Toni der Hüttenwirt 124 – Heimatroman - Friederike von Buchner - E-Book

Toni der Hüttenwirt 124 – Heimatroman E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt.Toni, der Hüttenwirt liebt es ursprünglich. In Anna hat er seine große Liebe gefunden. Für ihn verzichtete Anna auf eine Karriere als Bänkerin im weit entfernten Hamburg. Jetzt managt sie an seiner Seite die Berghütte. Am Rathaus in Waldkogel hing ein Zettel: Heute Vormittag geschlossen! Fellbacher Toni las es und griff zum Handy. "Grüß Gott, Fellbacher", meldete sich Toni. "Warum hast du heute das Amt zugemacht? Bist du krank oder streikst du?" Die Männer lachten. "Grüß dich, Toni! Naa, streiken tu ich net. Aber vielleicht wäre des eine gute Idee." "Jetzt bist narrisch, Fellbacher! Los, red! Was gibt es?" "Ich bin unterwegs zum Aumüller, genauer gesagt, zur Gina."

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Toni der Hüttenwirt –124–

Eine neue große Liebe?

Roman von Friederike von Buchner

Am Rathaus in Waldkogel hing ein Zettel:

Heute Vormittag geschlossen!

Fellbacher

Toni las es und griff zum Handy.

»Grüß Gott, Fellbacher«, meldete sich Toni. »Warum hast du heute das Amt zugemacht? Bist du krank oder streikst du?«

Die Männer lachten.

»Grüß dich, Toni! Naa, streiken tu ich net. Aber vielleicht wäre des eine gute Idee.«

»Jetzt bist narrisch, Fellbacher! Los, red! Was gibt es?«

»Ich bin unterwegs zum Aumüller, genauer gesagt, zur Gina.«

»Ah, dann willst endlich Nägel mit Köpfen machen? Gut so!«

»Ja, willst mich net ein bisserl unterstützen, Toni? Du kannst doch gut mit der Gina und dem Friedel.«

»Wenn du mich so fragst, Fellbacher, dann muss ich wohl. Bin gleich dort!«

Toni schaltete das Handy aus und fuhr weiter.

Minuten später hielt Toni auf dem Aumüller Hof und ging ins Haus.

»Grüß Gott! Mei, ist des ein schönes Bild!«, rief Toni aus. »Die ganze Familie ist um des Kinderbettchen versammelt.«

Toni genoss den Anblick. In der großen Wohnküche stand ein Kinderbettchen mit einem rosa Baldachin und rosa Bettwäsche mit Spitzen.

Toni ging hin.

Die kleine Angelina, deren Name Engelchen bedeutet, schlief fest.

»Sie ist wirklich ein Engelchen«, flüsterte Toni.

»Besonders, wenn sie schläft«, schmunzelte Friedel, der junge Vater.

»Ja mei, Friedel, es ist nun mal so, kleine Kinder, die schreien schon mal. Bei dir war es net anders«, sagte Alma Aumüller, die stolze Großmutter, und lachte.

Gina schlug vor, dass sie alle hinausgingen und sich draußen vor dem Haus weiter unterhielten. Die Männer, Friedel, sein Vater Hans, Fellbacher und Toni gingen voraus. Gina und ihre Schwiegermutter machten Kaffee und kamen nach.

»Also«, Fellbacher rieb sich verlegen das Kinn. »Also, Gina, du bist in meinen Augen die geeignetste Bewerberin.«

»Die Gina hat sich net beworben«, fiel Friedel dem Bürgermeis­ter ins Wort.

»Mei, das weiß ich schon! Aber deine Gina ist einfach sehr patent. Ich hätte sie gern in meinem Vorzimmer. Als ehemalige Chefsekretärin hat sie die besten Voraussetzungen. Außerdem …«, Fellbacher spielte mit dem Kaffeelöffel, »… außerdem hatte sie sofort zugepackt, als du mit ihr bei mir auf dem Rathaus warst, wegen der Anmeldung und eurem Aufgebot. Mei, so ein Madl gibt’s so schnell nimmer! Dazu spricht die Gina mehrere Sprachen und des wird auch heut’ innerhalb der öffentlichen Verwaltung immer wichtiger. Mei, da könnte sich Waldkogel richtig hervortun, wenn alle Texte gleich mehrsprachig veröffentlicht werden könnten, alle Bekanntmachungen und so. Waldkogel würde die EU-Empfehlungen mehr als erfüllen. Als Bürgermeister will ich natürlich immer des Beste für meine Gemeinde, Friedel, des musst verstehen«, ereiferte sich Fritz Fellbacher.

