine Eroberung machen.«

Victor lachte.

»Warum lachst du?« Penelope schob sich an die Sitzkante ihres Sessels, als wäre sie auf dem Sprung.

»Du hast eine Art, dich auszudrücken! Die Liebe hat nichts mit Krieg zu tun.«

»Doch. Was hat eine Frau von Daphnes Stand und Erziehung denn sonst in ihrem Leben zu gewinnen? Sie darf nicht in den Krieg ziehen. Sie darf nicht arbeiten. Und eine wohlerzogene Dame kann auch nicht immer nur Kissen besticken.«

In ihrem Ton schwang etwas mit und brachte Victor auf die Frage, ob an Penelope Marsh vielleicht mehr dran war, als er bisher gesehen hatte. Er musterte sie und betrachtete sie einmal nicht als Daphnes Schwester, sondern als Frau. »Das klingt, als hättest du viel darüber nachgedacht.«

»Was soll ich anderes tun, als nachzudenken? Fürs Sticken habe ich kein Talent.« Ihre Augen funkelten. Vielleicht lag es am Feuerschein oder an ihrem Zorn, jedenfalls strahlte die unscheinbare Penelope auf einmal eine Leidenschaft aus, die ihre dunklen Augen und ihren Teint verwandelte. In dem Moment fällte Victor eine Entscheidung, die sein Leben grundlegend verändern sollte.

»Genug für einen Abend.« Ich klappte den Laptop zu. Es war spät geworden, und der nächste Tag würde anstrengend werden, denn es war der letzte Schultag für die Kinder und für mich. Ich würde die verlässliche Sicherheit eines regelmäßigen Gehalts mit Krankenversicherung, Pension und gewerkschaftlicher Unterstützung, die die vergangenen zwölf Jahre mein Leben bestimmt hatte, hinter mir lassen und mich in ein Abenteuer stürzen.

Seinen Traum wahrzumachen mochte sich aufregend anhören, war für eine Witwe von Mitte dreißig aber auch ein bisschen beängstigend. In unserer Gesellschaft wurden wir ermuntert, hart zu arbeiten, für den Ruhestand vorzusorgen und vernünftige finanzielle Entscheidungen zu treffen. Vielleicht lag es an meiner Herkunft aus dem Arbeitermilieu, jedenfalls wurde ich im Hinblick auf die tägliche Plackerei im Klassenzimmer immer nostalgischer. An der Wand hing eine Lebensweisheit von Henry Ford, die Leon gern zitiert hatte: »Solange du tust, was du schon immer getan hast, wirst du bekommen, was du schon immer bekommen hast.«

Ich wusste, was ich zu tun hatte. Veränderung konnte einem Angst machen, doch wenn mich Leons Tod eines gelehrt hatte, dann war es dies: dass das Leben kurz war, manchmal zu kurz. Das Morgen war nicht garantiert. Ich musste das tun, für mich selbst und für Leon. Wenn ich tatsächlich mal Geld brauchte, könnte ich abends im Community College unterrichten. Und mit diesem Gedanken beruhigte ich mich.

Ich war mit dem Geld aus der Lebensversicherung und dem Erlös des Hauses sparsam gewesen. Ursprünglich hatten Leon und ich geplant, das Obergeschoss über der Buchhandlung in Wohnraum umzuwandeln und zu vermieten, um damit den Kredit abzuzahlen. Am Ende seines Lebens, als er fand, ich bräuchte einen Neuanfang, kamen wir darauf, dass ich die Wohnung selbst nutzen sollte. Das Obergeschoss bot viel Platz und schöne Eichendielen, hohe Decken und Ziegelwände mit bodentiefen Fenstern.

Die renovierte einhundertachtzig Quadratmeter große Wohnung beherbergte eine hübsche Küche, ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer und zwei Bäder. Schienenbeleuchtung und Dachfenster sorgten für einladende Helligkeit. Ich fühlte mich in meinem neuen Zuhause wohler als gedacht. Es war genau das Richtige für mich. Hinten auf dem Grundstück gab es sogar eine Garage, zu der eine Gasse führte. Ich hatte einen Zaun errichten lassen und einen kleinen Hof geschaffen, in dem sich Snickers und Oreo frei bewegen konnten.

