Todeslilien - Christel Dutschmann - E-Book

Todeslilien E-Book

Christel Dutschmann

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Beschreibung

Patrizia Jäger, Hauptkommissarin bei der Kriminalpolizei in Wolfenbrügge, wird zusammen mit ihrem Kollegen Manfred Möller zu einem Mord gerufen. Das Opfer ist eine junge Frau, die mit einer weißen Lilie in der Hand in einem Waldstück aufgefunden wurde. Sofort bildet Patrizia eine Mordkommission und nimmt die Ermittlungen auf. Doch noch bevor sie und ihr Team das Geheimnis um die weiße Lilie entschlüsseln und den Täter ausfindig machen können, taucht eine weitere Leiche auf. Patrizia Jäger und ihr Team geraten immer mehr unter Druck, den "Lilienmörder" aufzuhalten. Wird es ihnen ge- lingen, den Täter zu schnappen, bevor ein weiterer Mord geschieht?

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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Kapitel 21
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Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Epilog
Danksagung

Christel Dutschmann

Todeslilien

Ein Münsterland-Krimi

Ruhrkrimi-Verlag

Mein Name ist Christel Dutschmann. Ich wurde 1971 geboren und bin gelernte Fremdsprachenkorrespondentin. Im Jahr 2019 habe ich meine Leidenschaft für Bücher zum Beruf gemacht. Seitdem arbeite ich als freiberufliche Literaturübersetzerin und übersetze Romane verschiedener Genre von der englischen in die deutsche Sprache. Da ich am liebsten Krimis und Thriller lese, habe ich mich dazu entschlossen, selbst ebenfalls im Bereich der Spannungsliteratur zu schreiben. Seit November 2022 bin ich Mitglied bei dem „Mörderische Schwestern e.V.“ sowie seit Anfang 2023 Teil des „SYNDIKAT e.V.- Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur“.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Christel Dutschmann

© 2023 Ruhrkrimi-Verlag, Mülheim an der Ruhr

Coverbild: iStock 116422646

ISBN 978-3-947848-84-3

Auch als eBook erhältlich.

1. Auflage (Originalausgabe)

Disclaimer:

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

Die Verwendung von Text und Grafik ist auch auszugsweise ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

https://ruhrkrimi.de

Prolog

Rebecca schreckte hoch. Ihr Herz pochte wild. Irgendetwas hatte sie geweckt. Der Mond, der durch das Fenster hineinschien, erhellte den Raum ein wenig, gerade genug, damit sie sich orientieren konnte. Sie sah sich in dem dunklen Wohnzimmer um. Alles schien unverändert und doch hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas anders war. Die Decke, in der sie sich auf dem Sofa eingekuschelt hatte, rutschte herunter und Rebecca fröstelte, als ein kühler Wind durch das sperrangelweit offenstehende Fenster hereinwehte und über ihre nackten Arme fuhr. Sie sah zum Fenster hinüber und erkannte, dass der Kerzenständer, den sie auf die Fensterbank gestellt hatte, hinuntergefallen war. Das musste das ›Geräusch‹ gewesen sein, dass sie geweckt hatte. Rebecca stand auf, ging zum Fenster und schloss es.

Nachdem sie den Kerzenständer aufgehoben und wieder an seinen Platz gestellt hatte, drehte sie sich um und schaute zum Fernseher hinüber. Der Bildschirm war dunkel. Offenbar hatte das Gerät sich selbst ausgestellt. Sie musste eingeschlafen sein. Ihr Blick wanderte zu den grell leuchtenden Ziffern des Receivers. 3:12 Uhr. Rebecca ging zurück zum Sofa, setzte sich und zog die dicke Decke bis zum Hals hoch. Dann griff sie nach ihrem Handy, das auf dem kleinen Beistelltisch daneben lag. Immer noch keine Nachricht von Jasmin. Seltsam. Dabei hatte sie ihr hoch und heilig versprochen, sich zu melden, wenn sie von ihrem Date nach Hause kam und Jasmin hielt immer ihre Versprechen.