»Des verstehe ich schon! Ich weiß schon, was ich an meiner Gina hab’. Die Entscheidung, die liegt auch ganz bei ihr. Ich bin kein Mann, der seine Frau an Haus und Herd anbindet. Nur dass des klar ist! Aber wir haben unsere kleine Angelina, unser Engelchen, und des geht vor, Fellbacher. Bist doch selbst Familienvater!«

Gina räusperte sich.

»Fellbacher, dein Angebot ehrt mich. Freude würde es mir auch machen. Das Muttersein ist eine schöne Aufgabe, und ich bin glücklich, aber ich habe auch ein wenig Sorge, dass ich mich zu einem unausstehlichen Muttertier entwickle. Friedel, deine Mutter bremst mich schon mal, weil ich die Angelina zu sehr verhätschle.«

Gina atmete tief durch.

»Wie wären denn so die Arbeitszeiten?«, fragte sie vorsichtig.

»Also, um dich als Vorzimmer­madl zu bekommen, können wir darüber verhandeln. Sicher willst du morgens net so früh im Amt sein. Die Agnes, die war ja ledig. Bei der war des etwas anderes.«

Fellbacher trank einen Schluck Kaffee.

»Also, ich will dir jetzt mal sagen, wie ich mir des vorstellen könnte. Wenn du vormittags im Rathaus sein würdest, dann wäre des bis auf Ausnahmen genug. Ausnahmen sind die abendlichen Gemeinderatsitzungen und es kann schon mal vorkommen, dass es Eheschließungen am Samstagvormittag gibt. Doch des ist dann höchstens eine Stunde, meisten noch net mal so lange. Ich habe mir da etwas ausgedacht. Wir haben unten ein kleines Zimmer, einen Nebenraum des Vorzimmers. Da lagern Akten. Des ist net nötig, dass man dafür so einen schönen Raum nutzt. Die Akten, die kommen in den Keller. Aus dem Zimmer machen wir einen Babyraum. Des ist ganz modern, dass öffentliche Ämter eine hausinterne Kinderbetreuung haben. Ich weiß, dass des jetzt ein bisserl übertrieben klingt. Es wäre nur so, dass du dann für des Engelchen einen schönen Raum hättest, wenn du es mitbringen willst.«

»Kommst du mit einer Halbtagskraft aus, Fellbacher?«, fragte Toni.

»Des wird schon gehen, denke ich. Wenn net dann, suchen wir eben noch eine Hilfskraft für Nachmittags, die Akten ablegen kann und so weiter. Aber die Hauptverantwortliche, des wäre die Gina. So hab’ ich mir des gedacht. Was sagt ihr dazu?«

Gina sah ihren Mann an.

»Friedel, gefallen würde mir die Aufgabe schon. Meine Mutter ist auch immer arbeiten gegangen. Mir hat es nicht geschadet. Außerdem, die Zeit vergeht so schnell und dann kommt die Angelina in den Kindergarten und später in die Schule. Zu dem Zeitpunkt wollte ich mir sowieso wieder eine Aufgabe suchen.«

»Und ich bin ja auch noch da«, warf Friedels Mutter ein. »Also ich denke, dass die Aufgabe im Rathaus für die Gina genau des Richtige ist.«

Friedel Aumüller sah seine Frau an.

»Gina, ich überlasse es dir«, sagte Friedel. »Ich will, dass du glücklich bist.«

»Das hast du schön gesagt, Friedel. Ich könnte viel für Waldkogel tun. Mir ist nämlich aufgefallen, dass Waldkogel keine Partnerstädte hat.«

»Des war bisher immer daran gescheitert, dass die Agnes in Fremdsprachen net so fit war. Deshalb hab’ ich des auf die lange Bank geschoben. Aber wir haben Anfragen aus Italien, Frankreich, Spanien und England«, verkündete Fellbacher.

Gina strahlte Fellbacher an.