Ich beschloss, ins Bett zu gehen. Ich brauchte meine ganze Kraft, um die nächste grundlegende Veränderung zu bewältigen.

2

Ich stellte meinen SUV auf dem Lehrerparkplatz der Highschool ab. Die Informationstafel vor der Schule gab nicht nur die Erfolge der North Harbor Wildcats bekannt und gratulierte der Abschlussklasse, sondern wünschte mir auch von Herzen alles Gute. Es kam nicht oft vor, dass man seinen Namen in der Öffentlichkeit las. Daher kramte ich das Handy aus der Tasche, um ein Foto davon zu machen, und ein Taschentuch, um die Tränen abzuwischen, die ich nicht wegblinzeln konnte.

Ein rascher Blick in den Spiegel offenbarte schwarze Tränenspuren. Meine Wimperntusche hatte sich praktisch aufgelöst. Das würde ein schwerer Tag werden.

Drinnen hingen überall Pappschilder von dankbaren Schülern. Auf Wiedersehen, Mrs Washington – Sie werden uns fehlen. Am schönsten fand ich: Trennungsschmerz mag süßer Schmerz sein, weh tut er trotzdem. Darunter war Willie Wildcat, unser Maskottchen, abgebildet, der ein Stück von dem Schild abbiss.

Der Direktor wartete schon auf mich, als ich das Gebäude betrat, und begleitete mich zur Turnhalle. Sie war mit Luftschlangen, Luftballons und Konfetti geschmückt, und die Tribüne war voll besetzt mit Schülern, Lehrern, Hausmeistern und Sekretariatsmitarbeitern. Sogar die Mitarbeiter der Cafeteria saßen da mit Haarnetz und Kittel. Alle standen auf und bejubelten mich.

Ich sah durch einen Tränenschleier, sobald ich an meine Schüler dachte. Sie waren wahrhaftig die besten Jugendlichen, die ich je unterrichtet hatte. Ich würde den ganzen tätowierten, gepiercten Haufen mit den bunt gefärbten Haaren schrecklich vermissen.

Es wurde ein Tag voller Cupcakes, Plätzchen, Punsch und Geschenke. Es flossen viele Tränen. Für die gekauften und gebastelten Karten, Zettelchen und Briefe würde ich noch jahrelang dankbar sein. Der Direktor überraschte mich mit einer schönen Erstausgabe von Rex Stout. Leon hätte sich gefreut wie ein Schneekönig. Am Ende des Tages mussten mir zwei Schüler helfen, alle Sachen zum Auto zu tragen.

Ich setzte aus der Parkbucht und ließ die Schule hinter mir; dabei weinte ich wie ein kleines Kind.

Als ich in meine Gasse einbog, fielen mir mehrere Autos auf dem kleinen Parkplatz auf, den ich mir mit der Kirche teilte. Eigentlich gehörte er mir, doch beim Kauf des Hauses hatte ich von der Vereinbarung erfahren, die schon seit dreißig Jahren existierte. Der vorige Besitzer hatte den Parkplatz an Sonntagen für Gottesdienstbesucher freigegeben, und dafür bezahlte die Kirche die Hälfte der anfallenden Schneeräumkosten. Ich hielt das für eine faire Abmachung. Ich hätte die Parkerlaubnis auch ohne Gegenleistung erteilt, zumal mein Laden sonntags geschlossen blieb, zumindest vorerst. Sollte sich das später einmal ändern, würde ich erst nach dem Gottesdienst öffnen, sodass beide Seiten profitierten.

Da ich die Pappkartons nun ohne Hilfe von Schülern tragen musste, war es umständlich, an die Türklinke heranzukommen. Schließlich schaffte ich es, die Kartons so zu halten, dass ich die Tür öffnen konnte, und trat aus der Garage in den Garten.

