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Das Buch von Marie Schneider erzählt die Geschichte einer jungen Frau namens Julia, die gegen die Machenschaften eines mächtigen Pharmakonzerns kämpft. Nachdem sie herausfindet, dass ein neues Medikament schwere Nebenwirkungen hat, beginnt sie, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Unterstützung findet sie in Ben, einem Polizisten, der ihr zur Seite steht. Doch als Ben entführt wird, steht Julia vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Aufgeben und Bens Leben retten oder weiterkämpfen und riskieren, alles zu verlieren.
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Seitenzahl: 215
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Vorwort
Titel: Tödliche Machenschaften: Das Medikament der Lüge
Marie Schneider ist eine deutsche Autorin, die ihre Leidenschaft für das Schreiben schon früh entdeckte. Aufgewachsen in einer kleinen Stadt, fand sie in der Natur und im Alltagsleben Inspiration für ihre Geschichten. Bevor sie ihre Karriere als Schriftstellerin begann, arbeitete sie viele Jahre in der Sozialarbeit, wo sie tiefe Einblicke in die menschliche Natur und zwischenmenschliche Beziehungen gewann. Diese Erfahrungen prägen heute ihre Werke, die oft alltägliche Themen mit einem besonderen Blick für die emotionalen Nuancen des Lebens beleuchten. Marie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Hamburg und liebt es, in ihrer Freizeit ausgedehnte Spaziergänge mit ihrem Hund zu machen.
Kapitel 1: Die Alarmglocken
Das Krankenhaus war in den frühen Morgenstunden ungewöhnlich still. Das übliche Summen von Aktivität fehlte, als Dr. Julia Meier ihren Kittel überwarf und einen Schluck vom halb kalten Kaffee nahm, den sie an der Rezeption stehen gelassen hatte. Die Nachtschicht war vorbei, und der Übergang zur Tagesschicht verlief überraschend ruhig. Julia wusste, dass sie bald in den Operationssaal gerufen werden würde, aber bevor der Stress des Tages begann, hatte sie noch ein wenig Zeit, um sich um ihre Patienten zu kümmern.
Ihre erste Visite führte sie zu Frau Kessler, einer älteren Dame, die seit zwei Wochen wegen einer Herzschwäche in der Klinik war. Doch es war nicht das Herz, das Julia beunruhigte. Sie blätterte durch die Akte und überflog die letzten Einträge. Frau Kessler war stabil gewesen, bis vor wenigen Tagen. Plötzlich hatten sich ihre Nierenwerte verschlechtert, und sie hatte über starke Kopfschmerzen und einen metallischen Geschmack im Mund geklagt.
„Guten Morgen, Frau Kessler“, sagte Julia sanft, als sie das Zimmer betrat. Die ältere Dame lächelte schwach. Auf ihrem Nachttisch standen zwei kleine Schalen, die offensichtlich von ihrem Enkelkind gefüllt worden waren – eine mit Muffins, die aussahen, als hätte jemand Kinder Bueno hineingebacken, und eine zweite mit bunten Teletubbies-Plastikfiguren, die sich zwischen dem Gebäck verteilten.
„Das ist von meiner kleinen Lilly“, sagte Frau Kessler und deutete auf die Schalen. „Sie dachte, dass die Teletubbies mir helfen könnten, wieder gesund zu werden.“
Julia lächelte zurück und musterte die Schalen. „Ich bin sicher, dass Lilly recht hat. Ein bisschen Magie hat noch niemandem geschadet“, sagte sie, während sie mit ihrer Untersuchung begann. Doch sie war besorgt. Die Blutwerte hatten sich seit ihrer letzten Untersuchung rapide verschlechtert, und Frau Kessler hatte über Schwindel und Atemnot geklagt – Symptome, die nicht allein mit ihrer Herzinsuffizienz zu erklären waren.