»Gut, dann sage ich zu! Ab morgen?«

»Mei, Gina! Du machst mich glücklich!«

»Des sollte nur deine Irene tun! Lass sie das net hören. Hast net Angst, dass dein dich liebendes Eheweib eifersüchtig wird?«, fragte Toni lachend.

»Naa, die wird froh sein, wenn des auf dem Rathaus wieder seinen geordneten Gang geht. Sie sagt, seit die Agnes fort ist, wäre es daheim fast nimmer mit mir auszuhalten. Aber des ist jetzt Schnee von ges­tern. Dann kommst morgen früh aufs Rathaus und wir regeln alles, Gina!«

Fellbacher streckte Gina die Hand hin. Sie schlug ein.

»Frau Gemeindesekretärin, des muss begossen werden! Gibt es hier einen Obstler?«, fragte Fellbacher.

»Ein Haus ohne Obstler, des möchte ich sehen«, lachte Friedel. Er stand auf und ging Obstler und Gläser holen. Dann tranken sie auf Gina, die neue Gemeindesekretärin.

Bürgermeister Fellbacher verabschiedete sich bald. Er wollte schnell ins Rathaus zurück und aufräumen. Das sagte er aber niemandem. Nach der wochenlangen Männerwirtschaft sah es in seinem Zimmer und im Vorzimmer etwas chaotisch aus. Er wollte bei Gina einen guten Eindruck machen. Außerdem musste die Sache mit den alten Akten sofort in Angriff genommen nehmen. Wenn Gina am nächsten Tag käme, sollte das kleine Zimmer schon geräumt sein. Fritz Fellbacher wusste auch, wen er um Hilfe bitten konnte. Sicherlich würde ihm sein Freund, Pfarrer Heiner Zandler, für den Rest des Tages seine Haushälterin ausleihen. Helene Träutlein war eine tüchtige Person und konnte zupacken.

*

Die Sonne stand tief über Berlin und fiel durch die raumhohen Sprossenfenster des Loftbüros. Die Mitarbeiter der jungen Werbefirma waren schon alle gegangen. Nur die beiden Inhaber Heiko und Julian saßen noch an ihren Schreibtischen. Heiko schaute auf die Uhr. Dann schaltete er seinen Computer aus.

»Gehst du?«, rief Julian zu ihm herüber, ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen.

»Ja, ich habe versprochen, nicht zu spät heimzukommen. Ich will die Kinder noch ins Bett bringen und ihnen eine Gutenachtgeschichte vorlesen.«

»Grüß alle schön vom Onkel Julian!«

»Danke, das werde ich! Arbeite nicht mehr so lange, Julian. Du hast fast schon viereckige Augen.«

Julian lächelte bitter. Er sah auf, verschränkte die Arme vor der Brust und fuhr mit seinem Schreibtischstuhl etwas zurück.

»Was soll ich sonst tun, Heiko? Du weißt, dass ich nicht so viel Glück hatte. Dir ist es gelungen. Du hast eine liebe Frau und drei Kinder warten, bis ihr Papa abends nachhause kommt. In meiner Wohnung wartet niemand.«

»Julian! Julian! Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich mich über deinen versteckten Neid ärgern.«

»Ich bin nicht neidisch, Heiko!«

»Doch das bist du, Julian! Ich kann dir nichts von meiner Familie erzählen, ohne dass du mir mein Glück vorhältst.«

»Du verstehst mich völlig falsch! Ich beschreibe nur Tatsachen, und Fakt ist nun mal, dass du glücklich verheiratet bist und wunderbare Kinder hast, im Gegensatz zu mir. Heiko, wir sind Freunde. Sollte es deshalb nicht möglich sein, auch über Gefühle zu reden?«

Julian drehte sich auf dem Schreibtischstuhl. Er war nervös. Verlegen knackte er mit seinen Fingerknöcheln.

»Ja! Okay, ich gebe es zu! Es gibt mir einen Stich, wenn ich dich von deiner Familie reden höre. Aber das heißt nicht, dass ich sie dir missgönne. Im Gegenteil, ich freue mich für dich, Heiko.«

Heiko zog die Augenbrauen hoch. Er griff zum Telefon und rief daheim an.