»Überraschung!«

Erschrocken ließ ich Handtasche und Kartons fallen. Das Klirren verriet mir, dass mein Lieblingskaffeebecher nun hinüber war. In meinem Garten wimmelte es von Verwandten und Freunden. Snickers und Oreo sprangen bellend an mir hoch. Ein Spruchband und Luftschlangen hingen über der Terrasse, und auf dem Tisch stand ein großer Kuchen.

»Was macht ihr denn hier?«

Zur Antwort wurde ich umarmt und geküsst, und alle wünschten mir Glück.

Meine Neffen Christopher und Zaq drückten mich und hoben dann die Kartons und meine Handtasche auf. Ich musste lächeln, als ich sie beobachtete. Sie waren eineiige Zwillinge. In ihrer Säuglingszeit hatte man sie unmöglich auseinanderhalten können. Doch im Alter von zwanzig Jahren traten die Unterschiede deutlich hervor, nicht nur in den Gesichtszügen und im Verhalten, sondern auch im Kleidungsstil.

Christopher neigte zum Preppy-Look, Zaq stand auf Trendiges. Beide waren mit dem hohen Wuchs ihres Vaters gesegnet, also über eins achtzig groß und außerdem schlank, kultiviert, gut aussehend und intelligent. Aber in der Hinsicht war ich vielleicht nicht ganz objektiv.

Ich zog meine Mutter und meine Großmutter zu einem Tisch, wo wir uns setzen und reden konnten. Die beiden waren so verschieden wie Tag und Nacht. Meine Mutter, Grace Hamilton, war eins zweiundfünfzig groß und wog fünfzig Kilo. Ihre Augen waren graublau und ihre Haare fein, weich und weiß wie Zuckerwatte. Nana Jo, eigentlich Josephine Thomas, war eins fünfundfünfzig groß und achtzig Kilo schwer, hatte lebhafte dunkle Augen und dichtes kastanienbraunes Haar.

Meine Neffen hatten von der Familie das Beste geerbt, ich dagegen die nachteiligen Merkmale, denn ich war eins vierundsechzig groß und kam mit meinem Gewicht meiner Nana näher, als ich öffentlich zugeben würde. »Klein und angenehm mollig«, so beschrieb ich mich selbst.

»Ist uns die Überraschung gelungen?«, fragte Mom.

Ich küsste sie auf die Wange. »Definitiv. Wie habt ihr das alles organisiert?«

»Ich war mir nicht sicher, ob wir das hinbekommen, doch Mama und Jenna waren zuversichtlich, also …« Meine Mutter vollführte ihre majestätische Handbewegung, die meine Schwester immer auf die Palme brachte. Mit dieser Geste und einem Schulterzucken erweckte sie den Eindruck, Jenna und Nana Jo hätten nur ihren Zauberstab zu schwingen brauchen, damit die Party stand.

»Also, vielen Dank für alles! Das war ein unvergesslicher Tag.« Ich setzte mich an den Gartentisch, der mit Geschenken und köstlich duftenden Auflaufformen beladen war.

Neben der Hoftür grillte mein Schwager Tony Hamburger, Hähnchenfleisch und Hotdogs. Die würzigen Aromen wehten zu uns herüber, und mir knurrte laut der Magen. Alle in Hörweite lachten.

Einige Stunden später waren die Gäste gegangen, und ich konnte mich entspannen und den Frieden im Haus genießen. Die meisten mitgebrachten Gerichte hatte die Familie nach Hause mitgenommen, aber mir blieb noch genug gegrilltes Hähnchenfleisch, um damit mehrere Mahlzeiten zu bestreiten. Ich goss mir den Rest von der Mango-Margarita ein, schaltete den Fernseher auf den Jazzkanal und ging hinunter in den Laden.