Julia fragte nach den Medikamenten, die Frau Kessler derzeit einnahm. Die Liste war lang, aber es war ein neues Medikament, das ihre Aufmerksamkeit erregte: Cardioprax, ein erst kürzlich zugelassenes Mittel, das angeblich Wunder bei der Behandlung von Herzproblemen bewirken sollte. Doch irgendetwas daran stimmte nicht. Sie hatte bereits mehrere Patienten, die ähnliche Beschwerden entwickelten, seitdem sie Cardioprax eingenommen hatten. Kopfschmerzen, Übelkeit, sich verschlechternde Nierenwerte – all das schien eine seltsame Korrelation zu zeigen.
Frau Kessler bemerkte Julias besorgten Gesichtsausdruck. „Ist etwas nicht in Ordnung, Doktor?“, fragte sie leise.
Julia schüttelte den Kopf. „Nein, machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden ein paar zusätzliche Tests machen, nur um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist“, antwortete sie. Doch innerlich nagte die Unsicherheit an ihr. Sie wusste, dass sie der Sache auf den Grund gehen musste.
Später, als Julia in der Teeküche eine kurze Pause machte, kam ihr Kollege Dr. Mark Weber herein. Er hatte zwei Muffins in der Hand – ebenfalls mit Kinder Bueno-Stückchen verziert – und grinste sie an. „Die besten Kollegen bringen Muffins mit“, sagte er. „Ich habe mir schon einen gesichert.“
Julia konnte nicht anders, als zu lächeln. „Die Kinder Bueno Muffins scheinen heute der Hit zu sein. Aber sag mal, Mark, hast du auch Patienten, die Cardioprax nehmen? Mir fällt auf, dass einige unserer älteren Patienten ungewöhnliche Nebenwirkungen haben.“
Mark runzelte die Stirn und setzte sich auf die Küchenzeile. „Ja, jetzt wo du es sagst. Ich hatte letzte Woche zwei Patienten mit unerklärlichen Nierenproblemen. Beide nahmen Cardioprax. Meinst du, da könnte ein Zusammenhang bestehen?“
Julia zögerte. „Ich weiß es nicht. Aber es fühlt sich seltsam an. Vielleicht sollten wir uns die Akten genauer ansehen.“
Mark nickte und sah sie nachdenklich an. „Wenn du meinst, dass da was dran sein könnte, unterstütze ich dich. Aber sei vorsichtig, Julia. Die Pharmafirmen sind mächtig, und wenn du versuchst, Fragen zu stellen, könnten sie das nicht besonders schätzen.“
Julia zuckte die Schultern, doch innerlich spürte sie ein unwohles Gefühl aufsteigen. „Wenn unsere Patienten gefährdet sind, dann ist es meine Pflicht, das herauszufinden“, sagte sie entschlossen. „Egal, wie mächtig die Leute hinter diesem Medikament sind.“
Mark reichte ihr einen der Muffins. „Dann brauchst du Energie. Lass uns das gemeinsam angehen.“
Julia nahm den Muffin und biss gedankenverloren hinein, während sie über die nächsten Schritte nachdachte. Sie wusste, dass dies nur der Anfang war. Ein Verdacht, eine leise Ahnung, dass etwas nicht stimmte. Doch sie ahnte noch nicht, dass diese Entdeckung sie bald in ein Netz aus Lügen, Manipulationen und tödlichen Machenschaften verstricken würde – eine Verschwörung, in der es um viel mehr ging als nur um ein Medikament. Es ging um Macht, Gier und das Leben von Millionen Menschen.
Kapitel 2: Der erste Verdacht
Julia saß in ihrem kleinen Büro, das mit Papierstapeln und Aktenordnern überfüllt war. Es war mittlerweile später Nachmittag, und sie spürte eine bleierne Müdigkeit in ihrem Körper, die nur eine gute Tasse Kaffee lindern konnte. Ihr Computer brummte leise, während sie die Ergebnisse der Patientenuntersuchungen abwartete, die sie im System eingegeben hatte. Sie seufzte tief, als ihr Blick auf die kleine Espressomaschine in der Ecke fiel – die Maschine, die sie nur allzu oft nutzte, um die Erschöpfung der langen Arbeitstage zu vertreiben.