Rebecca hatte ihrer Freundin schon drei Nachrichten über WhatsApp geschickt, um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung war. Doch hinter jeder Nachricht sah sie nur zwei graue Haken. Jasmin hatte keine einzige davon gelesen, dabei schaute sie normalerweise regelmäßig auf ihr Handy. So umwerfend konnte der Typ, mit dem sie sich heute zum ersten Mal traf, doch gar nicht sein, dass sie sich nicht wenigstens kurz meldete. Sie ist doch hoffentlich nicht mit dem Kerl nach Hause gegangen, dachte Rebecca besorgt. Sie bekam ein flaues Gefühl im Magen. Irgendetwas stimmte nicht.

Beunruhigt entschloss sie sich, ihre Freundin anzurufen. Während sie dem Klingelzeichen lauschte, wartete sie ungeduldig darauf, dass diese sich meldete. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Rebecca zog die Decke noch fester um sich herum, doch das Zittern, das sie mittlerweile erfasst hatte, wollte einfach nicht verschwinden. Sie schloss die Augen und versuchte, ihre Freundin gedanklich dazu zu bewegen, endlich dranzugehen. Doch nach dem fünften Klingeln hörte sie nur das Piepen der Mailbox. Rebecca seufzte und sprach mit leicht zitternder Stimme eine Nachricht darauf.

Hi, Jasmin. Ich bin´s nochmal. Was ist denn los? Ist alles okay bei dir? Bitte melde dich, sobald du das hier abhörst. Ich mache mir wirklich Sorgen.

Kapitel 1

Patrizia zog ihre Strickjacke ein wenig fester um sich. Es war noch ein wenig kühl, doch sie genoss es, morgens ihren ersten Kaffee draußen auf der Veranda zu trinken. Man konnte bereits merken, dass heute ein herrlicher Frühlingstag werden würde. Die ersten Blumen hatten sich aus der Erde gekämpft und bildeten kleine Farbtupfer auf dem grünen Rasen. Am Himmel schien bereits die Sonne durch einige vereinzelte Wolken. Die Luft war noch frisch, aber klar.

Patrizia genoss die morgendliche Stille, wann immer es ihr in ihrem ansonsten hektischen Arbeitstag möglich war. Es waren wertvolle Momente der Ruhe. Sie nahm gerade einen weiteren Schluck Kaffee, als ihr Handy klingelte. So viel zum Thema Ruhe. Seufzend stand sie auf und ging ins Wohnzimmer, wo ihr Telefon auf dem niedrigen Couchtisch lag. Ein kurzer Blick auf das Display verriet ihr, dass es ihr Kollege war.

»Morgen Manfred«, meldete Patrizia sich ein wenig kurz angebunden.

»Morgen, Patrizia. Alles okay bei dir?«

»Ja, wieso fragst du?«

»Du hörst dich so mürrisch an.«

Die beiden arbeiteten mittlerweile seit fast fünf Jahren zusammen bei der Kriminalpolizei und wussten daher genau, wie der jeweils andere gestrickt war. Manfred machte manchmal sogar Witze darüber, dass er Patrizia besser kannte als seine eigene Frau. Auch wenn das nicht ganz stimmte, so verbrachte er doch definitiv mehr Zeit mit seiner Kollegin als mit seiner besseren Hälfte.

»Ich hatte erst eine Tasse Kaffee«, erklärte Patrizia.

Ihr Kollege lachte kurz auf. »Das erklärt deine schlechte Laune. Ich fürchte, sie wird heute auch nicht besser werden. Ich habe schlechte Neuigkeiten. Eine Spaziergängerin hat im Heinrichswald eine Leiche gefunden. Eine junge Frau. Mehr weiß ich auch noch nicht.«

»Okay. Wo muss ich denn genau hin?«

»Kennst du den großen Wanderparkplatz dort?«

»Meinst du den in der Nähe des früheren Stollens?«

»Ja genau.«

»Den kenne ich.«

»Okay. Komm am besten dahin. Dann gehen wir zusammen zum Fundort.«

»Alles klar. Ich bin in ungefähr einer halben Stunde da. Bis gleich.«

»Bis gleich.«

Patrizia nahm einen letzten Schluck von ihrem Kaffee und goss den Rest in ihre Thermoskanne. Sie hatte sich schon vor Jahren angewöhnt, immer etwas zu trinken und einige Snacks mitzunehmen. In ihrem Beruf wusste man nie, wann man die Gelegenheit hatte, sich etwas zu holen. Daher sorgte sie gerne vor.

