Freunde aus Kindertagen - Friederike von Buchner - E-Book

Freunde aus Kindertagen E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Es war früher Nachmittag in den Bergen. Sebastian und Franziska kamen über das Geröllfeld. Wie jeden Tag hatten sie nach der Schule bei Tonis Eltern zu Mittag gegessen. Danach hatte Xaver Baumberger die Kinder auf die Oberländer Alm gefahren. »Da seid ihr ja!«, begrüßte sie Anna. Die beiden warfen ihre Schulranzen in die Ecke der Küche. »Au fein, Apfelkuchen mit Streusel, lecker!«, strahlte Sebastian. »Nehmt euch Teller! Der Kuchen ist noch warm, dann schmeckt er euch am besten. Ich kenne euch, ihr Schleckermäuler.« Toni kam herein und begrüßte die Kinder, dann fragte er. »Na! Wie war's in der Schule?« »Och, wie immer!«, sagte Basti mit vollem Mund. »Des stimmt net«, widersprach ihm seine kleine Schwester Franziska heftig. »Der Fellbacher hat uns heute besucht und uns Zettel gegeben.« »So? Was für Zettel?« Franziska holte ein Blatt Papier aus ihrem Rucksack und gab es Toni. Anna trat neben ihren Mann. Sie lasen es gemeinsam. Liebe Mitbürgerinnen, Mitbürger und Freunde unserer schönen Gemeinde Waldkogel! Der Gemeinderat von Waldkogel und ich, Euer Bürgermeister, rufen Euch auf, Vorschläge einzureichen, wie wir unser schönes Waldkogel noch beliebter machen können. Vorschläge sind schriftlich einzureichen. Dazu steht im Treppenhaus des Rathauses ein besonderer Briefkasten bereit. Ich freue mich auf Eure Anregungen und Vorschläge. Euer Bürgermeister Fritz Fellbacher Toni und Anna schauten sich an. »Weißt du etwas davon?« »Naa, Anna! Des muss sich der Fellbacher ganz frisch ausgedacht haben. Aber vielleicht ist beim Stammtisch etwas erzählt worden. Ich werde meine Eltern anrufen.« Toni griff zum Handy. Sein Vater nahm das Gespräch an. Toni hörte zu, was sein Vater ihm berichtete. Vor einigen Tagen sei es am Stammtisch hoch hergegangen. Fellbacher

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Toni der Hüttenwirt –129–

Freunde aus Kindertagen

Roman von Friederike von Buchner

Es war früher Nachmittag in den Bergen. Sebastian und Franziska kamen über das Geröllfeld. Wie jeden Tag hatten sie nach der Schule bei Tonis Eltern zu Mittag gegessen. Danach hatte Xaver Baumberger die Kinder auf die Oberländer Alm gefahren.

»Da seid ihr ja!«, begrüßte sie Anna.

Die beiden warfen ihre Schulranzen in die Ecke der Küche.

»Au fein, Apfelkuchen mit Streusel, lecker!«, strahlte Sebastian.

»Nehmt euch Teller! Der Kuchen ist noch warm, dann schmeckt er euch am besten. Ich kenne euch, ihr Schleckermäuler.«

Toni kam herein und begrüßte die Kinder, dann fragte er.

»Na! Wie war’s in der Schule?«

»Och, wie immer!«, sagte Basti mit vollem Mund.

»Des stimmt net«, widersprach ihm seine kleine Schwester Franziska heftig. »Der Fellbacher hat uns heute besucht und uns Zettel gegeben.«

»So? Was für Zettel?«

Franziska holte ein Blatt Papier aus ihrem Rucksack und gab es Toni.

Anna trat neben ihren Mann. Sie lasen es gemeinsam.

Liebe Mitbürgerinnen, Mitbürger und Freunde unserer schönen Gemeinde Waldkogel!

Der Gemeinderat von Waldkogel und ich, Euer Bürgermeister, rufen Euch auf, Vorschläge einzureichen, wie wir unser schönes Waldkogel noch beliebter machen können.

Vorschläge sind schriftlich einzureichen. Dazu steht im Treppenhaus des Rathauses ein besonderer Briefkasten bereit.

Ich freue mich auf Eure Anregungen und Vorschläge.

Euer Bürgermeister Fritz Fellbacher

Toni und Anna schauten sich an.