Mit einem entschlossenen Ruck stand sie auf und füllte die Maschine mit frischem Wasser und einer großzügigen Portion gemahlenem Kaffee. Sie griff nach der Mandelmilch im Kühlschrank, die sie sich extra für solche Gelegenheiten besorgt hatte – eine kleine Abweichung von ihrer früheren Gewohnheit, ihren Kaffee mit normaler Milch zu trinken. Mandelmilch gab ihr das Gefühl, zumindest in einer kleinen Weise gesünder zu sein, in einem Alltag, der oft alles andere als gesund war.
Während der Kaffee durchlief, nahm sie sich einen Moment Zeit, um durchzuatmen. Ihr Blick wanderte zum Fenster hinaus, wo die untergehende Sonne den Himmel in ein warmes, orangenes Licht tauchte. Für einen Moment fühlte sie eine seltsame Mischung aus Ruhe und Sorge. Der Gedanke an Frau Kessler ließ sie nicht los. Es war, als würde ein leises Alarmsignal tief in ihrem Inneren klingeln, ein Gefühl, das sie schon oft gespürt hatte – eine Intuition, die sich in ihrer Laufbahn bisher nur selten getäuscht hatte. Etwas stimmte nicht.
Der Duft des Kaffees brachte sie aus ihren Gedanken zurück in die Realität. Sie goss sich eine Tasse ein und ließ einen kleinen Schuss Mandelmilch hineinfließen, während sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Die letzten Wochen hatten gezeigt, dass immer mehr Patienten ungewöhnliche Symptome aufwiesen – Symptome, die möglicherweise mit dem neuen Medikament Cardioprax zusammenhingen. Doch warum bemerkte das sonst niemand?
Julia griff nach ihrem Handy und rief Mark an. Er nahm nach dem dritten Klingeln ab. Seine Stimme klang abwesend, als ob er gerade in etwas anderes vertieft war.
„Hey Mark, ich brauche deine Meinung“, sagte sie, während sie sich auf ihren Schreibtischstuhl zurückfallen ließ und den Kaffee mit beiden Händen umklammerte, als könnte er ihr den notwendigen Halt geben.
„Was ist los, Julia?“ fragte Mark, und sie konnte das Geräusch von Papier rascheln hören. Wahrscheinlich war er gerade mit seinen eigenen Patientenakten beschäftigt.
„Es geht um Cardioprax. Ich glaube, die Sache ist ernster, als wir dachten. Ich habe gerade noch mehr Patientenakten durchgesehen und... es ergibt keinen Sinn. Die Nebenwirkungen – sie sind zu häufig, als dass es Zufall sein könnte. Ich habe das Gefühl, wir übersehen etwas Wichtiges.“
Mark schwieg für einen Moment. Julia konnte sein Atemholen hören, bevor er langsam sprach: „Weißt du, Julia, wenn wir das ernsthaft verfolgen, könnte es für uns beide gefährlich werden. Du kennst die Pharmaindustrie. Die haben viel Macht. Und wer auch immer dahinter steckt, wird sicher alles tun, um die Wahrheit zu vertuschen.“
Julia biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste, dass er recht hatte. Sie wusste, dass es gefährlich war, sich gegen eine große Pharmafirma zu stellen. Aber das Gefühl der Ungerechtigkeit – das Gefühl, dass Menschen, die auf ihre Hilfe vertrauten, absichtlich in Gefahr gebracht wurden – ließ sie nicht los.
„Ich weiß, Mark“, sagte sie leise. „Aber ich kann das nicht ignorieren. Ich kann nicht einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen.“
„Okay“, sagte Mark schließlich. „Ich bin bei dir. Lass uns das zusammen durchziehen.“
Julia fühlte eine Welle der Erleichterung durch ihren Körper strömen, als sie auflegte. Es tat gut zu wissen, dass sie nicht allein war. Aber gleichzeitig spürte sie auch die wachsende Angst – eine Ahnung dessen, was auf sie zukommen könnte, wenn sie die Wahrheit ans Licht bringen wollte.