Dann lief sie ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Gut zehn Minuten später marschierte sie in dunkler Jeans, langärmeligem Shirt, Jacke und bequemen Boots aus dem Haus, bewaffnet mit einer Thermoskanne heißen Kaffees.

Die Straße vor ihrem Haus war menschenleer. Noch fuhren keine Autos umher. Die Leute schliefen offensichtlich noch friedlich in ihren Betten, nichtsahnend, dass unweit von ihnen das Böse zugeschlagen und jemand auf grausame Weise sein Leben gelassen hatte.

Patrizia kramte in ihrer Hosentasche nach den Autoschlüsseln, schloss auf und stieg in ihren Golf. Er war schon ein älteres Modell, aber leistete nach wie vor gute Dienste, daher weigerte sie sich, sich einen neuen Wagen anzuschaffen, auch wenn ihre Kollegen sie wegen ihrer »Karre« gerne aufzogen. Entschlossen drehte sie den Schlüssel im Zündschloss um, und der Wagen sprang zum Glück sofort an. Nachdem sie den Gang eingelegt hatte, brauste sie los Richtung Heinrichswald.

Kapitel 2

Etwa eine halbe Stunde später bog Patrizia auf den Wanderparkplatz ein. Es standen bereits zwei Streifenwagen, ein Rettungswagen samt Notarzt sowie das Auto ihres Kollegen dort. Manfred lehnte an seinen Wagen und blickte auf sein Handy, während er offensichtlich auf sie wartete. Als er Patrizia herannahen sah, stieß er sich von seinem Auto ab und kam auf sie zu. Sie stieg aus und schloss ihren Golf ab.

»Weißt du schon Näheres?«, wollte sie wissen.

Manfred musste trotz der traurigen Umstände schmunzeln. Wie immer kam Patrizia direkt zur Sache.

»Nein, ich bin auch gerade erst angekommen. Lass uns zusammen zum Fundort gehen. Da entlang«, meinte er und deutete in Richtung eines relativ schmalen Waldweges. Links und rechts standen hohe Fichten, die Schatten auf den Weg warfen und ihm ein düsteres Aussehen verliehen. Die beiden Polizisten liefen den Weg entlang. Unter ihren Schuhsohlen knirschte der Schotter. In der Ferne waren zahlreiche Stimmen zu hören. Ein Stückchen den Pfad hinunter konnten sie mehrere Streifenwagen stehen sehen, deren Blaulichter wirre Muster auf den Boden zeichneten. Ihre Kollegen von der Streifenpolizei sperrten das Gebiet bereits großräumig mit Flatterband ab, damit niemand in die Nähe des Fundorts gelangen und eventuell wertvolle Spuren zerstören konnte. Patrizia begrüßte die Kollegen mit einem kurzen Kopfnicken, bevor sie weiter auf einen großen Stapel aus dicken Baumstämmen zuschritt. Dahinter konnte sie den Arzt knien sehen, den sie an den feuerroten, wuscheligen Haaren sofort als Doktor Faber identifizierte. Sie hatten schon des Öfteren mit ihm zusammengearbeitet. Er hockte mit dem Rücken zu ihnen auf dem noch leicht feuchten Waldboden und drehte den Kopf, um die Leiche aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

»Morgen, Doc«, rief Patrizia ihm zu.

Der Arzt drehte sich zu ihr um und antwortete: »Guten Morgen, Hauptkommissarin Jäger.«

»Wie ich sehe, hat es Sie heute mal wieder erwischt mit der Bereitschaft.«

»Ja, das stimmt. Ein ruhiger Sonntag wäre ja auch zu schön gewesen«, meinte er mit einem ironischen Lachen.

Patrizia stimmte in sein Lachen ein. Außenstehende fanden es immer wieder befremdlich, dass die Polizisten trotz eines Leichenfunds Scherze machen konnten, doch sie verstand dieses Verhalten nur zu gut. Es war ein Schutzmechanismus, um das Grauen, das mit ihrer Arbeit verbunden war, nicht zu dicht an sich heranzulassen.