»Weißt du etwas davon?«

»Naa, Anna! Des muss sich der Fellbacher ganz frisch ausgedacht haben. Aber vielleicht ist beim Stammtisch etwas erzählt worden. Ich werde meine Eltern anrufen.«

Toni griff zum Handy. Sein Vater nahm das Gespräch an. Toni hörte zu, was sein Vater ihm berichtete.

Vor einigen Tagen sei es am Stammtisch hoch hergegangen. Fellbacher war spät von einer Zusammenkunft aller Bürgermeister des Kreises zurückgekommen. Dort war eine Rangliste der Gemeinden verteilt worden. Fellbacher hatte es gewurmt, dass Waldkogel nicht den ersten Platz belegt hatte. Darüber waren am Stammtisch heftige Diskussionen ausgebrochen. Besonders Franz Huber, der Strohmann von Ruppert Schwarzer, hatte sich hervorgetan. Er meinte, es sei kein Wunder, dass Waldkogel weiter hinten auf der Liste stehe. In Waldkogel gäbe es nix, was modern ist, keinen Sessellift, keine Seilbahn, keinen Klettergarten für Kinder, mit dem die anderen Gemeinden punkteten, und den Bergsee könne man auch vermarkten. Dass dazu ein Investor notwendig sei, wäre doch keine Schande. Ruppert Schwarzer würde liebend gern in Waldkogel investieren.

Xaver berichtete, dass es in der Wirtsstube zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen war, zwischen den Befürwortern und Gegnern. Erst als Tonis Vater eine Runde Freibier für alle spendierte, wurde es etwas ruhiger. Irgendjemand hatte dann den Vorschlag in den Raum geworfen, zu dem Thema alle Bürger in Waldkogel zu befragen und alle Vorschläge machen zu lassen. So war es zu dem öffentlichen Aufruf gekommen.

»Jetzt verstehe ich, Vater. Des ist doch eine gute Idee und demokratisch dazu. Hast du schon etwas eingereicht?«

»Naa, Toni! Deine Mutter und ich, wir machen uns noch Gedanken. Aber im Grunde soll man solche Ranglisten net so ernst nehmen. Daran hat sich eine Firma für Umfragen mal wieder eine goldene Nase verdient.«

»Ja, das denke ich auch. Wer weiß, welche Kriterien sie zugrunde gelegt haben. Ich finde, dass wir und der Fellbacher uns net davon aus der Ruhe bringen lassen sollten. Waldkogel ist schön, so wie es ist. Die Gäs­te kommen zu uns, weil sie Ruhe und die Natur suchen und net eine Landschaft, die mit Hightech zugebaut ist, als wäre das Tal ein Vergnügungspark. Des kannst dem Fellbacher von mir ausrichten.«

»Das werde ich, Bub. Aber noch besser ist, wenn du selbst mit ihm redest, Toni. Deine Stimme hat Gewicht. Du und die Anna, ihr führt die Berghütte traditionell. Des hat sich bewährt.«

»Des stimmt, wir könnten anbauen. In diesem Sommer haben wir besonders viele Hüttengäste. Aber des machen wir net. Ich will keinen Massenbetrieb haben. Tradition und Qualität, die gehen uns vor Quantität. Außerdem würde dann unser schönes Familienleben darunter leiden.«

»Recht so, Bub! Grüße mir die Anna und die Kinder. Ich muss auflegen, Toni. Draußen fahren die neuen Pensionsgäste vor.«

»Grüß mir die Mutter von uns allen!«

Das Gespräch war beendet. Toni erzählte Anna und dem alten Alois, der in die Küche gekommen war, was ihm sein Vater berichtet hatte.

»Ach, des geht vorbei, Toni! Weißt, die Bürgermeister untereinander, die stehen in Konkurrenz. Da will einer den anderen übertrumpfen und sich und seine Gemeinde groß herausstellen. Des geht vorbei. Waldkogel ist eben anders, als diese Touristennester ringsherum, und so soll es bleiben. Ich werde dem Fellbacher einen Brief schreiben, dass er alles so lassen soll, wie es ist«, verkündete der alte Alois und ging in seine Kammer.

»Recht hat er, Toni!«, sagte Anna. »Waldkogel ist schon ein besonderer Ort. Fellbacher soll sich net nervös machen lassen. Das Ganze ist ein Sturm im Wasserglas und geht vorbei.«

»Richtig, Anna!«

Toni nahm seine Anna in den Arm und gab ihr einen Kuss. Dann arbeiteten sie weiter. Anna ging in die Küche. Toni bediente die Hüttengäs­te. Den ganzen Tag ging Toni Fell­bachers Aufruf nicht aus dem Kopf. Es musste doch etwas geben, um Waldkogel hervorzuheben.