Am nächsten Morgen stand Julia früh auf. Der Kaffee in ihrer Küche dampfte, während sie den Lockenstab aufheizte, um ihre widerspenstigen Haare in Form zu bringen. Sie hatte eine wichtige Besprechung mit der Krankenhausleitung, und ihr war klar, dass sie sich gut präsentieren musste, wenn sie das Thema ansprechen wollte. Ihre Hände zitterten leicht, während sie eine Locke nach der anderen um den heißen Stab wickelte, und sie zwang sich, ruhig zu atmen. Es fühlte sich an, als würde ihr Herz schneller schlagen als gewöhnlich, und die Nervosität kroch ihr in den Magen.
In der Klinik angekommen, hatte sie kaum Zeit, durchzuatmen, als sie auch schon zu der Besprechung gerufen wurde. Der Raum war hell erleuchtet, das Licht grell und unbarmherzig. Die Krankenhausleitung saß auf der anderen Seite des langen Tisches – eine Gruppe von Menschen, die in ihren makellosen Anzügen unangenehm distanziert wirkten. Der leitende Arzt, Dr. Krämer, musterte sie mit einem Blick, der sie sofort erkennen ließ, dass dies kein einfaches Gespräch werden würde.
„Dr. Meier“, begann Krämer, und seine Stimme war fest, beinahe kühl. „Wir haben gehört, dass Sie Fragen bezüglich des Medikaments Cardioprax haben.“
Julia nickte und versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten. „Ja, Herr Dr. Krämer. Ich habe in den letzten Wochen bei mehreren Patienten schwere Nebenwirkungen festgestellt, die offenbar im Zusammenhang mit dem Medikament stehen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir das näher untersuchen, bevor weitere Patienten gefährdet werden.“
Es entstand eine lange Pause. Die Mitglieder der Krankenhausleitung warfen sich Blicke zu, und Julia spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Sie wusste, dass sie auf dünnem Eis stand, aber sie hatte nicht erwartet, dass die Stimmung so angespannt sein würde.
„Dr. Meier“, sagte Krämer schließlich, und seine Stimme war nun deutlich kühler als zuvor. „Wir schätzen Ihr Engagement für Ihre Patienten sehr, aber Sie müssen verstehen, dass es hier um viel mehr geht als nur um medizinische Details. Cardioprax ist ein zugelassenes Medikament, und wir verlassen uns auf die Studien, die durchgeführt wurden. Wir können es uns nicht leisten, Panik zu verbreiten, besonders nicht, wenn es dafür keinen soliden Beweis gibt.“
Julia schluckte schwer. „Aber die Patienten – ihre Werte –“
Krämer unterbrach sie. „Das reicht, Dr. Meier. Ich rate Ihnen, sich wieder auf Ihre Arbeit zu konzentrieren und solche Anschuldigungen nicht weiter zu verfolgen. Es wäre bedauerlich, wenn Ihr Engagement missverstanden würde.“
Julia spürte, wie ihre Kehle trocken wurde. Es war eine klare Drohung, versteckt hinter höflichen Worten. Sie fühlte sich hilflos, als sie den Raum verließ, und die Schwere des Moments drückte auf ihre Schultern. Es war, als würde sich die Welt um sie herum verdunkeln, und für einen Moment wusste sie nicht, wohin sie sich wenden sollte.
Doch dann erinnerte sie sich an die Worte, die Mark gesagt hatte. Sie war nicht allein. Und auch wenn die Straße, die vor ihr lag, gefährlich und ungewiss war, wusste sie, dass sie nicht aufgeben konnte. Zu viele Menschen waren betroffen. Zu viele Leben standen auf dem Spiel.
Als sie schließlich auf dem Parkplatz ankam, zündete sie sich eine Zigarette an. Sie hatte das Rauchen eigentlich vor Jahren aufgegeben, aber heute brauchte sie einfach etwas, um den Stress zu bewältigen. Der erste Zug brannte in ihrer Lunge, und für einen Moment fühlte sie, wie die Spannung von ihr abfiel. Sie schloss die Augen und ließ den Rauch langsam aus ihren Lungen entweichen.
Der Kampf, der vor ihr lag, würde nicht einfach werden. Aber sie wusste, dass sie bereit war, ihn aufzunehmen – egal, was kommen würde.