»Was haben Sie denn für mich, Doc?«

»Eine junge Frau, Anfang bis Mitte Zwanzig schätze ich. Offensichtlich erdrosselt. Jedenfalls sind an ihrem Hals deutliche Würgemale zu erkennen. Kommen sie ruhig näher und schauen sie selbst.«

Patrizia und ihr Kollege gingen bis dicht an die Absperrung heran, um einen besseren Blick erhaschen zu können. Dabei achteten sie sorgfältig darauf, genug Abstand zu halten, um keine Spuren zu verwischen. Der Arzt drehte sich ein wenig zur Seite und gab den Blick auf die am Boden liegende Frau frei. Sie sah noch sehr jung aus. Ihr leuchtendrotes Kleid bildete einen scharfen Kontrast zu dem blassen Gesicht, das von langen, blonden Haaren umrahmt wurde. Mit ihren geschlossenen Augen und den gefalteten Händen vor der Brust sah sie fast aus, als würde sie schlafen, wenn da nicht die auffälligen roten Male an ihrem Hals gewesen wären. Zu ihren Lebzeiten hätte man sie sicherlich als hübsch bezeichnen können, aber jetzt war ihr Gesicht zu einer Maske der Angst verzerrt. Patrizia fragte sich, was das Letzte gewesen war, das die junge Frau gesehen hatte. Wahrscheinlich das Gesicht ihres Mörders, denn dass sie keines natürlichen Todes gestorben war, stand außer Frage. Außer den Würgemalen, die ihren Hals zierten, waren auf den ersten Blick keine Verletzungen zu sehen.

»Hat sie noch weitere Verletzungen«, fragte Patrizia.

Doktor Faber schob sanft die Ärmel des Kleides ein Stück nach oben. »Sie hat an beiden Handgelenken Abschürfungen. Ebenso an den Knöcheln. Es sieht aus, als wäre sie vor ihrem Tod gefesselt worden.«

»Irgendwelche Anzeichen für einen sexuellen Missbrauch?«, meldete sich Manfred zu Wort.

»Nein, soweit ich das so schnell beurteilen kann, nicht.«

Patrizia und ihr Kollege atmeten beide erleichtert auf. Wenigstens das war der jungen Frau scheinbar erspart geblieben.

»Ich habe zwar keine Papiere bei ihr gefunden, aber etwas Ungewöhnliches neben der Leiche. Eine weiße Lilie«, sagte der Arzt und trat einen Schritt zurück. Nun konnten die beiden Kripobeamten ebenfalls die Blume erkennen.

»Eine weiße Lilie? Was will der Täter damit sagen?«, überlegte Manfred laut.

»Sind Lilien nicht typische Blumen für eine Beerdigung?«

»Ja, ich glaube schon. Wir sollten auf jeden Fall die Bedeutung herausfinden.«

»Ja«, stimmte Patrizia zu. »Aber vorher will ich unbedingt mit der Spaziergängerin sprechen, die die Leiche gefunden hat. Wie heißt sie nochmal?«

»Claudia Böhm. Sie ist 57 und kommt hier aus dem Ort. War mit ihrem Hund hier spazieren, als sie die Leiche gefunden hat.«

»Okay. Wo ist sie?«

»Da drüben beim Streifenwagen der Kollegen.«

»Ich gehe mal zu ihr rüber.«

»Mach das. Ich rufe derweil die Spurensicherung und informiere den Staatsanwalt.«

Kapitel 3

Patrizia ging langsam auf die ältere Frau zu, die im Streifenwagen saß und ihren kleinen Hund fest an ihre Brust drückte.

»Frau Böhm?«, fragte sie leise.

Die Frau reagierte nicht, sondern starrte nur ins Leere. Daher versuchte Patrizia es erneut: »Frau Böhm?«, sagte sie diesmal etwas bestimmter. Die Frau sah sie an und nickte. Ihr Blick wirkte immer noch ein wenig entrückt.

»Ich bin Hauptkommissarin Jäger und kümmere mich um den Fall.« Patrizia versuchte, eine Verbindung zu der Frau aufzubauen. Daher streckte sie ihre Hand langsam zu dem Hund aus und meinte in Richtung der älteren Frau: »Darf ich?«

»Ja, gerne.«

»Ist das ein Jack Russell?«

»Ja, genau. Er heißt Jack. Ich fand das damals sehr passend, als ich ihn bekommen habe«, antwortete die ältere Frau und lächelte zaghaft.