Ich wollte mich innerlich darauf einstellen, meinen Traum zu leben, unglücklicherweise ohne Leon. Ich hatte meine Stelle gekündigt, unser Haus verkauft, ein anderes erworben und stand nun kurz davor, eine altmodische Buchhandlung zu eröffnen, in einer Zeit, da elektronische Lesegeräte beliebter waren als Bücher aus Papier. Große Buchhandelsketten gingen pleite, aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Bücher zu verkaufen.

»Ich muss verrückt sein«, sagte ich zu meinen Pudeln.

Oreo versicherte mir mit seinen treuen Augen, dass er mich auch dann noch lieben würde, wenn ich verarmt und abgemagert wäre. Snickers seufzte bloß leise. Sie wusste von jeher, dass ich verrückt war, und das war ihr egal, solange sich in ihrem eigenen Leben nichts änderte.

Während meiner Kindheit nannten wir das Gebäude nur das »Monsterhaus«, denn der Architekt hatte drinnen entlang der Decke etliche gruselige Wasserspeier angebracht. Bei der ersten Besichtigung stellte ich überrascht fest, dass auch im Obergeschoss einige hingen, und bei meinem Einzug fand ich sogar im Keller zwei in einer Kiste.

Zu beiden Seiten des Eingangs gab es zwei große Schaufenster mit viel Präsentationsfläche. Ich mochte die dicken Ziegelwände. Der vorige Besitzer hatte sie mit einem Sandstrahler gereinigt, sodass sie jetzt hellbeige waren. Die dunklen Holzdielen knarrten. Im Erdgeschoss gab es genauso hohe Decken wie oben.

Mein Immobilienmakler hatte mir einen amischen Tischler empfohlen, der stabile Bücherregale zimmern konnte. Die waren nicht chic, aber solide und würden das Gewicht der Bücher tragen, die momentan noch in Kisten verpackt im Raum herumstanden. Hinten im Laden befand sich eine kleine Küche. Dieser Bereich, über den Leon und ich uneins gewesen waren, musste noch umgestaltet werden. Leon hatte dort eine Kaffeebar einrichten wollen, in der man Espresso und Latte Macchiato bekäme, ich eine britische Teestube.

Wie viele Fans von Wohlfühlkrimis hatte ich das Genre durch britische Schriftstellerinnen wie Agatha Christie lieben gelernt. In deren Romanen tranken die Heldinnen und Helden Tee und aßen Scones und Treacle Tarts. Erst bei meiner ersten London-Reise, ein Geschenk von Leon zu meinem dreißigsten Geburtstag, erfuhr ich, dass ein Scone kein staubtrockenes Gebäckstück war, wie es überall in den Vereinigten Staaten verkauft wurde.

Ich entwickelte eine Liebe zu Streichrahm (eine Kreuzung zwischen Schlagsahne und Butter) und lernte, Treacle korrekt auszusprechen. Der Fünf-Uhr-Tee im Brown’s Hotel oder im Ritz Carlton in London war ein unvergleichlicher Genuss, und diese Erfahrung wollte ich mit den Krimilesern in North Harbor teilen. Ich entschied mich für einen Kompromiss. Ich würde Tee und Scones, aber auch Kaffee anbieten, jedoch keinen Espresso oder Latte Macchiato – zumindest vorerst nicht.

Hinter der Küche lag ein Flur, und von dem ging ein Raum ab, den ich als Büro nutzen würde. Er war klein, hatte dafür aber ein Riesenplus, nämlich ein Glasgaragentor und eine Terrasse. Anfangs hatte ich überlegt, dort die Teestube einzurichten und auch draußen Tische aufzustellen, doch die Verlegung der Wasseranschlüsse würde eine immense Summe verschlingen, und deshalb war ich von dem Plan abgerückt. Seit ich in dem Haus wohnte, gefiel mir die Vorstellung, eine abgeschiedene Terrasse ganz für mich allein zu haben.

Durch die Surround-Sound-Anlage lief die eingeschaltete Musik gleichzeitig in beiden Etagen. Mein Laden war nahezu perfekt. Wenn nur Leon noch da wäre …