Kapitel 3: Der anonyme Hinweis
Die nächsten Tage verliefen wie im Nebel. Julia fühlte sich wie in einer Endlosschleife aus Besprechungen, Visiten und einem ständigen, nagenden Gefühl der Ohnmacht. Ihre Versuche, die Sache mit Cardioprax weiter zu verfolgen, stießen überall auf taube Ohren, und der Druck wuchs. Es war, als hätte jeder Schritt, den sie in diese Richtung machen wollte, einen unsichtbaren Widerstand erzeugt. Der leitende Arzt Dr. Krämer hatte es ihr sehr deutlich gemacht: Sie sollte sich zurückhalten. Doch die Sorge um ihre Patienten und das quälende Gefühl, dass sie sie im Stich ließ, ließen sie einfach nicht los.
Eines Abends, als sie sich in ihrem Büro niedergelassen hatte, um noch einmal die Berichte durchzugehen, bemerkte sie ein ungewöhnliches Symptom in einer Patientenakte, die sie durchblätterte. Es war eine junge Frau, gerade mal Mitte dreißig, die plötzlich über Pickel und einen starken Hautausschlag klagte. Dazu kamen Symptome wie extreme Stimmungsschwankungen und eine deutliche Verschlechterung ihrer psychischen Verfassung. Julia erinnerte sich an die Frau. Sie hatte früher keinen Anflug von Depressionen gehabt – sie war eine positive, lebensfrohe Persönlichkeit gewesen. Doch in ihren letzten Notizen hatte die Patientin immer wieder über tiefe Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit gesprochen, die sie nicht erklären konnte. Als Julia den Eintrag las, spürte sie, wie sich ihr Herz zusammenzog. Es war, als hätte die junge Frau ihren Kampf gegen das Leben verloren, noch bevor sie wirklich krank geworden war.
Julia ließ die Akte auf den Schreibtisch fallen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Die Gefühle, die sie dabei übermannten, waren überwältigend – eine Mischung aus Schuld, Ohnmacht und tiefer Traurigkeit. Sie hatte das Gefühl, versagt zu haben. Sie konnte das Bild der jungen Frau einfach nicht aus ihrem Kopf bekommen. Sie sah die Art, wie sie vor ihr gesessen hatte – blass, ihre Augen rot vom Weinen, der Ausschlag auf ihrer Haut wie ein leuchtendes Zeichen ihrer inneren Qual. Warum hatte niemand diese Nebenwirkungen ernst genommen?
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Sie wischte sich hastig die Tränen weg, bevor sie die Tür öffnete. Mark stand vor ihr, eine tiefe Sorgenfalte auf seiner Stirn. Er musterte sie für einen Moment, bevor er fragte: „Alles in Ordnung, Julia? Du siehst erschöpft aus.“
Julia versuchte, ein schwaches Lächeln hervorzubringen, doch es gelang ihr kaum. „Ich weiß nicht, Mark. Ich habe gerade das Gefühl, dass ich gegen Windmühlen kämpfe. Ich... ich sehe meine Patienten leiden, und ich kann nichts dagegen tun. Es bricht mir das Herz.“
Mark nickte, trat näher und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du tust, was du kannst. Und du bist nicht allein in diesem Kampf.“
Julia senkte den Blick. Sie wollte stark sein, wollte das Gefühl haben, dass sie wirklich etwas bewirken konnte. Doch die Realität sah anders aus. Das System war zu groß, zu mächtig, und sie war nur eine kleine Ärztin, die versuchte, dagegen anzukämpfen. In ihrem tiefsten Inneren wusste sie jedoch, dass sie nicht aufgeben konnte. Es war keine Option. Sie musste weitermachen – nicht nur für die junge Frau mit dem Ausschlag und den Depressionen, sondern für alle ihre Patienten.
Mark ließ seine Hand von ihrer Schulter sinken, zog dann ein kleines, in Papier eingewickeltes Päckchen aus seiner Tasche. „Ich habe dir etwas mitgebracht. Vielleicht hilft es dir, für einen Moment den Kopf frei zu bekommen“, sagte er.