Patrizia streichelte den Hund und lächelte zurück. »Ja, das stimmt. Es ist ein passender Name. Sie waren also heute Morgen mit Jack spazieren?«

»Ja, wir gehen hier oft spazieren. Es ist ein sehr schöner Weg durch den Wald.«

»Das stimmt. Ist Ihnen jemand auf dem Weg hierher begegnet?«

»Nein, Sonntagmorgens ist um diese Zeit meist noch nicht viel los.«

»Um welche Zeit waren Sie denn hier?«

»Ich bin so gegen 8:30 Uhr aus dem Haus gegangen. Ich wohne nicht weit von hier, vielleicht 10 Minuten zu Fuß.«

»Und was ist dann passiert, als Sie hier spazieren gegangen sind?«

»Na ja, anfangs war alles wie immer. Wir sind gemütlich losgegangen. Ich kann nicht mehr so schnell laufen wegen meiner Arthrose. Als wir dann im Wald ankamen und niemand außer uns da war, habe ich Jack losgemacht. Er rennt immer so gerne ein Stück voraus, wissen Sie. Aber er kommt immer wieder, sobald ich ihn rufe. Jack hört sehr gut«, beeilte sie sich hinzuzufügen.

»Das freut mich.« Patrizia lächelte ermutigend und streichelte den Hund ein weiteres Mal über den Kopf.

»Nur heute hat er auf mein Rufen nicht reagiert«, fuhr Frau Böhm fort. »Er ist wie immer ein Stück vorausgelaufen und dann ist er plötzlich vom Weg ins Gestrüpp gerannt. Ich habe ihn ein paar Mal gerufen, aber er kam nicht zurück. Das kam mir seltsam vor. Also bin ich natürlich sofort zu der Stelle hingegangen, wo er war. Ja, und dann habe ich dort diese junge Frau liegen sehen ...« Mittlerweile rannen der Zeugin Tränen über die Wangen und ihre Stimme brach. Patrizia wartete geduldig, damit sich die Frau wieder ein wenig beruhigen konnte.

»Wer tut denn so etwas Schreckliches?«

»Das wissen wir noch nicht. Um das herauszufinden, brauchen wir Ihre Hilfe. Darum ist es wichtig, dass Sie mir alles erzählen, was Sie wissen.«

»Ja. Ja, natürlich. Ich fürchte nur, dass ich Ihnen nicht viel helfen kann. Ich habe ja gar nichts gesehen.«

»Sie haben die Kollegen gerufen. Das war sehr gut.«

»Ja, das habe ich gemacht. Es war so ein Schock, die arme Frau da liegen zu sehen. Ich habe Jack natürlich sofort zu mir geholt und dann über mein Handy die Polizei angerufen.«

»Das haben Sie gut gemacht. Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, als Sie die junge Frau entdeckt haben?«

»Was meinen Sie damit?«

»Haben Sie vielleicht jemanden gesehen oder etwas Ungewöhnliches bemerkt?«

»Nein, ich habe niemanden gesehen. Und etwas Ungewöhnliches ... lassen Sie mich kurz überlegen ...«

»Ganz in Ruhe. Lassen Sie sich ruhig Zeit.«

Die Frau dachte einen Moment lang nach und meinte schließlich: »Nein, mir ist nichts aufgefallen. Aber ehrlich gesagt, habe ich auch nicht näher hingesehen. Der Anblick war so ein Schock. Ich wollte einfach nur weg.«

»Das kann ich gut verstehen. Sie haben also auch nichts angefasst?«

»Oh nein«, wehrte die Zeugin ab. »Ich habe nur Jack zu mir gerufen und angeleint. Dann bin ich sofort wieder auf den Weg zurückgegangen.«

»Ich habe erst mal keine Fragen mehr an Sie. Aber es kann gut sein, dass ich mich in den nächsten Tagen nochmal bei Ihnen melde.«

»Kein Problem. Ich habe Ihrem Kollegen schon meine Telefonnummer und meine Adresse gegeben.«

»Sehr gut. Sie können dann jetzt nach Hause gehen. Haben Sie jemanden, der heute zu Ihnen kommen kann, damit Sie nicht allein sind?«

»Ja, meine Tochter. Ich werde sie gleich anrufen.«

»Das ist eine gute Idee. Vielen Dank nochmal für Ihre Hilfe, Frau Böhm«, verabschiedete Patrizia sich.