»Schatz, ich komme etwas später! Ich will nur noch kurz mit Julian reden. Bis gleich! Ich liebe dich!«

Zum Schluss schickte Heiko einen Kuss als lauten Schmatzer durch die Leitung.

»Das war der Anrufbeantworter. Sie wird mit den Kindern im Badezimmer sein.«

Heiko ging zum Kühlschrank und holte zwei Dosen Bier. Er schob seinen Schreibtischstuhl in Richtung von Julians Schreibtisch und setzte sich.

»So, Julian! Jetzt reden wir und klären die Sache ein für alle Mal!«

»Es gibt nichts zu klären!«

»Oh doch! Du trägst deine verunglückte Liebesaffäre wie ein eingetragenes Markenzeichen mit dir herum. Himmel, Julian! Vergiss Ines! Wie lange soll das noch so weitergehen? Wie lange ist das her? Sechs Jahre?«

»Sieben! Wenn alles so gekommen wäre, wie wir es geplant hatten, dann wären wir in der übernächsten Woche sieben Jahre verheiratet. Wenn du die drei Jahre dazu nimmst, die wir uns vorher kannten, dann sind das zehn Jahre. Das ist mehr als ein Drittel meines Lebens, Heiko.«

»Julian, warum trauerst du Ines immer noch nach? Du solltest froh sein, dass der Kelch an dir vorübergegangen ist. Ich stimme dir zu, dass es bitter war. Aber vorbei ist vorbei. Ist es immer noch Liebe? Das kann doch nicht sein, das wäre ja krankhaft! Ist es verletzte Eitelkeit?«

Julian öffnete die Bierdose. Es zischte. Sie prosteten sich zu und tranken.

»Heiko, lass deine Familie nicht auf dich warten. Ich komme schon klar. Im Augenblick ist es wieder schlimm für mich. Es steigen Erinnerungen hoch. Wenn das Datum des Jahrestages vorbei ist, dann geht es mir wieder besser. Bis dorthin musst du mich so ertragen, Heiko.«

Der Freund schüttelte den Kopf.

»Ich ertrage es schon lange genug, Julian. Ich habe nie etwas gesagt. Du hast seit der geplatzten Hochzeit nur gearbeitet, bist abends immer der Letzte gewesen, hast die meisten Sonntage und Feiertage auch hier verbracht, hast nie Urlaub gemacht. Du hast keine Hobbys mehr, gehst nicht aus. Du versagst dir jedes Vergnügen. Warum? Willst du dich nur betäuben? Willst du dich bestrafen? Machst du dir Vorwürfe, dass es deine Schuld ist?«

Julian zuckte mit den Schultern.

»Du stellst vielleicht Fragen! Ich kann sie dir nicht beantworten. Ich weiß nur, dass es mir am besten geht, wenn ich arbeite. Dann denke ich nichts anderes als nur an die Arbeit. Ich arbeite, bis ich so müde bin, dass ich sofort einschlafe und die Leere neben mir nicht mehr wahrnehme.«

»Das verstehe ich. Aber es bringt dich nicht weiter. Du musst endlich einen Schlussstrich ziehen, Julian!«

»Das habe ich schon oft versucht, Heiko. Vom Verstand her ist es mir auch gelungen, aber da drinnen, da werde ich Ines nicht los«, sagte Julian und legte die Hand aufs Herz.

»Trotzdem kann es nicht so weitergehen. Du kannst Ines doch nicht die Treue halten. Sie hat damals die Hochzeit abgesagt, dir ihren Verlobungsring zurückgegeben und ist mit diesem Marco zusammen gezogen.«

»Sie hat ihn binnen weniger Wochen geheiratet und bekommt jetzt ihr viertes Kind«, murmelte Julian mit größter Bitternis in der Stimme.