*

Die Sonne war gerade über den Bergen im Westen versunken. Die Hüttengäste auf der Terrasse der Berghütte tranken ihr Bier aus und zogen sich nach und nach auf den Hüttenboden und in die Kammern zurück.

Tonis Handy läutete:

»Guten Abend! Mein Name ist Lars Fischbacher. Ich hoffe, ich störe nicht. Ich weiß, es ist schon spät. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Ich habe mir eine Liste von allen Berghütten gemacht, auf denen ein Toni Hüttenwirt ist und telefoniere schon seit Stunden alle Berghütten in den Alpen ab.«

»Ja, mein Name ist Toni«, warf er ein. »Es gibt so einige. Mein Familienname ist Baumberger.«

»Das ist es ja, einen Familiennamen habe ich nicht. Als Anhaltspunkt habe ich nur den Mädchenname einer Frau, die vor Jahren einen Toni geheiratet hat. Die suche ich. Sie heißt Dorothea Annabelle, ihr Mädchennamen war Zwirner.«

»Ah, da kommen wir der Sache schon näher. Einen Augenblick!«

Toni deckte mit der Hand das Handy ab.

»Du, Anna, da sucht dich jemand. Scheint die ganzen Alpen nach dir abgesucht zu haben.«

Toni reichte Anna das Handy.

»Grüß Gott, Anna hier!«

»Du bist es wirklich, Dorothea – Annabelle! Ich erkenne dich an der Stimme. Hier ist Lars, Lars Fischbacher. Was bin ich froh, dich gefunden zu haben! Erinnerst du dich noch an mich?«

»Wie kannst du fragen? Ich bin nur etwas überrascht. Wo bist du? Was machst du so?«

»Im Augenblick sitze ich in meinem Auto auf einem Parkplatz in Kirchwalden. Ich habe dich gesucht. Ich dachte, ich mache noch einen Versuch, und wenn ich dich dann nicht gefunden habe, dann lasse ich es sein.«

»In Kirchwalden? Das ist ganz hier in der Nähe.«

Anna setzte sich auf einen Küchenstuhl. Toni beobachtete sie. Sie schien sich über diesen Anruf sehr zu freuen. Sie erklärte Lars genau, wie er fahren sollte.

»Wann kommst du, morgen früh oder willst du jetzt noch kommen?«

Lars schlug Annas Angebot nicht aus, sofort zu kommen. Anna versprach, dass ihn Toni auf der Oberländer Alm abholen würde.

»Ich freue mich auf dich, Lars. Dann sehen wir uns spätestens in einer Stunde. Bis dann!«

Anna legte auf und lächelte.

»Toni, das war einer meiner Jugendfreunde. Lars lebte ganz in der Nähe der Eltern meiner Mutter. Wenn ich in den Ferien bei ihnen war, sind wir mit den Neufundländerhunden herumgefahren oder ruderten auf den Fischteichen seiner Familie. Lars war auf dem Weg in den Süden und dachte unterwegs daran, dass er mich besuchen könnte. Er hatte aber weder unserer Telefonnummer dabei, noch konnte er sich daran erinnern, wie ich jetzt heiße. Es war wohl ein schönes Stück Arbeit, mich zu finden.«

»Siehst aus, als würdest du dich riesig freuen. Dann mache ich mich gleich mit Bello auf den Weg hinunter auf die Oberländer Alm und hole ihn ab.«

»Danke, Toni! Ich richte noch eine schöne Brotzeit her. Das wird sicherlich noch ein fröhlicher Abend. Zum Glück sind die Hüttengäste früh schlafen gegangen, da bleibt etwas Zeit für Privates und Erinnerungen. Toni, Lars wird dir gefallen. Ich freue mich so, mal wieder Besuch aus der Heimat zu haben.«

»Hast net dann und wann doch ein bisserl Heimweh?«, fragte Toni und nahm Anna in den Arm.

»Heimweh, so will ich es nicht nennen. Aber so ein schöner Schwatz mit alten Freunden und Freundinnen ist nicht zu verachten. Du hast alle deine Jugendfreunde hier in Waldkogel.«

»Des stimmt!«, sagte Toni.

Er rief nach Bello, steckte zwei Stablampen ein und machte sich auf den Weg zur Oberländer Alm.