»Gerne geschehen.«

Kapitel 4

Patrizia schlug den Kragen ihrer Jacke hoch, um sich gegen den noch frischen Wind an diesem Montagmorgen zu schützen. Während sie an ihrem Wagen lehnte, schaute sie auf ihre Uhr. 8:25 Uhr. Manfred musste jeden Moment eintreffen. Und tatsächlich bog in diesem Augenblick sein silberner Kombi auf den Parkplatz des Rechtsmedizinischen Instituts ein. Patrizia schob den letzten Bissen ihres Schokoriegels in den Mund und stopfte das Papier in ihre Jackentasche.

Manfred parkte neben ihr, stieg aus und begrüßte sie mit einem etwas trägen »Guten Morgen.«

»Morgen«, brummte sie unverständlich, weil sie den Mund noch voll hatte.

»Isst du etwa schon wieder Schokolade?«

Patrizia zuckte mit den Schultern und grinste ein wenig verlegen.

Manfred schüttelte ungläubig mit dem Kopf. »Morgens um diese Zeit und dann auch noch vor einer Obduktion. Ich werde nie begreifen, wie du das kannst.«

»Ich habe einen Magen wie eine Kuh hat meine Oma immer gesagt«, meinte Patrizia. Sie wusste, dass Manfred diesen Teil ihrer Arbeit hasste und sein Magen gerne mal bei einer Obduktion rebellierte. Darum aß er davor nie etwas und war entsprechend schlecht gelaunt. »Bringen wir es hinter uns«, meinte sie bei dem Versuch, ihm die Sache etwas leichter zu machen und ging neben ihm her Richtung Haupteingang. Dort angekommen, steuerten beide direkt zum Empfang und meldeten sich an.

»Guten Morgen, Dr. Schütz erwartet uns«, meinte Patrizia.

»Guten Morgen, Hauptkommissarin Jäger, Kommissar Möller. Ich lasse sie beide sofort herein«, erwiderte die ältere Dame hinter der Glasscheibe freundlich und betätigte den Buzzer, um die Tür zu öffnen. Beide schritten hindurch und gingen den langen, schmucklosen Flur hinunter. Das grelle Licht der Neonröhren vertrieb erbarmungslos das letzte bisschen Müdigkeit aus Patrizias Kopf. Sie hasste die kalten, kahlen Räume der Rechtsmedizin, auch wenn sie wusste, dass es hier nicht um eine angenehme Atmosphäre, sondern um Zweckmäßigkeit ging. Daher ließ sie sich ihr Unbehagen nicht anmerken. In ihrem Beruf konnte man sich kein Zeichen von Schwäche leisten.

In diesem Moment erblickte Patrizia Nils Schütz am Ende des Gangs. Er war nicht nur der für diesen Fall zuständige Gerichtsmediziner, sondern auch einer ihrer wenigen Freunde. Entsprechend herzlich fiel ihre Begrüßung aus.

»Hallo Patrizia, hallo Manfred, schön, dass ihr es rechtzeitig geschafft habt. Ich wollte gerade anfangen.«

»Sehr gut«, meinte Manfred und fügte ein wenig leiser hinzu: »Desto eher haben wir es hinter uns.«

Er und Patrizia nahmen sich jeweils einen Schutzanzug aus dem Regal an der Wand und zogen diesen an. Kaum waren sie fertig, ließ Dr. Schütz sie in den Obduktionssaal herein. Mitten in dem gefliesten Saal standen mehrere Tische aus Edelstahl. Einer davon war mit einem weißen Tuch bedeckt. Dorthin führte der Gerichtsmediziner sie und entfernte dann behutsam das Tuch, als wolle er der darunterliegenden Frau nicht wehtun. Patrizia wusste aus Erfahrung, dass er immer sehr darauf bedacht war, die Würde der Leichen zu wahren und dieses Mal war es nicht anders. Nachdem er das Tuch zur Seite gelegt hatte, schaltete er das Diktiergerät ein und begann Datum, Uhrzeit und die Namen aller Anwesenden hineinzusprechen. Dann nannte er die Eckdaten der jungen Frau, die auf seinem Untersuchungstisch lag. Ihre Kleidung war bereits entfernt und der Körper gewaschen worden, so dass er sofort mit der Begutachtung beginnen konnte.