Julia nahm das Päckchen und öffnete es. Ein einzelnes Stück Schokolade kam zum Vorschein. Sie schnaubte leise. „Du weißt genau, wie du mich rumkriegst“, sagte sie und biss ein kleines Stück ab. Die Süße schmolz auf ihrer Zunge, und sie fühlte, wie ein winziger Funken von Trost in ihr aufstieg. Es war nicht viel, aber es war genug, um weiterzumachen.
Später in der Nacht, als Julia fast dabei war, sich ins Bett zu legen, bemerkte sie eine Benachrichtigung auf ihrem Handy. Es war eine E-Mail, doch der Absender war anonym. Das Betreff Feld lautete lediglich „Wichtige Informationen zu Cardioprax“.
Julias Herz begann schneller zu schlagen. Sie setzte sich auf die Bettkante und öffnete die Nachricht. Der Text war knapp, beinahe paranoid, als wäre der Verfasser selbst in ständiger Angst, entdeckt zu werden.
„Dr. Meier, ich bin mir sicher, dass Sie bereits Verdacht geschöpft haben. Cardioprax hat schwerwiegende Nebenwirkungen, die absichtlich vertuscht werden. Die Firma weiß davon, und sie werden alles tun, um die Wahrheit zu verschleiern. Ich arbeite für Medidyn, und ich habe gesehen, wie Dokumente manipuliert wurden, um die tatsächlichen Nebenwirkungen zu verbergen. Bitte seien Sie vorsichtig. Sie sind nicht allein – aber sie werden versuchen, Sie zum Schweigen zu bringen.“
Julia spürte, wie ihr Puls raste. Ihre Hände zitterten, als sie das Handy festhielt, und ihre Augen brannten von den Tränen, die plötzlich aufstiegen. Es war, als hätte jemand einen düsteren Vorhang zur Seite gezogen und ihr einen Blick auf das gewährt, was sich wirklich hinter all den Zahlen und Berichten verbarg. Diese Nachricht war ein Beweis, dass sie nicht verrückt war. Dass ihre Intuition richtig gewesen war. Doch es war auch ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie sich in große Gefahr begab.
Sie schloss die Augen und ließ die Tränen laufen. Sie weinte nicht nur wegen der Angst, sondern auch wegen der Erleichterung, dass jemand die Wahrheit wusste und bereit war, sie zu teilen. Es war, als ob der emotionale Druck der letzten Tage endlich ein Ventil gefunden hatte. Sie weinte, bis ihr Körper vor Erschöpfung zitterte, und sie legte sich schließlich, völlig ausgelaugt, aufs Bett. Der Schlaf kam schnell, aber ihre Träume waren dunkel und voller Angst.
Am nächsten Morgen fühlte sich Julia zerschlagen und müde, doch sie wusste, dass sie weitermachen musste. Der Tag war trübe, und dicke Wolken hingen über der Stadt, als sie auf dem Weg ins Krankenhaus war. Ihre Gedanken schweiften zu ihren Patienten – zu Frau Kessler, zu der jungen Frau mit den Depressionen, zu all jenen, die ihr Vertrauen in die Medizin gesetzt hatten und nun mit den Konsequenzen kämpfen mussten.
Als sie schließlich Frau Kesslers Zimmer betrat, sah sie die alte Dame still auf ihrem Bett sitzen. Ihr Gesicht war blass, und ihre Augen wirkten leer, als sie vor sich hin starrte. Julia setzte sich an ihre Seite und legte sanft ihre Hand auf die der Patientin. „Wie geht es Ihnen heute, Frau Kessler?“ fragte sie mit leiser Stimme.
Die ältere Frau schaute langsam zu ihr auf, und in ihren Augen schimmerte ein Hauch von Verwirrung. „Ach, Doktor... ich weiß nicht“, sagte sie schließlich. „Es fühlt sich an, als wäre alles... alles irgendwie durcheinander. Ich kann nicht klar denken.“
Julia spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Sie hatte schon lange befürchtet, dass die Nebenwirkungen auch das Gehirn beeinträchtigen könnten. Frau Kessler wirkte dement, als wäre sie in einer Welt gefangen, die ihr fremd geworden war. Es brach Julia das Herz, sie so zu sehen – eine stolze, freundliche Frau, die ihr Leben lang für ihre Familie da gewesen war, und nun langsam in den Nebel einer unklaren, schmerzhaften Welt abdriftete.