Jetzt hatte Anna viel zu tun. Sie deckte am Kamin einen Tisch und richtete die Brotzeit her. Dann kramte sie ihr altes Fotoalbum heraus und schwelgte in Erinnerungen, bis Toni mit Lars kam.

»Guten Tag, Bella!«, rief er.

»Hallo, Lars!«

Die beiden fielen sich in die Arme.

»Bella nennt er dich?«, lachte Toni. »Dass dich jemand Bella nennt, davon hast du mir nie erzählt.«

»Ja, deine Anna, wie du sie jetzt nennst, wurde in unserer Jugend Bella gerufen. Bella, was übersetzt die Schöne heißt, das passt zu ihr auch heute noch. Obwohl ich zugeben muss, wärst du so im Dirndl an mir vorbeigegangen, wäre ich nicht sicher, ob ich dich erkannt hätte. Aber toll schaust aus – und glücklich.«

»Ich bin auch glücklich. Wie geht es dir?«

Anna sah, dass ein leichter Schatten auf Lars’ Gesichtszüge fiel. Er überging Annas Frage, indem er sagte:

»Das sieht aber lecker aus!«

»Hast du Hunger?«

»Sicher, ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Den ganzen Tag saß ich nur im Auto, habe telefoniert und dich gesucht.«

»Ich fühle mich sehr geehrt. Dann setz dich und greife zu! Butter und Käse sind von der Oberländer Alm. Wurst und Schinken sind aus dem Dorf, alles Hausschlachtung. Die eingelegten Gurken sind von meiner Schwiegermutter und das Brot habe ich gebacken.«

Lars fing an zu essen. Es schmeckte ihm.

»Bella, pardon, Anna meine ich, dass du mal Hüttenwirtin sein wirst, das war so unwahrscheinlich …, wie wenn mir jemand sagen würde, er wolle nächste Woche auf dem Mond eine Eisdiele eröffnen.«

Sie lachten.

»Warum hast du nicht meine Großeltern angerufen und einfach nach mir gefragt?«

Lars schüttelte den Kopf.

»Deine Großeltern sind solche lieben Menschen. Ich wollte sie net anlügen, dass ich deine Adresse liegen gelassen hätte oder so. Außerdem sehen sie meine Familie oft. Ich wollte nicht, dass sie wissen, wo ich bin.«

Er schaute Anna ernst an. Anna legte die Stirn in Falten.

»Ich habe mir eine Auszeit genommen, bin einfach ins Blaue gefahren. Ich muss Abstand gewinnen und mein Leben neu überdenken. Es war alles ein bisschen viel in letzter Zeit. Mehr will ich jetzt nicht erzählen.«

»Das musst du auch nicht. Die Berge sind genau der richtige Ort, um sein Leben zu überdenken. Damit habe ich Erfahrung. Du kannst so lange bleiben, wie du willst. Genieße einfach die Ruhe, die klare Luft! Dann wirst du schon sehen.«

Toni stimmte zu.

»Lars, du wirst feststellen, dass von den Bergen und der Natur ein ganz besonderer Zauber ausgeht. Die Berge geben Ruhe und Gelassenheit in dein Herz. Alles wird gut werden, was auch immer auf dir las­tet.«

Lars nickte dankbar.

Sie saßen noch eine Weile zusammen. Lars und Anna erzählten Toni Geschichten aus ihrer Kindheit. Sie blätterten in dem alten Fotoalbum. Toni bemerkte, dass Lars immer lockerer wurde. Das Gespräch mit Anna schien ihm gut zu tun. Anna vermied auch, nach Lars’ Familie zu fragen, seinen Eltern und seinem älteren Bruder Henning. Geschickt umging sie das Thema. Tauchten Fotos in dem Album auf, auf denen Lars mit seiner Familie und seinem Bruder zu sehen war, blätterte Anna weiter.

Es war schon nach Mitternacht, als Lars in seine Kammer ging. Anna wechselte noch einige Worte mit Lars.

»Dann schlafe gut und träume schön, Lars«, wünschte ihm Anna. »Du weißt doch, dass es sein kann, dass die Träume, die man in der ers­ten Nacht in einem Bett träumt, in Erfüllung gehen.«

Lars schmunzelte.

»Ach, Anna, schade, dass wir keine Kinder mehr sind. Dann hätte das Leben noch Geheimnisse. Den Zauber gibt es nicht mehr, an den wir glauben konnten und der uns Hoffnung gab«, seufzte Lars.