»Die junge Frau ist schätzungsweise Mitte Zwanzig, 1,72 m groß und wiegt 68 Kilo. Sie hat einen sportlichen Körper, der einen gepflegten Eindruck macht. Äußerlich sind keine Narben oder Einstiche zu erkennen. Am linken Fuß direkt oberhalb des Knöchels befindet sich ein fünf Zentimeter langes schwarzes Tattoo, das eine Rose darstellt.«

Er schaltete das Diktiergerät aus und wandte sich an die beiden Polizisten. »Das Tattoo scheint schon ein paar Jahre alt zu sein. Vier bis sechs Jahre, würde ich tippen. Es könnte für die Identifizierung sehr hilfreich sein.«

Patrizia und Manfred nickten gleichzeitig. Außer den Täter zu finden, war die Identifizierung der Leiche ihre oberste Priorität.

Nachdem der Gerichtsmediziner einige weitere Erkenntnisse in das Gerät diktiert hatte, kam er auf die äußerlich sichtbaren Verletzungen zu sprechen. Er zeigte auf den Hals der jungen Frau und meinte: »Allem Anschein nach wurde die Frau mit bloßen Händen erwürgt. Die Abdrücke der Finger sind deutlich zu erkennen. Der Täter muss dabei hinter ihr gestanden haben, denn die Fingerspitzen befinden sich vorne am Kehlkopf.«

»Konnte er denn mit den Fingerspitzen überhaupt fest genug zudrücken?«, wunderte sich Manfred.

»Es braucht schon einiges an Kraft, um den Kehlkopf eines Menschen einzudrücken, aber wenn derjenige gut trainiert ist, kann er es durchaus geschafft haben.«

»Er? Du gehst also von einem männlichen Täter aus?«, hakte Patrizia nach.

»Ich stelle es mir für eine Frau schwierig vor, die erforderliche Kraft aufzubringen. Außerdem ist das Opfer nicht dort getötet worden, wo sie gefunden wurde. Die Leiche ist also transportiert worden. Auch das ist kein einfaches Unterfangen. Daher gehe ich von einem männlichen Täter aus.«

Patrizia nickte zustimmend. »Ich nehme an, dass du aufgrund der Todesflecken davon ausgehst, dass Tatort und Fundort nicht übereinstimmen?«

»Ja, die Todesflecken befinden sich am Gesäß und den Fußsohlen, so als habe sie auf einem Stuhl oder etwas Ähnlichem gesessen. Dazu passen auch die Verletzungen, die ich an Hand- und Fußgelenken gefunden habe.« Dr. Schütz zeigte auf die tiefen roten Striemen, die sich an den jeweiligen Gelenken befanden. Sie waren auf der blassen, wächsernen Haut deutlich zu erkennen. »Wahrscheinlich hat der Täter sie festgebunden, damit sie sich nicht wehren und auch nicht fliehen konnte.«

»Sieht ganz so aus«, stimmte Manfred zu und wollte wissen: »Kannst du schon sagen, womit sie festgebunden wurde?«

»Wahrscheinlich mit einem dünnen Seil. Genaueres findet ihr in meinem Obduktionsbericht, wenn er fertig ist.«

Mit diesen Worten griff er zu dem nächsten Instrument auf seinem Tisch und Patrizia wusste, sofort, was nun kommen würde. Instinktiv wappnete sie sich gegen den Geruch, der ihr keine Minute später in die Nase drang, als der Gerichtsmediziner begann einen langen Schnitt vom Kehlkopf bis zum Schambein durchzuführen. Patrizia und ihr Kollege sahen zu, wie Dr. Schütz die Haut zurückklappte, den Brustkorb mit einer Säge freilegte und schließlich sorgfältig ein Organ nach dem anderen entfernte. Patrizia sah unauffällig zu Manfred hinüber, dessen Gesicht mittlerweile einen leicht grauen Schimmer angenommen hatte. Sie merkte, wie sehr ihr Kollege auch heute bei der Obduktion mit Übelkeit zu kämpfen hatte und war dankbar, dass sie selbst einen so robusten Magen besaß. Trotzdem war sie erleichtert, als die Prozedur nach fast vier Stunden endlich vorüber war.