„Wir werden alles tun, um Ihnen zu helfen“, sagte Julia, auch wenn sie wusste, dass ihre Worte hohl klangen. Es gab nichts, was sie gerade tun konnte, außer an ihrer Seite zu sein.
Als sie das Zimmer verließ, musste Julia tief durchatmen, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Egal, wie mächtig ihre Gegner waren, sie würde nicht aufhören, die Wahrheit zu suchen. Sie würde für Frau Kessler, für die junge Frau mit den Depressionen und für all ihre Patienten kämpfen. Die Welt mochte dunkel und bedrohlich erscheinen, aber es gab immer noch Hoffnung – und Julia wusste, dass sie diese Hoffnung verkörpern musste, egal, was auf sie zukam.
Kapitel 4: Der verborgene Verbündete
Es war ein kalter, grauer Morgen, als Julia auf dem Krankenhausflur einem Kollegen begegnete, den sie noch nicht wirklich kennengelernt hatte. Er stand an einem der Schwesternstützpunkte und schien gerade eine Notiz in die Krankenakte einer Patientin einzutragen. Sein Anblick ließ Julia kurz innehalten – er hatte etwas Anziehendes an sich. Eine Brille mit schmalem schwarzem Rande saß auf seiner Nase, und hinter den Gläsern blitzten helle Augen, die mit einer Mischung aus Interesse und etwas, das fast süffisant wirkte, auf ihre reagierten, als sie näher kam.
Er war offensichtlich jung, wahrscheinlich fünf Jahre jünger als sie, und sein jugendlicher Charme, gepaart mit einer gewissen Selbstsicherheit, ließ ihn auffallen. Er hatte lockeres, dichtes braunes Haar, das ein wenig ungezähmt wirkte, als hätte er einfach keine Lust gehabt, es zu bändigen. Das Krankenhaus-Poloshirt, das er trug, spannte sich leicht über seiner Brust, und Julia bemerkte, wie eine der Krankenschwestern neben ihm kicherte, als er etwas sagte.
Sie hatte es eilig, aber aus irgendeinem Grund verlangsamten sich ihre Schritte, und sie blieb schließlich neben ihm stehen. „Sie müssen der neue Kollege sein“, sagte sie, wobei sie versuchte, ihre Stimme neutral und professionell zu halten. „Ich bin Dr. Julia Meier.“
Der junge Arzt drehte sich zu ihr und ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen. „Ah, Dr. Meier. Ja, ich habe schon von Ihnen gehört“, sagte er, wobei sein Tonfall eine gewisse doppeldeutige Note hatte, die Julia irritierte, aber auch neugierig machte. „Dr. Lukas Brandt. Es ist mir eine Freude.“
Er reichte ihr die Hand, und Julia nahm sie zögernd. Sein Händedruck war fest, warm, und sie konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass etwas an ihm sie sowohl herausforderte als auch faszinierte. Sein Lächeln hatte etwas Verspieltes, und es schien fast, als könnte er ihre Unsicherheit spüren.
„Haben Sie schon viel von mir gehört?“ fragte sie, wobei sie sich bemühte, ihre Stirn nicht allzu argwöhnisch zu runzeln.
Lukas zuckte leicht mit den Schultern und ein süffisantes Lächeln huschte erneut über sein Gesicht. „Nun, ich höre so einiges in den Fluren. Besonders darüber, dass Sie wohl sehr neugierig sind, was gewisse Medikamente betrifft. Cardioprax, oder?“ Er schob seine Brille auf die Nase und sah sie mit seinen durchdringenden Augen an.
Julia spürte, wie sich ihr Brustkorb verkrampfte. Sie schluckte schwer und merkte, wie ihr Puls stieg. Hatte sie es hier mit einem Spitzel zu tun, oder jemandem, der sie einschüchtern wollte? Doch etwas an seiner Haltung ließ sie innehalten. Vielleicht war er anders. Vielleicht war er neugierig auf dieselbe Sache wie sie.