»Woher weißt du das?«

»Ich habe ihre Schwester getroffen!«

»Himmel, Julian, höre auf, Ines hinterher zu spionieren. Hast du vielleicht die Hoffnung, dass sie in ihrer Ehe unglücklich ist und sie eines fernen Tages doch zu dir zurückfindet? Du, vier Kinder sehen nicht danach aus! Höre auf, dich diesen unrealistischen Träumen hinzugeben. Du machst dich damit kaputt! Julian, der Mensch hat auf Erden nur ein Leben. Willst du dein ganzes Leben unerfüllten Hoffnungen nachjagen?«

»Heiko, ich weiß! Aber ich bekomme Ines einfach nicht aus meinem Herzen.«

»Du willst nicht loslassen, Julian! Du hältst ihr die Treue, obwohl sie dich so enttäuscht hat.«

»Ines war die große Liebe meines Lebens. Wir waren verlobt. Ihr Brautkleid war gekauft, mein Hochzeitsanzug hing im Schrank, die Einladungen waren verschickt. Sie wollte mit ihren Freundinnen ein Wochenende verbringen, Junggesellinnenabschied feiern. Das war es dann. Sie traf Marco und blieb gleich bei ihm in Italien.«

»Genug jetzt, Julian, deine Selbstzerfleischung bringt dich nicht weiter. Ich weiß, wie es war und alle waren überrascht. Keiner konnte es verstehen.«

»Heiko, wie konnte sie sich in diesen Marco verlieben? Sie hat doch mich geliebt!«

»Sicher war sie verliebt in dich. Was wirklich mit Ines und Marco geschehen ist, als sie sich begegnet sind, das kann ich dir nicht sagen. Aber du solltest wirklich nicht weiter grübeln. Nimm dein Leben wieder in die Hand! Gib einer neuen Liebe eine Chance! Willst du für den Rest deines Lebens allein bleiben?«

»Ich weiß es nicht. Das heißt, ich weiß nur, dass ich nicht von ihr loskomme. Ich muss an sie denken. Ich habe sie so sehr geliebt. Sie war mein Lebensmittelpunkt.«

»Du solltest Urlaub machen. Darauf bestehe ich! Bevor du mit Ines zusammenkamst, warst du doch ein begeisterter Bergsteiger.«

Ein Lächeln huschte über Julians Gesichtszüge.

»Ja, das stimmt! Die Bergsteigerei gab ich für Ines auf. Sie litt unter Höhenangst.«

»Ines gibt es nicht mehr«, sagte Heiko mit fester Stimme, »auch wenn sie dir immer noch im Kopf herumspukt. Deshalb nimmst du jetzt Urlaub. Sofort! Du schaltest jetzt deinen Computer aus, fährst heim, packst und dann geht es südwärts in die Berge. Streiche die Zeit mit Ines oder ziehe endlich einen Schlussstrich. Versuche, so zu leben, als hättest du die Enttäuschung nicht erlebt. Sage dir, es war einfach ein schlimmer Traum.«

»Du meinst, ich sollte an dem Punkt weitermachen, an dem ich vor Ines war?«

»Wenn du es so siehst, ja. Es wäre ein Anfang. Außerdem bist du wirklich mehr als urlaubsreif. Du bist nicht nur mein Freund, sondern wir sind auch Partner. Ich kann auf deine Arbeitskraft nicht verzichten. Was soll ich machen, wenn du ausfällst? Ich bin nur der Zahlenmensch, du bist der kreative Kopf von uns beiden. Wenn du so weitermachst, dann brichst du irgendwann zusammen, Burnout, nennt man so etwas. Also, ab mit dir in die Berge, für die nächste Zeit! Ich will auch noch Urlaub machen, aber bis dorthin, raus mit dir!«

Julian zierte sich. Aber Heiko gab nicht nach. Er redete Julian ins Gewissen. Schließlich erklärte sich Julian bereit, für einige Tage in die Berge zu fahren, aber nicht länger als maximal eine Woche. Heiko fand, das sei zu kurz. Aber auf der anderen Seite war er froh, dass sich Julian wenigstens diese Zeit nehmen wollte. Darüber hinaus vertraute Heiko fest auf die Faszination der Bergwelt. Er kannte Julian seit der frühen Schulzeit und wuss­te nur zu gut, wie sehr Julian für die Berge geschwärmt hatte. Er war ein wirklicher Gipfelstürmer gewesen. Einige Male waren sie zusammen in den Bergen unterwegs gewesen. Doch das hatten die Freunde bald aufgegeben, denn Heiko war nicht so sportlich, als dass er Julians Tempo hatte mithalten können.

»Wie hieß der kleine Ort in den Bergen, der dir so gefiel?«