»Oh, da kann ich dir nicht zustimmen, Lars. Du wirst dem Zauber der Berge erliegen, wie alle, die zu uns kommen. Lass es einfach geschehen. Höre auf, darüber zu grübeln, was immer deinen Kopf auch belastet. Es wird alles gut werden.«

»Du siehst mir an, dass ich nicht ganz glücklich bin?«

»Ja, Lars! Ich sehe es dir an. Du spielst zwar den Fröhlichen, aber in deinen Augen kann ich die Traurigkeit sehen. Hast du Liebeskummer?«

»Nein, das ist es nicht. Ich habe niemanden. Mein ganzes Leben ist durcheinander. Ich weiß nur eines, so kann es nicht mehr weitergehen.«

»Kann ich dir helfen, Lars?«

»Ach, ich bin schon froh darüber, dass ich dich gefunden habe. Es fiel mir unterwegs ein, dass ich dich auf dem Weg in den Süden besuchen könnte.«

»Das war eine gute Idee. Jetzt bist du hier und ich nehme mir Zeit für dich, wann immer du willst.«

Er warf ihr einen dankbaren Blick zu. Anna wünschte ihm nochmals eine gute Nacht und schloss die Tür.

»Ihn scheint etwas zu bedrücken, Anna. Hat er etwas gesagt?«

»Nicht viel, aber ich denke, dass es ihm nicht gut geht und es mit seiner Familie zusammenhängt. Er hat einen älteren, sehr dominanten Bruder. Lars war eher der stille Typ. Die beiden Brüder sind sehr verschieden, es gab immer Spannungen zwischen ihnen. So war es jedenfalls in meiner Kindheit. Hennig, so heißt sein älterer Bruder, war immer eifersüchtig auf Lars, denn Lars war ein Sonnenschein und eroberte auf seine stille Art alle Herzen. Es wird Lars guttun, eine Weile bei uns zu sein.«

»Das wird es sicherlich. Wenn man Kummer hat, dann ist es das Beste, bei guten Freunden zu sein.«

»Das stimmt, Toni. Wie heißt es? ›Familie und Verwandte kann man sich nicht aussuchen, Freunde schon‹. Das ist sicherlich richtig. Toni, wenn ich einen Menschen kenne, außer dir, der es verdient hat, glücklich zu sein, dann ist es Lars. Er ist wirklich ein feiner Bursche, hilfsbereit, freundlich, höflich, einfach ein lieber Mensch, der niemandem etwas Böses antun könnte.«

»Solche Menschen werden oft ausgenutzt«, bemerkte Toni.

»Genauso ist es. Lars kommt nach seiner Mutter. Sie war eine Freundin meiner Mutter. Eine wunderbare Frau! Henning, der ältere Bruder, geriet mehr nach seinem Vater. Nicht, dass Knut Fischbacher ein übler Bursche wäre, nein, das ist er sicherlich nicht. Er ist nur …« Anna suchte nach Worten. »Er ist nur eben ein richtiger Macho.«

»Wir werden Lars die Zeit hier auf der Berghütte schön machen. Wenn du willst, dann gehe mit ihm wandern, Anna.«

»Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Es wäre nicht schlecht, wenn er sich mit mir ausspricht, aber das wird er eher tun, wenn wir allein sind. Zuerst lassen wir ihm Zeit. Nächste Woche sehen wir weiter. Lars ist jemand, der alles ruhig angeht. Ich kenne ihn. Ihn kann man nicht bedrängen.«

Toni und Anna redeten noch eine Weile über Lars, dann schliefen sie ein.

*

Es war schon später Vormittag, als Lars auf die Terrasse der Berghütte kam.

»Guten Morgen, Anna!«

»Guten Morgen, Lars! Hast du gut geschlafen?«

»So gut habe ich schon lange nicht mehr geschlafen.«

»Das ist wunderbar. Setze dich her, ich hole dir das Frühstück.«

»Ich kann dir helfen. Wo ist Toni?«

»Toni ist nach Kirchwalden gefahren, zum Einkaufen. Er wird erst kurz nach dem Mittagessen kommen. Dann bringt er die Kinder mit herauf. Wir haben zwei Adoptivkinder, Sebastian und Franziska. Wir lieben sie sehr und sie uns. Sie mögen nicht, wenn man sie darauf anspricht, dass wir sie angenommen haben. Das will ich dir noch sagen.«

»Ich werde vorsichtig sein. Wie kam es dazu?«