„Tja, neugierig zu sein gehört zu meinem Job, Dr. Brandt“, antwortete sie vorsichtig. „Vor allem, wenn es um das Wohl meiner Patienten geht.“
Er nickte langsam, während sein Lächeln immer breiter wurde. „Das gefällt mir“, sagte er schließlich, während er die Akte zuklappte und sie unter den Arm klemmte. „Wissen Sie, ich bin auch jemand, der nicht gerne wegsieht. Ich habe ebenfalls einige Ungereimtheiten bemerkt und war drauf und dran, mir einen Verbündeten zu suchen. Und da sind Sie, Dr. Meier, mit Ihrer Neugier.“
Julia war überrascht und spürte gleichzeitig, wie sich Erleichterung in ihr breit machte. Vielleicht war dies endlich der Moment, in dem sie jemand ernst nahm. Sie fühlte, wie Hoffnung in ihr aufstieg – die Hoffnung, dass sie nicht mehr allein war. „Also, Dr. Brandt, wie viel wissen Sie denn über Cardioprax?“ fragte sie und versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten.
„Nicht genug, um den Vorstand zu überzeugen, aber genug, um zu wissen, dass hier einiges nicht stimmt“, sagte Lukas, und sein Gesicht wurde ernst. „Vielleicht sollten wir uns später mal zusammensetzen. Vielleicht bei einem Bier nach Feierabend? Ich könnte mir vorstellen, dass wir einiges zu besprechen haben.“
Julia zögerte. Sie war sich nicht sicher, was sie von diesem jungen Arzt halten sollte, der so plötzlich in ihre Angelegenheiten eintauchte und so charmant ein Angebot machte. Ein Teil von ihr warnte sie, vorsichtig zu sein. Doch ein anderer Teil – ein verzweifelter, erschöpfter Teil – wollte einfach jemanden, der ihr half. Jemanden, der ihr zeigte, dass sie nicht gegen eine unsichtbare Wand rannte.
Sie nickte schließlich und brachte ein leichtes Lächeln zustande. „Gut, warum nicht. Lassen Sie uns heute Abend reden.“
Ein paar Stunden später trafen sich Julia und Lukas in einer kleinen, urigen Kneipe nahe dem Krankenhaus. Der Raum war von warmem Licht erfüllt, und der Geruch von Holz und altem Bier mischte sich mit der vertrauten, beruhigenden Atmosphäre. Lukas hatte schon zwei Flaschen Veltins auf dem Tisch stehen, als Julia eintraf, und sie konnte nicht anders, als zu bemerken, wie entspannt er aussah. Er schien den Stress des Krankenhauses mühelos abstreifen zu können – etwas, das Julia immer schwergefallen war.
Sie setzte sich ihm gegenüber und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, während Lukas sie beobachtete. Seine Augen funkelten hinter der Brille, und er schien zu wissen, dass sie ihn einschätzte, ihn zu durchschauen versuchte. Er lächelte leicht. „Also, Julia – darf ich Julia sagen? – ich bin wirklich froh, dass wir uns hier treffen. Ich denke, es ist wichtig, dass wir einen klaren Kopf behalten.“
Julia nickte, während sie spürte, wie der bittere Geschmack des Biers sie ein wenig beruhigte. „Sicher. Ich bin nur... Ich habe das Gefühl, gegen etwas anzukämpfen, das ich nicht ganz verstehe. Die Leitung des Krankenhauses will nichts davon hören, und die Pharmafirma scheint alles unter Kontrolle zu haben. Es ist frustrierend.“
Lukas lehnte sich in seinem Stuhl zurück, und seine Augen wirkten plötzlich weniger verspielt. „Ich verstehe, was du meinst. Cardioprax ist kein gewöhnliches Medikament. Es gibt Berichte – interne Berichte – die nie das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben. Ich habe Kontakte innerhalb der Firma, die mir Einblicke gegeben haben. Und was ich gesehen habe, ist erschreckend. Wir sprechen hier von absichtlicher Täuschung, Manipulation von Daten und dem bewussten Vertuschen schwerer Nebenwirkungen.“